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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.08.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-08-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050811027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905081102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905081102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-08
- Tag 1905-08-11
-
Monat
1905-08
-
Jahr
1905
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Bezugs-Preis t» d« Hemptrxpedttt« »der deren «««gebe» Pelle» «vqeholtr vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger tügltcher Zeftellnog In« Hau» S.7L. Durch di» Post bezog« für Deutsch land », Oesterreich vierteljährlich 4.L0, für di« übrig« Lilad« laut gettuuqrpreiblisk. Diese Nummer testet /d tNk aus all« vahuhvf« »nd III ^(1 bei d« Zeitungr-UertLuserv I* Itedattl»» «ad Erpedttta«: IÜS Fernsprecher 8L2 Iohannirgafs« S. Haupt-KUtate Dre»de»r Marieuftrabe S4 (Kmrsprech« Amt I Nr. 1713). Haudd-isMalr verltar CLrlD»nck»r,HtrzaOvayr.tzofbllchda«dla, Lützowslruße 10 Eerusprech« Amt VI Nr. »MU, Abend-Ausgabe. KlMcr TaMM Handelszeitaag. Amtsblatt des Lönigl. Laub- und des Liinigl. Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates und -es Nokizeiamtes -er LtaSt Leipjig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Familien- und Stellen-Anzeigen 20 Finanziell« Anzeigen. Beschüst-anzeigen unter Text oder an besonderer Stelle nach Taris. Di« -gespaltene NrklamezeUe 7ü »L- Auuahmeschtutz für Anzetgeu: Abend-Ausgabe vonnittagd 10 llhr. Morgrn-Audgab«: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen stad stets an die Expedition zu richten. Extra-veUageu mar mit da Morgrn- ÄuSgabe) uach besoadera Baeillbaruag. Di« Expedtttau ist Wochentag- ununterbrochen arüssnet von jrnh v bis abend» 7 Uhr. Druck und Bataa oou iü. Palj in Leipzig <Znh. vr. L.R. L W. Kltukhardtt Lerausgrberr vr. Victor Mtukhardt. det, um so näher lag es für den Vatikan, durch eine ob jektive religiös-kirchliche Belehrung den preußischen Polen klar zu machen, daß ihr katholischer Glaube ihrer Untertanenpflicht durchaus nicht im Wege steht. Vorstellungen der direkt entgegengesetzten Art sind es bekanntlich, die unter der offenen yder versteckten Leitung des polnischen KleruS in der polnischen Be- völkerung lebendig erhalten werden. Da wird den Polen vorgeredet, daß deutsche Predigten von ihnen nicht besucht werden dürften. Da wird ihnen gesagt, sie verkauften dem Teufel ihre Seele, wenn sie die deutsche Beichtabteilung besuchten. Da macht man ihnen weiß, daß der liebe Gott nur polnisch verstehe, daß Christus und Maria polnisch gesprochen hätten, und daß der Papst ebenfalls nur polnisch spreche. Mit solchen Mitteln schafft man sich freie Bahn für die Behauptung: es sei eine Sünde, zu Hause deutsch zu beten: und mit sol chen Behauptungen nährt man den Wahn, daß der liebe Gott die polnische Erziehung der Kinder befohlen habe. Einen solchen Mißbrauch der Religion zu rein poli tischen, die Untertanenpflichten gegen den deutschen Herrscher und gegen den deutschen Staat aufs schwerste verletzenden Zwecken hat der polnische Klerus in seiner Gesamtheit niemals mißbilligt, sondern vielmehr be fördert, und selbst in Fällen krasser Herausforderung des Deutschtums bedurfte eS erst der schärfsten Kritik deutscher Blätter, bevor Erzbischof von Stablewski allzu unvorsichtige geistliche Heißsporne mild genug zensu- rierte. Der