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Nr. L7L — v. Jahrgang Sonnabend de« SV. Jnli 1VL« MGscheMksMm Erscheint tägltch nach«, mit «uSnahme der Sonn- und Festtage. An Saab« t., MU .Die Zeit tn Wort und B!Id' vierteljährlich. ».IO ^ In Dresden durch Boten »,4V In gaii, Deutschland stet Hau» »,Sit "V-rLZNHLSKLZ für Wahrheit, Recht and Freiheit Unabhängiges Tageblatt Inserat« werden die «gespaltene Petitzeiic oder deren Raum mit IS S> Reklamen mit SO U die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt. vuchdr«ck«ret, Redaktiou und Geschäftsstelle i Dresden, Pillnitzer Strafte 48. — Fernsprecher 1888 Für Rückgabe nnderlanat. Schriftstück« keine Verbindlichkeit Redaktion»-Sprechstunde: 11—tS Uhr. ^pfi'isQtisnc! urici labsricl Oi'Sclo-^isdSsi'Sn Rkunct 15 pfsnm'As. ^erÜciZ 8- liocßstrofi, Dresden. fflllalan In »IIsn Sdackttallan »ii I kirnisirnntinr Nr 71111 9932, 4920, 2488, 9979, «793. 898. Msctsrlskvn In allsn SdacittsIIsn. l»tk Pauschalverleumdungen des Klerus. Der römische Korrespondent des „Bert. Tagebl." sitzt in der Mausefalle: er hatte bekanntlich vor längerer Zeit den gesamten römischen Klerus eines unsittlichen Lebens wandels und anderer Laster angeklagt. Dr. Hand Barth, so heißt der Mann, hatte es aber nicht für der Mühe wert gehalten, auch nur eine Tatsache, auch nur die Namen eini ger gefallener Priester anzugeben: er schrieb trotzdem seine Pauschalverleumdungen nieder. Es bleibt das Verdienst des in Nom lebenden deutschen Prälaten Dr. Ba umgar - ten, nachgewiesen zu haben, daß diese Pauschalanklagen Pyuschalverleumdungen sind; denn Prälat Baumgarten forderte den Berichterstatter des „Berl. Tagebl." auf, d^ß er niit Tatsachen und mit Namen Herausrücken möge: da.m werde sich weiter reden lassen. Es vergingen nahezu vier Wochen und man mußte an nehmen, daß nun ein ganz gewaltiges Material veröffent licht würde. Endlich findet der Mann die Sprache wieder und er häuft neue Verleumdungen zu den alten. Nicht eine einzige Tatsache führt er an, sondern nur leere Be hauptungen. Doch hören wir ihn selbst. Zunächst erzählt er, daß ihm ein katholisches Blatt im Jahre 1888 (!!), also vor 22 Jahren, erklären mußte, Laß er keine „Räuberge schichten publiziert habe. Vor 22 Jahren, wo man in der deutschen Presse mit italienischen „Priesterskandalen" noch nicht so schnell Unterschlupf fand wie leider heutzutage. Aber was soll diese sonderbare „Ehrenrettung", die vor nahezu einem Menschenalter erfolgt ist, für die letzten Be hauptungen von Dr. Hand Barth beweisen? Gar nichts: das ist Sand in die Augen des denkfaulen Lesers. Aber hören wir nun den weiteren „Beweis" des „Berl. Tagebl." für die sittliche Verkommenheit des römischen Klerus. Hier ist er im Wortlaute wiedergegeben: „Zwei tens: Zu der temperamentvollen Apotheose des römischen Klerus (den ich niemals mit dem wissenschaftlich und sittlich ernsten deutschen Klerus verwechselt habe) rufe ich Herrn Baumgarten nur immer wieder Goethes famoses: Gnatal Gnaia! (Jtalienrcise, 18. Januar 1787) ins Gedächtnis, sowie die naive Versicherung Faustinas in den „Römischen Elegien": In dem geistlichen Ranz, kaum scheint es zu glauben, doch schwör ich, nie hat ein Geistlicher sich meiner Umarmung gefreut." Will Herr Baumgarten hören, wie es (abseits von sei nen pro ckoino-Jnformationen) im römischen Klerus wei ter zugeht, so schlage er gefälligst in Taine oder Stendhal nach oder entsinne sich der ihm noch von gestern her im Ohr nachklingenden Namen seiner Kollegen Ton Carollos, Don Adorni und anderer. Oder aber noch besser, er legt sich das soeben erschienene Werk seines katholischen Glaubensge nossen Dr. Albert Zacher zu: „Römisches Volksleben der Gegenwart", Stuttgart bei I. Hoffmann, Seite 78 u. f., wo es lautet: „Um zu sehen, wie ein Land zur Religion steht, prüfe man, wie es seine Priester behandelt. Daß ein Zölibat überhaupt möglich, glaubt der Römer nicht! Er findet also nichts darin, daß auch der Priester der Liebe, wie allen Naturtrieben nachgibt . . . Darum handelt der Römer, wenn er fromm ist, stets nach den Worten, nicht nach den Taten des Priesters .... Eine der gröbsten Verwünschungen ist daher beim römischen Volke: Tu Prie stersohn! (Ri^lio cki un proto.) Was sonst noch den römi- schern Priester charakterisiert, ist der Umstand, daß er in theologischer und allgemeiner Bildung keinen Vergleich mit dem dentschen aushalten kann. (Hat der römische Korre spondent des „Berl. Tagebl." jemals etwas anderes gesagt?) Von den Mönchen aber, die ja auch zum Klerus gehören, schreibt der katholische Zacher: „Sie gelten als geizig und sehr liebebedürftig, weshalb auch das Sprichwort sage: ^ Roma stanno bon« krati 6 putano . . . Das ist gar alles, was als angeblicher Beweis für die schwere An klage vorgebracht wird. Man traut seinen Augen kaum ob einer solchen Frechheit und Unverschämtheit. Wieder keine Tatsachen, wieder keine Namen. Reiseschilderungen und Romanschriftsteller mit unkontrollierbaren Angaben sollen Tatsachen ersetzen, da greift man selbst bis auf Goethe zu rück, um 123 Jahre, um für den heutigen römischen Klerus einen Strick drehen zu können. Man zitiert andere Schrift steller, die auch nur Behauptungen anfstellten und keinen Beweis lieferten: man holt selbst den „katholischen Zacher", der bekanntlich der römische Korrespondent der „Frankfurter Zeitung" ist: das sagt der redselige Dr. H. Barth nicht, da mit die Oeffentlichkeit nicht diesen Gewährsmann zutref fend einschätze. Die ganze Beweisführung des Herrn Barth und des „Berl. Tagebl." läuft also darauf hinaus, daß der selbe sagt: Andere haben den römischen Klerus wiederholt verleumdet, also darf ich es auch tun. Hier aber haben die deutschen Katholiken ein Muster beispiel dafür, wie es gemacht wird. Liberale Zeitungen scheuen nicht vor den schwersten Anklagen zurück, sie belei digen und beschimpfen die Gesamtheit des Klerus einer Stadt, eines Landes, in der Regel weit weg von ihrem Er scheinungsorte. Tie Phantasie der protestantischen Leser besorgt dann das weitere. Stellt man sie aber zur Rede und fordert Beweise, so ist nian sehr erstaunt ob dieser — ultramontanen Mhnheit. Denn Beweise hat man keine. So wird seit Jahr und Tag über den katholischen Klerlls gelogen, was man nur ersinnen kann. Aber dieser gewissen lose Lügenfeldzug, von dem hier ein kleines Stück vorliegt, ist die stete Quelle des konfessionellen Unfriedens. Pro testantische Leser solcher Schwindelnachrichten müssen im Laufe der Jahre zu der Ansicht kommen, daß die Katholiken sittlich minderwertig seien und daß ihre Priester den Au's- bund der Verkommenheit darstellen. Das ist die Eiterbeule am liberalen Pressekörper. Politische Rundschau. Dresden, den 29. Juli 1910. — Ter Wunsch auf Verschiebung der Militärvorlage stellt nach den Auslassungen der liberalen Presse ein neues Zentrumskomplott dar: der Egoismus der eigenen Partei spreche daraus. Der „Vorwärts" darf den Ton in folgen den Sätzen angeben: „Man kann nicht wissen, wie der neue Reichstag zusammengesetzt sein wird, und ob nicht dann Zentrum und Sozialdemokraten die absolute Mehrheit haben werden. In diesem Falle wäre, da von einer Zu stimmung der Sozialdemokraten natürlich gar nicht die Rede sein kann, die Negierung auf Gnade und Ungnade dem Zentrum überliefert. Aus alter Erfahrung weiß die Negierung, daß das Zentrum, wenn es den Ausschlag zu geben hat, in der Regel ziemlich hohe Kompensationen ver- langt." Diese Annahme ist total falsch, denn kein Mensch weiß, wie der kommende Reichstag