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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.11.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-11-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051114025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905111402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905111402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-11
- Tag 1905-11-14
-
Monat
1905-11
-
Jahr
1905
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Ä nzetgen-Auuahme: Lugustu-platz 8, Ecke JohauuiSgass«. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von MH 8 bis abends 7 Uhr. Filtal-Expebtttoiu Vertin. Lü-owstr. 10. . . Drrsdeu.Marienstr.üä. Druck und Verlag von E. Pelz tu Leipzig N-h. Dr. R. » L «ltuthardtX Herausgeber: Qe, Viktor sklinkhardt. Nr. 581. Dienstag 14. November 190Ü. SS. Jahrgang. Var MÄtigrie vom rage. * 3u Ostafrika haben deutsche Streifabteiluugen den ^lfstä^di^eu schwere Verluste beigebracht. (S. Deut- * Laut Verfügung des Reichspostamtes sind Pakete und Wertbriefe nach Finnland und Persien auf dem Wege über Rußland wieder zugelafsen; der Paket- und Wertbrief verkehr unterliegt keine» Beschränkungen mehr. * Griechische Bauden brannte» das Kutzowallachische Dorf Ardeala nieder. 200 Häuser sind zerstört. * Ä« Petersburg führen seit gestern sämtliche Fabrik arbeiter eigenmächtig den Achtstundentag durch. Falls infolgedessen Aussperrungen erfolgen sollten, wrrd wieder all- gememer Streik angedroht. * In Marseille wütet ein gewaltiger Orkan. (S. Neuigkeiten,) kolitirche lagerrGa«. Leipzig, 14. November. Die Judenmassacres in Rußland. Nach und nach dringen Einzelheiten über die Juden massacres in Rußland nach dem Ausland. Es sind haar- sträubende Berichte, die von Ausbrüchen einer so bestia lischen Rohheit Kunde geben, daß man, um Analogien zu finden, bis in den 30jährigen Krieg und die finster sten Zeiten des Mittelalters zurückgreifen müßte. Die schauderhaften Schilderungen gleichen sich so ziemlich alle. Es ist überall dasselbe Bild einer uns unfaßbaren Blut-, Mord- und Raubgier, von der die unterste Schicht des Volkes plötzlich ergriffen wird und die in vielen Fällen völlig ungehindert von Polizei und Militär, ja teilweise von ihnen any?stvch"lt und unterstützt, uitter der unglücklichen jüdischen Bevölkerung wütet. Es würde mehrere Spalten füllen, wollte man die grauen- haften Erzählungen veröffentlichen, die jetzt, da die russischen Zeitungen meist immer noch nichts über die Vorgänge bringen dürfen, durch Zeitungskorresponden ten und Privatmitteilungen zur Kenntnis des entsetzten Europas gelangen. Es mag genügen, einen dieser Be richte hier abzudrucken, in dem über die Greueltaten in Odessa und Umgebung folgendes mitgeteilt wird: Der Odessaer Vorort Dalnik, in dem am 6. Novem ber abends Unruhen stattfandcn, wurde der Schauplatz der furchtbarsten Auftritte. Sämtliche jüdischen Häuser und Läden wurden ausgcplündert und niedergebrannt. Die gleichen Szenen spielten sich in den großen Dörfern Sewormowka und Anatoniewka, sowie in den Städten Ovidiopol, Majaka, Akkerman, Ataki, Olviopol und Winitza ab. Es kommen jetzt einige Tatsachen zu Tage, die das Verschulden des Militärs und der Polizei deut lich dartun. In einem jüdischen Hause der Prokorows- kajastraße befanden sich -16 Eisenbahnarbeiter, die die In sassen gegen einen Angriff des Pöbels