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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.07.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020707013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902070701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902070701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-07
- Tag 1902-07-07
-
Monat
1902-07
-
Jahr
1902
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Angebote sind verschlossen und mit der Aufschrift „Erd- und GrüuduiigSarbciten zum Jnstizncubau" bis zum 2l. Juli 1902 an oben genannte Stelle einzurcichen. Leipzig, am 6. Juli 1902. Baurath vr. Uo88daeli. „Vom Reichskanzler Fürsten von Hohenlohe." Aus dem jetzt in der Beilage zur Münchner „Allgem. Zeitung" vorliegenden V. und letzten Thcilc der Erinne rungen von vr. Otto Frhrn. v. Bölderndorff theilcn wir noch einige der interessanten und wcrthvollen Beiträge zur Kennzeichnung der Arbeit des Fürsten im Sinne der deutschen Ei n i g u u g s b est r e b u n g e n aus der Zeit vor 1870 mit. Es heißt da unter Anderem: Die gleichmäßige Bewaffnung des ge- sammten deutschen Heeres fand in den baye rischen militärischen Kreisen großen, fast allgemeinen Widerstand, weil man, wie früher für den Podcwils, so nun für das Werder-Gewehr unendlich eingenommen war. Eines Tages waren die Mitglieder der Conferenz, darunter der badische Kricgsminister General v. Beyer, zum Diner bei Frhrn. v. Pranckh geladen, nnd nach demselben sollte das Werder-Gewehr prvdncirt werden. Der Adjutant des Herrn Kriegsministcrs brachte einen Kasten mit der Waffe herbei, das Gewehr wurde hcrans- genommen, alle seine Vorzüge cxplicirt, und dann wollte der vorzeigende Officier damit nach der Scheibe schießen. Er legte an, zielte und drückte ab,' aber die Flinte ging nicht los, alles Bemühen war vergeblich. Peinliche Pause. Da sagte der badische Kricgsminister v. Beyer, ohne eine Miene zu verziehen, in höflichstem Tone: „Excellen, derartige feincvnstruirte Waffen werden leicht durch irgend einen Zufall momentan im Gebrauche be hindert. Das Gewehr ist, wir haben es gesehen, emi nent gearbeitet und seine Maschinerie famos auSge- sonnen. Nur zu delicat scheint es zu sein. Im Gebrauch durch routinirtc Schützen wird das Werder-Gewehr die Zündnadcl wahrscheinlich an Leistungsfähigkeit über treffen; aber im Kriege braucht der gemeine Mann eine Waffe, die einen Puff aushält." Das hat sich denu auch später richtig herausgestellt und daS fragliche Geivehr ist aus der bayerischen Armee wieder verschwunden. Als eine Illustration zu der Stimmung, gegen welche der Fürst bei jedem Schritte, der zur Wiedervereinigung mit Deutschland führen sollte, zu kämpfen hatte, erwähnt Frhr. v. Bölderndorff folgende Episode: Die ultramontane Presse hatte allmählich alle Schranken in ihren Angriffen überschritten, nnd da ich Preßrcferent war, so wurde mir dies zu bunt. Ich war aber natürlich nur Preßrcferent bezüglich des Acußern, und so konnte ich nur in dieser Richtung vergehen. Die Ironie des Schicksals wollte, daß sich gerade bei einem mir stets sehr wenig sympathischen Souverän Gelegenheit bot, den ärgsten Schreier beim Schopf zn fassen, aber ich griff zu. Zander hatte in seinem „Vvlksboten", einem