Vatikan aber hat dieses Treiben stets mit verschränkten Armen geduldet. Es fiel der Kurie nicht ein, durch religiös-kirchliche Be lehrung der Teutichen-Hetze, wie sie mit Hülfe deo Reli gion betrieben wurde, entgegenzutreten. Und noch hat Leo XIII. in den Jahren 1881 und 1882 wiederholt die Iren zum Gehorsam gegen die gesetzliche Obrigkeit angehalten. Und doch hat Leo im März 1894 sowohl die russischen wie die österreichischen Polen ermahnt, gehorsam und loyal zu sein. Erinnert man sich, mit welcher ungeteilten Befriedigung Papst Leo die Lage des Katholizismus in Preußen würdigte, als ihm der Abgesandte des Kaisers, Generalfeldmarschall von Loo, die Glückwünsche zum RegierungSjubiläum überbrachte, so muß man sich über die Verschiedenheit der Behandlung wundern, die Papst Leo in dem fraglichen Punkte gegenüber den preußischen Polen zur Anwen dung brachte. Allgemeine Versicherungen von der Art der dem Kaiser gegenüber ausgesprochenen bedeuten im Vergleich mit jenen Unterlassungen verzweifelt wenig. In Zentrumskreisen herrscht natürlich eine gerade entgegengesetzte Auffassung, die sich auch in den Aeuße- rungen der führenden Blätter dieser Partei zeigt. So wiederholt z. B. die „Germania" die schon so oft wider legte Behauptung, daß unsre ganze Polenpolitik auf protestantische Agitation hinauslaufe, und findet sich schließlich mit dem Gelöbnis Leos XIII. in folgender Weise ab: „Wenn Papst Leo XIII. dem Kaiser gelobt hat. daß alle Katholiken seines Staates stets getreue Unter- tanen sein würden, so konnte er das mit gutem Ge wissen tun. Allerdings läßt sich vermuten, daß er da- bei zugleich die Bitte gleicher und gerechter Behand lung auch der katholischen Polen aussprach oder im Auge hatte. Das scheint der Zusammenhang zu fordern. Tatsächlich läßt sich auch heute noch behaup- ten, daß Leo XIII. „nicht nach seinem Tode wort brüchig" geworden ist, denn die große Masse der pol- nischen Bevölkerung denkt trotz alledem noch nickt an Treubruch und Losreißung vom preußischen Staate. Einige Agitatoren und Hetzer sind ja von einer solchen Anklage nicht freizusprechen, aber die Masse ihrer An- Hänger fühlt sich nur im nationalen Gegensätze zu den Deutschen." Noch hochfahrender schreibt die „Köln. Volksztg.": „Vollständig wirkungslos — es ist eine traurige Wahrheit, aber sie muß offen ausgesprochen werden — werden die kaiserlichen Worte nach der polnischen Seite bleiben, solange man die bisherige Polenpolitik der preußischen Staatsregierung nicht einer gründ lichen Aenderung unterzieht. Der Kaiser ist in seinem vollen Rechte, wenn er seine Untertanen polnischer Zunge erinnert an ihre staatsbürgerlichen Pflichten und sie warnt vor dem phantastischen Spiel mit großen geschichtlichen Erinnerungen. Auch wir haben oft gewarnt vor diesem nicht immer harmlosen Spiel, vor einer nebelhaften Zukunfts-Politik, vor einer Uebertceibung des polnischen Nationalgedankens, aber diese Ausschreitungen werden durch den neuesten Polenkurs hervorgerufen. An eine Aenderung ist nicht zu denken, so lange daS herrschende System im Widerspruch mit den jetzigen Zuständen der preußi schen Monarchie, im Widerspruch auch zu den Buch staben und dem Geist der preußischen Verfassung steht und solange Gesetzgebung und Verwaltung das Polen- tum als feindliche Macht behandeln. Solange die polnische Sprache überall zurückgedrängt wird und einerseits viele Summen aus Staatsmitteln bereit gestellt werden, um polnischen Grundbesitz