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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.11.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051109026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905110902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905110902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-11
- Tag 1905-11-09
-
Monat
1905-11
-
Jahr
1905
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BezugS-Prei- in der Hauptexpedition oder deren Äusgab» »eilen abgehoiL vierteljährlich L.40, bei täglich zweimaliger Zustellung in« Hau vierteljährlich 3-—. Durch unsere aus ¬ wärtigen Ausgabestellen und durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich vierteljährlich 4.50, illr die übrige» Länder laut Zeitung-prei-liste. Redaktion und Expedition: JohanniSgasse 8. Telephon Nr. 153> Nr. 222, Nr. N7S Berliner Redaktion»-Bureaus Berlin tLW 7, Dorotheeustraße SS. Tel. l, Str. VL75. Lre-dner Redaktions-Bureau: TreSden.A*Köuneritzstr.Lch Tel. I«Rr. 4582. Abend-Ausgabe. Unp)igrrTagtblalt Handelszeitung. Amtsblatt -es Äönigl. Land- und des Königl. Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeiqen-PreiS di« »gespaltene Petttzetlr LS Pf. Familien-, WohnuugS- «d Steüeo- Augeig« TO Vf. Finanziell« Anzeigen, Eeschästtaazeigev unter Text zder au besonderer Stelle nach Taris. Für da» Erscheinen au bestimmten Tagen u. Plätzen wird kein« Garantie übernommen. A azetgewAunahme: Augustu-platz 8, Sct« Joha-ui-gass«. Die Expedition ist Wochentag« uuuuterbrochen geöffnet von jrüh 8 bi» abend» 7 Uhr. Filial-Expedition: Berlin. Lützowstr. 10. . » Dresden, M arten str. 34. Druck und Verlag von E. Pol, tu Leipzig (Iah. vr. v, «. L «L «liukhardt). Herausgeben Dr. Viktor Kltnkhardt. Nr. 572. Donnerstag 9. November l905. 89. Jahrgang. Vs» Aichtigrte vom Lage * König AlphonS von Spanien begab sich heute nach Magdeburg und wird von dort mit Kaiser Wilhelm nach Hannover fahren. (S. Deutsches Reich.) * Zn Deutsch -Ostasrika brachte Oberleutnant von Grawert den Rebellen in den Ma tum bi-Bergen starke Lerlüste bei. (S. Deutsche« Reich.) * Die Obstruktion der Eisenbahner hat heute auch auf den in Wien eiumÜndenden StaatSbahuen chrea Anfang genommen. Zn Prag herrscht schon großer Kohirnmangel. Die Regierung kündigt diSciplinarische Maßregeln an. (S. Ausland und Letzte Dep.) foMircbr cagerrchaa. Lettzzis, 8. November. Da« Finanzwesen Japans. Als beim Friedensschluß zwischen Rußland und Japan das letztere auf die geforderte hohe Geldentschä digung verzichten mußte, entstand bekanntlich im Reiche des Mikado eine starke Erregung, die zu Voltsaufläufen ausartete und in der Presse zu heftigen Angriffen auf die Regierung führte. Mar. glaubte in Japan eben allgemein, daß Rußland den Sieger für die ungeheuren Opfer, die er in finanzieller Hinsicht gebracht, einiger maßen schadlos halten müsse und hatte dabei wohl das Gefühl, daß Japan nach dem Kriege in eine schwierige Lage kommen müsse, wenn es nicht durch die russische Milliarden Deckung erhalten könne. Dieses Gefühl war nicht ganz unberechtigt, wie aus einer der „Welt-Korre spondenz" aus Tokio übermitteltenDarstellung hervorgeht, die sich mit dem Finanzwesen Japans näher beschäftigt. Die Kriegskosten werden in diesem von guter Sachkennt nis zeugenden Bericht auf 1500 Millionen Jen — 1 Ben — 2 10 — berechnet. Demnach würde Japan jährlich etwa 65—70 Millionen Zinsen aufzubringen baden. Der Gesamthaushalt Japans beträgt einschließ, lich der Monopole, der Kriegssteuer usw. usw. 400 Mil lionen. Wirtschaftet die Regierung sparsam, wie sie seit Ausbruch des Krieges getan hat, so kann sie mit 180 