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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.11.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-11-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951128020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895112802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895112802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-11
- Tag 1895-11-28
-
Monat
1895-11
-
Jahr
1895
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Wir seben auch heute keinen Grund, un» mit diesen publicistischen Eintagsfliegen abzugeben, finden aber beachtenSwerth, wa» im „Reichsboten" ein Politiker, der seinen ständigen Wohnsitz in der Redaction dieses Blattes offenbar nicht hat, zu bemerken bat. Er erklärt sich auS Gründen, die sich zum Theil hören lassen, zum Tbeil an den Haaren herbeige,ogrn sind, gegen jede Art Cartell und benutzt im Uebrigen die Gelegenheit, der konservativen Partei die Meinung zu sagen. Die „Kreuzztg." hatte — natürlich — die Führung ihre» absonderlichen Dreibundes für die Conservativen beansprucht. Der Mann im „Reichs boten" meint dazu, diese Partei sei die geborene Fübrerin einer ReichStagsmehrheit und bedürfe dazu keines CartellS. Aber: „Für jede führende Partei ist Klarheit und Bestimmt heit der Ueberzeugung, fester Wille, übersichtliche Ziele und Beschränkung auf das thatsächlich Mögliche erforderlich. Wenn die conservative Partei diese Eigenschaft sich zu eigen macht, dann wird es ihr auch gelingen, Majori täten zu gewinnen und die Führung zu übernehmen . .. Und wer ein Ziel sicher erreichen will, der muß Schritt vor Schritt vorwärts gehen, ein überbastetes VorwärlSsteuern ist nickt gut." Da» ist deutlich. Bei der Aufnahme des Antrages Kanitz in da» thatsächlich geltende Parteiprogramm ließ die conservative Partei die „Ueberzeugung" vermissen, denn ein großer Theil der Conservativen, auch der Reichstags- und preußischen Landtagsabgeordneten, glaubt nicht an die Durchführbarkeit de» Antrag». Indem man in der „Eons. Corr." Alle mit der Acht bedrohte, die das Tischtuch zwischen sich und den „jungen" Christlich-Socialen nicht entzweischniltcn, und bierauf eine Reihe von halben FreundschastSerklärungen für die Herren Naumann und Göhre unter Verbeugung einsteckte, zeigte man nichts weniger al» „festen Willen", und die Forderung der „Beschränkung auf da» Mögliche" zielt wieder auf den Antrag Kanitz und die Währungspolitik. Wir halten es nicht für ganz aus geschlossen, daß der Dreibundsartikel der „Kreuzzeitung" für Conservative berechnet war, aber wir sind sicher, daß daS Blatt auf eine solche Antwort aus seiner Partei nicht ge faßt war. Es ist zwar eine vielverbreitete und durch den Verlauf der conservativen Parteiversammlungen in Breslau und Tilsit gestützte Meinung, daß der Antrag Kanitz und Verwandte- in der nächsten Tagung nur noch „schandenhalber" vertreten werden wird, aber daß die„Kreuzzeilung" kurz vordem Zusammentritt der ReichStagSfraction von der befreundeten Presse einen so deutliche» Wink erhalten bat, kann überraschen. Gleichzeitig mit der Auslassung dcS „Reichsboten" erscheint ein Artikel in der „Kreuzztg.", der sich gegen die Annahme verwahrt, man habe den Antrag Kanitz eingesargt und ge denke den Sarg nur noch zu Schauzwecken zu gebrauchen. ES ist nicht unmöglich, daß man eS hier mit einem Rückzugs gefecht zu thun hat und die „Kreuzztg." in den letzten zweimal 48 Stunden bedeutet worden ist, „aufzuhören". Aber einigermaßen sichere Bermuthungen lassen sich zur Zeit noch nicht anstellen, vielleicht und wahrscheinlich auch nicht sofort nach dem 3. December, an welchem Tage die erste Aussprache in der Fraction seit den Ereignissen de» Sommer- statlfinden wird. Einstweilen genügt eS, auS dem „ReichS- -Ei—-———-—-———-——-!