in deutsche Hände zu bringen und andererseits die Erwerbung von Grundbesitz Lurch polnische Staatsbürger gesetz lich erschwert oder unmöglich gemacht wird, solange diese Ungleichheit vor dem Gesetz andauert, ist eS eine selbstverständliche Folge, daß die Polen sich als unter drückte Minderheit fühlen. Der Wortlaut dessen, was Leo XIII. dem Kaiser versprochen hat, läßt sich authentisch natürlich nicht mehr feststellen. Es wird uns schwer, anzunehmen, daß die Worte genau so ge- lautet haben, wie der Kaiser sie anführt. Seine feier liche Verpflichtung für die Untertanentreue aller Ka tholiken sämtlicher Stämme und jeden Standes würde doch erheblich über das hinausgehen, was der Papst zu verbürgen in der Lage war. Daß das Gnesener Domkapitel außer Stande ist, die Erfüllung einer solchen Bürgschaft zu übernehmen, und daß die Nichterfüllung den Papst nickt noch nach seinem Tode dem deutschen Kaiser gegenüber wortbrüchig machen kann, bedarf keiner weiteren Ausführungen." Ob die Zentrumsblätter nach den in nächster Zeit bevorstehenden Wahlen die Polen noch ebenso in Schutz nehmen werden, bleibt abzuwarten. Wie übrigens jetzt bekannt wird, hat der Kaiser auf dem Truppenübungsplätze Weißenburg noch eine zweite Rede gehalten, worin er folgendes auS- fiihrte: Es sei das erstemal, daß er das Gelände des Trup penübungsplatzes Weißenburg besichtige. Von allem, was er gesehen, sei er überrascht und hocherfreut. Die Haltung dex Bevölkerung und der herzliche Empfang, den er bei dieser und den Truppen gefunden habe, habe in ihm die Ueberzeugung befestigt, eS mit loyalen Unter tanen zu tun zu haben. Angesichts der Versuche, Zwie tracht zwischen den Bürgern deutscher und polnischer Nation zu säen, sei es sein ernster und unerschütterlicher Wille, fxst an der Ostmarkenpolitik zu halten. Posen sei früher Garnison seines Leibregiments gewesen und solle auch jetzt wieder Garnison eines solchen werden. Zu diesem jxinem Leibregiment ernenne er das Regiment Jäger zu Pferde in Posen, daS von jetzt ab heißen werde: Leibregimeyt Jäger zu Pferde Nr. 1 „Kaiser Wil Helm II.". Er hoffe, daß das jüngste seiner Leibrcgi- mentex würdig der Taten seiner Regimenter sick an schließen und vn Hort deutscher Gesinnung in der Ost mark sein werde. »er rurrirch-jspsnirche Weg. Witte hebt feine Vollmacht auf. Das Bureau Reuter hat sich gestern aus Ports- mouth melden lassen, die Stimmung in der Friedens, konferenz sei derartig, daß sich die Hoffnung auf einen günstigen Ausgang in hohem Grade ver stärkt habe. Baron Komura habe mit großem Ernste gesprochen und erklärte, daß die Bedingungen seines Landes mäßig und wie er hoffe, derartig seien, daß sie als Grundlage zu den Verhandlungen dienen können, die mit der Hoffnung auf einen dauernden Frieden geführt werden. — Nachdem gestern die Kon ferenz beendet war, gingen die Mitglieder um 12 Uhr zum Frühstück nach dem Marinearsenal. Die Russen zogen sich zurück, um die Friedensbedingungen zu prüfen, welche sie mit Wittes Erläuterungen tele graphisch nach Petersburq übermit teln werden, ferner meldet der „Daily Telegraph": Bei der Prüfung der japanischen Beglaubigungs- schreiben stellten die russischen FriedenSbevollmächNg- ten fest, daß in diesen der Mikado verlangte, daß jede von den Friedenskommissaren getroffene Verein- barung feinem Erm eisen unterbreitet werden müsse, während der Kaiser von Ruß land die russischen Friedensunterhändler in ihren Beglaubigungsschreiben ermächtigt, in