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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.12.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051222024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905122202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905122202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-12
- Tag 1905-12-22
-
Monat
1905-12
-
Jahr
1905
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Abend-Ausgabe. 99. Jahrgang. Nr. 651 Freitag 22. Dezember 1905. 1-S ) v>- o zum zu Feuilleton 8o6m«e. - 3 Druck uud Verlag vou E. Volz tu Leipzig Herausgeber: vr. Liktor sklinkhardt. Vas 8chüne stellt clie eine Vielheit derviagencke Einheit clar. cias 6rc»po clie in einer Llnhelt enthaltene lebendige Vielheit. Dresdner NedaktioaS-vnreanr Dresdens, Ikönneritzstr. Lü, Lel.I.«r.LSSS. in der Hanplexpedilton oder d«« AnS^So» stellen abgeholt: vierteljährlich ^ss Lsü; bet täglich zweimaliger Znpellnng in» Han« vierteljährlich ^ss S»—. Durch unser» an» «Lrtigea «uSgabestrllen uud durch di« Post bezogen sür Deutschland nu» Oesterreich vierteljährlich 4.-0, sür di« übrige» Länder laut ZettungSpretslist«, * In Columbien ist eine Verschwörung Sturze der Regierung entdeckt worden. (S. AuSl.) Redaktion und Expedition» JohanulSgajj« 8. Telephon Nr. 153» «r. Rr. 117» Berliner AedakttonS-vnreanr Berlin N>V 7, Dorotheenftraß« SS. Del. I, Nr. W7L. 'n Z i Auzeigea-Amuchmec TugnstuSplatz 8, Eck, Iohauulsgass» Die Expeditwu ist wochentags ununterbrochen geöffnet von irüh 8 bis abends 7 Uh». Filial-Expedition: Berlin, Lüpowstr. 10. » » Dresden, Marienstr. 8s. Anheiqe«-Vreir di« »gespalten« P«tttz«<U Lü Ps, 8amütew> WohuuugS- »nd Stell«» Anzeigen L) Vs» finanzielle Anzeigen, GeschastSanzeigen unter Text wer au besonderer Stelle nach Darts. Für das Erscheinen au bestimmten Tagen n. Plätzen wird lein« Garauti« übernommen. riMer TaMalt Handelszeitnng. Amtsblatt -es ÄSnigl. Land- ««- -es Hönigl. Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates uud -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Die Lage in Ungarn. DaS Demissionsgesuch des ungarischen Kabinetts war nur eine schnell vorübergegangene Episode, die, äußerlich betrachtet, keine Veränderung der Lage nach sich gezogen bat. Die Bereitwilligkeit Fejervarys zurückzutreten war die kon stitutionelle Konsequenz aus der von beiden Häusern deS ungarischen Parlaments abgegebenen Erklärung, daß die erneute Vertagung der Volksvertretung bis zum 1. März verfassungswidrig sei. Indem aber der Kaiser das De missionsgesuch ablebnte, sanktionierte er die Haltung des Kabinetts und es steht alles wieder auf dem alten Fleck. Die schwere Krisis, unter der die österreichisch-ungarische Gesamtmonarchie leidet, schleppt sich also ins neue Jahr hinüber. Die Situation hat sich indeß doch insofern ver schoben, als aus der Rede des Grasen Apponyi, mit der er daS VertagungSdelret beantwortete, unzweideutig hervorgeht, daß die Koalition zu Unterhandlungen und eo ipso also auch z« Zugeständnissen mehr al» vorder bereit ist. Es frägt sich jetzt nur, ob es zu einer Verständigung kommen wird. Ueber diesen Punkt schreibt uns unser Korrespondent aus Pest: Blickt man zurück, so findet man, daß zahlreiche kominos regü in diesem Jahre vermittelnd eingegriffen haben. Jeder Koma rvgius hatte natürlich ein eigenes Kompromiß-Pro gramm und alle diese Programme des Verbandelns, alle diese Friedenstraktate sind geicheitert. Man muß also an nehmen, daß alle Möglichkeiten einer Verständigung versucht worden sind. Also will die Koalition nur den vollen Triumph ihrer Idee? Das wäre ja dann doch ein Ulti matum! Es ist aber ein eigenes Ding in Ungarn mit der Politik. Erinnert man sich noch, wie