-—— FenNlctsn. Ver Kampf ums Dasein. Aj Roman von A. von BerSdorff Nachdruck »ertöt». (Fortsetzung) Auch Helmuth sah gut aus. Wenn er auch mager geworden war und recht blaß, tbat die» doch seiner edlen, vornehmen Erscheinung keinen Abbruch. Seine Augen waren schöner als i«, mit dem tiefen, rubigrn Ernst ihre» Blickes. Au« ver schiedenen Gründen sollte die Feier so unbemerkt und still vor sich gehen wie nur möglich. Niemand wußte den Tag außer Bierke'S, welche zur Zeit auf Reisen waren. Frau Bierkr hatte in zartester, gütigster Weise Jakoba ein Hochzeitsgeschenk gemacht, da« reckt ungewöhnlich war, in Anbetracht dessen aber, daß da» junge Paar zunächst keine eigene Heimstätte gründen konnte, so einfach dankbar ange nommen wurde, w,e eS geboten ward — nämlich die Mittel zu einem achttägigen Aufenthalt auf Rügen, einigen stillen Tagen seliger Abgeschlossenheit für die Neuvermäblten in einem zur Zeit fast leeren kleinen Badeort, ehe sie sich dem väter lichen Haushalt einzufüaen hatten. Mit Thränen der Freude hatte die beglückte Jakoba die mütterliche Hand geküßt, welche rin wahre» HerzenSbrdürsniß. auf da» nur schwer verzichtet worden wäre, vorauSgesrhen und in rührender Weis» befriedigt batte. Welch herrliche, sonnige Tage waren es gewesen am blauen donnernden Meere, in dem frühlingßlebendigen Walde allein miteinander! „Die Hauptsache ist erreicht", sagte Helmuth, „Da«, wa nn« kommt, laßt sich Alles tragen. Wie di« Bögel bauen wir unser Nest vereint. Und «in gut Tbeil überlaffen wir getrost dem lieben Gott! Wie viel Ehen werden täglich unter den günstigsten Bedingen geschloffen. Alle» ist im Vor an» geordnet und berechnet, nach menschlichem Ermessen ist gesorgt bi« in ferne Jahre — und wir manch« solcher Eden endiget mit moralischem oder äußerlichem Bankerott! Wir fangen an unter denkbar ungünstigsten Verhältnissen, wir konnten nicht» berechnen, al« daß unsre Liebe und Freund schaft für all« Zeiten gesichert ist, »nd wi: Donnerstag den 28. November 1895. boten" zu ersehen, daß diesem Blatte in seinem Widerstande gegen die Agrardemagogie mächtige Bundesgenossen zur Seite zu treten den Mulh gefunden haben. Die Frage der vierten Vatatllone wird neuerdings leb haft in der Presse erörtert und zwar überwiegend aus politischen Gesichtspunkten, eine Behandlung, die die An gelegenbeit nicht erfordert. Politische Momente können außer Betracht bleiben, da ein Abgeben von der zweijährigen Dienstzeit und die Aenderung der Präsenzstärke nickt in Erwägung gezogen sind. ES bandelt sich um Fragen, deren rein mililairisch-technischer Charakter ihre Förderung durch die öffentliche DiScussion ausschließt. Die Kriegs verwaltungen hoffen trotz der Schwierigkeiten, welche die Lösung innerhalb deS gegebenen Rahmens darbietet, in nicht zu ferner Zeit und vielleicht noch vor dem nächsten Sommer zu einem Entschluss« zu gelangen und damit einem Zustande ein Ende zu bereiten, der allerdings vom militairiscke» Standpunkt als völlig unhaltbar erkannt worden ist. Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß die Mannschaften der vierten Bataillone mit einer ungenügenden Ausbildung zur Reserve übertreten. Jedes Iabr bringt somit die Ver stärkung eines im Interesse der Kriegslüchtigkeit der Armee nicht erwünschten Elementes. Die Militärbehörden finden in diesem Umstande selbstverständlich den Antrieb, die Neu regelung so rasch herbeizuführen, als die Aufgabe, eine für die Dauer brauchbare Ordnung zu schaffen, nur immer ge stattet. Die zweijährige Dienstzeit, das sei wiederholt, wird von der Entscheidung nicht berührt werden. Zur Beurtheilung ihrer Wirkungen wird eS nach geraumer Zeit an einer aus reichenden Unterlage fehlen. Zur Zeit steht fest, daß die Mannschaften der Fußtruppen nach zwei Jahren die active Armee genügend geschult verlassen. Ob die in diesem Zeit raum mögliche Ausbildung eine nachhaltige ist, kann sich erst Herausstellen, nachdem ältere Jahrgänge deS Beurlaubten standes, die die kürzere Dienstzeit durchgemacht haben, zu Uebungen einberufen gewesen sein werben. Wir batten schon dieser Tage darauf hingewiesen, daß der östcrretchtsche Antisemitismus lediglich dem Ultramon- tanismuS Vorspanndienst leistet. Jetzt deckt ein Artikel der Wochenschrift „Die Nation" das Triebwerk auf, von welchem auS die Puppe der Klerikalen, der „Führer des christlichen Volkes" und Bürgermeistercandidat von Wien, Vr. Lueger, geleitet wird. Der mit den einschlägigen Verhältnissen offenbar sehr vertraute Wiener Verfasser des Artikels schreibt u. A.: In der päpstlichen Nnntiatur am Hofe laufen alle die weit» verzweigten und complicirten Fäden der Bewegung zusammen, dort werden die Kriegs- und Schlachipläne entworsen, dorr werden dir OrdreS gegeben, die Rollen vertheilt, und dort wird auch die Art und Weile erwogen, wie die materiellen Mittet für die Campagne, jo erst kürzlich bei der Agitation für die Wahl Luegers, ausgebracht werden können. Es ist nicht das erste Mal, das Monsignore Ag liarbi sich in dir inneren Angelegenheiten der Monarchie agitatorisch ein- gemengt hat. Bekannt ist, welchen hervorragenden Antheil er an den kirchenpolitischen Kämpfen in Ungarn genommen hat. Auch in diesem großen Kampfe, der mit einem so durchschlagenden Siege der liberalen Ideen geendet hat, war die Nuntiatur der Mittelpunkt der Agitationen und Jntriguen. Hier wurde der Plan, die katholische Volksvartei zu gründen, ausgeheckt, hier wurde die Idee geboren, die Rumänen und Kroaten gegen den ungarischen Staat zu mobilisiren und diese Nationalitäten mit den Wiener Antisemiten in Verbindung zu setzen. Von hier wurde die ungarische Aristokratie, vor Allem die aristokratischen Frauen, bearbeitet, und in Len Räumen der Nuntiatur wurden die Abstimmungen im Obrrhauie, durch welche da» Eabinet Meckerte gestürzt werden sollte, vorbereitet. . . . Bon Ungarn zurückgejchlagen, hat Agliardi sich mit verdoppelter Leiden schaft auf die österreichischen Angelegenbeiten geworfen. Er war derjenige, welcher die Milsion des Cardinal^rzbijchoss Grasen Schönborn, die gegen de» demagogischen Wiener Antisemitismus gerichtet war, in Rom durchkreuzte, er war der Spiritus reetor so wohl in dem letzlen Wiener Wahlkampfe wie bei der Action zu Gunsten der Bestätigung Luegrr's. Allerdings ist Monsignore Agliardi seit dem Unglücksfall, der ihm in Ungarn zugestoßen ist, noch vorsichtiger geworden. Er hält sich ganz unsichtbar, er agirt nicht selbst. Dazu hat er zwei