bis LOO Millionen jährlich auskommen'. Es bleiben ihr also immerhin jährlich 100—120 Millionen zur Schulden- deckung zur Verfügung. Aber cs harren so viele neue Aufgaben der Lösung im eigenen Lande, daß sic mit obiger Summe nicht auf die Tauer längerer Jahre wird rechnen dürfen. Ganz von selbst bietet sich hier nun der Ausweg dar, die neuen Besitzungen, Sacklaiin, Korea, Liaotung und Mandschurei, zur Deckung der großen Schuldenlast heranzuziehen- Große Hoffnungen setzt man besonders auf die Fushun-Kohlenmine in der Mandschurei, deren Wert allein auf 1200—1500 Mil- lionen Den herausgerechnet wird. Ferner hat Japan die ostchinesische Eisenbahn bis Changchun, 782 Kilometer, von Rußland gewonnen. Diese hat Rußland 76 222 471 Rubel gekostet. Wenn erst die Zweiglinie nach Fushan fertig sein wird, hofft man auf Ertrüge. Nun steht es aber ferner außer Zweifel, daß Japan in seinen Rüstungen nicht plötzlich still halten kann. Tas Arsenal in Tokio hat nach dem Friedensschluß nur einen einzigen Tag Ruhe gehalten. Seitdem geht das Häm mern und Schmieden, das Schießen und Waffenpriifen ununterbrochen weiter: es wird eben weiter ge - rüstet. Und das alte Kriegsmaterial muß doch auch durch neues ersetzt werden. Zu all dem braucht Japan aufs neue Geld und immer wieder Geld. Eine neue Anleihe von 100 Millionen im Auslände ist so gut wie sicher. Nun ift seit Beginn des Krieges die Schuldenlast um das Fünffache pro Kopf gewachsen, die Steuern aber um das Doppelte. Vergleichen wir es mit Deutschland. Die Gesamtsumme der Steuern in Deutschland beträgt 451680 000 Millionen Ben, das macht auf den Kopf 8 Ben, in Japan 294 423 000 Ben, auf den Kopf 6 Ben 30 Seu. Las erscheint auf den ersten Blick natürlich noch immer gering, — aber der Japaner ist arm! Für ihn bedeuten 6 Ben 30 Seu etwa das Doppelte wie für den Deutschen seine 8 Den- Und Japan hat zudem eine ganz ungeheure Exportsteuer zu tragen. Während in Deutschland auf 100 Ben Export nur 17 Ben kommen, so in Japan 103 Ben. Ein noch bedenklicheres Bild tritt aber vor Augen, wenn wir die Export- und Jmportzisfern des letzten Jahres in Betracht ziehen. Die Ziffern für die letzten Jahre (1905 nach den Angebnissen des ersten Halbjahres) sind die folgenden: Export 1908: 125 918 757. 1904: 137 465 703. 1905: 142 767 953. Import: 1903: 166 048 828. 1904: 182 634 872. 1905: 286 462 862. Es wird ein schwieriges Problem sein, den Ausfluß des Goldes aus Japan so zu balanzieren, daß nicht ein plötzlicher Kurssturz eintritt. Dennoch scheint uns vorläufig kein Grund vorzu liegen, an der Sicherheit der japanischen Finanzen zu zweifeln. Korea, Liaotung, China, die Mandschurei mit ihren Häfen stehen Japan nunmehr offen, und die japa nische Handelswelt beginnt bereits heute, sich kräftig zu regen und ihren Verkehr nach den neuen Plätzen auszu- dehnen. Der Export dürfte sehr bald einen bedeutenden Aufschwung nehmen und einen starken Geldstrom ins Land bringen. Zur neuen Flottenvorlage. Korvettenkapitän a. D. Graf Bernstorff schreibt in der „Preußischen Korrespondenz": Meine vor einiger Zeit an dieser Stelle ausgesprochene Erwartung, daß unsere neuen Linienschiffe nicht unter 18 000 Tons groß sein würden, bestätigt sich und entsprechend wird auch die Größe der Panzerkreuzer auf 15 000 Toris erhöht Norden. Mit diesen Größenverhältnissen kann man vor läufig zufrieden sein, unter der Voraussetzung, daß, wie ich auch schon früher vorgeschlagen habe, die sogenannte Mittelartillerie ganz und gar in Fortfall kommt, da sie bei den großen Gefechtsentfernungen zwecklos ist. Das dadurch gesparte erhebliche Gewicht sowie der Raum müssen nutzbringend nur für