verteidigten. Eine Kompagnie Infanterie, an deren Spitze Polizeioffiziere standen, schoß diese Eisenbahnarbeiter nieder und ließ den Pöbel sodann die jüdischen Einwohner ermorden. Vor der jüdischen landwirtschaftlichen Schule erschienen wüste Gesellen, die Geld verlangten. Die Schulvorstehe rin gab ihnen ihren ganzen Barbestand unter der Be dingung. daß die Waisenkinder verschont würden. Trotz dem begannen die Räuber die Schule auszuplllndcrn und erschlugen acht von den fliehenden Kindern. Ein Polizist erzwang sich an der Spitze des Pöbels Zutritt zu der Wohnung eines Rabbiners und verlangte die Auslieferung des Kassenschlüssels. Der Rabbiner ant wortete, das Geld gehöre mcht ihm, sondern den Witwen und Waisen. Diese Antwort setzte den Pöbel so in Wut, daß er den unglücklichen Mann den fürchterlichsten Fol terqualen aussetzte. Als einer der Mörder im Begriff stand, den Rabbiner zu köpfen, gab dessen Frau, um sein Leben zu retten, die Kassenschlüssel heraus. Die Ban diten plünderten darauf die Kasse und erschlugen sodann den Rabbiner und seine Frau. Die traurigen Bilder, die sich am 7. November bei der Beerdigung von 412 ermordeten Juden auf dem Kirchhof in Odessa abspielten, sind nach Meldung des Reuterschen Berichterstatters unbeschreiblich. Viele Frauen wurden ohnmächtig und die Luft war erfüllt von verzweifeltem Geschrei. Sämtliche jüdischen Läden und auch viele christlichen Etablissements hielten zum Zeichen der Trauer geschlossen. Die Ermordeten wurden in Mas- sengräbern, von denen jedes 70 Leichen aufnahm, bestattet. Die Studentenleichen wurden von denen der Juden abgesondert begraben. Sämtliche Gräber erhiel- ten Kränze mit Inschriften wie „Märtyrer des Glau bens", „Opfer der Autokratie" und „Kämpfer für Frei- beit". 245 Leichen konnten nicht identifiziert werden, weil die Gesichter durch Schläge vollständig entstellt waren. Der angerichtete Schaden wird auf viele Mil lionen Rubel geschätzt. Mehr als 800 Familien sind vollständig ruiniert, die reichsten Kaufleute sind zu armen Menschen geworden, die von Almosen leben müssen. Die am 7. November zum ersten Male wieder erschienenen Zeitungen haben angesichts der Drohungen des Gouver neurs, daß eine Besprechung der Vorkommnisse neue Unruhen Hervorrufen könne, nicht gewagt, die traurige Woche auch nur mit einem Worte zu erwähnen. Da-s Ergebnis der Wiesbadener Arbeitsnachweis- Konferenz. Der Höhepunkt der Wiesbadener Arbeitsnachweis- Konferenz war das großzügige Hauptreferat des Chef- redakteurs Dr. Franz Ludwig-Lübeck über den gewerbsmäßigen r l : i t s n a ch w 7 i'. I;« einem L'Mündiqen Vortrage legte Dr. Ludwig die Er gebnisse seiner langwierigen und umfangreichen En quete über die gewerbsmäßige Stellenvermittlung im Bäcker-, Fleischer-, Gast- und Schankwirtschafts-, Han dels. und Transportgewerbe, in der Landwirtschaft, dem Hausgcsindedienst, Bühnen- und Artistenberuf dar. Diese Darstellung machte auf die anwesenden Regie- rungsvertrcter und Delegierten, die mit spontanem Bei fall nicht kargten, tiefen Eindruck. Sämtliche Diskus sionsredner mit Ausnahme der Vertreter der gewerbs mäßigen Stellenvermittlung (als solche waren ein Vor- standsmitglied des Bundes deutscher Stellenvermittler und der Börsensyndikus der Berliner Gesinde- und Ar beitsbörse erschienen) stimmten rückhaltlos dem Referen- ten zu, dec in dem gewerbsmäßigen Arbeitsnachweise eine Schädigung der volkswirtschaftlichen