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LMBeilW M AWt» ANtzkitW Nr. 223. zu Nr. 45 des Hauptblattes. 1929. Beauftragt mit der Herausgabe RegierungSrat Brauße in Dresden. LandtagSverhandlungen. (Fortsetzung der 10«. Sitzung von Dienstag, den 1S. Februar 1929.) Ministerialrat Müller: Die im Antrag begehrte Unterfua ung hat stattgesunden. Es ist bedauerlich, daß es bei den Vorgängen in Bad Brambach zu so einschneidenden Maßnahmen der Baupolizeibehörde tommen mußte. Die Schuld trifft aber allein die Siedler, die trotz rechtzeitiger Auf- klärungen und Warnungen den bestehenden Bestim mungen zuwidergehandelt (Abg. Hentschel: Hört, hört!) und unzulässige Baulichkeiten ohne Genehmigung auf einem Gelände errichtet haben, das banplanmäßig nicht erschlossen und unter Bausperre gestellt war. (Abg. Hentschel: Baurevolution!) Selbstverständlich sieht die Negierung darauf, daß die Baupolizeibehörde bei Durchführung der Gesetze der drückenden Lage der unter der Wohnungsnot Leidenden nach Möglichkeit Rechnung trägt. Die eigenmächtig errichteten und abgebrochenen Baulich keiten waren aber keine Wohngebäude, sondern ein Geflügelschuppen, vier unbewohnbare Brettersckuppcn, von denen einer leergestellt und zwei nie bewohnt waren, und nur ein einziger massiver, aus Küche und Stube bestehender Wohnschuppen. Bom Abbruch nn- mittelbar betroffen wurde nur ein kinderloses Ehepaar. lAbg. Siegert: Hört, hört!) Die Gemeinde Bad Bram bach hat diesem Unterkunft verschafft und dafür Sorge getragen, daß die aus den Baulichkeiten entfernte Habe gesichert untergebracht worden ist. Ein Anspruch der Siedler auf Entschädigung für die ausgewendeten Bau- und Materialkosten kann nicht an erkannt werden. Die Regierung ist bereit, in einer Ausschußberatung ausführliche Auskunft über die Erörtcrungsergebnisse zu geben. Abg. Siegert (Dnat.): Es ist an sich schon durch die sehr breiten Ausführungen de- Herrn Abg. Mütter (Planitz) klar geworden, daß es sich eigentlich um eine ganz einfache Sache handelt, daß hier in diesem Falle baupolizeiliche Vorschriften glattweg übergangen worden sind (Sehr richtig! rechts.), daß auf einem mit Bausperre belegten Gelände Räume errichtet worden sind, ohne daß anch nur ein Bauplan oder eine Baugenehmigung vorgelegen hat. Wir haben gar keinen Grund, der Bau behörde in die Durchführung ihrer baupolizeilichen Vor- fchnften hineinzureden. Insofern würde die Sache an sich ganz und gar erledigt sein, wenn nicht auch schon durch die Ausführungen des Herrn Abg. Müller und durch weitere Erkundigungen, die wir eingeholt haben und Auskünfte, die uns zugegangen sind, doch noch einige Unklarheiten bestünden. Herr Abg. Müller selbst hat gesagt Ihm scheinte manches unklar zn sein. Das stimmt, uns auch! (Lachen rechts.) Der ganze Antrag redet von massiven Wohn ¬ baracken. Herr Abg. Müller ist so freundlich gewesen und hat uns anschauliche Bilder auf den Tisch des Hauses gelegt. Da kann man nicht mehr vo n massivcn Wohnbaracken reden. Das sind zur großen Hälfte kaum noch Schnppen zu nennende Baulichkeiten. Ferner ist dnrchans nicht klargestellt, wie es mit der Wohnungsnot in Bad Brambach steht. Die Amtshanptmannschaft hat es zwar nicht abgelehnt, daß eine Wohnungsnot bestehe, es aber bis auf ein Mindestmaß zurückgeführt. Es sind unter mehr als 2000 Einwohnern 28 Wohnungsuchende. Nun ist aber das eine doch bemerkenswert, daß diese 28Wohnung- suchenden vermehrt worden sind durch vier Parten, die für sich selbst schon Wohnungen hatten, diese Wohnungen aber, die sie bisher hatten, aufgegeben haben (Abg Müller (Planitz): Mußten!), und zwar freiwillig auf gegeben haben (Abg. Müller (Planitz): Mnßten!) m dem einen Falle. Der Postschaffner hat seine Wohnung