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Schönburger Tageblatt Donnerstag, den 11. November 263 1886 Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Max Liebezeit; in Penig bei Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgasse; in Rochaburg bei Herrn Suchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. 8. Dietze; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Altenburg bei Hrn. Buchh. Ernst Weßner; in Lichtenstein b. Hrn. Buchh. I. Wehrmann. Altstadt-Waldenbura Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, -angenchursiorf, -angen- leuba-Niederhain Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsmtz i. E., Rerchenbach, Nenne, Rochsburg, ' Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 25 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. Witterungsaussichten für de« 11. November: Bei südlichen bis östlichen Winden veränderliche Bewölkung, Regen nicht ans geschlossen. Temperatur kühl. Amtsblatt siir den Stadtnah ja Waldenburg. zugleich weil iu d-n Penig, Lunzenau, Nch«-»stcmCa«nI>-rg und iu diu Omch-chm der u-chsdch-nd-n St-mdÄ-unzb-zirk: und , Waldenburger MM" Reichstag auf den 25. November einberufen. *Waldenburg, 10. November 1886. In der Denkschrift, welche den neuen Reichs-Marine- Etat für 1887/88 begleitet, ist bereits angekündigt worden, daß eine Vermehrung der deutschen Kriegs marine gefordert werden wird. Es ist dort ausgeführt, daß die Zahl der zum auswärtigen Dienst in fremden Meeren bestimmten Schiffe augenblicklich sechsundzwanzig beträgt, und daß diese Zahl auch für die Zukunft genügen dürfte. Es ist das sehr erfreulich, denn bis her sind bekanntlich die Vortheile aus den Colonien nur gering, und Sparsamkeit ist deshalb schon an und für sich geboten. Gelingt es, die Streitigkeiten mit dem Sultan von Zanzibar ruhig aus der Welt zu schaffen, und dazu ist ja ebenso die Aussicht vorhanden, wie zur Lösung der ungemein verwickelten Landfrage auf den Samoainseln, so dürfte überhaupt für die deutsche Kreuzerflotte eine Ruhepause eintreten, und es wird dann nur eine kleine Zahl von Schiffen erfor derlich sein, welche in den deutschen überseeischen Be sitzungen unsere Flagge zeigt und damit bei den Ein geborenen den Respect aufrecht erhält. Die Periode der Colonial-Erwerbung, die eine größere Machtent faltung zur See erforderte, ist in der Hauptsache vor über; nunmehr kommt die eigentliche Arbeit, die Co lonien nutzbar zu machen, an die Reihe. Von einer , Vermehrung der Schiffe für den auswärtigen Dienst - wird also abgesehen, dagegen hält die Marine-Ver- : waltung die Vermehrung der Panzerfahrzeuge, welche der Küstenvertheidigung dienen, für geboten. Außer einer Vermehrung der Torpedoboote soll auch der Bau von zehn neuen gepanzerten Kanonenbooten bean- tragt werden. Die Hauptaufgabe unserer Flotte ist und bleibt die kräftige Vertheidigung unserer lang sich dahin strecken den Küste in einem Kriegsfall. Im Hinblick auf diese Aufgabe wird sie vor Allem vervollkommnet und bereit gehalten. Wesentlich auch zu diesem Zweck mit soll der Nordostseekanal gebaut werden, von dem ja außer dem auch Handel und Wandel Nutzen haben werden. Der Canal wird aber doch derartig angelegt, daß durch ihn auch die schweren deutschen Kriegsschiffe von der Nordsee in die Ostsee, und umgekehrt, einlaufen können. Die jetzt noch bestehende Zweitheilung, die sich ein energischer Gegner sehr zu Nutzen machen könnte, wird mit der Beendigung des Canals also aufgehoben ; sein. Bei der Berathung der Canalvorlage im Reichs tage wurde darauf hingewiesen, daß mit dem Canal die Schlagfertigkeit der deutschen Kriegsflotte verdoppelt werden würde. Auch dieser bevorstehende Zustand