Interessen er blickt und dessen Anschauung durch den öffentlichen Ar beitsnachweis fordert. Aus der Enquete Dr. Ludwigs ist besonders bemerkenswert, daß ein fast lückenloses Gutachten der deutschen Landwirtschaftskammer und der landwirtschaftlichen .Hauptvereine vorliegt, und daß die übergroße Mehrheit der landwirtschaft lichen Korporationen sich für völlige Ausmerzung des Stellenvermittlungs gewerbes im Interesse der Landwirt schaft ausspricht. Diese Tatsache wird sicher bei der Reichsregierung beachtet werden. Die Ver treter der Arbeitnehmerorganisationen stellten sich ein mütig auf den Standpunkt des Referenten und forder ten die Massenverbreitung des Referats. Die Reform wird in der EinführungdesBedürfnisnach- weises für das Stellenvermittlungsgewerbe erblickt, mit der Maßgabe, daß das Bedürfnis zur Neukonzessio- nierung überall dort verneint werden soll, wo öffentliche, unter gemeinnützigen Gesichtspunkten geleitete Arbeits nachweise bestehen. Das französische Gesetz von 1904, welches das Verbot der gewerbsmäßigen Stellenverinttt- lung durch die Gemeinden ermöglicht, hat mancherlei SÄvächen-, namentlich die Entschädiyungsfrage ist ein Wunder Punkt. Sofortige oder allmähliche Abschaffung der gewerbsmäßigen Stellenvermittlung im Wege der Reichsgesetzgebung ist das Endziel der Reform. Bei die sem Modus erspart man die Gelder für den Rückkauf der Konzessionen, die schon 20 Millionen Mark betragen würden, wenn man durchschnittlich jeden Stellenvermttt- lcr mit nur 3000 Mark entschädigte. Jedenfalls muß dem vielfach gemeinschädlichen Treiben der Stellenver mittler energrsch entgegengetreten werden, da die gel tenden Gesetze die Mißstände nicht zu beseitigen vermoch ten und mit Leichtigkeit umgangen werden konnten. veulschrr Keicb. Leipzig, 14. November. * Erfolgreiche Operationen in Deutsch-Ostafrika. Im ostasrikanischen Aufstandsgebiet sind, wie aus einem Kabelbericht des „L.-A." hervorgeht, die Rebellenhorden, die bei Kilossa sengend und raubend ihr Unwesen trie ben, von den deutschen Streitkräften des gefährdeten Bezirks geschlagen und zersprengt worden. Auch sonst haben die deutschen Streifabteilungen, die in den ver schiedensten Gegenden des weiten Gebietes die Ruhe wieder Herstellen sollen, ihre schwierige Aufgabe rasch imd glänzend gelöst. So wird aus Mohoro nach Dar es Salaam gemeldet, daß Aufständische aus Matumbi und den Kitschi-Bergen die Abwesenheit des Oberleut nants Paasche benutzten und zwischen Nyamwiki und Mtanza ins Rufidii-Gebiet eingefallen sind. Sie brann. ten zahlreiche Hütten nieder und entführten Weiber und Kinder. Mehreren Nachrichten zufolge haben am 8. d. Mt^. ein 2 1000 nsständischc Köndoa r)nd eine Anzahl kleiner Dörfer bei Kilossa überfallen und verbrannt. Die Bevölkerung hatte sich rechtzeitig auf die befestigte Station geflüchtet. Die Aufständischen, die sich bald nach Süden wendeten, wurden vom Bezirksamtmann Lambrecht und Feldwebel Eolberg verfolgt und er litten starke Verluste. Zum Schutz der Karawanenstraße und der Mission Jlonga ist bei Tendija unter dem Un teroffizier Ernst ein befestigtes Lager eingerichtet wor den. Nach Meldung des Bezirksamts Neu-Langenburg haben die vereinigten Abteilungen der Hauptleute Rich, ter und Nigmann sowie des Oberleutnants Klink- Hardt bei Nyambengo, nordöstlich bei Ssongea 4000 Wanqoni geschlagen und ihnen schwere Verluste beigebracht. Die