Adjutanten oder Agenten, einen geistlichen und einen weltlichen. Der geistliche Adjutant des Nuntius ist der apostolische Feldvicar vr. B e l o p o t o c zk y, Las Haupt der katholische» Müitairgeistlichkeit. Der weltliche Adjutant des Nuntius aber ist Graf Sylva-Tarouca, eine N>ffe des früheren Ministers des Aeußern, Grafen Kalnoki. Osfieiell zählt der Graf zu den Patronen des „Vaterland", welches jetzt den Radau-Antisemitismus bekämpft. Hinter Len Coulissen ist er aber die linke Hand des NuntiuS. Das sind die wahren Häupter und Führer des Antisemitismus, und »un wird man auch begreifen, daß diese Partei bereits über Len trockenen Aiitisemiti-inus hinausgewachsen ist. Die Losung: Nieder mit den Juden I genügt ihr nicht mehr; zu dieser ist eure neue hinzugetreten: Nieder mit Ungarn! Unter diesen Umständen können sich die Sympathien für den Grafen Badeni, welcher den Kamps mit den von den Klerikalen unterstützten Antisemiten so energisch ausgenommen Hai, nur vermehren, zumal da man weiß, daß eines der Haupt ziele der ultramonlancn Propaganda in Oesterreich bei dem Kampf gegen Ungarn und den Liberalismus die Zertrümmerung veS Dreibundes ist. Zu den Vorgängen in der Türket erkält die „Nat.- Zeitung" auö Petersburg einen sehr interessanten Brief, in welchem darauf vorbereitet wird, daß Herr v. Nelidow, der russische Botschafter in Konstantinopel, demnächst durch eine jüngere, energischere Kraft ersetzt werden könnte. Man sei in Petersburg der Ansicht, daß der Bolschafter die viel fachen Bestrebungen, in der Türkei Gäbrung hervorzurufen, nicht eingehend genug verfolgt und hierüber nickt rechtzeitig nach Petersburg berichtet habe. In dem letzten Briefwechsel zwischen Nico laus II. und dem deutschen Kaiser, der durch den Großfürsten Wladimir Alexandrowitsch ver mittelt wurde, habe die Erörterung der türkischen Angelegen heiten eine große Rolle gespielt und, wie verlautet, habe die Absicht Rußlands, mit seiner vollen moralischen Unterstützung dem Sultan die Pacifications-Arbeit zu erleichtern, die wärmste Zustimmung des deutschen Kaisers gefunden So wenig Rußland je daran denken werde, seine Zustimmung dazu zu geben, daß die Armenier einen selbstständigen Staat bilden, so weit sei Rußland auch davon entfernt, die unterirdische Arbeit an dem Zusammenbruche der Türkei begünstigen zu wollen. Das Mißtrauen gegen die englische Politik, die dem Anscheine nach die russische Diplomatie auf abschüssige Wege verlocken möchte, werde in Petersburg von Tag zu Tag größer, und es gehe in diplomatischen Kreisen sogar die Rede, daß Rußland schließlich zu dem Mittel einer energisch gehaltenen Eircular-Depesche an die russi schen Vertreter im Ausland« greisen dürfte, um klar zulegen, baß Rußland fest entschlossen ist, den Sultan in weitgehender Weise zu unterstützen, und daß die aufrührerischen Elemente in der Türkei sich absolut trügerischen Hoffnungen hingeben, wenn sie glauben, daß irgend eine Macht für sie gegen ihren Oberherrn, den Sultan, Partei ergreifen werde. Ob es aber nicht doch noch zu einer ernsteren Action gegen den Sultan selbst kommen wirb? Kaum hat der Sultan die Ueberzeugung gewonnen, daß die Großmächte sein morsches Reich weder theilen noch in Anarchie verfallen lassen wollen, daß auch ein bewaffnetes Einschreiten in gefährdeten LanbeSlheilen nur für den äußersten Notbfall vorgesehen ist, so beginnt wieder die traditionelle Bersckleppungspolitik