die schwere Artillerie ver wendet werden, die sowohl in bezug auf Kaliber wie Zahl zu erhöhen ist. Tas 30,5 Zentimeter-Geschütz ist in allen Marinen eingeführt, ausgenommen bei uns. Es ist hohe Zeit, hier nachzuholen. Eine Aenderung des ganzen Typs muß ferner dahin erfolgen, daß die vielen hohen Aufbauten nach Möglichkeit fortsallen und das Teck möglichst splitterklar wird. Statt der gefährlichen hohen und schweren Gefechtsmasten und der riesigen Schornsteine, die nur Zielobjekte bester Art darstellen, müssen möglichst leichte Signalmasten und niedrige Schornsteine eingebaut werden. Wenn unsere alten Korvetten bei niedergelassenem Teleskopschornstein dampfen konnten, werden es moderne Linienschiffe wohl auch fertig bringen. Was an gespartem Gewicht nicht für die schwere Artillerie erforderlich ist, muß zur Er höhung der Geschwindigkeit verwendet werden. Die Seeschlacht von Tsuschima hat es zu deutlich erwiesen, daß Schnelligkeit und weittragende schwere Artillerie die ausschlaggebenden Faktoren sind. Aber selbst wenn wir unseren neuen Schiffen alle Vorteile moderner Erkennt nis zuwenden, so werden wir doch immer im Rückstand bleiben, wenn wir nicht das Bauen beschleunigen — statt drei nur zwei Jahre — und den Mut haben, die sämtlichen Schiffe der „Sachsen", und „Siegfriedklasse" nebst der „Oldenburg" glattweg aus der Reihe der Linienschiffe, zu denen sie alle dreizehn niemals gehört haben, zu strei chen und dafür sofort und beschleunigt Neubauten auf Stapel zu legen. Auch hierfür muß in erster Linie das Kaiserliche Wort gelten: „Das Ziel erkannt, die Kräfte gespannt." Ter neue preußische Justizminister. Zwar hat Herr Justizminister Schönstädt seinen Ab schied formell noch nicht erhalten, aber man schreibt schon offen von seinem illachfolger. Es soll, wie wir schon meldeten, nach stark auftauchenden Gerüchten, der Bres lauer Oberlandesgerichtspräsident Dr. Bese ler sein, eine in Berlin sehr bekannte und durch seine Liebens würdigkeit beliebte Persönlichkeit. Er ist am 28. Dezember 1867 Gerichtsassessor ge worden, kam dann als Amtsgerichtsassessor am 13. Jan. 1870 nach Hannover und von dort am 1. April 1874 als Stadtrichter nach Berlin, hier rückte er am 15. April 1878 zum Stadtgerichtsrat auf. Bei der Justiz reorganisation 1879 wurde er dann noch Landgerichtsrat beim Landgericht I. Drei Jahre blieb er in dieser Stel lung, am 7. August 1882 kam er als Landgerichtsdirektor nach Saarbrücken und von dort am I.Juli 1886 nach Düsseldorf. Vom schönen Rhein ging er dann nach Oppeln als Landgerichtspräsident (19 März 1888), hier hat er dann 4 Jahre gewirkt, am 1. Juli 1892 kam er als Amtsgerichtspräsident nach Berlin. In dieser außerordentlich schwierigen Stellung hat er sich nach jeder Richtung hin bewährt, sein Organisations talent kam dabei zur schönsten Entfaltung. Was er hier geschaffen, wurde von Richtern und Unterbeanften freu- dig als mustergültig anerkannt. Etwa 5 Jahre blieb er auf dem Berliner Posten, am 28. Auyust 1897 kam er als Oberlanüesgerichtspräsident nach Kiel und von dort später in gleicher Eigenschaft nach Breslau. Politisch ist Präsident Dr. Beseler nicht hervorge- treten. Deutsches Keich. Leipzig, S. November. * ASnig AlphonS von Lpanien in Deutschland. Am heutigen Tage fand der Besuch de« König« AlphonS zunächst de: seinem Infanterieregiment (Nr. 66) in Magdeburg statt. Er traf dort um 1 Uhr ein und begab sich zur Be sichtigung des Regiment« nach dem Schroteplatz. Für Uhr war das Festmahl im Kasino angeletzt. Dann be gab sich der König wieder nach dem Bahnhof, wo um 3.17 der Kaiser eiutraf. Beide Monarchen reisten dann nach Hannover ab. * Vom ostafrikanischcn Aufstand. Ueber weitere Erfolge bei der Niederwerfung des Aufstandes in Ostasrika macht ein Spezial-Kabrlbericht des „L.