der greise Koloman Tisza plötzlich als Friedensapostel auftrat und wenigstens für einige Wochen Ruhe stiftete? Hier regiert nämlich nicht allein die politische Taktik und daS Prinzip der Doktrin, sondern auch das Temperament und die Stimmung. Die Stimmung vor allem. Wer heute der Feind ist, wird morgen mit stürmischen Eljenrufen begrüßt; hier gibt eS wirklich nichts Bleibendes. Auf diesen Imponderabilien beruht auch einzig und allein die Hoffnung, daß man dann doch zu einer friedlichen Lösung gelangen werde. Man braucht sich nicht den Kopf zu zerbrechen, mit weichen Vorschlägen Herr v.LukacS von einem Führer der Koalition zum andern geht, auch nicht forschen, welches Elixier Herr v. Szell besitzt; um das politisch-materielle Moment handelt es sich nicht; eine «schöne Regung" wird den Frieden stiften oder er wird nicht sein. Eines ist sicher, bald dürfte die Lösung nicht erfolgen. DaS Datum sür den Wiederzusammentritt deS ungarischen Parla ments erzählt nämlich eine interessante, bedeutlame Geschichte: Am 1. März 1906 treten nämlich die neuen Handels verträge in kraft. Die ungarische Regierung oder richtiger gesagt, die gemeinsame Regierung, rechnet also nicht mehr mit der parlamentarischen Erledigung der Handelsverträge; der Termin beweist, daß bis zum Wicderzulammentritt des ungarischen Parlaments seitens Ungarns und seiner der zeitigen Regierung alle Vorbereitungen zur Aktivie rung deS am 1. März 1906 beginnenden neuen Zollregimes getroffen werden. DaS ist gut sür die Vtabilität der Handelsbeziehungen der Monarchie und es sagt auch, daß die Zollgemeinschaft zwischen EiSleithanien uud Transleithanien bis zum Ablauf der neuen Handelsverträge, der wichtigste ist bekanntlich der mit Deutschland, gesichert ist. Das ist das, wutz das Ausland interessiert. Für die wirtschaftlichen Kreise bringt es auch die Möglichkeit, ihre Wirtschaft einzurichtvr; für die Politik sagt es, daß das Verhältnis zwischen Krone und Nation noch längere Zeit ungeklärt bleiben wird, falls nicht, wie gesagt, plötzlich eine bessere „Stimmung", ein Stimmungs wechsel eintritt. Man wartet ab und man kann abwarten. Alles in Allem genommen, kann das Resümee über die Lage in Ungarn nur mit der Bemerkung enden: Man muß immer auf Ueberraschungen gefaßt sein; ein zwingender Grund einer Aenderung der Situation ist nicht vorhanden. sein werd«, gegen die Ausdehnung der Erbschaftssteuer aus die Deszendenten dagegen müßten sich schwer zu überwindende Be denken erheben. Mit Rücksicht auf die Finanzen der Einzelstaaten würde erst mit einem späteren Termin sür das Inkrafttreten diese- Teils einer Erbschaftssteuer zu rechnen sein, ferner würden nur die großen Vermögen für die Besteuerung in Kraft kommen dürfen. Eine Ausscheidung der Bier- oder Tabakssteuer ans der Reichsfinanzreform sei, wie bereits erwähnt, nicht diskutabel, dagegen sei die Regierung bereit, durchführbare Vorschläge, die eine mindere Belastung der geringsten Tabaksorlen sowie bei der Brausteuer der kleinen Brauereien bezweckten, einer Prüfung zu unterziehen. Auch würde eine Modifizierung der Quittungssteuer in Betracht kommen können, josern sür den etwaigen Einnahmeausfall ein genügender Ersatz sichergestellt sei. Damit seien die Grenzen für ein Entgegenkommen der Regierung gezogen. Var Wchkigrie vsm Lage. * Die Berliner Morgenblätter veröffentlichen einen Aufruf de» Ausschusses zur Unterstützung der notleidenden Deutschen Rußlands. Der Berliner Ausschuß umfaßt die verschiedensten Parteirichtungen und Gesellschaftskreise, darunter eine Anzahl Abgeordnete. Der Ausschuß wendet sich an alle Bürgermeister im Reiche mit der Bitte, die Bildung von Ortsausschüssen anzuregeu. * In Deutsch-Ostafrika fanden an der Rovuma- brücke