des Mdiz-KioSk. Die Mächte hatten um Erlaubnchsermane ersucht, je ein zweites StationS- sckiff durch die Dardanellen bringen zu dürfen und in Konstantinopel ankern zu lasten. DaS Ansuchen geschah auf Grund der bestehenden Verträge, obgleich, wo alle Mächte einig sind, die Einfahrt auch ohne Bewilli gung der Türkei erfolgen könnt«. Di« Pforte antwortete ans die Note der Machte mehrere Tage gar nicht; aus wiederholte- Drängen verlangen sie, das Ersuchen zurück- zuziehen, da daS Erscheinen fremder Kriegsschiffe vor Kon- stantinopel die mohammedanische Bevölkerung reizen könnte; sie verbürge sich dagegen für Leben und Sicherheit aller Fremden. Darauf neue Berbandlungeu, aber die Fermane sind bis zur Stunde nicht ausgestellt. Die Mächte werden gut thun, die Angelegenheit zu beschleunigen, um nicht den verbängnißvollen Glauben auskommen zu lassen, der Druck sei gewichen oder gemildert worden, denn bei dem bekannten schlechten Willen der türkischen Regierung könnte dieser Glaube auch zögernd auf die Herstellung der Ordnung in Anatolien, sowie auf die Einführung der Reformen wirken und daraus konnten sich dann ernstere Schritte der Mächte entwickeln. Deutsches Reich. L Dresden, 27. November. Am Montag fand hier eine Zusammenkunft der Vorsitzenden der sächsischen Ge werbekam me rn statt, in welcher in eingehendster Weise über die geplante Einführung von Handwerkskammern be- rathen wurde. Die Versammlung einigte sich über die Schritte, welche einzuschlagen seien, um gegen da« Gesetz Stellung zu nehmen. Berlin, 27. November. Der für München im Jahre 1896 in Aussicht genommene zweite Allgemein« Deutsche Congreß für Jugend- und Volksspielt wird in Rücksicht auf die norddeutschen Ferien und die Reisezeit mitten im Sommer, nämlich am 1l. und 12. Juli vortselbst statlfinden; der erste wurde bekanntlich am 3. und 4. Februar 1894 unter zahlreicher Betheiligung in Berlin abgehalten. Der Münchener Congreß wird, gleich seinem Vorgänger, von dem unter Leitung deS Abge ordneten von S ckenckendorsf stebenden deutschen Central- AuSscbuß für Jugend- und Volksspiele einberufen. In München, wo vorbereitende Maßnahmen schon jetzt getroffen werden, wird der erste Bürgermeister an der Spitze deS Ortö-Ausschuffes stehen, und ihm zur Seite der in turnerischen Kreisen wohlbekannte und »m die Jugend und BolkSerziehung sehr verdiente königliche Wirkliche Rath Weber. An den Letzteren oder an den GeichäflSführer deS Central-AuSschustes, Direktor Professor Raydt in Hannover, sind alle den Congreß betreffenden Anfragen zu richten. Der Central Ausschuß hofft, den Congreß in München zum Vereinigungsort zahlreicher Boils- und Jugendfreunde zu macken, um die so wichtige und zeitgemäße Frage einer wesentlich erhöhten körperlichen Schulung der Jugend wie de» Volkes erneut zur allgemeinen Erörterung zu stellen; ebenso aber auch, um nach langer gewisserbafter Vorarbeit diese Frage weiter zu führen zu einer solchen des nationalen Interesses. Zugleich werden Schüler der Elementar- und höheren Schulen, Stubirende der Münchener Hochschulen, sowie Turner- und andere Volkskreise ein auf deutscher Grundlage sich aus bauendes anschauliches Bild von Spielen, Wettkämpfen, volks- tbümlichen und verwandten Leibesübungen im größeren Stile eben. Bei dem immer mehr hrrvortreteuden Bestreben, diese eibeSübunzen nicht allein den bevorzugteren sportlichen Kreisen, sondern dem ganzen deutschen