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No. 2. VIII. Jahrgang. 117 1 I "11 Leipzig, II. Januar 1893. Wochenberichte der Leipziger Monatschrift fwMl-Industrie. Handelsblatt für die gesammte Textil-Branche insbesondere für die II £3 jAlOeJ // Wollen-, Baumwollen-, Seiden-, Leinen-L^B^^p-.^nd Jute-Industrie, für den Garn- und Manufacturwaarenhandel, sowie die Titch- unc^Sirriffectionsbranche. Nachdrude, soweit nicht untersagt, nur mit vollständiger Qu^^^^äJ>e\^st^^t des Vorstandes der Sächsischen Textil-Berufsgenossenschaft Organ £ des Vereins Deutscher Wollkämmer und Kammgarnspinner. Redaktion, Expedition und Verlag: LEIPZIG Johannis-Allee 13. Chefredakteur und Eigentümer: Theodor Martin in Leipzig. Fernsprech-Anschi.: Amt I, 1058. Telegramm-Adresse: Redakteur Martin, Leipzig. Diese Wochenberichte erscheinen jeden Mittwoch als Beiblatt zur „Leipziger Monatschrift für Textil industrie“ und bilden den commerciellen Theil der letzteren. — Der Preis für die ,,Leipziger Monat schrift für Textil-Industrio“ nebst deren drei Beiblättern: 1) Wochenberichte, 2) Der Musterzeichner, mit zahlreichen Mustercompositionen und Stoffproben (Nouveautds), und 3) Mittheilungen aus und für Textil-Berufsgenossenschaften beträgt für das Deutsche Reich und Oesterreich-Ungarn pro Halbjahr nur Jl>. 8,— resp. fl. 5,— ö. W., für die übrigen Länder Jk 9,—. — Die „Wochenberichte“ können auch allein (ohne die Monatschrift) bezogen werden zum halbjährlichen Preise von Jt>. 5,— für Deutschland und Oesterreich-Ungarn und Jb. 6.— für die übrigen Länder. Bestellungen nehmen an: Die Expedition der Leipziger Monatschrift für Textil-Industrie in Leipzig (Johannis-Allee 13), sämmtliche Buchhandlungen des In- und Auslandes, sowie die deutschen Post anstalten. (Im Post-Zeitungskataloge sind die Monatschrift nebst Beiblättern unter No. 3805, die Wochenberichte unter No. 6963 eingetragen.) — Die Abonnementsgebühren sind pränumerando zahlbar. Wenn ein Abonnement spätestens 1 Monat vor Schluss des Halbjahres nicht ge kündigt wird, gilt dasselbe als fortbestehend. — Die Insertionsgebühren betragen pro 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfennig. Beilagen werden zum Preise von Jk 12,— pro Tausend an genommen. a S a a a .5 g CC s w bä Zur gell. Beachtung! Wir bitten davon Notiz zu nehmen, dass wir am 17. d. M. die noch rückständigen Abonnementsgebühren durch Nachnahmebriefe einziehen und die dadurch entstehenden Spesen mit erheben werden. Diejenigen unserer verehrl. Leser, welche direkte Einsendung des Betrages vorziehen sollten, ersuchen wir, dies bis zum 15. d. M. mittelst Postanweisung oder einge schriebenen Briefes zu bewirken. Da in unserem Verlage mehrere Textil-Zeitschriften erscheinen, wolle man auf dem Abschnitte der Postanweisung gefl. angeben, wofür sich die Zahlung versteht. Die Expedition. Die Conjunctur auf dem schweizerischen Markt. [Nachdruck untersagt.] Nicht unerwartet ist der Zollkrieg zwischen der Schweiz und Frankreich ausgebrochen und dennoch überrascht er mit seinen unerbittlichen Consequenzen die Interessenten der beiden Republiken in nicht ge ringem Grade. In Frankreich hat man sich von An beginn der Verhandlungen mit der Schweiz kühl ver halten und als es zur Entscheidung kam, war die öffentliche Meinung vollauf von dem Panamaskandal in Anspruch genommen, um die Bedeutung des Güter austausches mit der Schweiz würdigen zu können, der allerdings nur einen kleinen Bruchtheil des franzö sischen Auslandhandels ausmacht. Erst jetzt, da die Schweiz Ernst gemacht und den Zollkrieg erklärt hat, gesteht man sich, dass die französische Ausfuhr industrie die Absperrung des schweizerischen Marktes doch nicht so leicht überwinden wird. In der Schweiz bekundete man von Anfang an grösseres Interesse für die Verhandlungen. War doch die Schweiz mit einem ganzen Viertel ihres Auslandhandels an dem Verkehr mit Frankreich betheiligt. Man wünschte die Handelsbeziehungen zu Frankreich fortzusetzen, indessen auf Grundlage eines neuen merklich er höhten Tarifes. Durch die Verträge mit Deutschland, Oesterreich-Ungarn und Italien war dieser Tarif in einer Reihe von Zollsätzen ermässigt und in den Vorverhandlungen mit Frankreich weitere Zugeständ nisse zunächst zu Gunsten der französischen Einfuhr schweizerischerseits bewilligt worden. Man rechnete in der Schweiz mit Sicherheit auf das Zustandekommen eines neuen