muß doch aber nicht für genügend befunden worden sein, denn andernfalls wäre vom Marineamt nicht die Flottenvermehrung in so bedeutendem Maßstabe, wie ihn zehn weitere Panzerschiffe immerhin darstellen, an geregt worden. Man kann sich nur einen Grund für diese Forderung denken, und das sind die neuen Rü stungen Frankreichs zur See. Frankreich ist die ein zige, wirkliche und große Seemacht, mit der wir zu sammenstoßen könnten, ein Krieg mit England ist menschlichem Ermessen nach wenigstens nicht voraus zusehen, auf Frankreichs Machtstellung wird Deutschland also allein Rücksicht zu nehmen haben. 1870/71 kamen wir zur See glücklich fort; die schnellen und entscheidenden Siege zu Lande machten die Rückberufung der französischen Seetruppen noth wendig. Damals war auch weder die französische Flotte, noch die Landarmee so stark wie gegenwärtig. Kommt es zu einem neuen Kriege, ko läßt sich wohl erwarten, daß die französische Marine wenigstens energisch versuchen wird, auf deutschem Boden festen Fuß zu fassen. Ob das practisch ein großer Erfolg ist, ist freilich eine andere Sache; jedenfalls haben wir aber keine Ursache, uns das zu wünschen, und müssen deshalb genügende Abwehrmaßregeln besitzen. Bisher war man der Ansicht, unter Berücksichtigung des Nord ostseecanals werde die Reichsflotte genügen, die fran zösischen Schiffe im Ernstfälle von der Küste fernzu halten. Nach der Ansicht der höchsten deutschen See behörde, wie sie jetzt zum Ausdruck gekommm, ist oas nicht der Fall, und es ist allerdings die Pflicht des Marineamtes, eine solche gewonnene Ueberzeugung aus zusprechen, um sie später vor dem Reichstage oder in vertraulicher Commission desselben eingehend zu be gründen. Der Fall ist ernst, aber man kann auch überzeugt sein, daß jeder Reichstag einer thatsächlich nothwendigen Forderung Gehör schenken wird, und an den zuständigen Reichsbehörden ist es nur, diese Noth wendigkeit zu begründen. Es werden da wahrscheinlich manche sonst streng geheim gehaltene Dinge vertraulich mitgetheilt werden müssen, aber dann wird auch schnell die Entscheidung folgen. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser empfing am Montag Nachmittag noch den Besuch des Prinzen Wilhelm und wohnte am Abend der Vorstellung im Opernhause bei. Dienstag Vormittag nahm der Monarch die laufenden Vorträge entgegen. Nachmittags wurde der Bischof von Erm- land, Or. Andreas Thiel, im Beisein des Kultusmini sters empfangen, »vorauf der Kaiser eine Ausfahrt un ternahm. Um 5 Uhr fand ein größeres Diner statt. Der Kaiser hat einer jungen Dame und zwei kleinen Mädchen, welche ihn bei seiner Anwesenheit in Straß burg durch Ansprachen und durch Ueberreichen von Blumensträußen begrüßt, eine goldene Brochs und je ein goldenes Kreuz verliehen. Fürst Bismarck wird schon in diesen Tagen seinen Herbstaufenthalt in Varzin beenden und nach Friedrichs ruhe übersiedeln. Auf der Durchreise wird er sich einige Tage in Berlin aufhalten.. Herr Windthorst und der bekannte welfische Abg. Dr. Brüel sind in Wien angekommen. Vermuthlich handelt es sich um Angelegenheiten des Herzogs von Cumberland. Das Gehalt des neuen Reichsschatzsekretär Jacobi wird von 20,000 auf 24,000 Mk. (außer freier Wohnung) erhöht. Die anderen Stadtssekretäre be ziehen ebenfalls mindestens 24,000 Mark. Der deutsche Reichstag ist auf den 25. Novem ber nach Berlin berufen ivorden. Die Kaiserliche Verordnung lautet: Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen rc. rc. rc., ver ordnen auf Grund des Artikels 12 der Verfassung im Namen des Reiches, was folgt: Der Reichstag wird berufen, am 25. November d. I. in Berlin zusammen zutreten, und beauftragen Wir den Reichskanzler