seinem Namen Bedingungen und Zugeständnisse zu ver langen und anzunehmen, und etwaigen Abmachungen, die sie unterzeichnen würden, seine Genehmigung er teilt. Infolgedessen erklärte Minister v. Witte bei der Eröffnung der heutigen Sitzung, um die gegen seitigen Machtbefugnisse auszugleichen, be- absichtigten die russischen Friedensunterhändler von der ihnen erteilten Ermächtigung, einen Frie densvertrag ohne jede Rücksprache mit dem russischen Kaiser zu unterzeichnen, keinen Gebrauch zu machen. Nach sonstigen Depeschen der Zeitungen hat Ko mura nicht darauf reagiert, daß Witte sich der ibm geläufigen französischen Sprache bediente, er sprach vielmehr fortgesetzt japanisch, da» durch Tol- metscher übersetzt wurde. Schließlich sprach auch Witte wieder russisch. Da ließ sich Komura ein weiß- gebundener, in japanicher wie französischer Sprache ge schriebenes Aktenstück, reichen und sprach, ohne än Weiteres Begleitwort, die in französischer Sprache über tragenen Worte: ,,Jch habe die Ehre, Ihnen, Herr Spezialbevollmächtigtex, die Forderungen zu über- reichen, welche Seine Majestät der Kaiser von Japan nach Beratung mit seiner Regierung in meine Hände zu legen geruht haben." Am Schlüsse der Sitzung fragte Komura, wann er die russische Antwort auf die japanischen Forderungen erhalten könne, und fügte hinzu, daß er für die Antwort keine lange Frist gewähren könne. Von russischer Seite wurde ver sprochen, so schnell wie möglich den Japanern Bescheid zukommen zu lassen. Wie verlautet, ist der Wortlaut der japanischen Bedingungen ein sehr umfangreicher. Außer der Forderung, die Insel Sachalin abzutreten und eine Kriegsentschädigung von Milliarde Dollars zu zahlen, enthält das Schriftstück noch weitere Einzelheiten über die Reorganisation Ost- asiens, speziell der Mantsckurei, so Einführung einer Kontrolle über die chinesischen Eisenbahnen. Die japanischen Bedingungen sollen überhaupt in einer Nr. OK. 1 I,II > II.MU«»SMM«-Ses-»MU»S Var Wichtige vom läge. * Da» Kaisrrpaar wird nächste Woche auf der Wartburg erwartet. * Der Historiker Wilhelm Oacken in Gießen ist heute gestorben. (S. Letzte Nachr.) * Der leitend« Ausschuß der koalierten ungarischen Linken beschloß, die Verwaltungsbehörden zu verschärftem Widerstand auszufordern. (S. Ausland.) * Entgegen den Informationen der Pariser Blätter steht e» fest, daß in Sachen der neuen marokkanischen Anleihe die deutsche Neuerung bereits in aller Form eine Erklärung bei der französischen abgegeben hat. Die Erklärung ijl unmittelbar nach der Abreise RouvierS an den Genfer See erfolgt. In ungewöhnlich erregtem Tone erörtert der „TempS" die Notwendigkeit für Deutschland, die Mission des Grafen Tattendach in Fez für beendet zu erklären. (S. Ausland.) * Die „Central News" melden aus Tanger: Drei holländische Kreuzer werden in Kürze hier erwartet, um zu demonstrieren, daß Holland erhebliche Interessen in Marokko habe und folglich auf der Konferenz vertreten fein müsse. * Die „Daily Mail" meldet aus Tanger: Alte Han delsstraßen zwischen den marokkanischen tzveehäfen und der Stadt Marokko, mit Ausnahme de» Wege» von Mogador aus, sind wegen deS allgemeinen Aufstandes der um Marokko herum wohnenden Stamme stark gefährdet. Mehrere Karawanen wurden geplündert. * In dem Petersburger Arbeiterviertel am Narwa-Tor herrscht Hungersnot. ES hungern gegen 30 000 Personen. (S. Ausland.) * Der ArbeiterauSstand auf der Warschau-Peters burger Bahn ist beendet. * Der „Daily