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„Er ist ein Vagabund, ein Bettler von Profession, Mr. Thom-en, der einen falschen Namen führt und nie ein Kauf mann gewesen ist." „Ich weiß er ist ein Quacksalber mit dem Doktor-Titel; als ich das von seinem Kumpan hörte, hatte ich, was ich juchte. Ich will verdammt sein, noch einmal als Schiffsjunge auf der Brunonia zu dienen, wenn ich den Hund zwischen diesen Fäusten zermalmen dürfte. Na, ich muß mich selbst bewundern, Oel auf die hochgehende See gegossen und mit meiner Wuth hindurch lavirt zu haben." „Ja, Mr. Thomsen, dafür haben Sie in der That Be wunderung verdient," lobte ihn Finley, „ich weiß es zu wür digen, was eine solche Selbstbeherrschung bei einem Seemann bedeutet. Wie kamen Sie aber auf den Gedanken, daß der ermordete Schiffsarzt vom rothen Stern nicht der rechte Dr. Siegfried gewesen ist?" Diedrich sah den Polizei-Beamten unruhig an, er wußte nicht, ob er von der Insel-Nixe und den beiden Bildern vor diesem Monn sprechen durfte. „Wenn ich Ihnen oder einer anderen Person, die In teresse an dieser räthselhaften Geschichte hat, durch polizeiliche Hülfe dienen, ja, wenn ich Ihnen überhaupt Glauben schenken s-ll, Mr. Thomsen, dann muß ich klar in der Sache sehen und alles wissen oder nichts. Auch ich bin, wie ich Ihnen verrathen will, von einem Arzte in Brampton mit der Ueber- wachung dieses Menschen, der in Deutschland den Namen Jakob sen geführt hat, beauftragt worden. Er hat den Dr. AdamS, der eine berühmte Heilanstalt in Bromptan besitzt, mit Er pressung bedroht —" ,Ach, den Namen hab'ich mir angeschrieben," fiel Diedrich, seine Brieftasche hervorziehend, überrascht ein, „lesen Sie selber, Mr. Finley!" Er reichte ihm ein Blatt hin, das dieser las und ihm wieder zurückgab. „Das scheint mir übrigens auch ein netter Junge zu sein," fuhr der Steuermann erregt fort, „der besitzt wohl eigentlich so 'ne Art vom Tollhaus, wo auch vernünftige Menschen ein gesperrt werden." „Hat Ihr Landsmann Ihnen das gesagt?" .Ja, gewiß, da drückte ihn just das Gewissen, und ich denke mkr, daß dieser saubere Dr. Adams ihn zu fürchten hat." „Wollten Sie mir alles mittheilen, Mr. Thomson?" fragte Finley sehr ernst. „Sonst muß ich unsere Unterredung als nutzlos beenden." Einen Augenblick noch schwankte Diedrich, dann fragte er zögernd: „Wer verbürgt es mir, daß Sie wirklich zur Polizei gehören und mir in der Sache helfen können?" Finley zog lächelnd ein Schild aus der Tasche und legte es vor ihn hin. „Ueberzeugen Sie sich, das ist unsere Legitimation." Diedrich las die eingravirten Worte auf der Messtngplatte und nickte befriedigt. Dann nahm er sein seidenes Taschentuch heraus, wickelte es vorsichtig auf und öffnete die goldene Kapsel. „Sehen Sie sich dieses Bild an, Mr. Finley", sagte er, „dies ist der wahre Dr. Walter Siegfried, der auf dem rothen Stern als Schiffsarzt angenommen war, und dieser hier hat die Reise unter seinem Namen gemacht. Besehen Sie sich da» Bild recht genau und dann sagen Sie mir, was Sie davon halten." Finley hatte eine Lupe aus der Tasche gezogen und sich beide Bilder genau betrachtet. Auf seinem sonst so durch dringlichen Gesicht malten sich jetzt Ueberraschung, Aufregung und Erstaunen. „Woher haben Sie dieses Bild?" fragte er endlich, die Lupe wieder in die Tasche steckend, und auf die Photographie deutend. „Die hat mir Kapitän Shanning, bei dem ich heute war, und dem ich das andere Bild zeigte, gegeben. Er und