ernste Gefechte statt, in denen der Sultan Mputa fiel. (S. Deutsches Reich.) * Der Generalstreik ist in Moskau fast völlig durch- geführt und dehnt sich auch iu Petersburg weiter aus. In Moskau wurde das Bureau der Arbeiterdeputierten ver haftet. Es erfolgten dort auch Angriffe der Bevölkerung gegen Ausständige. (S. AuSl.) * In Prag streiken 1200 Kohleaverlader wegen Lohndiffereuzen. * Die französischen Gesellschaftsinseln in der Südsee sollen an die Vereinigten Staaten von Amerika verkauft worden sein. (S. AuSl.) zuweilen neben dem Namen angebracht. Besonders auf alteren Ex-librrS finden sich zuweilen humoristische Sprüche oder Ermahnungen, die sich an jene wenden, welche das Buch entliehen haben. Walter von Zur Westen, der ein den Laien gut orientierendes und reich illustriertes Buch über das Ex-libris geschrieben bat lVerlag von Velhagen <1 Kla- sing in Leipzig), zitiert einige dieser drolligen Ausrufe und Sprüche. Auf einem französischen Ex-libris findet man die Worte: „Ile vsndentes et mit« vodis!" d. h. „Geht zu den Händlern und kauft es Euch!" Ein amerikanischer Bücherfreund bat seinem Bibliothekzeichen ein bald lateini sches, halb französisches Nerslein aufgcdruckt, das eine blu tige Drohung in sich schließt. Es heißt: -4»pios Illerrot Pensa. Hai » es livre n'a pas reullu. 8i lidruin rellllillisnot Illerrot pensa non kniest. Auf deutsch also: „Schau dir den Pierrot an, der hier aufgehänat ist, weil er dies Buch nicht zuruckgegeben bat; hätte er daS Buch zurückaegcbcn, wäre Picrrot nicht ausge hängt worden." Ein andermal findet man die lateinischen Worte: „8it inalsäistu« per Obriatiiin, gui likrum 8iib- traxerit isirrm", d. h. „Bon Ebristi Fluch getroffen sei der, welcher dieses Buch entwendet!" Und auf einem elsässischen Ex-libris auS dem 18. Jahrhundert findet sich die weniger bedrohlich«, liebenswürdige kleine Strophe: X m«i livre«: >e vou« aiios, 8»risux »ussi. kllllvol«« so mslLK. k»Sck«mt§, merci! D. h. „An meine Bücher: Die lustigen liebe ich, auch di« ernsten; ebenso die kecken: für die langweiligen danke ich!" Bon jeher sind die Herstellungsarten, deren man sich für die Ex-libris bediente, verschieden gewesen. Die schönste und kostspieligste ist die der Radierung, des Kupferstichs. Hier sind die intimsten künstlerischen Wirkungen zu erzielen. Aber die Blätter sind teuer, und nicht viele können sie sich leisten. Dann ist der Holzschnitt viel angewendet worden. Er hat eine -sinfacherc, derbere Wirkung, mehr nach der dekorativen Seite hin. Endlich kommen noch die Litho graphie» und d« schlichte Buchdruck hinzu. Mit der Hand Übereinkommen zu schaffen. Wie aus Washington gemeldet wird, konferiert der Staatssekretär Root mit dem Schatz- selretär Shaw und den Beannen des Schatzamtes, um fcst- zustellen, welche Vorschläge die Vereinigten Staaten Deutsch land als Grundlage sür einen zollpolitischen Lloäus vivsoäi machen können. Es verlautet, Root habe den Eindruck gewonnen, die Fertigstellung eines endgültigen neueu Handels abkommens mit Deutschland sei in der lurzen Zeil bis zum l. März unmöglich, da das Staatsdepartement ohne einen gesetzgeberischen Akt keine Zollreduklioneu gewähren, sondern nur gewisse zolltechnifche Bestimmungen fallen lassen kann. * Der Schutz deutscher Ltaarsangctiöriger tu den Vst» secprovinzcn. Der „Kölnischen Zeitung" wird aus Peters burg von heute telegraphiert: Die russische Regierung erhielt durch die deutsche Botschaft KenntnrS von den dem Reichs kanzler Bülow zugegangenen HilfSg-sncheu deutscher Staats angehöriger auS den Ostseeprovinzen und sagt Verstärkung der militärischen Streitkräfte zu. * Pflege deutsch-englischer Beziehungen. Die Aeltesteu der Berliner Kaufmannschaft haben von