Telegraph" meldet aus Tokio: Es sind ernste Allreichen für Unruhen in China vorhanden. Nach einem Telegramm au» Peking brachte eine große Anzahl Lama zwölf Katholiken um uud lotete und verwundete mehrere französische Missionare in der Provinz Hon an. Von französischer Seite sind au» diesem Anlaß ernste Vorstellungen bei der chinesischen Regierung er hoben worden. Ser Wirer «na Sie pslenpolititz. Der Kaiser hat in Gnesen eindringlich die Deutschen zum Au-Harren auf dem Posten in der Ostmark, die Polen zum Verzicht auf ihre groß polnischen Bestrebungen ermahnt. So schwer diese kaiserliche Mahnung in die Wagschale fällt: noch be deutsamer erscheint der Appell des Kaisers an das Gnesener Domkapitel, das Wort Leos XIII., daß alle katholischen Preußen treue Untertanen des Kaisers und Königs seien, zur Wirklichkeit zu machen, damit nicht der Papst nach seinem Tode wortbrüchig werde gegen über dem Kaiser. Dieser Hinweis auf die Beteuerung Leo- XIII. lenkt auf die Frage, ob der Pap st als Oberhaupt der katholischen Kirche das seinige getan habe, um die preußischen Staatsbürger polnischer Zunge mit dem lebendigen Bewußtsein ihrer Untertanenpflichten zu erfüllen. Je inniger der polnische Klerus Religion und Politik mit- einander verquickt, je fanatischer derselbe Klerus die Religion als Sturmbock gegen das Deutschtum verwen- Freitag 11. August 1905. 98. Jahrgang. Feuilleton. 4s, Vie beiden Hallermuuds. Bon A. Dom. - - Stach-«« -er-ot«. Loni war seit einem Monat daheim. Sie hatte trübe Tage und Wochen verlebt. Der Vater hatte sich eine gefährliche fieberhafte Influenza zugezogen, die verbunden mit den seelischen Aufregungen über den Tod seiner Tochter, ihn sehr hinfällig gemacht. Nur sehr langsam begann er sich zu erholen, und der Regiments- arzt war in der Tat nicht unbesorgt. Das rauhe Klima, der endlos lange Winter schien nicht ohne schädlichen Einfluß auf die Lungen deS Oberstleutnants gewesen zu sein. Seine Frau, seelisch hin und hergerissen von den schlechten Nachrichten daheim, und den verwirrenden Zuständen in der Haushaltung de» Schwiegersohnes mußte sich nun doch entschließen, heim zu reisen, nach dem sie eine dem Anschein nach passende Haushälterin für Liebig gefunden und engagiert hatte. Von Kummer und Sorge verzehrt und ganz abge- arbeitet kam sie zurück. Loni erschrak bi» in» Herz hinein, al» sie die Mutter wiedersah. Sie durfte und konnte die Eltern so nicht verlassen, und im Begriff um längeren Urlaub zu bitten, erhielt sie just einen Brief von der Fürstin, welcher lautete: „Sie werden in einigen Tagen in den Zeitungen von der Vermählung be» Fürsten mit der «ng«in Nora Viola, oder wie sie sich jetzt nennt, Carola von Haller mund, lesen. Mir wurde bereits mittelst Kabeltele gramm die Dermählungsanzeige gebracht. " Loni mußte erst einmal den Brief sinken lassen. War eS denn möglich? Veilchen Aron, Fürstin von Pleiß? Blitzschnell kreisten ihr die Ge ¬ danken im Hirn hin und her. Sie sah sie plötzlich vor sich im einfachen schmucklosen Kleid, „eins von derJnspektorin ihrem alten zurechtgemacht", schlank, schön, eigen ¬ artig, selbstbewußt. Noch tönte die Stimme an ihr Ohr, da sie ihr vorsang. Mächtig, dunkel wie Orgelton, in der Kirche, süß und sanft und verlockend, wie Nach tigallenschlag! — Und dann hatten sie sich beide beinah regelrecht gezankt. Loni brachte damals noch ihren Hildhausener Offizierston mit in die Fremde. Schien ihr doch dies Judenmädchen so tief unter ihr zu stehen —, daß