in Plauen tauschlos aufgegeben. Er hat also auf eine ge setzliche Vergünstigung verzichtet, um diese Httfswohnung in Brambach zu beziehen, mit anderen Worten, diese vier sind noch zu den 28 Wohnungsuchenden hinzu- gekommen. Ich behaupte also, daß gerade hier in diesem Falle die Behauptung von Wohnungsnot durchaus nicht stimmt. Außerdem, wenn einer seine frühere Wohnung aufgegeben hat, fragt man sich doch nach dem Motiv, und von diesem Motiv hat Herr Müller selbst geredet. Er hat sie frei gemacht, um die Unterbringung von Bade gästen zu ermöglichen. Das nenne ich aber keine Lösung (Abg. Müller (Planitz): Das ist ja nicht wahr!) und keine soziale Befriedigung der Wohnungsnot. Also, die Woh nungsnot in Brambach ist dort durch die vier Siedler nicht gebessert worden. Der Bürgermeister, soviel ich erfahren habe, hat versucht, Hilfe für diese Leute zu schaffen, und zwar hat er das versucht, trotz des entgegenstehenden Be schlusses des Bezirksverbandes. Der Vezirksverband hat sich ausdrücklich gegen eine Hilfsmaßnahme für diese vier Leute gewendet. Trotzdem hat der Bürger meister beim Ministerium sich Geld zu verschaffen ge sucht. Das Ministerium war, soviel ich unterrichtet bin, bereit, diesen Leuten eine Art Wohnbaracke hinzubauen und die Mittel dazu zu bewilligen. Es ist aber nichts daraus geworden. Jetzt erst, nachdem die Leute eigent- lich selbst allein die Schuld an der ganzen Not tragen, in die sie durch die Übertretung der baupolizeilichen Vorschriften hineingekommen sind, sind sie wohnungslos geworden und verdienen durchaus nicht — das kann ich ruhig sagen — irgend welches Mitleid. (Abg. Müller (Planitz): Hört, hört!) Aber ich bin imstande, noch etwa« zur Charak terisierung dieser Siedler, wenigstens eines unter diesen Siedlern beizutragen. Ob der Mann wirklich als ein Vertreter des echten und wahren Siedlergedankens an zusprechen sein wird, diese Frage werde ich nachher Herrn Abg. Müller und der antragstellenden Fraktion vorlegen. (Sehr gut! rechts.) Dieser hier von Herrn Müller genannte, nicht Rudolph, sondern Albert Bögel hat versucht, sein Siedlungsgelände an die Bade direktion zu verkaufen. (Abg. Müller (Planitz): Das ist der Bruder von dem anderen!). Also sehr eng ver- schwägert. Jedenfalls nach dem Wortlaut gehört er aber mit zu der Siedlergesellschaft, die sich dort ge gründet hat. Ich darf diesen Brief an die Bade- direktwn verlesen: Da für unser SiedlungSgelände am Wachtberge süd lich des Bades gelegen, Landesinteressen vorliegen, — ich bin für etwaige stilistische Fehler nicht ver antwortlich — wir auch dem Ansbreiten des Radiumbades zum Weltbade nicht hinderlich sein wollen, so biete ich vor allen Dingen das Bauland meines Bruders Rudolf mit 4600 cjm zum Preise von ä 3.— M. an. Dieses Gelände ist der Schlüssel zur Siedelimg, es würde dort gut ein Waldkasfee oder sonstiges hinpassen. — das nennt man Siedlung, ein Waldkaffee — Anschließend liegt mein Grundstück mit 855 m ä 1.50 M. Herrliche Gegen-, ein Panorama, historisch nnd romantisch. Alle Kurgäste gehen nur in diesen nahen Wald spazieren, guten Ausblick und Besuch des Wirtshauses in Hohndorf. Weitere Siedler (alle) würden ebenfalls nns folgen zn etwas billigerem Preise. Sollten Sie kein Interesse haben, was sehr schade iväre in Ihrem oder Sprudels Interessen, so werden wir anderen anbieten z. B. Professor Archenhold, Berlin-Treptow, Sternwarte, welcher mal eine Hühnerfarm errichten wollte. — Siedlergcdanke — Sollte alles nicht gelingen, so werden wir das Ende der Bauspcrre abwarten, und jeder baut sich einen Schuppen 4x4 m (gesetzlich), das Land aufgraben als Sandgrube oder Steinbrnch und alle Privatwege versperren mit Drahtverhau, damit den Kurgästen die Bewegungsfreiheit