dem Verlauf der am Sonntag hier abgehaltenen Versammlung dem Lord Avebury, der am 1. Dezember sein bekanntes Sympaihie» telegramm aus London veranstaltet hatte, Kenntnis gegeben. Darauf hat Avebury an die Aeltestcn ein englisch abgeiaßteS Schreiben gerichtet, worin es u. a. heißt: Trotz emzelner sensationeller Aeußerungen in einigen Zeitungen kommt daS allgemeine Gefühl in Großbritannien unzweifelhaft in dem ernsten Wunsche zum Ausdruck, nicht nur in friedlichen, sondern in freundschaftlichen Beziehungen zu Ihrem Lande zu bleiben. Der Zweck, der unter meinem Vorsitz abgehaltenen Versammlung, war ausschließlich der, Ihren deutschen Landsleuten die Versicherung zu geben, daß wir keine feind- ielige Gesinnung und kriegerischen Absichten gegen Deutschland haben, vielmehr ohne irgend welchen Neid oder Groll an erkennen, wieviel die Well den deulichen Staatsmännern und Schriftstellern, den deutschen Männern der Philosophie und Wissenschaft schuldet. Wir hoffen. Sie werben überzeugt sein, daß, weit entfernt von unfreundschastlichen und feind seligen Gesinnungen, die Majorität des englischen Volkes erfüllt ist von Ächtung und Bewunderung für Deutschland und von dem Wunsche für das Glück und Gedeihen dieses Landes. — Auch der Geiamlvorstand vrS Verbandes Sächsisch-Thüringischer Webereien hat in seiner Sitzung am 19. Dezember d. I. zu der Reso lution Stellung genommen, die in der am 17. d. Mts. in Berlin abgebaltenen großen Versammlung als Sympaihie- lundgebung für England gefaßt worden ist. Der Vorstand hat daber einstimmig der Ansicht Ausdruck gegeben, daß die Bildung und Erhaltung eines freundschaftlichen Verhältnisses zu Großbritannien im Interesse des deutschen Handels und der deutichen Industrie liegen muß, und hat aus dieser Er wägung heraus mit Freuden das Vorgeben der Berliner Ver sammlung begrüßt, da es geeignet erscheint, dem deutschen Handel und der deutichen Industrie diejenigen Beziehungen zu dem britischen Weltreiche zu sichern, die als Grundlage für eine weitere gedeihliche Entwicklung deS beiderseitigen Güteraustausches notwendig sind. * vldcubnrgischcs. Wir wir schon unter den letzten Telegrammen der heutigen Moroeunummer mitteiltcn, hat die erdrückende Mehrheit des Oldenburger Landtags dem in der Oeffentlichle t lo viel angegriffenen, vom Großherzog aber stets mit Ehren ausgezeichneten Minister Ruhstrat, wenn auch erst nach heftiger Debatte ein Vertrauensvotum erteilt, dem sich nur die 6 sozialdemokratischen Abgeordneten nicht anschlossen. Das ist Wohl nur dadurch erklärlich, daß die Anregung zu der Debatte, die mit diesem Vertrauens votum schloß, von einer sozialdemokratischen Interpellation ausging und dadurch die ganze Frage zu einer partei- politiichen wurde. Sonst wäre die>es Vertrauensvotum außerhalb der Grenzen Oldenburgs unverständlich. Uebrigens bat der Großherzog, wie uns ein Privattelegramm aus Oldenburg ntbloet — den Minister in eurem Handschreiben zu dem Vertrauensvotum beglückwünscht. Ein weitere« Privattelegramm meldet uns: Infolge des Vertrauens Sin neuer Schlag der Polen gegen das Zentrum. War der Austritt de« Abgeordneten Krolik aus der Zentrumsfraktion schon ein schwerer Schlag für diese Partei, so bedeutet es einen neuen Streich der Polen gegen daS Zentrum, daß nach dem Rücktritte KrolikS von seinem Mandat nicht dieser, sondern der prakt. Arzt Dr. SteSlicki als polnischer Bewerber für die Nachwahl aufgestellt worden ist. Das Zentrum hätte viel bessere Aussichten gegen Krolik gelabt, weites ihn im Wahlkampfe der politischen Unzuverlässigkeit hätte zeihen können und weil von den 7000 polnischen Wählern, die 1903 gegen Krolik gestimmt hatten, letzt doch kaum alle für ihn eintreten werden. Dem Dr. SteSlicki