Volltext Seite (XML)
WMlM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- tcheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. «nd Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Freitag, den 2V. October 1882. Versteigerung. Nächsten Montag, den 2L. l. M., Nachm. » Uhr sollen im Hausgrundstücke H. F. Illgens in Niederwinkel 4 Bänke, 1 Tisch, 1 Kleiderschrank, 1 Rahmenuhr, 1 Lade, I Vogelbauer mit Kanarien vogel u. A. m. gegen Baarzahlung an den Meistbietenden öffentlich versteigert werden. Ein specielles Verzeichniß der zu versteigernden Gegenstände hängt im Eichler'schen Gasthof in Niederwinkel aus. Waldenburg, am 18. October 1882. Der Gerichtsvollzieher des Königl. Amtsgerichts. Arnold. *Waldenburg, 19. October 1882. Zur Tagesgeschichte- Die längst erwarteten Personalveränderungen in der deutschen Diplomatie, die in der jüngeren Zeit vollzogen worden sind, werden in der politischen Welt mit großer Genugthuung begrüßt und haben wegen der betreffenden Persönlichkeiten, welche der Reichskanzler mit glücklichem Griff auf den geeig netsten Platz gestellt hat, eine allgemeine Bedeutung. Graf Hatzfeldt, der gewesene Botschafter in Kon stantinopel, ist zum Staatssecretär im Auswärtigen Amte und Staatsminister und Herr v. Radowitz, welcher bisher Deutschland am Athener Hose vertrat, ist an Hatzfeldt's Stelle zum Botschafter in Kon stantinopel ernannt worden. Die beiden Genannten, im besten Mannesalter stehend, gehören bekanntlich zu den hervorragendsten Vertretern der jüngeren diplomatischen Schule in Deutschland und sinv im Rufe gewiegter Staatsmänner, welche das Vertrauen ! des Fürsten Bismarck in besonderem Maße genießen. ? Graf Hatzfeldt's Name wird auch immerfort ausge- ! sprachen, wenn man jene deutschen Staatsmänner ! nennt, welche dereinst durch ihre Befähigung berufen sein könnten, dem Reichskanzlir auf dem Gebiete der auswärtigen Politik als Nachfolger zu dienen. Als Sohn der vielgenannten Gräfin Sophie Hatz feldt hat er in seiner Jugend vielfach mit Lassalle verkehrt und trat erst verhältnißmäßig spät in die diplomatische Laufbahn. Seine Sporen gewann er in Spanien, wo er sich bei Anerkennung der Re publik unter Serrano anfangs der siebziger Jahre den Instructionen des Fürsten Bismarck entgegen hervorthat, nach Eintreffen seines Berichtes jedoch vom Kanzler volle Anerkennung davontrug. Von Madrid auf den wichtigen Konstantinopeler Posten versetzt, gelang es dem staatsmännischen Talente des Grafen, die deutsche Politik in den letzten Jahren zur leitenden am Goldenen Horn zu machen. Seine Familienverhältniffe sind nicht immer wolken lose gewesen; so mar er mit seinem älteren Bruder, dem Fürsten Hatzfeldt, längere Zeit zerfallen und seine Verheirathung mit einer bürgerlichen Ameri kanerin sowie seine ziemlich derangirte Vermögens lage galten seinerzeit für Hinternisse, welch« — Me man behauptet — am Berliner Hofe dem Eintritte des Grafen in den diplomatischen Dienst entgegen gestellt wurden. Herr v. Radowitz, der Sohn des berühmten Generals unter Friedrich Wilhelm IV., gilt als einer der besten Kenner de« Orients und ist somit gewiß der Mann, um den deutschen Ein fluß in Konstantinopel auf jener Höhe zu halten, auf die Graf Hatzfeldt denselben gehoben hat. Die Hoffnung, daß die Neugestaltung der Dinge in Egypten ohne erhebliche internationale Schwierig keiten vor sich gehen wird, kann auch nach den neuesten Nachrichten aufrecht erhalten werden. Ueber die Verhandlungen, die zwischen London und Paris gepflogen werden, liegt zwar noch immer nichts Festes und Verläßliches vor; doch wiegt auf beiden Seiten die Neigung zu freundlicher Beständigkeit vor. Und was die Türkei betrifft, so meldet die „Times" aus Konstantinopel, die Pforte habe Lord Dufferin gestern eine Note übermittelt, worin dieselbe in freundlichen Worten ihre Bereitwilligkeit ausspricht, mit der englischen Regierung für eine befriedigende Lösung der egyptischen Frage Verhandlungen anzu knüpfen und mit dem Hinweis auf das Gerechtig keitsgefühl Englands und dessen freundliche Gesin nungen der Türkei gegenüber der Hoffnung Aus druck giebt, daß die wesentlichen Punkte des stutus Mv aufrecht erhalten werden würden. *Waldenburg, 19. October 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Aus Baden wird der „Nationalzeitung" unterm 17. d. geschrieben: Se. Maj. der Kaier hütet seit gestern das Zimmer, aber nicht das Bett. Die Aerzte hegen keine ernsteren Bedenken und die Reisedispositionen, wonach der Kaiser zwischen dem 20. und 22. October seine Rückreise nach Berlin antritt, werden aufrecht erhalten. Das Unwohlsein Sr. Maj. des Kaisers besteht in einem Anfall von Nierenkolik, ein Leiden, das im November vorigen Jahres in ganz ähnlicher Weise aufgetreten war. Das Leiden ist bekanntlich recht schmerzhaft und pflegt in einer leichteren Wiederholung des ersten Anfalls auszuklingen. Was die Gesundheit I. Maj. der Kaiserin betrifft, so ist die hohe Frau im Stande, regelmäßige Ausfahrten zu machen, eine entschiedene Besserung des Leidens, welches auf den Fall in Babelsberg zurückzuführen ist, konnte indes sen bis jetzt leider noch nicht constatirt werden. Dem Bundesrathe ist die Uebersicht der Reichs- Ausgaden und Einnahmen für das Etatsjahr 1881/82 nebst Anlagen vorgelegt worden, woraus Folgendes ersichtlich: Der Abschluß der Rechnung legung gestaltet sich folgendermaßen: Es sind ein gekommen 669,700,375,43 Mk., dazu an Resten verblieben 56,419,065,64 Mk., macht zusammen 726,119,431,07 Mk. Dagegen sind ausgegeben 612,505,340,21 Mk., dazu an Resten verblieben 88,536,968,60 Mk., macht zusammen 701,042,326,81 Mk. Nach Abzug der Ausgabe von der Einnahme bleibt ein Beistand von 57,195,035,22 Mk., wo gegen die Ausgabenreste die Einnahmereste um 32,117,920,96 Mk., übersteigen, so daß die Ver gleichung der rechnungmäßigen Solleinnahme mit der rechnungsmäßigen Sollausgabe einen Ueberschuß ergiebt von 25,077,114,26 Mk. Die zu genehmigen den Etatsüberschreitungen bez. außeretatsmäßigen Ausgaben betragen bei der Einnahme 6,160,450,91 Mk., bei der Ausgabe 13,803,222,77 Mk., zusam men 19,963,673,68 M. Außer diesen sind noch bei den Ausgaben der kaiserlichen Hauptzollämter in den Hansestäoten an Etatsüberschreitungen und außer etatsmäßigen Ausgaben nachgewiesen 136,955,77 Mk., zusammen also 20,100,629,45 Mk. Von dem Ueberschuffe von 25,077,114,26 Mk. sind in den Reichshaushaltsetat für 1882/83 eingestellt 10,558,350 Mk.; es bleiben mithin noch zur Ver fügung 14,518,764,26 Mk. Gegenüber der Aeußerung des „Schwäbischen Merkur," daß der gesammte Radikalismus von dem Ergebniß der Wahlen einen großen Umschwung der inneren Politik zu Gunsten seiner Ideen hoffe, schreibt die „Norddeutsche:" Die Regierung, mit Bismarck an der Spitze, vertritt die Politik, zu welcher sich der König in öffentlichen und amtlichen Actenstücken rückhaltslos bekannt hat. In pflicht mäßiger Vertretung dieser Politik kann kein Ausfall der Wahlen die Regierung des Königs irre machen. Zustände, wonach eine constante Majorität existirt, welche auf die Entschließungen des Königs und der Regierungen einen gewichtigen Einfluß haben würde, liegen bei uns nicht vor. Keine Partei besitzt die Majorität. Die Parteien zersplittern sich in Frac- tionen. Unter solchen Umständen ist nicht anzu nehmen, daß der Ausfall der Wahlen selbst dann, wenn er eine überwiegend oppositionelle Majorität brächte, die Politik der Regierung aus den Geleisen werfen und ihr eine der bisherigen widersprechende Richtung anweisen würde. Die Politik der Regie rung wird verändert bleiben, wie immer die Majorität im Landtage sich gestalte. Erhalten die vorgelegten Gesetze nicht die Mehrheit, so kommen sie eben nicht zu Stande. Die Politik des Königs und der Regierung kann zwar durch den Ausfall der Wahlen gehemmt, aber niemals aus dem Sattel gehoben werden. Das Weltblatt, die „Times," hat bekanntlich einen Pariser Correspondenten, der Cohn Oppert heißt, sich aber Herr von Blvwitz nennen läßt, weil er aus Blowitz stammt. Dieser findige Publi zist führt gern das große Wort in der europäischen Presse, und weiß mit oder ohne Nennung seines Namens allerlei Zeitungsartikel in die Welt zu setzen, die irgend welchen bestimmten Zwecken dienen sollen. Da der Pariser Correspondent neuerdings in der Times wieder Märchen aus Varzin erzählt hat, so sei daran erinnert, wer eigentlich diese wich tige Person ist. Die Zugkraft der Stöcker'schen Versamm lungen (eine der merkwürdigsten Erscheinungen unserer Zeit) nimmt in Berlin fortwährend zu. Ein Berliner Berichterstatter schreibt den „G. N." über eine solche Versammlung: „Je mehr wir uns dem Kreuzberge nähern, desto größer wird der Menschen strom, der mit uns demselben Ziele zustrebt; endlich, endlich haben wir dasselbe erreicht, noch ein harter Kampf an der Thür, dann sind wir glücklich in dem mächtigen Saale, der schon bis auf den letzten Platz mit rauchenden, plaudernden, trinkenden Men schen angefüllt ist. „Sehen Sie," ruft uns im Vorübergehen ein Unbekannter mit stolzem Lächeln zu, „heute ist der Saal gedrängt voll, vorgestern, als Löwe hier sprach, waren nur 150 da!" — Es ist wahr, Stöcker besitzt hier in Berlin eine sehr große Popularität, man schätzt ihn weniger als trefflichen Kanzel-, wie als kühnen und furchtlosen Volksredner, der sich im Fluge durch sein kernig deutsches und biederes Auftreten die Sympathie der großen Menge zu erringen weiß. Das ist wahrlich eine „gemischte Gesellschaft." Denn aus allen Schichten und Kreisen der Einwohnerschaft ist sie zusammengesetzt. Neben dem Geheimrath im langen schwarzen Gehrock und weißer Cravatte sehen wir den Arbeiter in blauer Blouse, die Stirn und Hände noch schwarz vom Kohlenruß, neben dem Kaufmann den Studenten, neben dem Juristen den Prediger, neben dem Handwerker den Fabrikbesitzer, neben dem jungen Offizier in Civil den alten aus gedienten Militär! — Was uns ehrlich in Verwun derung setzt, ist die große Anzahl der zu den arbei tenden Klaffen Gehörigen. In der Provinz wird doch immer von den Fortschrittlern ausgeschrieen, daß sämmtliche Berliner Arbeiter der Fortschritts-