sein Maat Tom Boxley bezeugten, daß dieser als Dr, Siegfried zu ihm gekommen ist und die Gelehrtenfahrt als Echiffsarzt mitgemacht hat. Kommt Ihnen da« Bild nicht bekannt vor?" „Gewiß, es ist kein anderer als Bill Jackson, dessen rich tiger Name Dr. Jakobsen lautet. Wer ist denn dort io In dien ermordet worden?" „Das war ja die lustige Geschichte, über die er beinahe einen Lachkrampf kriegte, und um die sein Kumpan mich gebracht bat, (Fortsetzung folgt,) Zweites Blatt Imlsblull sowie für das Rgl. LorstrenLamt zu Tharandt. Druck und Verlag von Martin Berger m Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. Ü«. t>« Sonnabend, den 21. Mai 1898 56. Jahrg Stapel/ «1g, lieber cn :rze» ai as zu: Agl. AmLshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, ne , lNsi^ Augen schon zufallen." "eri gH darauf verlassen, Sir! Auch Sie ge- beiden Burschen könnte mich sehen und vielleicht kennen. Ich möchte seinen Verdacht um keinen Preis erregen." Diedrich schüttelte verwundert den Kopf und schritt dann rasch und schweigend hinaus, von dem Fremden, der sehr an ständig aussah, gefolgt. Draußen auf der Straße befand sich dieser wieder an seiner Seite und bat ihn, mit ihm in ein anderes Schanklokal zu treten. „Wer sind Sic denn eigentlich und warum wollen Sie mit mir über jene Burschen, die ich gar nicht weiter kenne, unter vier Augen reden?" fragte Diedrich argwöhnisch. „Das möchte ich Ihnen doch lieber nicht hier auf der Straße und dazu noch im dicken Nebel sagen," versetzte der Fremde ruhig, „Sie können mir unbedingtes Vertrauen schen ken, Herr Kapitän!" „Ich bin Steuermann auf der deutschen Brigg Brunonia, „ sprach Diedrich, mein Name ist Thomsen." „Nun wohl, Mr. Thomsen, lassen Sie uns vor allen Dingen weiter gehen, damit die beiden Kumpane uns nicht hier vor der Thür überraschen. Ich saß in ihrer Nähe, und war unfreiwilliger Zuhörer Ihrer Unterhaltung mit dem deutschen Landsmann. Nebenbei bemerkt spreche und verstehe ich ziemlich geläufig Ihre Sprache." „Nun, ist Ihnen etwas Ungehöriges dabei aufgefallen?" fragte Diedrich scharf. „Von Ihrer Seite durchaus nichts, Mr. Thomsen, aber vier Augen und Obren sehen und hören mehr als zwei, das werden Sie zugeben. Ich bin nun einmal kein Freund von Straßen-Unterhaltung, nur soviel will ich Ihnen, um Ihr Mißtrauen mir gegenüber zu verbannen, mittheilen, daß ich Mitglied der geheimen Polizei bin und jene beiden Burschen zu überwachen habe." Wie alle Seeleute, so besaß auch unser Steuermann eine unüberwindliche Scheu vor diesen Behörden. Gericht und Polizei waren ihm Schreckgespenster, wie alles „Amtliche" der „Landratten", ja, er scheute sich sogar vor den Beamten der Postschalter. Wie vom Blitz getroffen blieb er deshalb stehen und sah sich um, ob er nicht im Nebel entwischen könne. Doch Mr. Finley kannte sein Pappenheimer, er ergriff vertraulich seinen Arm und sprach freundlich auf ihn ein, indem er ihm zu Ge- müthe führte, daß er, Diedrich Thomsen, selber ein Hühnchen mit Bill und Jackson zu pflücken und dazu die Hülfe der Po lizei unbedingt nöthig habe. Das wirkte und schon nach fünf Minuten saßen sie in einem kleinen Seperatzimmer des Gast hofes „Zur britischen Flagge" besten Wirth mit Mr. Finley auf vertrauten Fuße stand. Letzterer hatte Wein bestellt, die Gläser gefüllt und mit Diedrich auf ein gutes Resultat ihrer Unterredung angestoßen. „Und nun legen Sie los", sprach dieser, mit sichtlicher Unruhe einen Blick auf seine Uhr werfend, „ich