Volltext Seite (XML)
Rr. 17. lftriintmortlicher Nedacteur: Carl Jehnr in Sippoldir walde. Dienstag. Erscheint Dienstagsund Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Weißeritz-Zeitmrg Amts - und Illzrigc-Dlatt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadträthe zu Dippoldiswalde and /raveufleiv. 1. März 1870. Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten-Zeile Pfg. Monats-Bericht. Auch der Februar mar vorwiegend ein Monat der parlamentarischen Debatte. Fast gleichzeitig spielte in den Abgeordnetenhäusern von Preußen, Bayern und Dachsen die nationale Frage eine Haupt rolle, bei welcher die Parteien der Nationalen und Partikularsten scharf an einander geriethen. Sind auch praktische Erfolge daraus nicht unmittelbar her vorgegangen, so haben diese Debatten doch znr Klar stellung der Situation und der Strebziele der Parteien wesentlich beigetragen. Unserer Auffassung nach schei den sich beide Parteien nur dadurch, daß die Nationalen die Bundesverfassung gern acceptirt haben und auf deren weiterer Entwickelung und Ausbildung hinar beiten, während die Partikularisten nur mit Wider streben die Bundesverfassung, als eine eiserne Noth- wendigkeit, anerkennen und darin das äußerste Maaß Dessen erblicken, was von der Selbstständigkeit der Einzelstaaten den nationalen Interessen geopfert werden darf. Darüber freilich, daß die Wucht der gemein samen vaterländischen Interessen noch manches Stück cinzelstaatlicher Selbstständigkeit absorbiren wird, macht sich wohl auf beiden Seiten Niemand ein Geheimniß. Ueber die gegenwärtige Lage der süddeutschen Frage giebt folgender Abschnitt der Thronrede, mit welcher der Reichstag am 14. Februar eröffnet wurde, Auskunft: „Die Anbahnung der im Art. 4 des Prager Friedens vorgesehenen Verständigung über die nationale Ver bindung des norddeutschen Bundes mit den süddeutschen Staaten ist der Gegenstand Meiner unausgesetzten Aufmerksamkeit. Ein mit dem Großherzogthum Baden beschlossener Jurisdiktions vertrag dehnt die Grundsätze der Gemeinsamkeit des Rechts schutzes, welche durch das Gesetz über die Gewährung der Rechtshülfe für den norddeutschen Bund zur Geltung gelangt sind, in nationalem Sinne über die Grenzen des Bundes gebiets aus. Durch eine Ergänzung der Maß- und Ge wichtsordnung wird die Möglichkeit gewonnen, der Gemein samkeit des Maß- und Gewichtswesens mit anderen deutschen Staaten durch gegenseitige Zulassung der geaichten Maße nnd Gewichte Ausdruck zu geben. Zur Herstellung der süddeutschen Festungscommission hat der Bund durch Meine Vermittelung unter Einwilligung in den ungetheilten Fortbestand des ge meinsamen Festungseigenthums bereitwillig mitgewirkt. Die Gesammtheit der Verträge, welche den Norden Deutschlands mit dem Süden verbinden, gewähren der Sicherheit und Wohl fahrt des gemeinsamen deutschen Vaterlandes die zuverlässigen Bürgschaften, welche die starke und geschlossene Organisation des Nordbundes in sich trägt. Das Vertrauen, welches unsere süddeutschen Verbündeten in diese Bürgschaften setzen, beruht aus voller Gegenseitigkeit. Das Gefühl nationaler Zusammen gehörigkeit, dem die bestehenden Verträge ihr Dasein verdanken, das gegenseitig verpfändete Wort deutscher Fürsten, die Ge meinsamkeit der höchsten vaterländischen Interessen verleiben unseren Beziehungen zu Süddeutschland eine von der wechseln den Woge politischer Leidenschaften unabhängige Festigkeit.' — Man ersieht ans diesen Worten, daß die Bundesre gierung der, im Prager Frieden vorgesehenen Verstän digung über die nationale Verbindung mit den süd deutschen Staaten, ihre volle Aufmerksamkeit schenkt, nnd auf die Festigkeit der abgeschlossenen Verträge bauend, das Weitere erwartet. Vor der Hand scheint zu einer solchen Verständigung noch wenig Aussicht, da es den bairischen Partikularisten gelungen ist, in der Kammer eine kleine Majorität zu erlangen und dadurch den Rücktritt des Ministers des Auswärtigen, Fürsten Hohenlohe, herbeizuführen. Ob und in welcher Weise unsere Stellung zu Süddeutschland durch diesen Ministerwechsel modificirt werden wird, bleibt abzuwarten. Bei unseren westlichen Nachbarn ging es wieder einmal recht lebhaft zu. In Paris wurden Barri kaden gebaut, eine Geivehrfabrik geplündert, Massen versammlungen veranstaltet rc., kurz, es sah aus wie Revolution. Allein der Bewegung fehlte die geistige und materielle Kraft; die intelligente und besitzende Claffe hielt sich fern, und so verlief dieser Straßen- crawall des Pariser Pöbels im Sande. Mehrere hundert Betheiligte wurden verhaftet und haben nun Zeit, über ihr tolles Beginnen nachzudenken. Das neue Ministerium scheint sich unleugbar die Sympathien des großen Theils der Bevölkerung erworben zu haben. In Spanien sucht man noch immer nach einem König. Neuerdings verlautet, daß von carlistischer Seite eine Jnsurrection vorbereitet werde; jedenfalls entzieht es sich aller Berechnung, wie die Verfassungs verhältnisse dieses Landes sich noch gestalten werden. Aus Italien ist nichts Thatsächliches von Be lang zu berichten. Vom Concile erfährt man nichts und nimmt keine Notiz davon. In England wird die öffentliche Aufmerksamkeit durch die irische Landbill und durch die Reform des Schulwesens in Anspruch genommen. In Oesterreich hat das reconstruirte Ministerium die schwierige Aufgabe der Versöhnung der verschie denen Nationalitäten, der Wahlreform und der Con- eordatsfrage in die Hand genommen. Kurz, aller Orts sehen wir Regierungen und Völker mit der friedlichen Ausgestaltung ihrer inneren Verhältnisse beschäftigt, während die auswär tigen Beziehungen gute sind, und in England und Frankreich sogar eine Reduktion des Militärbudgets beabsichtigt wird. Möge diese friedliche Strömung von recht langer Dauer sein!