Vertragsverhältnisses mit Frankreich, sah sich aber - schliesslich bitter enttäuscht. Die franzö sische Abgeordnetenkammer hielt fest an ihrem Mi nimaltarif, liess sich auf keine Ermässigungen des selben ein und brachte durch ihre ablehnende Haltung den Präliminarvertrag zu Falle. In Folge dessen setzte die Schweiz gegen Frankreich ihren hohen Generaltarif und ausserdem 200 Kampfzollsätze in Kraft, um die französische Einfuhr in den empfindlichen Artikeln zu treffen. Gleichzeitig erhob sich in der Schweiz ein Sturm der Entrüstung. An die Stelle der bis herigen deutschfeindlichen trat eine franzosenfeindliche Strömung hervor und zahlreiche Stimmen in Ver sammlungen, Zeitungen und Interessentenkreisen er klärten sich gegen jeden weiteren Bezug von Waaren französischer Erzeugung. Man versicherte sich gegen seitig, keinerlei französische Erzeugnisse mehr kaufen oder verkaufen zu wollen, man appellirte an den Patriotismus der schweizerischen Frauenwelt. Hoffent lich wird, so schrieb die einflussreiche „Neue Züricher Zeitung“, keine unserer Frauen und Töchter mehr eine Ehre darein setzen, Schachteln und Kisten aus den grossen Pariser Magazinen zu erhalten. Grosse Vortheile boten diese Bezüge ohnehin nicht. Beim Einkauf von sog. Galanteriewaaren, auch wenn es Kleinigkeiten sind, von Seifen und Parfümerien, von Hüten, Stoffen u. s. w. erkundige man sich nach dem Ursprung und lehne französische Erzeugnisse ab. In sehr vielen Fällen bieten die einheimischen Erzeug nisse vollen Ersatz für die französischen. Man hat es bis jetzt nur nicht gewusst oder nicht geglaubt. Unsere Stofffabriken arbeiten ausgezeichnet, die Con- fection hat in den letzten Jahren einen gewaltigen Aufschwung genommen, die Produkte der schweize rischen Seidenstoff- und Schuhfabrikation werden weder besser noch billiger, wenn sie über Paris bezogen werden u. s. w. Erfahrungsgemäss sind derartige Mahnungen nicht immer von Erfolg begleitet. Viele Menschen, und oft die kaufkräftigsten, hören nicht darauf, man hält an den alten Verleumdungen fest, französische Waare wird ja auch anderwärts bevorzugt. Im schweizerisch-französischen Zollkriege jedoch wird jene Mahnung auf das Wirksamste unterstützt durch die Kampfzölle, durch die Schwierigkeit, ja Un möglichkeit, seit Neujahr französische Waaren auf den schweizerischen Markt zu bringen, weil sie mit Ausnahme allerfeinster Luxusartikel unter der über mässigen Zollbelastung concurrenzunfähig geworden sind. Schon in Nr. 1 ds. Bl. hat der Aufsatz „Zum schweizerisch-französischen Zollkriege“ eine Uebersicht jener französischen Textilerzeugnisse gegeben, welche nicht mehr nach der Schweiz eingeführt werden können, weil sie durch unübersteigliche Kampfzölle ausge schlossen worden sind — für die deutschen Inter essenten war daraus zu ersehen, welche Textilerzeug nisse die Schweiz bisher aus Frankreich bezog und nunmehr anderwärts sich beschaffen muss, insoweit sie nicht in der Schweiz selbst hergestellt werden. Es ging daraus hervor, in welchen Erzeugnissen zu erst die deutsche Textilindustrie ihren Absatz auf den schweizerischen Markt erweitern konnte. Jene Uebersicht bleibt auf die Dauer beachtenswerth und ist allen Interessenten zur sorgsamen Prüfung zu empfehlen. Indessen veranschaulicht sie nicht ganz die Gunst der Conjunktur auf dem schweizerischen Markt und bedarf der Ergänzung. Da gegen die französische Einfuhr nicht nur die besonderen Kampf zölle in Kraft getreten sind, sondern auch der hohe schweizerische Generaltarif, dessen weitere Erhöhung verlangt und vorbereitet wird, so sieht sich Frank reich nicht nur mit einzelnen, sondern mit allen seinen Textilerzeugnissen vom schw’ei- zerischen Markt ausgeschlossen und es ver mehren sich sonach die Aussichten für die Erweiterung des Absatzes der deutschen Tex tilindustrie. Nachstehend folgt daher eine Ueber sicht über die schweizerische Einfuhr an sol chen Textilerzeugnissen, welche bisher zum grösseren oder erheblichen Theile aus Frank reich geliefert wurden im Vergleiche mit den entsprechenden Einfuhren Deutschlands und Englands als der maassgebenden Concurrenzländer. Ein genaueres Studium dieser Uebersicht lässt an nähernd erkennen, in welchen Textilerzeugnissen und innerhalb welcher Mengen die deutsche Textilin dustrie aus dem schweizerisch-französischen Zollkriege Nutzen ziehen und ihren Absatz auf dem schwei zerischen Markt erweitern kann: