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Anzeiger««- Elbeblatt für Riesa, Strehla und deren Umgegend. Wochenschrift zur Belehrung und Unterhaltung. 30. Freitag, den 12. April 1850. Die Sekte Irvings. Bei den jetzigen religiösen Bewegungen, die überall auftauchen und das allgemeine Interesse so sehr in Anspruch nehmen, wird es den Lesern gewiß willkommen sein, wenn wir ihnen über die Sekte Irvings, die in Berlin besteht und bereits so viel von sich reden gemacht, Aufschluß geben, trotzdem sich dieselbe in den Schleier des tiefsten Geheimnisses hüllt und Niemanden einläßt, der nicht Mitglied ist oder von einem Zuverlässigen eingeführt wird. Die Sekte leitet ihr Entstehen von dem Professor Irving in Glasgow (Irland) ab, ihren Ursprung führt sie aber auf den hei ligen Geist zurück. Sie ist einer von den Schößlingen mystischer Richtung, welche gewöhn lich im Gefolge politischer Revolutionen zieht, und entstand zur Zeit der ersten französischen Re volution. Während sie in England gleich bei ih rem Entstehen Ausbreitung fand, konnte sie sich in den übrigen Ländern, namentlich in Deutsch land erst in dem letzten Jahrzehnt ansiedeln. Aber auch da ist ihr Wachsthum ein geringes, in Berlin hat sie kaum 30V Anhänger nnd unter diesen sind^ die meisten aus den höher» Stän den. Ihre wesentlichen Sätze find: Das kör perliche Wiedererscheinen des Heilands und persönliche Erfüllung seiner Verheißungen aber erst dann, wenn die Kirche sich so weit gerei nigt hat um ihren Bräutigam würdig zu empfan gen. (Dieses Verhältniß Christi zur Kirche wird mit großer Vorliebe behandelt) Dann, meint die Gemeinde, Gott offenbare, sich direkt an Personen. - Anlangend die äußere Organi sation, so besteht die oberste Vorsteherschast der ganzen Gemeine in zwölf Aposteln, von denen Jeder über einen Bezirk Europas gesetzt ist. (!!!) Ihnen untergeordnet sind die Pro pheten, die eine Art Kirchenrath bilden, und denen die Evangelisten, diesen wieder di» Engel und Vice-Engel folgen. Der Sonn- tagSgottesdienst beginnt 6 Uhr früh, der nachmit tägliche 4 Uhr. Der Hauptgottesdienst besteht aus Liturgie nnd Predigt, zwischen beiden liegt eine Pause von anderthalb Stunden nm sich den Ergießungen des heiligen Geistes hin zugeben. Die Mehrzahl der Besuchenden be steht, natürlich wie bei allen schwärmerischen Sek ten, aus Frauenzimmern. Es wird wohl „ge sungen", aber ohne Musik; der mit einem weisen Oberrocke bekleidete Geistliche giebt den Tön . an. Die Gesänge sind meist ans den Psalmen, die mit den Worten „Und so war es von An fang an, und so wird es in Ewigkerl sei»", begonnen und geschlossen werden. Was hier aber gesungen heißt j heißt eigentlich bei An dern gebrummt oder gekrnnzt. Nachdem dieS zu Ende, fällt der Vice. Engel aus die Knie und die ganze Gemeinde thut dasselbe. „Gesang" und Kniefallen werden mehrmals wiederholt, hierauf tritt der Vice-Engel aus die Kanzel und predigt. Somit ist der Gottesdienst zu Ende. Londoner Proletariat. In keiner Stadt der Welt, Paris nicht aus genommen, tritt der Gegensatz zwischen Reich- thum und Armuth schroffer hervor, als in London. Ein englisches Blatt schilderte das Elend im verflossenen Winter mit folgenden er greifenden Worten: „Eine Welt von Weisheit ist in den Anstalten für obdachlosen Armen z» ler nen. Da muß man die elende Menge um die Anstalten versammelt sehen, um auf das Oeffnen der Lhüren zu warten, barfuß, vor Frost erstarrt stundenlang im Eise und Schnee aus der Straße stehend, indem der Wind durch ihre zerrissenen Kleider fährt. Da» Schreien der Hungngen, da»