der ärgsten Hetzblätter, den Herzog von Coburg scheußlich angegriffen, und es gelang <20. Juni 1868), die Vcrurthcilnng dieses Journalisten vor dem Schwurgerichic zn erzielen, die ihn für längere Zeit hinter Schloß und Riegel brachte. Das war etwas, aber in gleicher Weise den König von "reußcn zn schützen, hinderte die Bestimmung des bäuerischen Pretz- gesetzeS, wonach eine Verfolgung der Preßbeleidigungen gegen auswärtige Souveräne nur dann statthaft war, wenn die Gegenseitigkeit durch Vertrag verbürgt war. lind einen solchen Vertrag Voranschlägen, war als eine prcußenfrenndlichc Maßnahme etwas bedenklich. Da half mir ein rheinisches Blatt, welches einen sehr in famen Artikel über unseren König brachte. Sofort erbat ich die Erlaubnis!, denselben mit dem Bedauern vvrlegen zn dürfen, daß uns die gegenwärtige Preßgesetzgebung hindere, gegen den Rcdacteur vvrzugehen. Rasch er folgte der Befehl, diesem Zustande ein Ende zn machen, und mit großem Behagen konnte ich schon am 9. Oetober 1868 den Abschluß eines Vertrages mit Preußen be grüßen, durch welchen cS möglich wurde, gegenseitig Be leidigungcn des anderen Staates durch die Presse von Amts wegen zn verfolgen. Leider mußte für diese neue „Verprenßung" die See ein Opser haben, nnd dazu be nützte die nltramvntan - parrienlaristische Partei, noch dazu in recht thvrichtcr Weise, eine Sache, in der sie sofort ganz Deutschland gegen sich in Harnisch brachte. Emanuel Gcibcl hatte in poetischer Begeisterung den König Wilhelm bei seinem Besuche in Lübeck mit den Versen begrüßt: Und sei'S als letzter Wunsch gesprochen. Daß noch dereinst Dein Ange sicht. Wie nbcr's Reich ununterbrochen Äom Fels znm Meer Dein Adler zieht. Diese Verse, welche doch nur eine Wiedervereinigung des Nordens mit dem Süden im Sinne hatten, wurden als der Wunsch nach Mediatisirnng Bauerns dem Könige ausgelegt, unsere Gegenbemerkung, daß ja offenbar unter dem „Adler" nur der Reichsadler, nicht der preußische Adler zu verstehen sei, fand keine Beachtung, und es wurde dem großen Dichter am 14. October 1868 die Pension entzogen, welche König Maximilian II. ihm und verschiedenen anderen Poeten aus der Cabinets- casse ausgesetzt hatte. Alsbald, am 29. October, ant wortete bekanntlich PaulHeyse auf diese Maßrege lung durch frciwatw.cu Verzicht ans seinen Bezug. Es folgt nun die spannende Erzählung von den Be strebungen des Fürsten, der nationalen Verbin dung der Südstaaten untereinander und mit dem Norddeutschen Bunde eine festere recht liche Grundlage zu geben. Es war (1809) in Altaussee, auf unseren Spazier gängen, wo mir Fürst Hohenlohe seine Ideen über den Inhalt der zwischen den süddeutschen Staaten und dem Norddeutschen Bunde zu erzielenden nationalen Verbindung im Detail auseinandersetzte. „Aus meinen verschiedenen Reden", äußerte er einmal (ungefähr, den Wortlaut kann ich natürlich nicht verbürgen), „ist Ihnen ja das Endziel meiner Wünsche bekannt, auch die Gren zen kennen Sie genau, über welche hinauszugehen ich nicht gewillt bin. Es handelt sich nun vor Allem um eine juristische Fvrmnlirung der Sache, und dazu sind Sie der rechte Mann." „Tic Aufgabe muß sehr schwer sein", sagte ich heiter, „wenn Durchlaucht es für nöthig finden, mir Schmeicheleien