aussieht: sodann aber wird die Stellung des Zentrums nicht erleichtert, wenn es mit der Sozialdemokratie allein eine Mehrheit bilden kann. Noch weiter geht die „Tägl. Rundschau", indem sie sagt: „Der Furcht des Zentrums, bei Aufrecherhaltung seiner Forderungen kalt gestellt zu werden, soll sich die Regierung beugen, indem sie die Einbringung der Vorlage bis nach den Reichstagswahlen verschiebt. Damit werden unstreitig die wichtigsten nationalen Interessen den kleinlichen Partei interessen des Zentrums geopfert werden, und die Regie rung würde sich, nach dem eigenen Kalkül des Herrn Erz berger, auf Gnade und Ungnade dem Zentrum überant worten. Oder aber, diese Partei würde, wenn man sich nicht dazu verstehen wollte, ihre Kompensationsforderungeir z» genehmigen, es fertig bekommen, Hand in Hand mit Polen, Dänen und Sozialdemokraten die ganze Vorlage zum Scheitern zu bringen, wovon die notwendige Folge die Auflösung des deutschen Reichstages wäre. Dieser Ge fahr müßte sich die Regierung aussctzen, sollte sie geneigt sein, den Erzbergerschen Vorschlägen stattzugeben. Aus die sem Grunde ist es dringend notwendig, die Militärvorlage noch diesem Reichstage zu unterbreiten, da ein Zögern un absehbare Folgen für das Schicksal der Vorlage und damit für die militärische Machtentwicklung des Deutschen Reiches nach sich ziehen würde." Lauter einfältige Phrasen für Dummköpfe. Hat man 1901 ohne Schaden für das Reich die Vorlage um ein Jahr herausgeschoben, warum geht es nicht 1910? Die Frage beantworte man erst einmal deut- lich. Heute sprechen gerade finanzielle Gesichtspunkte für eine solche Verschiebung und ebenso allgemeine politische, Das Zentrum, das die neuen Steuern gemacht hat, kamt es sich verbitten, daß man ihm unterstellt, es setze Partei» interessen vor die Interessen des Reiches. — o Den 100. Geburtstag des Generalfcldmarschalls Grafen Blnmenthal feiert am 30. Juli d. I. das dankbare Deutschland. Leonhard Graf v. Blumenthal kam am 30. Juli 1810 in Schwedt a. O. zur Welt. 1827 trat er als Offizier im Gardereserveregiment in den Verband der Armee. Nachdem er die Kriegsschule besucht und einige Jahre in Koblenz gestanden hatte, wurde er 1816 in das Topographische Bureau berufen. In den folgenden Jahren tat er bei verschiedenen Truppen der technischen Waffen Dienst: am 18. März 1818 nahm er an den Berliner Straßenkämpfen teil. Im folgenden Jahre wohnte er als Generalstabshauptmann dem Feldzuge in Schleswig und Jütland bei. Im Frieden machte er rasch Karriere. Als dann der Krieg gegen Dänemark ausbrach, wurde Oberst v. Vlumenthal zum Generalstabschef des mobilen kombi nierten Armeekorps ernannt. Da er sich in dieser Stellung vorzüglich bewährte, wurde er im Jahre 1866 Ehef des Generalstabes der zweiten, vom Kronprinzen befehligten Armee. Auch im Jahre 1870 stand er dem Kronprinzen als Generalstabschef zur Seite, und der Sieg von Sedan, die Belagerung von Paris und die Operationen gegen die Loire-Armee sind nicht zum mindesten Ruhmestaten Blumenthals. Nach dem Friedensschlüsse wurde der Heer führer zum General der Infanterie ernannt: im Jahre 1883 erhob ihn der Kaiser in den Grafenstand. Als Kaiser Friedrich zur Negierung kam, ernannte er seinen Getreuen zum Generalfeldmarschall und zum Inspekteur der 1. Armee inspektion. In den Jahren 1892 bis 1898 stand der greise Held als Inspekteur der 3. Armccinspektion in Berlin. Am 22. Dezember 1900 beschloß er sein ruhmreiches Leben. Der Rachwuchs der christlich-nationalen Arbeiterbewegung. ii. Die arbeitende Jugend soll sich nicht trennen von der Jugend anderer Stände. Es ist schon genug geschehen in Trennung der einzelnen Stände. Wo Standesfragen in Betracht kommen, müssen sie sich ja trennen. Wo sie aber Zusammengehen können, sollen