kann der Vorwurf politischer Wankelmüdigkeit nicht gemacht werden, denn er war schon 1903 polnischer Kandidat nnd ist e« jetzt wieder. Nur daß diesmal seine Ansichten sehr viel besser sind, als vor 2»/, Jahren, weil inzwischen, wie die Ersatz wahl in Kattowitz gezeigt hat, der Abmarsch der früheren polnischen ZentrumSwähler ins polnisch-radikale Lager ein vollständiger geworden ist. Recht interessant wird auch der Wahlkampf für die Sozialdemokratie werden. Wollte man aus dem Beispiele von Kattowitz schließen, so müßte die Sozialdemokratie auch in Beuchen einen scharfen Rückgang erfahren. Hier liegen aber die Verhältnisse doch etwas anders. In Kattowitz hatte die Sozialdemokratie schon bei den allgemeinen Wahlen von 1903 nicht den geringsten Fortschritt zu verzeichnen; in Beuthen hingegen erhielt der sozialistische Bewerber 2300 Stimmen mehr als bei den Wahlen von 1898; hier war also nicht jener Stillstand eingetreten, der, wie das Beispiel von Kattowitz beweist, den Rückschritt bedeutet. So durfte also auch bei der Nach wahl die Sozialdemokratie ihre Stimmenzahl von 1903 (10 258) behaupten, vielleicht sie sogar infolge der Bevölkerungs zunahme erhöhen. Ein Sieg der Polen im ersten Wahlgange, wie er bei der Nachwahl in Kattowitz erfolgte, erscheint daher in Beuthen nicht eben wahrscheinlich. Wohl aber ist es möglich, daß da« Zentrum nicht einmal in die Stichwahl gelangt, sondern statt seiner die Sozialdemokratie. Das ist nicht zuviel gesagt und wird sofort klar werden. Wenn man sich ein Er-libris anfertigen läßt, wird man es bei einem Künstler bestellen, dessen Kunst einem sympathisch ist. Schon dadurch also, von wem man es zeichnen läßt, gibt man die Art feines Geschmackes zu erkennen. Jemand, der die zarte, lyrische, sehnsüchtige Note in der Kunit liebt, wird sein Ex-libris nicht von einem „Realisten" Herstellen jassen — und umgekehrt. Wer enge Beziehungen zur Musik bat, wird sich nicht einen Ambos als Emblem für sein Ex libris wählen, und ein Schauspieler dürfte schwerlich auf ein technisches Instrument als Symbol verfallen. Für jeden Stand haben sich ja gewisse Symbole von selbst herausge- bildet. So etwa die Eule für den Mann der Wissenschaft, ür den Arzt der AeSkulapusstab, für den Dichter die Leier, ür den Kaufmann ein Herme«, für den Techniker ein be- lügeltes Rad und dergleichen mehr. Das Symbol des Stan des ist natürlich in einem Er-libris nicht unumgänglich not wendig, und man kann auch zu anderen Darstellungen grei fen. Wer einen bildlich leicht wiederzugebcnden Namen hat, wird sich diesen Umstand bei der Herstellung eines Ex-libris gern zu Nutze machen. Wer Bauer heißt, führt vielleicht einen pflügenden Landmann in seinem Bibliothekzeichen; wer Vogler heißt, einen Vogel; wer Krieger heißt, einen kämpfenden Landsknecht; wer Sonnemann heißt, da« Ge stirn des Tage«. Wir haben ja eine Fülle von Namen, die sich so im Bilde wiedergeben lassen. Meist wird freilich gerade diese Symbolik eine ziemlich äußerliche sein, denn die innere Beziehung zu dem Namen, den wir tragen, ist ja fast immer ganz verloren gegangen. Es ist doch im allge meinen sinngemäßer, unseren Stand oder unsere Neigungen zu charakterisieren. Selbstverständlich kann von einer bildlichen Symbolik auch ganz abgesehen werden und das Er-libris einfach und lediglich die Richtung unseres Geschmacks verkörpern. Ein begeisterter Freund des Empirestils -um Beispiel wird sich sein Hibliothekzeichen vielleicht im Geschmack des Empire anfertigen lassen, ein Freund des Rokoko, des Barock, der Biedermeierzeit in diesen Stilarten. Zur Zeit Ludwigs XIV. war es Sitte, das Porträt des Äucheigentümers auf dem Ex libris anbrinaen zu lassen. Zur Zeit der Schäferpoesie und WatteauS