zn sagen, um mir Muth zu machen. Und da Goethe sagt, nur die Lnmpen sind bescheiden, so will ich zugcbcn, die Jahre, in denen ich als Sekretär der Eivilgesetzcvmmissivn mich an dem Redactivnstalent eines Molitor und Dollmann geschult habe, nicht spurlos an mir vorübergegangcn sind. Auch bringe ich jedenfalls das mit, daß mir keiner der vielen Entwürfe, die seit dem Basler Frieden sür die Gestaltung Deutschlands ausgesonnen wurden, unbekannt ist, und daß ich wenig stens weiß, was n i ch t zn erreichen ist." „Und den besten , Willen haben Sie auch", schloß der Fürst, „also frisch ans Werk." Fleißig, ernst nnd sorgfältig habe ich gearbeitet, zuerst entwarf ich die Grnndzüge des Ganzen und erholte darüber die Ansicht des Fürsten. Dann legte ich jeden Artikel, wenn ich ihn skizzirt hatte, vor nnd folgte in der eudgiltigcn Rcdaction den klugen, scharfsichiigen und stets praktischen Direktiven meines Chefs. So manches hätte er und auch ich anders zu fassen gewünscht, aber nach dem Grundsätze: Das Bessere ist der Feind des Guten, wurde stets erwogen: was ist möglich, was ge fährdet das gelammte Werk. Endlich war ich fertig, noch eine eingehende Besprechung und Ausfertigung des Einzelnen, die mehrere Tage dauerte, dann sagte der Fürst: „Ehe wir weiter gehen, müssen wir wissen, wie sich Graf Bismarck zu dem Ganzen stellt. Eine ofsiciclle Anfrage ist natürlich ausgeschlossen, bevor der Kenia zugestimmt hat und bevor die übrigen süddeutschen Staaten einverstanden sind. Aber Graf Tauffkirchcn ist momentan in Berlin, suchen Sie ihn ans und suchen Sie durch ihu eine vertrauliche Acußerung zu erlangen." Stoch am selben Abend dampfte ich nach der norddeut schen Hauptstadt, kam mit einer schauderhaften Migräne an und Hütte mich am liebsten ins Bett gelegt. Aber- Zeit war nicht zu verlieren, da Graf Tausskirchcn seine Rückreise nach St. Petersburg auf den kommenden Mor gen festgesetzt hatte. So sprach ich denn mit ihm, mehrere Male durch Anfälle von Seekrankheit unterbrochen, die Sache durch, und er begab sich zum Ab schiedsbesuch nach dem Kanzlerpalais. Ich wars mich auf das Sopha, es war mir furchtbar elend zu Muthe und mit dem Gedanken: „Wenn das eine Vorbedeutung ist, gratulire ich", schlief ich ein. Es mochte zwei Stunden gedauert haben, btö Tauff kirchen mich weckte mit den Worten: „Gut is' gangen". Er erzählte mir, daß er die Gelegenheit vom Zaune ge brochen und auscinandergesetzt habe, wie zur Zeit in München die Stimmung über die Verbindung mit dem Norden sei, und daß Fürst Hohenlohe nur dann weiter vorgehcn wolle, wenn er die Versicherung habe, daß ein Versuch, correct nach dem Prager Frieden die zweite Gruppe der süddeutschen Staaten zu bilden und zwischen ihr und dem Norddeutschen Bunde eine nationale Ver bindung zu schaffen, von seiner Seite unterstützt werden würde. Graf Bismarck bemerkte: „Da müßte man doch vorher einigermaßen vrientirt sein, wie diese Verbin dung gedacht ist." „Nun zog ich", — refertrte mein Freund weiter, während ich mir einen nassen Umschlag über die Stirne machte —, „Deine Entwürfe aus der Tasche und trug sie vor." „Und'?" fragte ich in athem- lvser Hast. „Nun, daraufhin ließe sich ja verhandel n", waren Bismarck's Worte. Ich sprang vom Sopha