Volke zuzuführen, läßt sich eine zahlreiche Betheiligung an diesem Congresse, der ein Nationalfest zu werden verspricht, au» allen Theilen Deutschlands erwarten. weiter nicht» von Glanz und LupuS alS: Unser täglich Brot gied unS heute." ES war Jakoba gelungen, mit dem Wirthe ein Ueberein- kommen zu treffen, daß der größte Tbeil ihrer Möbel so lange in ihrer kleinen Wohnung verblieb, bis sie die rück ständige Miethe bezahlt hatte oder di« Wohnung anderweitig vermiethet werden konnte. In diesem Falle batte der freund liche Herr ihr einen Raum auf seinem Speicher zur Verfügung gestellt, da Jakoba nur wenige Stückt ihrer Sachen in dem gemeinschaftlichen, ganz reichlich möblirten Heimwesen brauchen konnte, die altrrthümlichen, wrißgoldenen Rococosacken sich aber außerdem mit der spießbürgerlichen, steif hölzernen Ein richtung ihres Schwiegervaters geradezu „beißen würden", wie Jakoba sich auSdruckte. Die Wohnung war nicht gerade Äakoba'S Geschmack. Aber man hatte darin doch Maria-Margarethe Rechte einräumen muffen, die «ine Vorliebe für kleine, sehr bunt tapezirte Räume mit weißen Thüren und Fenstern, welche man scheuern konnte, hatte. Ein großes, herrliches Gartenzimmer, still und lauschig, sollte für da- junge Paar recht nett und gemüiblich einge richtet werden. DaS durfte man ihr ruhig überlassen. Na- türlich, so konnte e» nicht werden wie Jakoba'S bisherige Wohnung, aber daS war ja auch nicht nöthig, und solche Pracht ist ja auch gar nicht gemüthlich. Sie war jedenfalls mit Feuer und Flamme dabei, nahm Alles sehr energisch und auch praktisch in die Hand, ließ sich aber ungern dreinreden und wollte mit dem fertigen „Schmuck kästchen" freudig überraschen. Nun, die Schwester war dem Plan, mit dem jungen Paar« zusammenzuziehen, so schwesterlich freundlich entgegen gekommen, batte so gar keine „ES geht nicht" und „Ich kann nicht" gehabt, dit sonst nicht ungewöhnlich bei ihr neuen Einrichtungen gegenüber waren, daß sich Jakoba und Helmuth gern und freundlich ihren Wünschen und Eigenheiten fügten, wie der Barer es schon lange that. Die neue Wohnung befand sich noch ein ganze» Ende hinter dem Botanischen Garten, also schon in Schbneberg, und war drei Treppen hoch gelegen. IS. Nun war der Abend gekommen, an welchem der Vater und Maria-Margarethe da» junge Ehepaar zurvckerwarteten. Die Drosckkenfahrt vom Bahnhof bi» zum Hause war köstlich D'« Bäume an der Straße. Pie Pracht de» Bo- Ic.nsichf,' Ganene, ,n Lei» hier viel volleren, frischen Maien» grün, der rosig gefärbte Himmel, di« heiteren, geputzten Menschen, die vorübereilten, irgend einem barmlosen Ver gnügen zu — Alles war den beiden jungen, glücklichen Menschen wie ein fröhliches, ermutbigendes: Willkommen daheim! Eng aneinander geschmiegt, erstiegen sie langsam die Treppen. An Gepäck hatten sie nur einen Handkoffer und eine Plaidrolle. Vor der WobnungSthür angelangt, wollte Helmuth die Hand nach der Klingel strecken, als seine Frau die ihre darauflegte. Sie sahen sich an. Ein ernster, tiefer, etwa» banger Blick — „Mit Gott, mit Liebe, mit ArbeitI" sagte die junge Frau leise. „Allein entgegen!" erwiderte der Mann. „Zusammen!" hauchte sie mit glücklichem Lächeln. Und obwokl sie noch auf dem Treppenflur standen, wo jeden Moment neugierige Augen auf sie blicken konnten, schloß sie eine kurze Umarmung eng aneiander. Auf dem Gang stand Maria-Margarethe, im blauen SonntagSkleike mit weißer Schürze