Wangoni verloren außerdem in meh reren Patrouillen-Gefechten zahlreiche Tote. Oberleut nant Krieg hat mit seinem Detachement der Kompag nie Jringa und zahlreichen Hilfskriegern das Gebirgs land zwischen dem Lukossa und dem rechten Ufer des un teren Ruaha durchstreift und Banden Aufständischer, welche auf Kilossa marschierten, zerstreut. Die Aufstän- bischen erlitten starke Verluste. Das Detachement Krieg hat sodann den Weitermarsch auf Utschungwa angetre ten, wo die ansässige treue Bevölkerung von Aufständi schen bedroht wird. Hauptmann vonKassel operiert mit einem Teil der Kompagnie Mahenge und zahlreichen Hilfskriegern des Sultans Ruvanga am Ulanga. Der Sultan fiel in einem Gefecht bei Mkio. Aus Bi 8- marcksburg werden infolge Abzugs der Besatzung nach Ssongea Widersetzlichkeiten von Häuptlingen ge meldet. Stadt und Bezirk Tabora sind vollkommen ruhig, ebenso die Handelsstraßen nach Muanza und Udjldji. * LtndequtftS Programm. Schon einmal wurde nach Informationen der „Köln. Ztg." auf das Programm res neuen Gouverneurs für Süvwestafrika hinqewiesen. Jetzt geben ihm auch die „Windhuker Nachr." Raum. Es reckt sich großen Teils mit den schon bekannt geworden Ansichten. Gegen Morenga und seine Gefolgschaft gerenkt Herr von Lindequist Maßnahmen versöhnender Natur ainuwenden. Den noch im Felde siebenden Hereros soll eine einmonatliche Gnadenfrist eingeräumt und nach dem Ablauf rücksichtslos gegen sie vorgegangen werden. Die Witbois sollen mit aller Schärfe verfolgt werde« bis z« ihrer Uebergabe. Sämtlich- Anführer der letzteren werden gehängt. Cs wird der Hoff nung Ausdruck gegeben, daß sich England dank verstehen wirr, die auf englisches Gebiet übergetretenen Hereros nach einem entfernter gelegenen Orte, vielleicht Natal, z« ver bannen. Schließlich soll auch Nechale zur Rechenschaft ge zogen werden. * Nach de» vrsuche des Sö»ts» van Spaoie». Aus Berlin wird uuS geschrieben. Nachdem König AifonS wieder jenseits der deutschen Grenze ist, sind doch ei» paar Worte über die gräßlichen AbsperruogSmaßregelu beim Einzug« und auch bei späteren Gelegenheiten am Platze. Es liegt uns fern, im melodramatischen Stil die Geschichte von dem Kontorfräulein zu erzählen, die durch die Aosperruug ver hindert wurde, den Segen ihrer sterbenden Mutter in Em pfang zu nehmen, oder die von dem Manne, der seinen Wechsel nicht rechtzeitig eiulösen konnte und deshalb Pleite machte — das Vergnügen wird in den Montags - Kolportageblättern bereits bis zum Ekel gebeten. Aber auch geruhigere Mitbürger müssen staunend nach dem Zweck der Uebung fragen, wenn noch Stunden lang »ach beendetem Einzüge ganze Stadtteile von einander getrennt gehalten werden, der Mieter nicht t» seine eigene Wohnung und der Geschäftsmann nicht io seinen eigenen Laden kann. Die unvermeidliche, wenn auch sehr ein,chnei- dende Störung des Verkehrs während d«S Einzugs selber trägt der Kulturmensch ja mit Würde. Aber wozu diese Sperrung dann noch hinterher aufrecht erhalte» wird, das mögen wirklich die Götter wissen. * Vom Ruhrkohlengebiet. Wir haben schon auf die verschiedenen Quellen der Unzufriedenheit hingewies'n, aus denen die Bewegung der Bergarbeiter im Ruhr gebiet geschürt wird. Dagegen, daß sie zu einem Streik von größeren Dimensionen auswächst, spricht einmal, daß die Barmittel der Grubenarbeiterkaffen stark er schöpft sind, und daß der Winter die allerungeeignetste Zeit dafür