mit den zu diesem Zweck nöthigen Vorbereitungen. Urkund lich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben Berlin, den 8. November 1886. (D. 8.) gez. Wilhelm, ggez. von Bötticher. Der Prinz und die Prinzessin Wilhelm von Preu ßen werden in Folge des Brandes im Marmorpalais bereits heute Mittwoch in das Stadtschloß von Pots dam übersiedeln. Die Ursache des Brandes ward in der Centralheizung gefunden, welche, durch einen alten Schornstein geführt, das Mauerwerk, die bretterne Dachschalung und die Balken, auf denen das Kupferdach ruht, derartig in Mitleidenschaft gezogen hatte, daß das Holz schon seit geraumer Zeit zu schwelen ange fangen hatte. Im Palais forschte man nach der Ur sache des Brandgeruches, fand aber nichts, bis dann am Sonnabend Morgen das Kupferdach zu schmelzen begann. Auf dieses bedrohliche Anzeichen begab sich Prinz Wilhelm mit einem Thril der Schloßbedienung nach dem Dache, ließ dort ein Loch einhauen, worauf Qualm und Flamme hervorschlugen, die dann durch den Hydranten des Schlosses erstickt wurde. Der Etat des Auswärtigen Amtes pro 1887/88 ist Dienstag im Bundesrath zur Vertheilung gelangt. Die Veränderungen sind nicht von Belang. Wiederum gefordert werden 150,000 Mk. als Subvention für wissenschaftliche Forschungen in Afrika und 30,000 Mk. für die zoologische Station des Professors Dohre in Neapel. Der König und die Königin von Württemberg reiste heute Mittwoch Vormittag nach Nizza ab, wo dieselben den Winter verbleiben. — Die württember- gischen Kammern sind auf den 25. November nach Stuttgart einberufen worden. Der polnische Abg. Or. Szuman dementirt die Nachricht, er habe einen Theil seines Gutes an einen Deutschen verkauft. Der Buchbinder und Cigarrenhändler Michelsen in Aschersleben ist nunmehr definitiv aus Aschersleben ausgewiesen und hat sich nach Thüringen gewandt. Auch die „Nordd. Allg. Ztg." constatirt nunmehr, daß die Russenfreunde in Bulgarien es für ihre Aufgabe halten, nach Kräften an der Verwirrung der Lage zu arbeiten, während im Schooße der bul garischen Regierung das Gegentheil überwiege." Wie die „Saale-Ztg." erfährt, sind 40—50 Arbei ter in Buckau nicht wegen geplanter Sprengversuche, sondern wegen viel gesetzwidrigerer, gemeingefährlicher hochverrätherischer Pläne verhaftet worden. Es ist bezeichnend für die Situation, schreibt die „Allg. Zeitung des Judenthums", daß, sobald ein Parlamentarier Mischer Religion aus dem Leben schei det, kein Jude wieder gewählt wird. Sämmtliche Parteien, die deutsch-freisinnige nicht ausgenommen, stellen jetzt keinen jüdischen Kandidaten auf. So ist vr. Ludwig Bamberger noch der einzige Zeuge jener Zeit, wo die Liberalen Juden in die Parlamente wähl ten. So sind Kosch, Reichenheim, Lasker, Straßmann, Warburg ohne Ersatz aus unseren Reihen geblieben, in gleicher Weise Ludw. Löwe. Die alleinige Ausnahme bilden die Socialdemokraten, die sich um Abstammung und Ansichten nicht kümmern. Die Thatsache ist rich tig; nicht einmal die „Deutsch-Freisinnigen" wollen oder können vielmehr Juden aufstcllen. Dazu ist die antisemitische Strömung auch unter ihnen zu stark ge worden, und das in einer Zeit, wo kein Mensch be haupten kann, daß diese Strömung irgend welche äußere Ermuthigung oder Unterstützung finde, während das Semitenthum von seinem thatsächlichen Einfluß, soweit sich derselbe auf den Besitz und die mit demselben verbundenen Vortheile stützt, nicht das Mindeste einge büßt hat. Wie groß die Macht der Empfindung ist, könnte nicht schlagender dargethan werden. Beweis genug, daß es vollkommen ausreicht, sich auf diese Empfindung zu stützen, und daß es der Begründung einer besonderen antisemitischen Partei nicht bedarf.