auf, das Kopfweh war vergessen und sactisch bald hernach verschwunden. Meine Freude war jedoch verfrüht. Zwar trug Fürst Hohenlohe, nachdem ich ihm das Resultat von Taufskirchen's Sendung be richtet, in einer Audienz bei Sr. Majestät die Sache dem Könige vor und erhielt auch von ihm die mündliche Er laubnis!, weiter vvrzugehen, aber damit war es auch zu Ende. Die Minister erschraken schon bei der ersten Ankündigung, und Herr v. Lutz machte sofort bet dem Cabinctssckrctär die entschiedensten Vorstellungen. Zluch ließ die innere Lage leine Möglichkeit erblicken, bei der Volksvertretung einen Vorschlag, wie den fraglichen, anders als mit einem solennen Mißtrauensvotum oder gar mit einer Ministerankiage beantwortet zu sehen und so blieb der Entwurf in meinen Privatacten liegen. Als später, im Herbste 1870, Delbrück nach München kam, um über den Eintritt Bayerns in bas deutsche Reich zu verhandeln, ließ mich mein damaliger Chef, Graf Bray, rufen und sagte: „Sie haben ja dem Fürsten Hohenlohe einen Entwurf ausgearbeitet über eine Verbindung Bayerns und der übrigen süddeutschen Staaten mit dem Norddeutschen Bunde. Ich finde ihn nicht in den Acten." „Er ist auch nie actenreif geworden, Ercellenz", erwiderte ich; „er blieb stets Embryo. Und jetzt ist cs zu spät. Aber wenn Ercellenz wünschen, werde ich auf Grund der damaligen Ideen einen der jetzigen Sachlage angepaßtcn Vorschlag ansarbciten." Feuilleton. Der Herr Mitzreserent. Ein Schwabenstreich; überliefert von M. Trapp. rfl.ra,'druck veno.en. Also: das Wahrzeichen des lieben, guten alten Buben hausen, der Wasserthurm nämlich, war abgebrochen, und da der Blitzableiter ohne Thurm, oder auch umgekehrt, eigentlich keinen Zweck mehr hatte, so wurde auch dieser abgebrochen und von dem sonst sehr bequemen „Blitz- Referenten" des wohllöblichen Gemeinderathö ins „städtische Magazin", befohlen. Sv weit war Alles schön. Nun aber hatten die Durmesbacher gehört, daß die von Bubenhausen einen Blitzableiter zu viel hätten, und weil ihnen schon lange Angst war, das Donnerwetter könne einmal in ihre Gemeindewirthschaft schlagen, wollten sie für alle Fälle einen Blitzableiter auf ihr Stadthaus setzen, so „communicirte" der Durmersbacher Gemeinderath mit dem Bubenhäuser Gemeinderath, und nachdem sie ein paar Wochen lang weidlich „cvmmunicirt" hatten — da endlich ward der Blitzableiter von den Bubenhäusern an die Durmersbacher um einen Schandpreis abgegeben. So weit war's immer noch schön. Jetzt aber handelte es sich um das höchst wichtige Ge schäft, den Blitzableiter von Bubenhausen nach Durmcrs- bach zu transportiren. Dieses Geschäft hatte an sich ctivas Diplomatisches, und es konnte unmöglich durch einen An deren, als den ticfverehrtcn Schultheißen von Durmcrs- bach selbst besorgt werden, welcher denn auch an einem schönen Sonnabend Morgen in Begleitung des Raths schreibers und eines Gemeinderaths, des Müllerfritz und künftigen Durmersbacher Blitz-Referenten mittels „Wüge- les" nach dem wunderschönen Bubenhausen fuhr, um das besagte Versichcrungsinstrument in Empfang zu nehmen. Bor der „Blume" in Grünwinkcl machte das Wügcle von selbst Halt; cs hatte noch jedesmal an der „Blume" Halt gemacht uud konnte durchaus nicht einsehen, warum cs