Volltext Seite (XML)
XXVI losen Kampf gegen russische Tücke, österreichische Arglist, englische Frivoli tät, gerieth in die übelste Stimmung und wurde nicht selten zu leiden schaftlichen Ausbrüchen des nur zu berechtigten Zornes hingerissen, er, der sonst so kühle und ruhige Denker. Denn das Wort Homers: ,,Er allein ist ein Mann, die Anderen sind wandelnde Schatten!'' — läßt sich in der That damals auf ihn anwenden. „Mit welchen Umwandlungen sarkastischer Laune, schreibt Hapm (a. a. O. S. 363), wird er in dieser Stimmung die Nachricht von dem Abschluß einer Allianz vernommen haben, zu der Kaiser Alexander den Kaiser von Oesterreich und den König von Preußen in dem Moment beredete, wo es mehr als je offenbar geworden war, daß Empfindsamkeit und Vertrauensseligkeit in der Politik nichts sind gegen die Macht der Interessen und gegen das Recht des Stärkeren! Es war eine Erfindung durchaus würdig einer Romanschriftstellerin, die jetzt in Politik und Religion Geschäfte machte, auch aus der Politik einen Roman und aus dem Chriftenthnm eine Jntrigue zu machen. Würde nicht Humboldt die ganze Schärfe des Skepticismus und die ganze Energie seines männ lichen Verstandes, würde er nicht eine volle Ladung des bittersten Spottes verwandt haben, um das Projekt der „heiligen" Allianz zu vereiteln, wenn er frühzeitig genug davon unterrichtet gewesen wäre? Es wird erzählt, und es scheint uns vollkommen glaubhaft, daß sich Kaiser Alexander von Friedrich Wilhelm ausdrücklich ansbedungen habe, Humboldt von dem Plane dieser Allianz nicht eher etwas zu sagen, als bis sie abgeschlossen sei." — In der That, dieses Faktum sollte ihm als die schönste Charakteristik seiner diplomatischen Thätigkeit niemals vergessen werden! — Mit der sich immer breiter machenden Reaktion indessen, mit dem wachsenden Einfluß jener elenden Gesellen, die sich über die Bewegungen des nach Freiheit verlangenden Volkes lustig machten, wurde Humboldt'S Stellung immer problematischer. Eine Zeitlang jedoch hielt er es noch im Staatsdienste aus. Nachdem er Paris verlassen hatte, ging er nach Frankfurt zur Er öffnung des Bundestages, und eS liegt in diesem Ansharren bei der immer geringer werdenden Aussicht ans guten Erfolg der redlichsten Be mühungen, unseres Erachtens, mehr Heldenmuth und Pflichtgefühl, als wenn er sich voreilig grollend zurückgezogen hätte. In Frankfurt konnte er nichts erreichen; der Bundestag stellte sich bald als eine völlige De- pendenz der Metternich'schen Politik heraus. Hardenberg, der preußische Staatskanzler, sei es aus Unfähigkeit die Verhältnisse zu lenken, sei es wirklich ans Mangel an gutem Willen, ließ sich von Oesterreich immer mehr gefangen nehmen, während von Berlin aus die Reaktion auf das Nachdrücklichste unterstützt wurde. Nachdem er mehrere Monate in Berlin als Mitglied des StaatS- raths gewesen war, trat er gegen Ende des Jahres 1817 den Londoner Gesandtschaftsposten an, der ihm schon lange bestimmt war. Es waren besonders persönliche Motive, die Unmöglichkeit, sich mit dem Leben in London zu befreunden, die ihn bewogen, schon nach einem Jahre nach Berlin zurückzukehren. Zu dieser Zeit, im Anfänge des Jahres 1819, er hielt das preußische Staatsministerium eine veränderte Organisation, die einzelnen Ressorts wurden vervieltältigt, und unter anderen ein eigenes Ministerium für die ständischen und Eommunalangelegen- heiten creirt, welches W. v. Humboldt überwiesen erhielt. Er war seit