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Nr. LVV .'vor. LirreNrd. dr» ^8 astende Wr-WR,«?^ »2 l-Nu»» »» 4 «chL«' -' GeschSstsfteve ««» vtedaktt»«, Dresden»«. IS, Holbeinstraße 4L Fernsprecher LI 866 Postscheckkonto Leipzig Nr. 14787 UMsMuilg Au,»tg«»i L»«ah»r von «elchüftranielaen »i» IVUHr von Faniilienaiijeige» bis 11 Uhr dorm. Preis stir die Pettt-Svaltzelle SL Z In, Rella- meteii 8« ^ Famil-»-«njeigen »« Z nicht übernehmen. Sprechstunde der Redaktion: »I-»» Uhr vorm. Einzige katholische Tageszeitung t» Süchte«. Organ der Zentrumsparret. Ausgabe ä mit Muftrterier UmerhalwngsbeUage and rettg Wocheabeilagk Feierabend. Ausgabe v nur mit der Wochenbellagr. M ei!m lili Mm! Hi Zwischen der deutlch-nationalen Volks- Partei "(ehemalige Konservativ«, Freikonservative, Re- sormer), der deutschen Volkspartei (ehemals na- tionalliberal) und der Sächsischen Zent r u m sPa r tei haben gestern wichtige Verhandlungen stattgefunden. Es waren Bestrebungen im Gange, noch in letzter Stunde eine Einigung des Bürgertums auf einer gemeinsamen Liste zu erzielen. Das Zentrum hatte sich trotz schwerwiegender Be- denken nach vierstündiger Beratung einstimmig bereit er- klärt, einer solchen Einigung zuzustimmen. Es hätte dann allerdings seine Wahlparole aufgeben müssen. Dem Haupt vorstand und den anwesenden Vertretern aus dem ganzen Lande lag aber daran, gegebenenfalls an der Bildung einer gemeinsamen Front des Bürgertums mitzuwirken. Als dann di« Vertreter der drei genannten Parteien in später Abendstunde znsammentraten, stellte sich heraus, daß an «in Zustandekommen des Planes nicht mehr gedacht werden konnte. Er war gescheitert, da die bürgerliche Linke nicht mitmachen will. Das Zentrum hat jedenfalls seinen ßuten Willen gezeigt. Die Wahlparole des Zen trums vom 8. Dezember lautete: „Bei der bevorstehenden Wahl zur deutschen National versammlung in allen sächsischen Wahlkreisen eigene Kan- didatenlisten aufzustellen. Die Zentrumpartei erklärt sich «ber bereit, die anderen bürgerlichen Parteien dadurch zu unterstützen, daß die beiderseitigen Wahllisten zu einer verbundenen List« im Sinne d«S neuen Wahlgesetzes ver einigt werden." Nachdem das Zustandekommen einer Liste unmöglich Geworden war, erstreckten sich die Beratungen der oben ge nannten Parteien auf die Frage der verbundenen Listen. Er u'Ulde aier rneEinigung erzielt. Die Sachlage ist also so, daß das Zentrum auch bei uns eigene Kandi- dateulisten aufstellt, diese Listen aber alsdann mit denen der deutsch-nationalen Volkspartei und der deutschen Volks- Partei verbindet, so daß also von einer Zersplitterung keine Rede sein kann. Für die Zukunst der Sächsischen Zentrums- Partei ist es jedoch von größter Bedeutung, daß wir eigene Kandidatenlisten aufstellen und daß jeder Zentvumsanhänzrr und jede Zentrumsanhängerin ihre Stimmen unseren eige- nen Kandidatenlisten zuführen. Di« Verhältnisse werden immer verwickelter. In seiner bedeutsamen Rede über den Völkerbund, die wir an anderer Stelle veröffentlichen, sagt Erzberger, die Menschheit stehe wieder am Scheidewege. Das ist richtig. In ganz beson derem Maße aber gilt das für Deutschland. Die Unord- nung wird immer größer. Gesetze, die heute gemacht wer- den, werden morgen umgestoßen. Vorgestern wurde ver kündet, daß