ist. Nun dürfen diese Gesichtspunkte die Re gierung nicht hindern, auf die Herbeiführung befriedi gender Verhältnisse mit geeigneten Mitteln hinzuwir ken. Beachtenswert ist übrigens auch, daß eS im Verein für bergbauliche Interessen, der den Hauptwiderstand gegen durchgreifende Reformen bildet, kriselt. Es wird allenthalben bestätigt, daß neben Geheimrat Kirdorf auch Bergrat Krabler von der Leitung dieses Vereins zurückgetreten sei und nach der „D. T." verlautet in wohlunterrichteten Kreisen, daß der bekannte Groß industrielle Funke-Essen den Vorsitz de- „Bergbau- liehen Vereins" übernehmen werde. * Die sächsische Vergorbettertrtvegung. Die Meldung, daß etwa 200 Arbeitervertreter und Vertrauensleute deS Zwickauer BergrevierS beschlossen haben, in eine Lohnbewegung einzukreten, die 16—18 000 Arbeiter umfassen würde, ist in auswärtigen Blättern vielfach dahin kommentiert worden, als stehe schon ein Streik bevor. Dem gegenüber wird der „Zwickauer Zeitung" geschrieben, daß man im Zwickauer Revier an den maßgebenden Stellen von einer besonderen Beunruhigung der Bergarbeiter nichts weiß. Von einer Streikgesahr könne hier umsoweniger die Rede sein, als die Bergarbeiterschast selbst sehr wohl weiß, daß sie einen un günstigeren Zeitpunkt sür einen Ausstand als den gegen wärtigen aar nicht heraussuchen könnte, ganz abgesehen davon, daß zu einem solchen nicht der geringste Anlaß ge boten ist. — Ob diese Auffassung nicht allzu optimistisch, Feuilleton. RIle Elemente, ckle cker Blocker in sich beschliesst, rufen laut unck vollen alle gewusst unck auswendig behalten sein. Oss ist «lies gut unck löblich an seiner Stelle; aber da meinen ckle bornierten, cker forschencke Leist, unausgesetzt niederblickend, wercke ruletrt cker Lrcke eigenhürig, jecker Rufblick rur blühe falle ihm erst schwer, sei ckann verckrieplich, ckann verhasst, Zuletzt un möglich; unck nachckem er sich ganr entfremdet, was ihm das klüchste sein sollte, dünkt er sich noch wunder wie gross in seinem öetteistolre. Sirre». Denkwürdige Schilleranfsührnugen in Leipzig, Von Wrlly Widmann. II, In „Kabale und Liebe" debütierte am 30. April 1789 als Ferdinand der aus Petersburg nach Leipzig zurück gekehrte Opitz, der jetzt sunter Franz Seconda, des 1789 verstorbenen Bondini Nachfolgers die artistische Lei tung deS Schauspiels übernahm. Anläßlich dieses Gastspiels finden wir Schillers „bürgerliches Trauerspiel" bei Blüm- ner und in den sonstigen theateraeschichtlichen Werken zum ersten Male in Leipzig erwähnt. Wahrscheinlich war „Kavale und Liebe" aber schon früher anfoeführt worden: in Dresden erschien dieses Scknllerische Stuck nachweislich bereits 1785 auf dem Spielplan. Opitz wird als feuriger Ferdinand gerühmt: Louise und Lady Milford waren durch die Damen Albrecht »nd Koch vertreten. Als Nachfolgerin der Albrecht begann am 30. März 1796 Madame Hartwig in der Rolle der Louise ihre erfolgreiche Tätigkeit in Leipzig. Wilhelmine Hartwig geborene Werth en war em Leipziger Kind: ihre Theaterlausbahn begann sie al» Tänzerin und Sängerin bei der Schuchischen Gesellschaft in Rostock und Königsberg; hei Großmann in Hannover wirkte sie dann auch als erste Liebhaberin. Mit 16 Jahren verheiratete sie sich bereits mit ihrem Kollegen Hartwig. Wie an den früheren Stätten ihres Wirkens errang sie sich auch in ihrer Geburtsstadt rasch die Gunst der Theaterfreunde; sie gehörte zu denjenigen