liebte man allegorische und mvtbische Darstellun gen. Die Mode und das Empfinden der Zeit machen natur gemäß auch bei dem Ex-libriS ihre Rechte geltend. Auch ei» Spruch, etwa der Lettfpruch des Besitzer-, wird gemalte Ex-libris, wie sie uns in alten Klosterbibliotheken überliefert sind, wird man heute kaum noch in Anwendung bringen. Die ältesten Blätter, die uns bekannt sind, gehören dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts -in und stammen aus den Büchereien deutscher Klöster. Bald bemächtige, sich die ersten bildenden Künstler dieses reizvollen Zweiges graphi scher Kunst. Wir haben kostbare Blätter von Albrecht Dürer, Holbein, Virgil Solls, Jost Ammann und Chodo- wiecki. Aus den frühen Blättern sind auch fast immer die Familienwappen der Besitzer angebracht. Ebodvwiccki stach ,n seiner feinen, minutiösen Art am liebsten arkadische Szenen mit idealen Figuren. In unseren Tagen hat das Er-libris zugleich mit dem Aufstreben der gesamten Kleinkunst einen neuen Aufschwung erlebt. Wer eine einigermaßen gesiegte Bücherei besitzt, läßt sich auch ein Ex-libris zeichnen. Nur einige Künstler, die ihre Talente in den Dienst des Er-libris gestellt haben, seien hier genannt. Max Klinger bat einige Blätter radiert, auf denen daS Figürliche die Hauptrolle spielt, während die dekorativen Elemente so gut wie gänzlich fehlen. In den Vordergrund seiner Blätter ist immer eine nackte Ideal figur gerückt, ein Mann oder rin Weib, stehend, sitzend oder auch schreitend. Hinten sieb: man immer das Meer. Mel chior Lechters gezeichnete Blätter sind reich an gotischen Elementen, wie überhaupt der Buchschmuck dieses Künstler«, der immer auf einen wirkungsvollen Kontrast von Schwarz und Weiß bedacht ist- eine feierliche Würde weht unS an. Joseph Sattler hat sich vor llem an den deutschen Künstlern des 16. Jahrhunderts geschult: nachdem er erst ganz in ihren Banden lag, löst er sich langsam von ihnen los und steuert einem eigenen, breitslächigen Stile zu, der zwar die Paten schaft der alten deutschen Meister nicht verleugnet, aber doch in seinem dekorativen, auch farbig interessanten Bemühen als ein Stil unserer Zeit anmutet. Heinrich Vogeler-WorpS- wede hat eine Menge Er-libri« radiert und gezeichnet. Seine radierten Blätter gehören zu den schönsten modernen Biblio thekzeichen, die man sehen kann. Sie tragen fast alle eine starke lyrische Note, und es ist nicht zu verwundern, daß dieser innige Künstler besonder« sür Dichter »nd andere Künstlersleute Ex-!ibri« gefertigt hat. Die Worpsweker Landschaft wird gerne von ihm verwendet, in Verbindung mit irgend einem dekorativen Motiv, das sich stilistisch gern au die Empire- oder Biedermeierzeit «uehut. Wir s«h« politische csgerrcha«. Leipzig, 22. Dezember. Stengels Ultimatum. Von gut unterrichteter Seite wird uns geschrieben: Die erste Lesung der Reichssinanzresorm im Reichstage ist vor über und da« Steuerbukett des Reichsschatzsekretärs ziemlich arg zerpflückt worden. Vollständig einverstanden mit seinen Norschläaen hat sich keine Partei erklärt und für die unver änderte Annahme der Regierungsvorlage würden schließlich nur die Parteien der äußersten Rechten zu haben sein, ein Faktum, daS den ganzen Charakter der Reform mehr kenn zeichnet als alle Reven, die dafür oder dagegen gehalten werden mögen. Die maßgebenden Parteien im Reichs tage, das Zentrum, die Sozialdemokratie und die frei sinnigen Parteien bis zu den Nationalliberalen haben ihre Abneigung gegen die Bier- und Tabak-, sowie die Verkehrssteuern gezeigt und einen weiteren Ausbau der Erbschaftssteuer verlangt. Die Entscheidung wird in der Kommission fallen, an die die Vortage überwiesen worden ist. Man wird jedoch gut tun, dem Ergebnis der Kom