die Wahlen zur sächsischen Nationalversamm lung am 2. Februar stattfinden würden. Gestern wurde beschlossen, daß sie zugleich mit den Wahlen zur deutschen Nationalversammlung am 19. Januar stattfinden. Wahr haftig, eine trostlose Wirtschaft. Zudem erklären die Unab- hängigen, daß sie diesen Beschluß nicht anerkennen. Es ist also noch ganz unklar, was wird. Jedenfalls aber müssen wir gerüstet sein. Es ist wirklich jetzt keine Kleinigkeit, die Vorberatungen für die Wahlen zu treffen und es ist eine geradezu ungeheure Arbeitslast, die heute auf den Männern ruht, die an der Spitze der Partei stehen. Aber di« Arbeit wird sicher dadurch erleichtert, daß sie vom Vertrauen der ganzen Zentrumswählerschaft getragen ist. Im ganzen deutschen Reiche wird das Zentrum seine Stimmen zählen, da wird und darf auch Sachsen nicht zurückstehen. Darum muß rastlos weitergearbeitet werden für die erhabenen Grundsätze des Zentrums. ksl. Erzberqer über den Völkerbund. WTB. Berlin, 27. Dezember. Auf Einladung der Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin hielt Staatssekretär Erzberger in der Handelshochschule in Berlin einen Vortrag über den Völkerbund, in dem er u. a. ausführte: Die Notwendigkeit des Völkerbundes ergibt sich aus dem Zusammenbruch des bisherigen internationalen poli tischen Systems, das ausschließlich auf Gewalt und Rivalität der Nationen beruhte. Gegenseitiges Mißtrauen beherrschte di« internationale Lage. Das sittliche Prinzip >var aus den Beziehungen der Völker ausgeschaltet. Die unersetzbaren Folgen davon sind Millionen von Toten, Millionen Ver- krllppelte und Millionen Waisen. Milliardenwerte sin- zer trümmert, Menschheitswerte zerstört. Aber die Folgen des Weltkrieges greifen noch tiefer. Der Krieg ist die Gesetz- losigkeit nach außen und hat ganz naturgemäß die Gesetz losigkeit im Innern zur Folge. Ter lange, alles zerstörende Krieg bereitete den W e l t b o l s chewi s in n s vor. So stehen wir heute vor dem völligen Zusammenbruch dieser Gewaltanarchie. Ein neues 'System muß an ihre Stelle treten, das System des Rechts. Der Völkerbund ist nur die sinnentsprechende Uebcrtragung der inneren Staats ordnung auf die äußere. Das bisherige System bedurfte ungeheuerer Mittel, um „gerüstet" zu sein. Vor 15 Jahren schon betrugen die Rüstungsausgaben der europäischen Völker 19 v. H. der Gesamtausgaben. Das Heer- und Marinewesen verschlang neunmal so viel Geld, wie der öffentliche Unterricht und 25mal so viel tvie die Rechtspflege. Welche Summe der Weltkrieg gekostet hat. das kann heute noch niemand sagen. Ginge das alte System weiter, so müßten angesichts der technischen Vervollkommnung der Kriegsmaschine die ein zelnen Völker Lasten tragen, die einfach nicht zu ertragen sind, von dem Menschenverbrauch gar nicht zu reden. DaS zusammengebrochene preußisch - militaristische System und dessen Einfluß haben es freilich mit sich gebracht, daß das Bewußtsein von Recht und Gemeinschaftstradition in Deutschland ziemlich geschwunden ist. Aber wenn das neue Deutschland sich auf die uralten Grundgedanken besinnt und sie ganz in sich aufnimmt, wenn di« Vereinigten Staaten von Deutschland aus der jetzigen Umwälzung hervorgehen, dann findet es im Völkerbund nur einen alten Bekannten seiner Vorfahren. Ter