Mitgliedern, die später zu dem neu errichteten .Hoftheater in Dresden übergingen. Sie spielte in Leipzig eine Reibe von wichtigen Säullerrollen zuerst; als die über haupt erste Darstellerin der Jungfrau von Orleans lebt ihr Name in der Theatergeschichte für alle Zeiten fort. Im Jahre 1799 erschien als Broschüre eine „Kritik" des ge samten Personals der „kurfürstlich Sächsischen privilegierten deutschen Schauspielergesellichast", wie sich die Truppe jetzt nennen durfte' darin wird von ihr gesagt: „Nie habe ick eine Louise in „Kabale und Liebe" mit mehr Wahrheit, Innigkeit und Feinheit, nie eine Ariadne auf Naxos mit mehr Voll endung. nie eine Friederike in „Edelsinn und Armut" mit mehr Naivität geben sehen. Ihr Mienenspiel ist wahr und sein, ihre Gestikulation treu und natürlich, ihre Haltung edel. Hauptsächlich hat sie ihr schönes braunes Auge cmnz in ihrer Gewalt und zaubert damit, was sie nur will. Man muß in der Tat kein Herz haben, um es nicht im Innersten bewegt zu kühlen, wenn die- Äuge sich in samftem Schmerze mit Tränen zu füllen scheint, oder wenn es sich in stiller Resig nation zum Himmel hebt oder im Wahnsinn vor sich hin- siarrt." An ihrem Vortrag hat der Kritikus dagegen auszu setzen: „Dieler ist etwas gedehnt und fällt zuweilen ms Singende. Zudem will Mad Hartwig jede Silbe deutlich und vernehmlich aussprechen und dadurch muß der Ton ge ziert werden. Stellen aber, die ich nie von einer anderen Schauspielerin so schön qebört und gesehen habe, als von ihr, sind die, wo die Seele in hohem Enthusiasmus ebenzu großen Entschlüssen sich erhoben hat und wo sie in voller Würde und allem Selbstbewußtsein der Tugend und Unschuld auftritt." In einer anderen Charakteristik ihres Wirkens sinken wir folgende Tadel: „Sie spart meist zu wenig- sie ringt schon im ersten Auftritt die Hände: sie läßt die Affekte nicht erst ent stehen, sie sind schon da; sie betont zu viel und verfallt dadurch inS Kostbare." Im Frühjahr 1799 trat Opitz zum ersten Mal« mit Schiller ln Verbindung, und »war wegen der Erwerbung de» „Wallenstein". Am 20. Februar schrieb er von Dreßdrn au- an Schill«: . A..7.. . ! . . „Der allgemeine Ruf von Ihrem neuen Schauspiel: die Piccolomini oder: Wallenstein, womit Sie kürzlich die deutsche Bühne beschenkt habeil, mag meine Frey- heit entschuldigen, daß ich Ew. Hoch Edelgeboren unbe kannterweise mit Durchlesung gegenwärtiger Zeilen beschwer lich falle, und den sehr natürlichen Wunsch hiemit äußere, nach dem Beyspiele anderer Theater, auch eme Abschrift sür das unsrige zu besitzen. Ich ersuche demnach Ew. Hoch Edelgeboren hiedurch ganz ergebens», mir meine Bitte nicht zu versagen, sondern mir sobald als möglich den Preis des Honorars, was Sie dafür verlangen, gefälligst zu bestim men, und versichert zu ;evn, daß ich mich überaus glücklich schätzen werd«, a« ch im Besitze Ihrer neuern vortreflichen Stücke zu sevn, um in der bevorstehenden Leipziger Oster- meße sowohl die Einwohner Leipzigs, als auch die zu selbiger Zeit daselbst anwesenden Fremden ebenso angenehm als überraschend damit zu erfreuen." Schiller überließ den Wallenstein, mit dessen Aus arbeitung er übrigens erst am 17. März zu Ende kam, der Secondaschen Gesellschaft für Leipzig und Dresden um 60 Taler. Die Aufführung in Leipzig erfolgte erst im Herbst 1800. Zuerst wurde „Wallensteins Tod" gegeben, dann gelangte in der richtigen Folge die ganze Dichtung