gerade heute eine Ausnahme machen sollte, wo es die Ehre hatte, die Durmersbacher „Blitz-Commission" zu transportiren. Glücklicher Weise war die Commission nicht minder Blumenliebhaberin, und so wurde denn in der „Blume" zu Grünwinkel der erste Blitzableitcrschoppcn hinter die Binde gegossen. Beim „Hirschen" in Mllhlburg zog der Bürgermeister unwillkürlich das Lcitscil nnd rief: „Oha! ES ist nur", sagte er, „von wegen dem Grccorum" — sollte heißen Dc- ccrum, zu deutsch Anstand, cS war ihm aber heut nicht an ständig genug — „es ist nur von wegen dcmGrccornm, und die Blitzcommission von Durmersbach muß sich auch sehen lasten vor den Leuten und den DurmerSbachcru Ehre machen." Natürlich und so machte denn die Blitzcommission der Gemeinde Ehre nnd goß abermals einen Schoppen hinter die Binde, diesmal aber ohne abznstcigcn, und des wegen sagte der Rathsschrcibcr: „Das ist ein Hihschvppen, der zählt ntt". Im wunderschönen Bubenhausen stellte die Commission in der „Rose" ein und trank wieder einen Schoppen — „der zählte"; sie konnten aber wirklich nicht anders, sie mußten schon „Schanden halber" einen weiteren trinken „zum Willkomm". Das Geschäft selbst war bald abge macht, der Blitzableiter in Empfang genommen, bezahlt und hinten auf das Wägete aufgepackt. Der Blitzrcfereut des Bubcnhausener Gcmcinderaths hatte der Durmersbacher Commission die Ehre aagethan, eine erste nnd eine zweite „Abschiedsbvuteille" mit ihr auszustechen, und als die drei biedern Vertreter der Ge meinde Durmersbach wieder glücklich in ihre Wägete ge klettert waren, schüttelte der Herr Collega noch jedem kräftig die Hand und sprach: „Apropos, fast Hütt' ichs ver gessen: Eu'r Blitzableiter ist ein Blitzableiter erster Quali tät, heillos difficil, und seitdem wir ihn haben frisch ver golden lassen, ist er wie rasend ans die Blitze, und wenn ein Blitz auf eine halbe Stunde im Umkreis auszntreibcn ist — er zieht ihn bei und verschluckt ihn. Wir haben des wegen auch meistens seine goldene Spitze mit einem alten seidenen Strumpfe zugebunden, es hatte sonstens alle zusammengeschlagcn. Wißt Ihr, ein seidener Strumpf ist ein Isolator." „Weiß schon," sagte der Herr Bürgermeister und gab seinem Rappen einen Fitzer. „Merks Euch, Müllerfritz, Jnsolvator." „Wünsch wohl nach HauS zu kommen", rief der Blitz referent dem fortrollenden Wägele nach und lachte . . . Daß ans der Heimfahrt der Herr Bürgermeister vor dem „Hirschen" in Mühlburg wieder „Oya" rief und daß das Wägele vor der „Blume" in Grünwinkcl wieder von selbst Halt machte, versteht sich ebenfalls von selber, denn in der Rctonrchaise war die Commission noch bedeutend mehr auf das „Grccorum" versessen, als auf den Hinweg; überdies reiste die Blitzcommission auf Kosten der Ge meinde. Kein Wunder, daß, als die Commission von der „Blume" in Grünwinkcl wegfuhr, die ganze Gegend eine blitzblaue Färbung angenommen hatte, und der Herr Rathsschrcibcr sagte: „Hui und pfui, ich weiß nit, mir ists kurios," — und dem Herrn Bürgermeister wars auch so kurios, aber er wußte cs glücklicherweise nicht, denn er war fest eingeschlafcn, und das dritte ehrwürdige Mitglied der Blitzcommission träumte eben von einer Gemeindc- rathssitzung daheim und murmelte: „Einverstanden" — Da