-A." folgenve Mitteilungen: Oberleutnant von Grawert hat das Gelände nördlich und westlich des festen Lagers Kibatta in den Matumbi-Bergen ausgiebig gesäubert. Die Aufständischen, welche mehrere große Lager angelegt hatten, ergriffen bei Annäherung der Truppe regelmäßig die Flucht; gleichwohl erlitten sie starke Verluste. Eiue Anzahl Gefangener konnte eingebracht werben. Nach ihren Aussagen soll der bekannte Rebellenfübrer Ab dullah Kitambi aus Mlumbei jetzt zur Unterwerfung raten. * Ter agrarische Terror. Die agrarischen Interessenten an der Fleischteuerung schreiben täglich der Regierung und allen von ihnen einigermaßen Abhängigen vor, was sie zu denken und zu tun Haden. Sie haben auch längst mit der veralteten Maxime gebrochen, dem Staat um feiner selbst willen Loyali tät zu bezeugen. Nur dem agrarisch geleiteten Staate wird Unterstützung versprochen unb lehr energisch mit Revision der Gesinnung gedroht für den Fall antiagrarischer Maßnahmen. Sehr wütenv ist die „Deuftche Tageszeitung" insbesondere auf die Freikonservativen, die in der .Post" auf daS politisch psychologische Moment der Fleischnotsragehingewieseu hatten und sanft, aber deutlich von den Nichtsalsagrariein abgerückt waren. „Die Frage darf nur unter dem wirtschaftlichen Gesichtswinkel betrachtet werden" dekretiert demgegenüber das Organ des Bundes der Landwirte in fetter Schrift und droht ferner der Regierung, sie würde anderenfalls das Viel fache dessen an Vertrauen verlieren, was sie vielleicht auf der anderen Seite gewinnen könnte. Merkst du was, ge- liebter Leser? Die Agrarier können bekanntlich auch anders, aber sehr, und das Wort von dem Uebergang zur Sozial- demokratie kann immer noch einmal seine Dienste tun. Auch ließe sich vielleicht angesichts der kommenden Flottenvorlage eine kleine Umprägung des Wablfpruches „Kein Kanitz — keine Kähne" vornehmen. Wie wäre es mit „Keine Schwcinenot — kein Brot?" Daß die preußische Staatsregierung gar selbst beim Bundesrat die doch sogar von Herrn v. PodbielSki in Aussicht gestellte Erhöhung des russischen Schweinekonlingentes beantragen will, wie in der Presse verlautet, hält die „Deutsche Tazesreitnnr" für unmöglich. Sie gesteht zwar, über vre Angelegenheit nicht informiert zu sein, hält die Nachricht aber für „sachlich unmöglich". Nämlich wegen der in Rußland herrschenden Seuchen, wegen der taktischen Zwecklosigkeit, wobei sie übrigens nicht mehr daran denkt, daß die Frage nur rein wirtschaft lich betrachtet werden soll, und wegen des Widerspruchs, in den die Regierung sich mit sich selbst und mit dem Reichs kanzler durch eine solche Maßnahme setzen würde. Wenn die Regierung das Unmögliche aber doch möglich machen sollte, dann Gnade ibr Gott! Die „Deutsche Tageszeitung" ist fürchterlich in ihrem Zorn und die Minister rönnen — wie sagte doch Rupprecht Ransem? * Ter Postetat 1VW bringt wiederum eine Enttäuschung für die jüngeren höheren Postbeamten. Die „T. R." erfährt von unterrichteter Seite folgende«: Au neuen Stellen sind vorgesehen: 4 für Abt.-Dir. bei den O.-B.-D„ 12 für Posträt^ 4S für Di rektoren (darunter 3 für Telegrü, zusammen 65 Endstelle»; 5 für Geh. exv. Sekr., 22 für Lber-PosNnspektoreu, 2 für Ttlegraphen- Jnaenieure, 38 für Post- und Telrgrapheninsvektore», 8 für Ober- PostpraManien im R.-P.-A., öS für Ober-Postpraktikanten bei den O.-P.-D. und 72 für Obersekretäre, zusammen (ohne Obersekretar- steürn) 12S Durchgang-steilen. — Di« GehaltSskala für Ober-Post- Praktikanten »nd Inspektoren bleibt unverändert, diejenige für Ober- Postinspektoren wirb auf 4500 erhöht. 