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Anzeiger«»»Elbeblatt für Riesa, Strehla und deren Umgegend. Wochenschrift zur Belehrung und Unterhaltung. ^ 41. Dienstag, den 21. Mai 1850. Eine Gerichtssitzung. Politische Fabel. Im Reiche der Witterung war eine öffent liche Gerichtssitzung augekuudigt. Der Wind war verklagt, als Sturm vermummt/auf öffent« ichen Plätzen die schamlosesten Wühlereien be gangen zu haben. Man sagte von ihm, daß er als Heuler alle Gutgesinnten in Schrecken ver setzt und auf offener Straße den Unisturz alles Bestehenden gepredigt habe. Zuerst kam der Re gen als Kläger. Er brachte vor, daß der Wind sturm ihn von seiner gewohnten Beschäftigung ver jagt habe. Die Sonne wurde als Zeugin vorge- >aden. Die Sonne bejahte des Klägers Aussage, fügte jedoch hinzu, daß es nothwendig gewesen sei, den Regen zu verjagen, denn er hatte bereits alle Bäche bis zum Austreten angeschwellt. Der Wind wurde frcigesprochen. Jetzt trat die Nacht als Kläger auf und sprach, daß der Wind in seiner Sturmverhüllung ihre Ruhe, ihren Frieden störe und Lärmen und Kra wall in ihr Reich bringe. Aber alle Unp artei i- schen waren damit einverstanden, daff man in der Finsterniß nie genug Lärm machen könne. Und der Wind wurde wiederum freige sprochen. Endlich zog ein Gewitter auf und beklagte sich darüber, daß cs nie-Plvtzlich erscheinen könne, da der Wind und Sturm es den Menschen immer -früher anzeigen. Niemand im ganzen Gerichts- 'aale hatte wider das Wühlen und Heulen vor dem Gewitter etwas einzuwenden, denn es ist besser anzuzeigen, was uns droht, als dasselbe zu verschweigen, weil es manchem Ohre vielleicht unangenehm 'lingen mag. Der Heuler und Wühler Wind wurde abermals freigesprochen und die öf fentliche Gerichrssitzung im Reiche Witterung ge schlossen. Kläger wollen Alles aufbieten, daß das ge heime Gerichtsverfahren wieder eingesührt werde. Ueber deutsche Auswanderung. Von I. Weber. Die Auswanderung aus Deutschland nach frem den Welttheilen hat sich in der letzten Zeit so ge staltet, daß sie jetzt mehr als je geeignet ist, das allgemeine Interesse in Anspruch zu nehmen. Die Ansicht des Verfassers, daß dieselbe noch bedeutend im Wachsen begriffen sei und noch für Jahre hinaus steigen wird, stützt sich auf folgende Beobachtungen. Die Mehrzahl der Geburten über die Todes fälle in Deutschland übersteigt alljährlich die Zahl von 300,000 Seelen und wenn man auch anneh men wollte, daß eine solche Vergrößerung der Bevölkerung in sich selbst dazu dienen mag, den allgemeinen Geschäftsverkehr bedeutend zu vermeh ren, so hat letzterer Umstand gerade das gegen sich, daß Deutschland anscheinend jetzt schon nicht alle seine Bewohner zu ernähren vermag. Die Behauptung daß dem leicht abgeholsen werden könne, einerseits durch die Fortschritte, welche die deutsche Land- wirthschast macht, anderseits durch den Anbau, der bis jetzt noch unangebauten Strecken Landes, hat die außerordentlichen Schwierigkeiten nicht in Anschlag gebracht, welche sich in letzterer Beziehung in physischer, peeuniärer, selbst in politischer Hinsicht,, hier darbieten würden. Obschon mehrere von den deutschen Regierun gen in der neuesten Zeit zu der Einsicht gelangt sind, daß eS besser sei, die Auswanderung zu un terstützen, als fie nur ungern zu sehen oder gar