Völkerbund braucht nicht aus dem Nichts geschaffen zu werden. Vor dem Kriege bestand eine Art Zweckver - band der Staaten, internationale Verträge, inter nationale-Bureaus. aber alle litten sie unter dem Fehler, daß es an verpflichtendem Zwang für die Staaten mangelte. Gegenüber dem asten Deutschland ist der Vorwurf nicht un- begründet, daß es dem Schiedsgerichtsgedanken durch Ver neinung von dessen allgemeiner Durchführbarkeit schwer ge schadet hat. Dieser Gedanke muß jetzt ganz und uneing;- schränkt angenommen werden. Die obligatorische Schieds gerichtsbarkeit ist der Dreh- und Angelpunkt des ganzen Völkerbundes. Me zweite Voraussetzung ist die Abrüstung zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Schiedsgerichtsbarkeit und Ab- rüstung bedingen sich gegenseifig. Das Schiedsgericht läßt auf den Gewaltakt verzichten. Es war ein leichtsinniges Wort: si vi« paeem parn Keitum.' Mit der A u f h e b u n g der Dienstpflicht ist die wesentlichste Bedingung der Mrüstung erfüllt. Lloyd George hat für England den Ab bau der Wehrpflicht bereits in Aussicht gestellt, dasselbe wird Amerika tun. Frankreich kann sich diesem Vorgehen nicht entziehen. Rußland hat die Wehrpflicht bereits abgr- schafft. Me Freiheit der Meere ist ein Teil der Freiheit des Weltverkehrs, sie liegt schon im Begriff der Abrüstung. Eine weitere wesentliche Voraussetzung zum Völker- bund ist die Gleichberechtigung in wirtschaft licher Beziehung. Zweck und Ziel des Völkerbundes sind weiter die internationale Regelung des Arbeiterschuhes, des Arbeiterrechtes und der Arbeiterversicherung. Auf diesem Gebiete darf Deutschland für sich in Anspruch nehmen, daß eS Wegweiser geworden ist. Der Völkerbund hat in den Kreis seiner Aufgaben auch eine Verständigung über die afrikanischen Kolonien einzubeziehen. Der Aus schluß Deutschlands vom Kolonialbesitz wäre eine kultu- relle Nnaerechfigkeit. Staatssekretär Erzberger ging sodann aus die Zwei- sel an der Möglichkeit -er Heirwirklichung des VölkerbundSgeraAksnS ein, die durch das Verhalten deS Der-andeS, insbesondere in der elsaß-loth- ringischeu, der tschechischen und der polnischen Frage hervor gerufen würde, und betonte: Me Bevölkerung von Elsaß- Lothringen mutz selbst entscheiden über ihr politisches Schick- sal. Treibt Frankreich Gewaltpolitik gegenüber die sem urdeutschen Volke und Lande, so muß die Welt heute ick-on wissen, daß der Völkerbund den Todes keim in sich tragen würde. Bezüglich Polens hat Deutschland den unabhängigen polnischen Staat nach den Wilsonschen Punkten angenommen. Wilson hat den Weg vorgezeichnet, auf Grund dessen die Polen einen Zugang zur See bekommen können, ohne zu einer brutalen, durch nichts berechtigten und auch von Wilson abgelehnten An- nxion zu greifen. Wenn die Welt glauben sollte, das wehrlose Deutschland könne jetzt zerstückelt werden, so mag vorübergehend angesichts unserer Machtlosigkeit der Siegesrausch sich befriedigen, auf die Tauer aber nicht. Nur neue Kriege würden die Folge sein. Glaubt man, daß man einen dauerhaften Zustand und dauernde Ruhe in Europa erreichen würde, lvenn Deutschland zerfleischt am Boden liegt? Einnationalzerrissenes und ge- teiltes Deutschland ist die größte Gefahr für den Völkerbund, das deutsche Volk, geeint und geschlossen aber die beste Bürgschaft für die .Haltbarkeit des Völkerbundes. Präsident Wilson hat die Wahrheit dieses Satzes anerkannt. Dem Völkerbund droht aber noch eine zweite große Ge fahr: die Regelung des Schadenersatzes. Fran zösische und englisch« Blätter überbieten sich in märchenhaften Forderungen, die sie an das deutsche Volk, sein Zahlungs vermögen und seine Arbeitskraft stellen. Mehrere hundert Milliarden Mark werden als Minimum des Schadenersatzes angekündigt. Der Staatssekretär wies sodann durch Anfüh rung der in Frage kommenden Stellen aus den verschiedenen Kundgebungen Wilsons nach, daß über die Frage -er Entschädigung, die lediglich in einer Wiedergut. machung des von Deutschland angerichteten Kriegs schadens bestehe, bereits eine grundsätzliche Einigung mit dem Verband erzielt sei. Präsident Wilson ist also der Auslegung, welche die Verbündeten der Schadenersatzfrage gegeben haben, beige treten, nicht aber der Auslegung, welche die Verbündeten über die Freiheit der Meere wünschen. Diese Auslegung ist immer noch offen. Endgültig abgeschlossen aber ist die Frage des Schadenersatzes. An diesem festen Abkommen zwischen Deutschland, Wilson und den Verbündeten kann niemand mehr rütteln. Präsident ist auch nicht nach Europa ge kommen, um die Frage des Schadenersatzes zu regeln, son dern, wie er in seiner Botschaft vom 4. Dezember 1918 deut lich sagt, um dafür zu sorgen, daß man seine Ideale nicht falsch auslege und daß man sein Möglichstes tue zu ihrer Verwirklichung. Danach ergeben sich folgende Sätze: 1. Es besteht völlige Uebereinstimmung zwischen Deutsch land und sämtlichen Verbündeten über die Frage der der Ktiegsschäden im weitesten Sinne des Wortes. 2. Me unmittelbaren Kriegskosten, die jede Nation an gegeben hat, sind von ihr selbst zu tragen. 3. Alle anderen Kriegsschäden, soweit sie nicht ausdrück lich in dem erwähnten Notenwechsel aufgezählt sind, deckt gleichfalls jedes Land für sich selbst. 1. Deutschland ist zum Schadenersatz verpflichtet für die besetzten Gebiete in Belgien und Nordfrankreich. 5. Deutschland hat alle Schäden, die es dntch seine An griffe zu Lande, zu Wasser und in der Lust in diestn besetzten Gebieten der Zivilbevölkerung der Verbün deten und ihrem Eigentum zugefllgt hat, zu ersetzen. 6. Me Frage, wie dieser Ersatz zu leisten ist, wird durch die Friedensverhandlungen geregelt. Es darf aber als feststehend angesehen werden, daß unsere Kriegs gefangenen zur Leistung dieses Schadenersatzes nicht verpflichtet werden können, da in dem Waffe^still- standsabkoinmen von den Verbündeten bereits zuge sagt worden ist, daß die Frage der Rückkehr unserer Kriegsgefangenen beim Präliminarfrieden geregelt werden wird. Zu mehr hat Deutschland sich nicht verpflichtet, mehr kann ihn: auch nicht auferlegt werden. Deutschlands Ausplünderung macht den Völkerbund un möglich, liegt auch nicht im Interesse des Verbandes. Eine Kuh ohne Futter gibt keine Milchl Deutschland hat aber die Waffenstillsivndsbedingungen auch nur unter der Voraussetzung dieser Beschränkung der Schadenersatzpflicht angenommen. Der Verband hat dem an Wilson gerichteten Mettwrandum zugesfimmt. Die Gründung des Völker- MadeS kann und darf nicht mit einem Wortbruch eingeleitet werden. Der Staatssekretär schließt: Das Volk mutz au»