zur Darstellung. Ein Leipziger _L. R. dl." gezeichneter Mitar beiter des „JournaldeS Luxus undder Moden" Weimar, Dezember 1800) berichtet darüber: „L eivzig, den 28. Oktober 1800. Wallenstein- Tod ist den 19. September zum ersten mal auf die Bühne gebracht, den andern Tag wiederholt, hierauf in Verbin- dimg mit den beyden ersten Teilen des dramatischen Ge dichts vom 2. bis 4. October dargestellt und damit den 19. Oktober die Reibe der diesjährigen Vorstellungen der Franz Secondaschen Schausplelergesellschaft, nach dem Mad. Hartwig die Abschiedsrede gehalten, geschlossen worden. Hätte nur nicht Mad. HenIer swelche wohl zu der Ober- forsterin in den Jägern, zur Frau Sooler im Herbsttag, zur Mamsell Stahl in dem Hausfrieden, zur Jungfer Schmalheim in der Aussteuer, so wie überhaupt zur Dar stellung schier karrikaturmäßiger Geschwätzigkeit, Zserhamg- kett und Frömmelei de» betagten weiblichen Alter- taugen mag) als Herzcmin von Friedland selbst di« gemäßigtesten Ansprüche unbefriedigt und die sonst meist brav zusammen- Opitz gab den Wallenstein, die Hartwig die Thekla, Schirmer den Max. Christ den Octavio und Ochsen- helmer den Jllo. Ochsenheimer, geboren 1756 in Mainz, gehörte zu den bedeutenderen Charakterdarstellern seiner Zelt, namentlich im engeren Fache der Intriganten. Eine seiner Glanzrollen war der Sekretär Wurm in „Kabale und Liebe" später wurde er auch ein ausgezeichneter Talbot. Sein Spiel beruhte auf sorgfältiger Lebensbeobachtung. Auf den jungen Ludwig Devrient übte er den ersten Einfluß aus. Die „Zeitung für die elegante Welt" sagt von ihm, ein Lessingsches Wort variierend: „Auch ohne Hände und Füße würbe er ein großer Schauspieler bleiben. Sein Mienenspiel und seine Beobachtung mochten wohl nur von Jsfland Übertrossen werden." Eine ausführliche Besprechung der Leipziger Wallenstein-Erstaufführungen finden wir im „Taschenbuch für'S Theater zum neuen Jahr hundert" (Hamburg, 1801): „Es wurde viel, über Erwarten viel geleistet, und selbst die Klippe des Reims in dem Wallensteinschen Lager glück lich überwunden, wobei Haffner als Wachtmeister vom Terzkyjchen Regiment und Bösenberg als Schulmeister ldiese Rolle war mit der des Kapuziner- vereinigt) besonders glücklich, natürlich und unbefangen spielten. Tie feierliche Musik der Ouvertüre und die fröhliche des Neiterliedes lvon einem gewissen Schulze, wenn ich nicht irr«) vermehrten eine Illusion, welcher nur die geringe Tiefe des Theaters hinderlich war. In den Piccolomini und Wallensteins Tod war Opitz' meisterhaftes Spiel im Ganzen unverkennbar. Zur mebrern Gleichheit hatte man die 2 ersten Akten des letzter» Schauspiels mit zu dem ersten gezogen, so daß dieses bis zum völligen Abfall Wallensteins spielt. Unvergleichlich gab Opitz ^die ernste Scene mit Questenberg, die des Neber- ganas zu Schweden; die, wo er seine letzten Kräfte ausrasst, z. B. wie er mit den Dragonern spricht, wie er, von ollen verlassen, im alleinigen Vertrauen aus seinen persönlichen Einfluß, vorbereitet, sich dem Heere zu zeigen; die letzten häuslichen Scenen voll gedrückter Wehmut: die Zuflucht in ButtlerS, deS Verräters Arme; doS letzte Gute Nacht. Von Anfang an schwebte ein Zug düstrer Schwermut und auf steigender Bedenklichkeit auf seiner Stirne, wie ferne- Ge- wölke, da- Gewitter, seinen Abfall, seinen Untergang vor- „ j ,' MWWW MWW
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