und einem hausfraulich- mütterlichen Ausdruck im stark gerötheten Gesicht. Ein un verkennbarer Geruch von gebratenen KalbScotelettr» ging durch den blitzblanken Raum. Da in der Thür der Vater. Etwa« gebeugt, im langen, braunen Rock, die weißen Haare ganz besonders glatt gestrichen, da» alte Gefickt, ganz Liebe, Güte, Fried«! „Na — meine lieben Kinder? Gott segne Euren Eingang!" „Erst kommt in Euer Zimmer", schnitt Maria-Margaretbe die Grrübrtbeit de- Wiedersehen» ab. „Guste, komm' mal her. Mein Himmel! hier ist ja eine schreckliche Luft! Aber ich hatte Dir doch gesagt, Du solltest di« Fenster den ganzen Tag auflassen!" „Ja; aber, gnäd'ge» Fräulein, da» war ja ein zu schreck licher Dunst von unten. Dem Schlächter muß da irgend 'wa- vrrfaulen." „Ach ja", klagt« Maria-Margarethe. „Da sind wir wieder mal recht bmeingekallen! E» wobnt nämlich rin Schlächter unten im Hause, und die Leute drüben auf dem Flur sagen, im Sommer röche da» ganze Hau» danach. Und nun sind wir gerade zum Sommer vergezogrn! Solche Wohnungen dürsten gar nicht vermiethet wervenl" ,9a. irgendwo müssen die Schlächter doch auch wohnen", lacht« Jakoba. „Jetzt legt vor allen Dingen ab, und dann darf ich wohl zu Tisch bitten. " Die Tbür schloß sich hinter ihr, und in einiger Gedämpft beit konnte man von der Küche her die Klage über dir Schlächter weiter hören. „So ein bischen, al» ob wir auf drei Tage zu Gaste wären!" meinte Helmuth läckelnd. Jakoba erwiderte das Lächeln und unterdrückte «in un willkürliche»: „Ich wollt', e» war' so l" Helmuth wusch sich die Hände mit Benutzung eine» freund lich bingelegten Stücke» „Gast-Seife", während seine Frau, im Begriff, die Bänder ibre« Hule» aufzubinden, innehielt und sich im Zimmer umsah. „Ich weiß nicht — bin ich blind, oder ist mein Schreib tisch wirklich nicht hier?" Helmuth sah sich um. „Ich seh' ihn auch nicht. DaS ist doch sonderbar." „Sollte das ein Mißverständniß sein und der Wirtb ihn gar nicht bergesckickt haben? DaS wäre doch zu toll! Sein Handwerkszeug pflegt man dem Schuldner doch zu lasten." „Na, die Sacke wird sich ja gleich aufklären. Sie werden drüben wohl Bescheid wissen." Jakoba trat an rin« der beiden Fenster, von denen die sauberen, aber altmodischen, blauweißen, stocksteifen Gardinen in der dazu üblichen Weise seit oärt» mit »eißbaum- wollenen Haltern ausgenommen waren. Man hatte den ungehinderten Blick au» diesem „Garten- zinimer" auf eine graue, nackte Mauer gegenüber, eine graue Mauer mit Küchenfenstern, daran baumelnden Stücken roken Fteiscke», braunen, kleinen Töpfen und angebrochenen Schüsseln mit Kückenresten und Vorräthen zur Rechten und eine Mauer mit derselben Augenweide zur Linken, so nah vereinigt, daß man eine häusliche Strafpredigt im ganzen Tonfall der „So nate pathSligue" und da» gellende Geschrei eine» Canarien« vogelS zur Linken recht wohl selbst bei geschloffenen Fenstern vernehmen konnte. Auf den Boden diese» „Garten»" konnte da» Auge so wenig gelangen, wie auf den Grund eine» Brunnen». Jakoba löste langsam die Halter und ließ die Gardinen zusammenfallen, daß sie eine Art Store» bildeten. Wo mochten ihre hübschen blauen Urbergardinrn, ihre gestickten Vorhänge sei«? An der einen Wand standen zwei Betten mit weißen Waffelbrcken. Ihr eigener Toilettentrsch mit tiesgelben Spitzen und blauen Schleifen stanv zwischen den »eißen Gardine»,
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