fehlt. Leider ist schon der Weg nach Hohndorf versperrt. Würden wir aber losbringcn unser Land, so werden wir (alle) 28 Besitzer wandern nach Oberbrambacher Fluren, wo wir dann der Aus beutung des Bades nicht mehr hinderlich sein werden. Tas war der erste Brief vorn 6. Nooember; und daun, weil er es sehr eilig hatte, schrieb er einen weiteren Brief am 27. November 1928: Zur Beantwortung Ihres werten Schreibens vom 13. November — ich will einfügen, daß die Badedirektion dieses Kauf- angebot abgelehnt hatte — teile ich Ihnen höfl. mit, daß wir von der Kirche das nötige Aral erhalten auf Erbbaupacht, wir demnach nicht nötig haben und wenig Interesse vorhanden ist, unser Gelände auf dem Wachtberge zu veräußern, vielmehr gar zu verschleudern, sondern eine günstige Zeit abwarten, wo es anständig bezahlt wird, nnd ich zweifle keineswegs daran. Wir werden inzwischen alles schön cinzännen, den Grund an Sand und Stei nen ausbauen zwecks Ball von Siedlerhäusern. Obwohl er „kein Interesse" mehr daran hat, fährt er doch fort: Ich biete nun zum letztenmal meine Parzelle einschließlich alles, was drauf steht, z. B. Gebäude, Schuppen, Brunnen usw-, an. Haben Sie kein Interesse, so lassens bitte sein, vielleicht hat die Gesellschaft m. b. H. dann Interesse an einer Verunstaltung — nämlich des Bades — lt. meines Schreiben? vom 6. November. Wenn Sie (zu d. Soz.) das Interesse solcher Siedler vertreten und diese Klienten in Schutz nehmen, dann mache ich hinter Ihren Antrag ein großes Fragezeichen, und ich freue mich auf die Ausschußverhandlungen, wo wir einmal die Verhältnisse ohne Rücksicht klarlegen werden. (Beifall rechts.) Abg. Schmidt (D. Vp ): über die hier behandelte Angelegenheit sind Nachrichten durch die Presse gegangen, die die große Allgemeinheit stutzig gemacht haben über diese Zustände in Bad Brambach, die man mit Rücksicht auf die allgemeine Wohnungsnot, wie sie überall besteht, auf keinen Fall gutheißen kann. Wir sehen aber aus den Ausführungen, wie sie von Herrn Kol- legen Müller gemacht worden sind, und aus der Er- Widerling, die Kollege Siegert gegeben hat, daß man die Dinge sehr verschiedenartig darstellen kann. Eines Mannes Rede ist eben keine Rede, man muß sie hören alle beede. Die Allgemeinheit hat ein Recht darauf, daß sie erfährt, ob eine Behörde hier zu Maßnahmen gegriffen hat, für die sie die Verantwortung nicht tragen kann, oder ob sie sich im Rahmen ihrer gesetz lichen Befugnisse bewegt hat. Diese Aufklärung kann jedenfalls nicht von hier aus erfolgen; und ich und meine Fraktion legen Wert darauf, daß die Regierung sich alle- mögliche Materie! beschafft und im Ausschuß darüber eine Klärung herbeiführt, ob die Baracken ab gebrochen werden mußten »der nicht. Abg. Müller-Planitz (Soz.) führt in seinem Schluß wort aus, daß Herr Abg. Siegert als Vertreter der Deutschnationalen natürlich nicht die Siedler, sondern die dort interessierte Sprudelgesellschaft von Bad Brambach vertreten müsse. Die Ausführungen des Herrn Abg. Siegert ändern jedenfalls nichts an der Tatsache, daß in Brambach in rücksichtsloser Weise unter Inanspruchnahme der Bestimmungen des BaugesetzeS Eigentum der Siedler nievergerissen worden ist. Die eingehenden Untersuchungen, die vorgenommen werden — und wir werden nicht verfehlen, die hier gemachten Ausführnngen des Herrn Siegert in der entsprechenden Weise zu untersuchen nnd richtigzustellen —, werden wohl im Ausschuß entsprechend ihren Niederschlag finden. Auf Anregung des Stellv. Präsident Itr. Eckardt wird der Antrag Drucksache Nr. 1095 hieranf de»« Nechtsausschuß überwiesen. (Schluß der Sitzung 17 Uhr 25 Min.) 107. Sitzung. Donnerstag, den 21. Februar 1929. Stellv. Präsident 5>r. Eckardt eröffnet die