missionsverhandlungen nicht mit zu großem Optimismus ent gegenzusehen. Gegenüber einem einflußreichen Parlamentarier Hal Herr v. Stengel die Grenzlinien, innerhalb deren eine Verständigung mit der Regierung allein möglich sei, gezogen, und diese lassen nur einen verhältnismäßig engen Spiel raum frei. Zunächst müsse daran festgehalten werden, daß der Gesamtausbau der Regierungsvorlage in seinen Haupt bestandteilen erhalten bleibe, die völlige Ausscheidung eines wesentlichen GlieveS, beispielsweise der Bier- oder Tabaksteuer, würde die ganze Finanzreform zum Scheitern bringen. Ebenso müsse die Regierung darauf bestehen, daß die in Aussicht genommene Einnahmevermebrung in ihrer Höhe nicht wesentlich verkürzt werbe, da sonst die erstrebte dauernde Gesundung der Reichsfinanzen gefährdet werde. Komme die Kommission zu Veränderungen an einzelnen Gliedern des SteuerplaneS der Regierung, die eine Verringerung der in Aussicht genommenen Mehreinnahmen bedeuteten, so müsse hierfür Ersatz geschaffen werden. Einer Wehrsteuer werde die Regierung nicht unbedingt ablehnend gegenüberstehen, obgleich ihre finanzielle Ergiebigkeit voraussichtlich nur gering Von HanS Bethge. Unter einem Ex-libris versteht man wie jeder weiß, ein Bibliothekszeichen. Es ist ein Papierschildchen, das auf die Innenseite de« Buchdeckels geklebt wird, um anzuzeigen, au« wessen Bibliothek das betreffende Buch stammt. ES dient also einem praktischen Zweck und wird deshalb in erster Linie den Namen des Besitzer« oder der Bibliothek, der bas Huch -»gehört, in leicht lesbarer Schrift aufzuwetsen haben. Bloße Anfangsbuchstaben oder ein Monogramm, wie man es ja zuweilen findet (sogenannte „abgekürzte" Er-libri«) sind unzulänglich, weil aus ihnen der betreffende Besitzer nicht sogleich mit Bestimmtheit zu ersehen ist. Das praktische Mo ment muß immer voranstehen, erst als begleitende« tritt da künstlerische hinzu. Was soll mir ein kunstvoll verschnörkelter Stuhl, der mir Schmerzen verursacht, wenn ich mich darauf setze? Ueber einem künstlerischen Traum darf der praktische Zweck nicht vergessen werden. Nun wäre e« freilich unerhört nüchtern, ein Ex-libri« lediglich aus einem Zettel bestehen zu lassen, der nur einen deutlich gedruckten Namen träat. Dann konnte man den Namen ja eirffach in daS Buch yineinschreiben, und der Zet tel wäre überflüssig. O nein, da« Er-libri« will mehr, al« nur trocken den Besitzer anzeigen. ES will ganz kurz sagen, nach welcher Richtung sich die Tätigkeit, auch der Geschmack de« Besitzers bewegt, was für ein Mann da- ist. und wa- er für Neigungen bat. Aus einem ganz guten Er-libri« soll einem ein gutes Stück von dem persönlichen Wesen des Be sitzers ausaehen. Es soll geradezu ein knappes Charakteristi kum des Besitzers sei», Deutsches Keich. Leipzig, 22. Dezember. * vstafrikanische Nachrichten. Der „L.-A." erhält aus Dar-es-Salacim eine Nachricht von neuen Kämpfen. So meldet Major JobanneS aus Ssongea, daß die geretteten Missionare zum Nyaffa-See geflüchtet sind. Oberleutnant Klinahardt hatte am 17. und 19. November an der Rovuma- brücke ernste Gefechte, in denen der mächtige Sultan Mputa fiel. Die Lage im Bezirk Ssongea ist noch unruhig. Die Wangoni und ihre Sultane stehen unter dem Einfluß eines Wangeru-Zaubercr« aus den Kitichibergen und ces Iumben Omari Kinyalla aus Liwale. Im Bezirk Lindi ist es neuerdings wiever unruhiger. * Ter deutsch-amerikanische Handelsvertrag wird vor dem 1. März 1906 kaum zustande kommen. Es stellen sich ihm vor allem tormelle Schwierigkeiten entgegen, auf die von amerikanischer Seite aus hingewiesen wird. So wird es sich nur noch varum handeln können, ein vorläufiges Handels
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