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Schönburger Tageblatt und Waldenburger Anzeiger 199 Sonnabend, den 28. August 1«8« Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Max Liebezeit; in Penig bei Herrn Kaufmann Max Härtig am Markt; in Rochsburg bei Herrn Suchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. S. Dietze; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Altenburg bei Hrn. Buchst. Ernst Geßner; in Lichtenstein b. Hrn. Buchst. I. Wehrmann. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nSchster- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SS Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Eingef. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. Amtsdlatt für de« Aadtrath s» Waldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Callnberg und in dm Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Gieba, Grumbach, Hohenkirchen, Kaufungen, Langenchurs dorf, Langenleuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Witterungsaussichten für den 28. Anaust: Windrichtung um West. Durchschnittlich mittlere Bewölkung ohne wesentliche Niederschläge. Temperatur wenig verändert. Fürst Alexander in Oesterreich. "Waldenburg, 27. August 1886. Fürst Alexander von Bulgarien in Freiheit, Sieg seiner Partei in ganz Bulgarien und Rumelien, das sind die Hauptpunkte! Was Rußland thun wird, was die Großmächte zu dem so ungemein überraschend ge kommenen Umschwung sagen, das steht erst in zweiter Reihe; denn wahrscheinlich wissen die Herren Diploma ten momentan noch selbst nicht, was sie gegenüber die sem Querstrich durch ihre Rechnung beginnen sollen. Besonders groß war die Theilnahme an dem Schicksal Fürst Alexanders! Die Verrätherbande in Sofia hatte den Capitän der Donauyacht, aus welche der Fürst gebracht war, beauftragt, ihn in Reni den Russen aus zuliefern. Der Capitän übergab den Fürsten auch den russischen Behörden, aber in Petersburg wagte man es doch nicht, eine solche bodenlose Niederträchtigkeit zu unterstützen; dem Fürsten wurde es in Reni freigestellt, die Reise in beliebiger Richtung fortzysetzen. Der Fürst wollte nach Oesterreich Weiterreisen. Die neuesten Nachrichten aus Bulgarien und Rume lien beweisen, daß mit Ausnahme von 2 Bataillonen Militär und einem zusammengelaufenen Volkshaufen in Sofia Niemand von dem Fürsten abgefallen war. Die provisorische Regierung hatte das Land durch die Lüge betrogen, der Fürst habe freiwillig abgedankt. Das ist Thatsache! Als die Fälschung erkannt wurde, schwemmte die Erhebung von Volk und Armee diese nichtswürdige Regierung in einem Nu fort, deren Mit glieder man sich versichert hat. Drei Tage hat die neue Russenära in Bulgarien gedauert. Die meuteri schen zwei Bataillone von Sofia flehten um Pardon und haben die Waffen gestreckt. Stürmisch wird die Wiederkehr Fürst Alexanders verlangt, und kommt er zurück, so wird er, Dank dem mißglückten Streiche eine so feste Stelle haben, daß die Russm selbst mit Waffengewalt Mühe haben werden, sie zu erschüttern. Rußland hat übrigens weder ein Recht, noch einen Anlaß, Bulgarien zu besetzen, wo unter der neuen Re gierung völlige Ruhe herrscht. Bevor die Gegen revolution siegreich war, hatte für die Erhebung der Oberst Mutkurow die Dictatur übernommen; in einer Proclamation forderte er das Volk auf, Fürst und Vaterland vor den Verräthern zu schützen. Nunmehr ist bereits wieder eine regelrechte Regierung gebildet. Karawelow, dessen Name also wirklich für den Verrath gemißbraucht zu sein scheint, hat ein neues Ministerium gebildet. Stambulow, der Kammerpräsident, und Major Nikiforow sind Regenten, Mutkurow, Ober- commandirender der Armee. Die neuen Minister sind Stoilow (Aeußeres), Radoslavow (Inneres), Geschovo (Finanzen), Orachakow (Justiz), Panow (Krieg), Jo- vanokow (Unterricht). In einer von Karawelow erlassenen Proclamation heißt es: In Folge des jüngsten Ereignisses, welches das Land der Ungewißheit preisgegeben, und um des Wohles des Vaterlandes willen, habe er, gestützt auf das Vertrauen des Volkes, die Verwaltung übernom men und unter seinem Vorsitze eine aus den obenge nannten Mitgliedern bestehende Regierung gebildet. Die Ruhe ist wieder vollständig hergestellt. Von den Mächten rührt sich allein die Türkei. Sie trifft mi litärische Vorsichtsmaßnahmen und drängt fortwährend die Mächte, sich darüber zu äußern, was nun werden soll. Die Diplomaten sind augenscheinlich in viel größerer Noth, als Fürst Alexander je es war. Große Anstrengungen werden gemacht, den Fürsten Alexander zur Rückkehr nach Sofia zu bewegen. Der Hofmarschall des Fürsten, Baron Riedesel, reist von Bukarest aus dem Fürsten entgegen. Er hat den Auf trag, den Fürsten aufzufordern, unverweilt über Ru mänien, wo ihn eine Deputation abholen würde, nach Bulgarien zurückzukehren. Die neue Regierung in Sofia hat an die Vertreter der Mächte ein Rund schreiben gerichtet, in welchem sie ihre Constituirung mittheilt, diese Mächte bittet, sie anzuerkennen, und gleichzeitig die Hoffnung ausspricht, daß die Mächte ihr Unterstützung und Vertrauen gewähren werden. Gegen eine Occupation Bulgariens durch Rußland wird namentlich in englischen Blättern der entschiedenste Protest erhoben. Die „Times" sagen, eine Interven tion würde zur Zeit beispiellos sein. Die Haltung des bulgarischen Volkes und seine Energie müsse ihm die Achtung Europas sichern. Um englische Blätter würde sich Rußland, wenn es vorgehen wollte, aller dings nicht viel kümmern! Aus Wien wird ganz be stimmt gemeldet, England habe viel dazu beigetragen, die Gegenrevolution zu Stande zu bringen, indem es die erklärten Anhänger Fürst Alexander's ermuthigte und mit Geld versah. Ueber den Verlauf der Gegenrevolution wird aus Sofia noch gemeldet: Die am Verrath betheiligt ge wesenen militärischen Persönlichkeiten, Oberst Kisialow, die Hauptleute Dimitrieff und Benderefo sind geflohen und werden verfolgt. Zugleich mit Ostrumelien er hoben sich die bulgarischen StädteTru, Sistow, Gabrowo, Plewna, Tirnowa, Nikopolis, Widdin, Rustschuk, Varna, Silistria, Rasgrad, Schumla. Mit Ausnahme von Sofia, wo Straßenkämpfe stattfanden, verlief die Ge genrevolution unblutig. Man besorgt in Sofia, der Fürst werde seine Rückkehr von dem Beschluß eines Familienrathes abhängig machen, zu welchem er nach Darmstadt zu gehen gedachte. Ueber die Donaufahrt des Fürsten wird berichtet: Er wünschte von Rahova stromaufwärts gebracht zu werden, was zugestanden wurde. Am Lande sah man den Fürsten Brod und Trauben essen, Handtasche und Ueberzieher trug er selbst. Als er aber die Kajüte betreten hatte, besetzten Wachen die Ausgänge, das Schiff wendete und fuhr stromab nach Reni. Am Bord sollen dem Fürsten, gleichsam als Abfindung, 3000 Napoleons geboten sein, die er ablehnte. Bedrohlich und nicht besonders friedlich klingen die Nachrichten, die sich das „Neue W. Tgbl." aus Buka rest melden läßt. Danach hat der Höchstcommandi- rende der russischen Flotte des Schwarzen Meeres Ordre bekommm, sämmtliche Kriegsdampfer in Fahr bereitschaft zu setzen. Desgleichen hat die Direction der Gesellschaft der Dampfschifffahrt und des Handels auf dem Schwarzen Meere den Auftrag erhalten, einen gewissm Theil der Schiffe für den Truppentransport bereit zu halten. Sind diese beiden letzteren Nach richten nur ein Börsenmanöver, so haben sie ihren Zweck erfüllt, denn beide Befehle riefen in den russi schen Handelskreisen eine wahre Panik hervor. Man wird ja in den nächsten Tagen sehen, ob etwas Wah res daran ist. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der König von Portugal ist Donnerstag Mittag von Stockholm auf dem festlich geschmückten Lehrter Bahnhof in Berlin eingetroffen und vom Kaiser, dem Kronprinzen rc. empfangen. Fast die gesammte Ge neralität war anwesend. Punkt 1 Uhr lief der Extra zug in die Halle ein. Der Kaiser begrüßte zuerst seinen Gast aufs Herzlichste, dann folgten die Prinzen. Die Musik der Ehrencompagnie spielte die portugiesische Nationalhymne, die Truppen präsentirten, worauf die Fürstlichkeiten die Front abschritten. Im offenen vier spännigen Wagen fuhren der Kaiser und der König nach dem Schloß, unter den Linden vom Publikum mit lebhaften Ovationen begrüßt. Im Schloß empfing die Kaiserin den König. Nachmittags stattete der König den Majestäten und anderen fürstlichen Persön lichkeiten Besuche ab und empfing deren Gegenbesuche. Später war Familimdiner. Freitag Vormittag wird der Kaiser mit seinem Gast die Truppenübungen auf dem Tempelhofer Felde besuchen. Fürst Bismarck äußerte bei seiner Abreise aus Gastein zum Bürgermeister Straubinger: „Mit meiner Kur bin ich im Allgemeinen zufrieden: allein die Ge sichtsschmerzen und manche frühere Leiden wollen nicht ganz aufhören." In Franzensbad sind Fürst Bismarck und der russische Minister des Auswärtigen von Giers zu der lange vertagten Conferenz zusammen getroffen. Außer dem sind die russischen Vertreter in London und Wien anwesend. Daß diese Conferenz eine sehr große Be deutung hat, ist selbstverständlich, von ihrem Verlauf wird es wesentlich abhängen, was im Orient geschehen wird. Herr von Giers wird seinem deutschen Collegen gerade nicht das freundlichste Gesicht zeigen, er hat seine Sorgen, denn es ist in Bulgarien ja ganz an ders gekommen, als man in Petersburg gedacht. Hof fentlich gelingt es in Franzensbad, Alles friedlich zu regeln. Fürst und Fürstin Bismarck trafen Mittwoch Nachmittag in Franzensbad ein, außerdem sind die russischen Vertreter in Paris, Kopenhagen und Washing ton noch dahin gekommen, so daß also Rußlands Ver tretung im Auslande in allen wesentlichen Personen dort versammelt ist. Auf das, was dort verhandelt wird, kann man mit Recht gespannt sein. Der Reichts- kanzler, welchem Herr von Giers bis Eger entgegen reiste, hatte gleich nach seiner Auskunft eine längere Besprechung mit Giers. Um 5 Uhr begaben sich der Fürst und die Fürstin Bismarck in offenem Wagen zu dem Minister v. Giers zum Diner, verweilten nach dem Diner längere Zeit mit der Familie v. Giers auf dem Balkon und kehrten erst nach 7 Uhr in ihre Wohnung zurück. Die jetzt in Deutschland eingetroffenen Blätter Ruß land's vom Anfang dieser Woche können sich vor Freude über den Sturz Fürst Alexander's gar nicht fassen und an hämischen Bemerkungen ist Ueberfluß vorhan den. Nun, der Erfolg der Gegenrevolution wird schon emen tüchtigen Katzenjammer Hervorrufen. Als König Luiz von Portugal auf seiner Reise von Kopenhagen nach Stockholm in Heßleholm aus gestiegen war, begab er sich in den Wartesaal 1. Klasse. Kaum hatte er denselben wieder verlassen, als durch das Fenster zwei schwere Steine hereingeschleu dert wurden. Nach dem Thäter suchte man vergebens. Zwischen Deutschland und England ist ein Ab kommen getroffen, durch welche die Grenzlinie im Kamerun gebiet nach dem Binnenlande zu verlän gert und auch für die neu einbezogenen Gebiete gegen seitige Handels- und Verkehrsfreiheit zugesagt wird. Bezüglich der zur Zeit vor sich gehenden Ausbildung der Mannschaften der Ersatzreserve 1. Klasse constatiren die „Berl. Pol. Nachr.", daß außer den zur ersten zehnwöchigen Uebung beorderten Mann schaften (etwa 14,000), zu einer zweiten ckwöchigen