20 Direktoren der be- deuteilbsrrn Aemter erhalten die Berliner Zulage von 1200 Damit ist leider Tatsache, daß die al« dringlich bezeichnete Gehaltsaufbesserung der jüngeren höheren Postbeamten noch nicht stattfindet. * Zum Hochfchulftrett in Ttzarlottenburg. Am 1. November hatte bekanntlich die Studentenschaft der Technischen Hoch schule in Charlottenburg die Absendung eine« Briefe« an dte Professorenschaft der Hochschule beschlossen, in dem die Pro fessoren gebeten werden, gemeinsam mit Vertretern der Studentenschaft Maßnahmen zu beraten, um den Konflikt zwischen Reltor und Stndenschaft zu einem guten Ende zu führen und nötigenfalls zwischen den feindlichen Faktoren zu vermitteln. Auf diesen Brief hat bi« heute die Pro- sefsorenfchaft nicht geantwortet, e« scheint also, als wolle sie da« Bermittleramt nicht anuehmea und die An gelegenheit nicht beilegen. Nach Gerüchten, die in akademischen Kieyen zirkulieren, soll da« Kultusministerium sich hindernd in den Weg gestellt haben, das anscheinend entschlossen sei, die Angelegenheit al« eine Art Machtprobe auf dre Spitze zu treiben. Wenn die Antwort di« Ende der Woche nicht ein- gelaufen ist, will die Studentenschaft andere Maßregeln er greifen. Vorläufig hat sie den alljährlich stattfindendeu Rekloratskommer« aufgezebeu. — Wie uns mitgeteilt wird, soll in den Kreisen der Professoreuschaft die Tatsache sehr verstimmt haben, daß die Protestversammluug am 1. d. M. im Tiergartenbof für den aufgelösten Ausschuß «inen neuen Ausschuß auf der alten Grundlage gewählt habe. Man be trachtet dies als „Gehorsamsverweigerung" der Studenten schaft und wirb wahrscheinlich gegen die leitenden Personen vorgehen. * Ter „Tie«seitS"-Prozetz. Zn dem Prozeß wegen der aus dem lippischen Thronstreit bekannt gewordenen „Dies- seit«"-Depesche verurteilte das Detmolder Gericht den Redak teur der „Lippischen Tageszeitung" nach umsangreicher Be weisaufnahme unter Anerkennung des einwandfreien Ver haltens der Postbeamten zu 75 Geldstrafe, weil er aus Anlaß des Bekauntwerdens jener Depesche des Kammerberrn Kekuls von Siradonitz an den Landkags-Bizepräsitenten Hoffmann die Wahrung des Telegraphengeheimmsses durch Feuilleton. Ole Auferstehung geschieht cturch cten Wiack, cier sie Welten fegt. Oer vom Wincte getragene Ongel spricht nicht: Tote, stehet auf! sonctern: Oie Oedencten sollen auferstehen k ö»tr«e. Die Kunst de« Theater«. Btan muß nicht glauben, wie Edgar Gordon Craig, der kluge Engländer, das; man sie erst in unseren Tagen ernst haft zu suchen beginne, diese mystische „Kunst des Theaters", der er eine nicht allzu ferne Zukunft pathetisch prophezeit. Einmal hat schon Rousseau ein wenig darüber nachgedocht, wie Musik und Dichtung, Schauspielkunst und Malerei in einer überwältigenden Hauptgattung vielleicht zu vereinen iväre, der Theatcrdirektor Goethe ging dann in Weimar den noch ungesundenen Gesetzen wertester Harmonien auf der Bühne so lange nach, bi« ihm unerwartet der historische Pudel über die entweihten Bretter lief. Ansätze zu berauschen der Bühnenplastik, zu malerischem Zusammenklang von Spiel und Szene sand sogar der nüchterne Dingelstedt in Wien, bi endlich Richard Wagner die VereiniguiigStheorie für alle Künste, dre er auf dem Theater wirkend wissen wollte, breit in Bayreuth aufstelltc. Richard Wagner, das Genie, war ein- festig. Was immer er dem Dienste des Drama» unterwarf, unterwarf er ausschließlich dem Musikdrama. Jede andere Gattung des tragischen, tragikomischen oder auch heiteren, immer aber gesprochenen Spiel« hielt er fast von vornherein :ür