Sitzung um 13 Uhr 6 Minuten. Am Negierungstische Ministerpräsident Heldt, die Minister vr. Bünger, Elsner, Vr. v. Fumetti, vr.Krng v.Nidda nndWebersowicRegierungsvertreter. Es wird sofort in die Tagesordnung cingetreten. Punkt 1: Erste Beratung über die Vorlage Nr. 89 über die Linienführnng der Bahnlinie Borna—Bad Lausick—Großbothen. Die im Jahre 1916 von den Ständen beschlossene Bahnlinie Borna—Bad Lausick—Großbothen sollte nach der Abzweigung von der Kieritzsch—Chemnitzer Eisenbahnlinie in kürzerem Bogen als die ursprüngliche RegierungS- linie nach Norden abschwenken und unter Beachtung der Wünsche der Stadt Borna entlang des Borna— Dittmannsdorfer KönurmnikalümswLgLLuach Dittmanns dorf führen. Jin weiteren Verlaufe der Bahn bis zu ihrer Unterführung unter der Linie Leipzig—Geithain war zur Vermeidung des sumpfigen Geländes rm Eulatale bei Beucha eine Verdrückung der Linie nach Süden vor gesehen. Während des Krieges und der Nachkriegszeit ivar es zunächst nicht möglich, das Projekt weiter zu verfolgen. Erst im Jahre 1926 ist cs gelungen, Mittel hierfür verfügbar zu machen. Tie Rcichsregicrnug stellte damals der Reichsbahn ein Darlehen von insgesamt 53 Millionen zur Verfügung, aus dem eine größere Anzahl begonnener Eisenbahnlinien von besonderer wirt schaftlicher Bedeutung fertiggestellt werden sollten. Dazu gehörte für Sachsen außer der Linie Löbau—Obercune walde die Linie von Borna nach Großbothen. Inzwischen hat sich aber herausgestellt, daß die seiner zeit vom Landtag gebilligte nördliche Linienführung in unwirtschaftlicher Weise Grnbenfelder durchschnitt und deren Abban zum großen Teile verhindert hätte. Das Finanzministerium gemeinsam mit den Bergbauinter- essenten des Bornaer Bezirkes wünschte deshalb eine Verdrückung der Linie nach Süden. Nach langwierigen nnd schwierigen Verhandlungen mit den Bergbauinter essenten einerseits und den beteiligten Gemeinden anderseits ist es nun endlich gelungen, eine Linien führung zu finden, der sowohl die Bergbaninteresfenten wie der zum Zwecke der Landbeschafsung gegründete Gemeideverband für den Bahnbau Borna—Bad Lausick— Großbothen und der Bezirksverband in Borna zn- stimmen nnd gegen die auch die Reichsbahndirektion Dresden keine Bedenken geltend zn machen hat. Diese neue Linie führt über Flößberg—Schönau nnd mündet südlich von Borna (beim Bahnhof Neukirchen-Wyhra) in die Hauptstrecke ein. Mit Rücksicht auf die vorhandenen wirtschaftlichen Not wendigkeiten wird die Zustimmung des Landtags zu der nunmehr in Aussicht genommenen südlichen Linien führung erbeten. Abg. Dennhardt (Soz.): Gerade der jetzige Kohlen- maugel, in dem sich Sachsen befindet, beweist, daß die Bahnlinie notwendig ist. Das Bornaer Revier liegt voll Kohle. Die Werke können die Kohle nicht absetzen, weil eS an guter» Verbindungen »rach Ostsachsen fehlt, und gerade diese Bahn würde in erster Linie eine Ver bindung mit den ostsächsischen Bahnen lierbeiführen. An Arbeitern im Kohlengebiet Borna fehlt es auch nicht. Neben dem Interesse für die Erwerbslosen liegen uns aber auch die Interessen der anliegenden Gemeinden nahe, und hier, glaube ich, ist nicht alles geschehen, was hätte geschehen müssen. Im voriger» Mai machte die Gemeinde Prießnitz bei Bad Lausick eine Eingabe an den Landtag und beschwerte sich dar über, daß die früher zuerst geplante Linienführung lediglich deshalb umgelegt worden fei, weil man den Wünsche»» des Herrn Rittergutsbesitzers Vogel in Prieß nitz seitens der RcichSbahndirektion Rechnung tragen und seinen Wald und seine Viehweide nicht durch die Buhn zerschneiden wollte. Die Linienführung, wie sie nach dem Einspruch des Rittergutsbesitzer Boge! geplant ist, ist so, daß wir befürchten, daß große Mittel