auf einmal fuhr der Herr Rathsschrcibcr in die Höhe und sagte: „Bürgermeister, habt Ihr was gehört ?" Der hatte zwar nichts gehört, aber er fuhr plötzlich eben falls vom Schlafe auf, denn ein schwerer Regentropfen war ihm auf die glühend heiße Nase gefallen und hatte sich zischend in Dampf verwandelt. „Es donnert", sagte der Rathsscbreiber. „ES regnet", sagte der Bürgermeister. „Einverstanden", stöhnte der Dritte, der nicht zu er wecken war. „Ein Gewitter", rief der Bürgermeister und schante ganz erschrocken nach dem Himmel auf. der sich mit schweren Wetterwolke» bedeckt hatte. Jetzt fuhr cin echter Zickzack nieder und rollender Donner erschütterte die Luft. „Heiliger Chrysostomus!" schrie der Rathsschrcibcr, bleich vor Schrecken, und wir haben den difficilen Blitz ableiter hinten auf!" „Wir sind alle hin!" jammerte der Bürgermeister und zog das Leitseil an. „Oha, ihr Becster! Es muß ein schlagen — man sieht ordentlich, wie er die Blitze ein saugt, er muß schon bald voll sein." „Ich sehe die blauen Flammen an der goldenen Spitze yerumtanzcn", stöhnte der Rathsschreiber. „Wenn wir mir einen seidenen Strumpf hätten." Und wieder folgte Blitz auf Blitz und Schlag auf Schlag; der ganze Himmel zwischen Bubenhausen und Durmersbach war ein Feuer. „Nette sich, wer kann!" schrie der Bürgermeister, und sprang vom Wagen herunter, „ich muß mich sür die Ge meinde erhalten; Rathsschreiber, bleibt ihr bei den Gäulen!" „Daß ich ein Narr wäre!" schrie der und sprang eben falls auf die Erde, «die Gemeinde kann eher ohne Bürger meister als ohne Rathsschrcibcr eristircn. Himmel, habt ihr den Blitz gesehen?" „Aber der Müllerfritz?" jammerte der Bürgermeister und deutete auf den schlafenden Gemeindcrath. „Einer muß doch dabei bleiben," tröstete der Raths schreiber. „Zudem ist er Blitzreferent nnd kann jetzt gleich sein Amt antreten. Folgt mir, Bürgermeister, retten wir uns für die Gemeinde!" Der Rathsschrcibcr ließ diesen Worten die That fol gen, nahm seine beiden Rockflügel unter den Arm und sing an, in ungeheuren Sätzen gen Durmersbach davon- zulaufcn. Einen Augenblick schwankte der Herr Bürgermeister zwischen der Pflicht, sich seiner Gemeinde zu erhalten und der Bcsvrguiß um das Wohl seiner zwei Rappen, aber ein neuer Blitz riß ihn aus seiner Ungewißheit und mit dem AuSrnf: „Hol der Teufel alle Blitzableiter! die Gäule muß mir die Gemeinde bezahlen," setzte er sich ebenfalls in Galopp und folgte den Spuren des vorausspringcndcn Rathsschreibers. Das sonderbare Zwiegespann mit dem schnarchenden Gemeindcrath und dem gefährlichen Blitz ableiter trabte langsam den Leitern der Durmersbacher Behörde durch den strömenden Regen nach . . . Eine halbe Stunde später — das Gewitter war be reits vorüber und die Abendsonne lachte wieder freund lich durch die tropfenden Nuß- und Zwetschcnbüume — da erwachte der Durmersbacher Blitzrcfereut mit einem seuf zenden „Einverstanden". Er rieb sich erstaunt die Angcn, und nachdem er sich gehörig verwundert hatte, daß alles so naß sei, er, die Gäule, das Wägele, die Straße, die Bäume, so verwunderte er sich schier noch mehr, als er auch den Sitz neben sich leer erblickte und sah, wie das Lcitscil führerlos im Schmutz nachschlcppte. „Sie werden doch nicht", murmelte der Müllerfritz mit einem zweifelhaften Blick in den Straßengraben , und eben überlegte er, ob er nicht umivcndcn und die Verminten anfsnchcn sollte, da hörte cr vor sich cin wüstes Geschrei und ein Hausen Menschen kam ihm aus dem jetzt ganz nahen Durmersbach entgcgcngelaufen. Sic hatten die alte Feuerspritze mit dem gestopften Schlauche bei sich, nnd die Feuerleitern, die Haken und Eimer, und der Herr Bürgermeister saß auf der Spritze und der Herr Rathsschreiber hatte den Schlauch in der Hand und der Nachtwächter marschirte an der Spitze des Zuges und schlug aus Leibeskräften „Feuerlärm" auf einer alten Trommel, welcher der untere Boden fehlte. Merkwürdig — merkwürdig. Und da dieser seltsame Zug dem Wägele auf zwanzig Schritte nahe gekommen war, schrie der Rathsschreiber mir fürchterlicher Stimme: „Halt, um Gottcswillen! er geht sonst los, denn er muß total voll sein!" „Was?" sprang der Müllerfritz entrüstet von seinem Sitze auf, „losgehen tbn ich und voll bin ich ? Ich glaube, Ihr seid voll, Rathsschreiber, daß Ihr Gaul und Wagen im Stich gelassen habt, nnd den Blitzableiter und —" „Stille," brüllte der Bürgermeister jetzt, „nicht Ihr seid voll, sondern der Blitzableiter hinter Euch, — voll von Blitzen bis an die goldene Spitze! Sehr Ihr nicht, wie die blauen Flammen im Wagen herumtanzen?" „Ein Glück, daß das Stroh so naß ist," sagte der mit dem langen Feuerhaken. „Rührt Euch nicht, NNillcrfrim" schrie der NathS- schrciber. „Und Ihr, Heiner, die Pfeife aus dem Maul; wollt Ihr uns alle unglücklich machen?" setzte er hinzu und applicirte einem jungen Bengel in seiner Nachbarschaft eine Ohrfeige, daß dessen brennende Pfeife in großem Bogen in den Straßengraben flog. „Da habt Ihr einen seidenen Strumpf," sagte der Bürgermeister nnd befestigte die bescheidenen Uebcrresie eines solchen an die Spitze dcS Feuerhakens, den er mit großer Vorsicht dem Müllerfritz auf das Wägele reichte, „wickelt ihn schnell um die goldene Spitze; cr ist von meiner Großmutter selig — vielleicht hilftS." Dem Müllerfritz wars „ganz bunt" vor den Augen geworden; sehr erstaunt hatte cr von dem einen auf den andern geschaut, und er war sactisch im Zweifel, ob cr noch nicht ganz nüchtern oder seine Collcgen übergeschnappt seien. Nachdem er aber mit einem scheuen Blicke rückwärts sich überzeugt hatte, daß der Bnbenhäuscr Blitzableiter noch immer wohlgcbundcn im nassen Stroh lag nnd sich nicht rühren konnte, so dachte er: „'s Leben wirüs grad nit kosten." nahm sachte den seidenen Fetzen von der Spitze dcS Feuerhakens hinweg und wickelte ihn mit ver blüffender Energie nm die goldene Spitze des Blitzab leiters. Ein Trinmphgchenl folgte der Hcldenthat, und Bür germeister und RalbSschreiber lagen sich in den Armen. „Gerettet!" schrie der kühne Müllerfritz, und so wars auch. Gerettet war der Blitzableiter, gerettet Bürger meister, Rathsschrcibcr und Gemeindcrath und gerettet durch sic das ganze schöne Durmersbach! Im „Adler" wurde später diese Rettung schoppcnrcich begossen, natür lich auf Kosten der Gemeinde, nnd ich glaube, cs war sehr früh am andern Tage, da wieder mal die Hübne krähten als der Müllerfritz sein letztes „Einverstanden" hauchte.
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