verfehlt. Aber auch der einseitiae Wagner suchte unauf hörlich nach jener geheimnisvollen „Kunst des TheaterS". die -eele. Ohr und Auge — das Auge nicht zuletzt — erheben, entzücken, begeistern oder erschüttern soll, jener Gesamtkunst oder Einheitswirkung aller Künste, von der neuerdings wie der der kluge Engländer Edgar Gordon Craig zeigen will, wie sie zu finden wär«. Craig, der heute noch «in junger Mann ist, hat doch schon in den Kinderschuhen von seiner schönen und vielgeseierten Mutter Ellen Terry, von seinem Lehrer Irving in raschem Erfassen gelernt, wie noch das geringfügigste Ding an selt samer Stelle, in seltsamer Beleuchtung von magischer Wir kung auf den naiven Zuschauer und auch auf den Aestheten sein kann, für den er jetzt — da er die Kinderschuhe aus getreten — seine Ideen eigentlich allein ausgearbettet Hal. Und er war sehr vorsichtig dabei, sehr eigenartig und — sehr anmaßend Wie sein Thema nicht ganz neu, so ist auch seine Grundidee es keineswegs: er verspricht sich — wie Goethe, Laube, Devrient, Dingelstedt, Wagner, die Meininger in ihren individuellen Schattierungen vor ihm — alles vom Regisseur. Freilich soll 8 ein „idealer" Regisseur sein, der die Wahl der brauchbaren Dekorationen nicht allein entschiede, vielmehr auch die vorbildlichen Skizzen für sie entwürfe, ein Regisseur, der die Schauspieler, ohne Widerspruch zu dulden, an den nur ihm gut düukenden Ort stellte, die Beleuchtung selbst regu lierte, den Dichter des Stückes belächelte, wollte er Einwürfe wagen, und schließlich alles auflöste in Bewegung, Geste, Farbe, Ton, Tanz, Linie und Rhythmus. . . . Der Regisseur müßte ein gebildeter Mann sein, der jede Kunst durch Stu dium beherrscht, die Dichtung, wie die Musik, dre Plastik, wie die Malerei. . . Denn daS Theater ist ein« Maschine, fast sich Craig, vor der man nur «in geniales Pferd spannen muß, ein Mechanismus, in dem kein Rädchen denken, in dem sich jedes Rädchen nur drehen, nichts als drehen soll. . . . Ein „EingeweHter" und ein „Zuschauer" unterhalten sich. Sie unterhalten sich zwar sehr langweilig — in einem ganz englischen Dialog — und in mitunter unmöglichem Stil, aber IT G. Craig macht aus dieser Unterhaltung doch ein Haupt kapitel in seinem großen Buch über „die Kunst des Theaters". Und läßt dies Hauptkapitel auch für uns Deutsche sbei H. Seemann, Berlin) in einer hübschen Sonderbroschüre über setzen. Zunächst begnügt er sich darin, von ungefähr anzu deuten, wie jeder einzelne „Gewerbsmann" an dem ersehnten Theaterinftitut, da« bi« Kukuntt bilden soll, vornehmlich auf sein bisher töricht geduldetes Anrecht auf allzu starke Indi vidualität verachten müßte. Sodann entwickelt Craig seine Pläne: „Da» moderne Theater ist voll von den „anderen", diesen ungeübten und untalentierten Gewerbsleuten, und sie werden einen vorzüglichen Kontrast bilden zu den jüngeren Leuten, die solch' große Fortschritte machen, un-d von denen ich eben sprach. Und noch eins über diese „andern", — ich glaub«, sie sind sich nicht ihrer Unfähigkeit bewußt. Ich glaube, es ist mehr Unschuld als Dummheit. Aber wenn diese selben Leute einmal erst erkennen würden, daß sie nur Gewerbs leute sind und sich als solche bilden sollten — ich spreche nicht nur von den Bühnenzimmerleuten, den Elektrizttätsardeitern, den Perückenmachern, den Kostümieren, den Dekorations malern und den Schauspielern, denn diese sind in vielem die besten und willigsten Gewerbsleute, aber ich spreche hauptsäch lich von den Regisseuren — wenn der Regisseur oder Kunst- direktor sich technisch bilden würde für die Aufgabe, die Stücke des Dramatikers wiederzugeben, dann würden sie mit der Zeit