eS ihr für sie ganz heilsam erschien, etwas geduckt zu werden. Loni mußte plötzlich laut lachen. „Ge duckt!" Die! Und nun? Loni griff plötzlich mit hochrotem Gesicht wieder nach dem Briefe. Sie la» weiter: „Ich kann mir ganz gut vorstellen, daß es Ihnen nicht angenehm sein würde in Pleißenstein zu verweilen unter den ganz veränderten Verhältnissen. Ich selber siedele im Juni mit den Kindern nach Hohenbüchen über, und werde von jetzt ab meinen ständigen Wohnsitz dort haben. Mich hält nur noch die angekündigte Ankunft der Baronin Unyadchy in Pleißenstein zurück. Sie wünscht ihren Sohn wiederzusehen. Ich möchte Ihnen, liebe» Fräulein von Hallermund nun den Vorschlag machen, in ungefähr vierzehn Tagen, es können auch drei Wochen werden, in Hohenbüchen ein zutreffen. Komtesse Ulla wird mit der nötigen Beglei tung dann bereits dort sein. Frau Seebach kommt gleichfalls mit der Komtesse nach Hohenbüchen zurück. Indem ich von Herzen wünsche, daß es Ihrem Herrn Vater wieder besser ergeht, verbleibe ich Mit freundlichen Grüßen Anna, Fürstin Pleiß-Pleißenstein. Die Kinder, Frau von Mallwitz und Frau Seebach senden Ihnen Grüße." So, den verlängerten Urlaub hatte sie nun unge beten. Desto besser. Und wa» die Fürstin schrieb von den ganz veränderten Verhältnissen nun ja, schwierig war eS ja, indessen war nicht die Mallwitz auch eine Cousine der Fürstin? — und daS Zusammen leben war das denkbar angenehmste. Neid und Miß gunst empfand Loni nicht, ganz im Gegenteil, es regte sich das Hallermundsche Blut, eS war doch gar nicht so übel, sagen zu können, unsere Cousine die Fürstin Pleiß-Pleißenstein! Nach Hohenbüchen ging Loni nur zu gern, und so wollte sie denn der Zeit erst einmal ihren Lauf lassen, vor allen Dingen aber den Eltern den Brief vorlesen. Indessen den Pasiu» von der erwarteten Ankunft der Baronin Unyadchy ließ sie fort. Bei der Mutter wirkte der Name dieser Frau wie da» rote Tuch bet einem wild gewordenen Stier, und de» Vater» Nerven waren viel zu heruntergestimmt, um ihnen unnütze, da» heißt ärgerlich« Nachrichten zu bringen. — Daß seine» Bruders Tochter eine Fürstin geworden, — sie kannte ihr Väterchen — es machte ihm doch heimliche Freude. Wie alles im Leben sich stets anders gestaltet, als man denkt und glaubt, so verhielt es sich auch mit der ersten Begegnung der beiden Fürstinnen. „Du kannst beruhigt sein, lieber Arnold", hatte die junge Frau ihrem Mann gesagt. „Ich werde keinen Augenblick vergessen, daß es deine Mutter und die Fürstin Pleiß ist, deren Gunst ich mir zu erringen wünsche. Niemals werde ich eS an der ihr gebührenden Hochachtung ihr gegenüber fehlen lassen." „Selbst auf die Gefahr hin, daß du zu kämpfen hast, Carola?" — „Gon- gewiß! Ich habe schwerer im Leben kämpfen müssen und werde mir'S zur Aufgabe machen, deine Mutter, wenn sie auch meine Liebe nicht annimmt, ihr doch zu beweisen versuchen, daß sie ihres Sohnes Frau achten darf!" Und Fürst Arnold hatte sich, wie schon so oft in seiner kurzen Ehe, wieder einmal wundern müssen, über den Takt und das kühle Selbstbewußtscin seiner angebeteten jungen Frau. Den Neuvermählten waren bei ihrer Heimkunft Ehrenpforten gebaut und die Pleißensteiner Beamten! und Dörfler und alle- waS dazu gehörte feierten du» Tag in gebührender Weise. Im großen EmpfangSsalon, die beiden Kind» neben ihrem Fahrstuhl stehend, empfing die Mutter de? Sohn und dssssn Gattin. — Sr nsigt, sich üb« -I'
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