sie Zusammengehen und das Zusammengehen der Jugend der verschiedenen Stände hat für beide Teile große Vorteile. Sie lernen sich kennen und gegenseitig achten, lernen ihre Freuden und Leiden austauschen und sich er- tragen und vertragen. Sie veredeln sich gegenseitig. Es wäre wirklich ein Unsegen, wenn es dazu kommen sollte, daß schon die Jugend der einzelnen Stände gesondert organisiert werden müßte: ein Unsegen für den Arbeiter stand: denn eine solche Trennung führte die Arbeiter jugend leicht zu dem Gedanken dcS Klasscnkampfcs: cm Unsegen für die Jugend anderer Stände; denn sie soll ja lernen, den Arbeiter zu achten als vollberechtigten Bürger. Gewiß sollen an die reiferen Jünglinge die Verbände der Berufsgcnossen herantreten und sollen das Standes- bewußtsein und Standesinteresse gesondert schulen; aber das läßt sich auch im Rahmen des allgemeinen Jugend- Vereins sehr wohl durchführen. Der Arbeiterverein hat an dieser gesonderten Standesschulung der arbeitenden Jugend ein besonderes Interesse. Er soll deshalb die jenigen Mitglieder der Jugendvereinigung, welche das 18. Lebensjahr zurückgelegt haben, zu ernsten Standes- veranstaltungen, etwa zu sozialpolitischen Vorträgen, zu sozialen Unterrichtskursen noch Möglichkeit heranziehe». Er soll auch das Standesbcwußtsein in ihnen wecken und den Standesstolz — nicht zu verwechseln mit weibischem Eigendünkel — in ihnen großzichen, daß sie lernen, draußen, auf dem Wege von und zu der Arbeitsstätte, beim Spaziergange, in der Eisenbahn, kurz und gut überall, wo sie sich selbst überlassen sind, stets sich klar bleiben, was sie ihrem Stande schuldig sind. Mögen die Arbeitervereine mit den Jugendvereinen treulich Hand in Hand gehen. Auch der Jugendvercin wird stets seiner Aufgabe sich bewußt bleiben müssen, die darin besteht, in den modernen sozialen Kampf starke, veredelte, tüchtige Männer hinein zustellen. Wie es für den Menschen kein Ruhmestitel ist, mit 25 Jahren noch auf der Bank des Gymnasiums zu rutschen, so ist es auch für den Arbeiter keine Ehre, in dem Alter, wo er selbständig mitgestalten sollte, bloß noch im Jugendverein eine Rolle zu spielen, selbst als Theater- regisseur oder als Vorstandsmitglied. Etwas anderes ist es ja, wenn jemand dem Jugendpräses helfend an die Hand geht, ohne dabei seine sozialen Pflichten gegen die StandeS- genossen zu vernachlässigen, wenn er also gleichzeitig Mit glied des Arbeitervereins ist und dort tatkräftig mitarbeitet. Es soll eben nicht verkannt werden, daß der Jugendverein einen Stamm älterer Mitglieder haben muß, die gewisser maßen die lebendige Tradition des Vereins und die Mit arbeiter des Präses sein müssen. Deshalb sollte der Jugendverein es sich angelegen sein lassen, seine reiferen Mitglieder schon für ihre Standes- Vereinigungen zu interessieren, immer wieder auf die Zu kunft hinzuweisen, die Notwendigkeit der christlichen Organisationen zu betonen, und zwar für alle Stände gleichmäßig. Er sollte auch seine Mitglieder schon auf die wirtschaftlichen Organisationen der einzelnen Stände, ihre Notwendigkeit und Vorteile Hinweisen. Ter Jugendverein! ist ja die Erziehungsschule fürs Leben und soll sich dieser seiner Bedeutung stets bewußt bleiben. Gerade wie dem Gymnasiasten die Hochschule als das Ziel »einer Hoff nungen und Wünsche vorschwebt, so sollten im Jugendverein die jungen Menschen lernen, in den Organisationen für Erwachsene ihr größeres, wichtigeres Ziel geistigen Lebens zu erblicken. Vergessen wir nicht, daß auf die Dauer die christlich nationale Arbeiterbewegung den stärksten, ja man darf sagen den einzigen Rückhalt christlicher Gesinnung in unserer Arbeiterschaft ausmachen wird. An ihr kraftvoll und zielbewusst Mitarbeiten heißt: Apologetik -er Tat treiben.