und durch graduelle Entwickelung das verlorene Terrain des Theaters wiedererobern und würden schließlich die Kunst des Theaters ihrem Heim wredergeben durch Mittel ihres eigenen schöpferischen Genies." Im Grunde wäre das alles freilich ganz richtig. Aber nur dem Regisseur, von dem wir mit Recht nie genug erwarten können, verleiht Craig ein Teil an diesem schöpferischen Genie, das die Ma schine in ästhetische Bewegung bringen soll, schon dem dar stellenden Künstler ist, wie ich ein paar Zeilen früher sagte, dies Genie entbehrlich. Craig zieht eine Szene aus Shake speares „Romeo" in seine Betrachtungen: „Deshalb muß uns Romeo in einer bestimmten Weise erscheinen, von einem bestimmten Punkt aus an uns vorübergeben, in einem be stimmten Licht, sein Kops in einer bestimmten Haltung, sein Auge, feine Füße, sein ganzer Körper muß in der Stimmung des Stückes sein, und nicht, wie cs so oft der Fall ist, in Stimmung mit seinen eigenen Gedanken, denn seine Ge danken, so schön sie auch sein mögen, passen vielleicht nicht mit dem Geiste und dem Muster zusammen, da- so voZichtig vom Regisseur auSgedacht ist." Und man denke dabei an den Kamzschen Romeo etwa in seiner impulsiv-kindlichen, stet» be weglichen, in jedem Nuaenblick auf der Bühne unmittelbar neugestalteten Tragik . . . Man könnte einwenden, Craig spreche vom Turchlchmltsmimen. Aber Turchschnittsmimen werden niemals auch nur einen Hauch von jener Kunst des Theaters empfangen oder verleihen, von der der Engländer träumt, wie denn überhaupt Kunst in letzter Entsaftung mit Durchschnitt wenig gemein haben kann. Sie fordert überall die Vollendung, und auch auf der Bühne der Zukunft wird sich das darstellerifche Genie kaum jemals vom Regisseur — und wäre es der alleridealste — so „an der Strippe" anziehen lassen, wie Craig sich das vorstellt . . . Schließlich wird nut t allein der Interpret des Dichters um sein Wort gekürzt, Craig heißt eS auch eine „Taktlosigkeit", wenn der T.chrer selbst ein Wort reden will und so „auf fremdem Terrain wil dert". Wieder zitiert er Shakespeare, seinen großen Lands- mann: „Shakespeare gibt sehr selten dem Registern «was an. Lejen Sie irgend eins von den Meisterwerken, wie ..Hamlet", „Romeo und Julie", „König Lear", „Othello", mir Ausnahme von einigen historischen Stücken, die Prozessionen beschreiben, und was werden «ie finden?" Wenig oder auch nichts. Das wissen wir so aut, wie Craig. Ader indem Craig daraus ein Recht für die izenische Schweigsamkeit auch des modernen Dichters ableiten zu müssen glaubt, vergißt er merkwürdigerweise ganz, warum Shakespeare dem Regisseur so selten ins Wort fiel. Denn «Shakespeare genügte es, wenn er die bekannte Tafel vor das Parterre hing: „Ein Garten", „Eine Schloßterrasse bei Nacht", „Eine Straße in Verona", — Regie und Regisseur machten ihm wenig, di« Phantasie des Zuschauers alles aus. Craig bringt aus „Hamlet" die Ablöjunasszene vor dem Schlöffe und weyt nach, wie ein findiger Regisseur schon aus der bloßen Handlung de» Dichters eine Andeutung für den Szenenausbau bekommen könnte, wie der Dichter also sich jede direkte szenische Be merkung füglich sparen sollte, wie für den Regisseur als solchen, der den Schauplatz erklärende Dichter mehr als überflüssig ei. Man könnte übrigens an derselben Szene ganz im Gegen- atz zu Craig auch zeigen, wie überflüssig mitunter dem wahren Dichter der Regisseur fein könnte. Und in der Tal war er überflüssig bei Lyakespeare. Bei Shakespeare wirkte die ganze Tragik seiner Menschen und Geichicke auch ohne Kulmen, BeleuchtungSeftekt« und tausend Maschinerien, denn
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