habe die Nacht wache und muß punkt zehn Uhr auf meinem Schiffe sein." „Sie sollen keine Unannehmlichkeiten davon haben, Mr. Thomsen!" versicherte der Beamte höflich. „In einer Stunde läßt sich viel fragen und antworten. Also wie sind sie an diesen Bill Jackson gerathen?" Diedrich erzählte von diesem Zusammenstoß im Nebel, wobei er an der englischen Aussprache den Landsmann erkannt und ihm ein Pflaster auf die Brust gelegt, das heißt ein Glas Grog spendirt habe. „Aus dem einen wurden mehrere, ich verstehe," sagte Mr. Finley lächelnd. „Der Grog löste ihm die Zunge, und Sie erfuhren Dinge, die sie interessirten, irre ich nicht, war von Kapitän Shanning und von jener Gelehrten-Expedition die Rede, bei der auf der Rückreise der Schiffsarzt ermordet wurde. War's nicht in Indien?" „Jawohl, bei Madras, Dr. Walter Siegfried aus A. in Deutschland, den ich sehr gut gekannt habe, sollte diese Reise auf dem rothen Stern als Schiffs-Arzt mitmachen, er ist auch hierher nach London gekommen, aber niemals zum Kapitän Shanning auf dem rothen Stern." „War das die lustige Geschichte, die Bill Ihnen erzählen wollte?" fragte Finley, der aufmerksam zugehört hatte. „Ja, er kam aber nicht recht dazu, weil ihn der Katzen jammer des schlechten Gewissens zu packen schien", erwiderte Diedrich mit funkelnden Augen. „Der Bandit gab sich für einen Kaufmann mit Frau und vielen Kindern aus," cn," ubc» viel> durch Zü woyt neuer nam II 'hti, W- Sir," sprach Bob gravitätisch, gA Eer Rabe," stammelte Bill, ihn mit gläsernem «Mrend, „mein Landsmann hat olles — bezahlt — st 'Ml' y Beiden sprachen natürlich englisch, während Diedrich l-u deutsch mit Bill unterhalten hatte. Der Steuer et aber englisch beinahe ebenso geläufig wie seine miche. ^sohl, xx jst Gast," erwiderte er deshalb kurz, !fl aber rasch und ließ auch ein Glas Grog für Bob kiemen, das dieser mit Dank annahm. ^nke, Euer Kamerad da ist Kaufmann," sagte Di-d- ,, iunr Weile, dem zweifelhaften Burschen eine Zigarre tzt: »hielt ihn wenigstens dafür. Nun ist er wohl gar Mer, da Ihr von einem Professor spracht." ' ist das," versetzte Bill prahlerisch, „er ist echter Doktor der Medizin, das kann ich Euch fest nichts weiter, Sir, als daß ich meinen Freund Bill n'", du sich in so vornehmer Gesellschaft befindet, guten will, was im Grunde, wie ich sehe, nicht nöthig 'Bill, old boy, was machst Du für Streiche? Wc ßt 'ist das Du vor dem Herrn Professor erscheinen mußt? f luche Dich schon seit einer Stunde in allen Gegenden hie Hand zur Bekräftigung auf den Tisch fallen, jortging. Als er seine Mütze vom Haken ' l Ausgangsthür zuschritt, fühlte er eine Hand Zornig wandte er sich um, und erblickte ber ihn höflich um eine Unterredung bat. ' N Schiffs-Otfizier, wie ich sehe," setzte er hinzu, Finley, ich möchte mit Ihnen über Ihre Ge- brrSie soeben getrunken haben, einige Worte im t Pstte, gehen Sie voraus, der eine von dm ^lint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. gerate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Thmndt, Achen, Menlchn md die Umgegenden > ehrlichen Diedrich, der als Seemann im Grunde Ziele zugesteuert und sich bislang tapfer im ^brwassir gehalten hatte, wurde bei dieser Eröffnung, slo, seinen Augenblick zweifelte, ganz dunkel vor den 1 Berräther — nein, der Schurke und Mörder — gegenüber, er brauchte nur seine Eisenfaust auszu- iii ^ 'hu zu packen und dem Gesetze zu überliefern, und in diesem Lande, wo die persönliche Freiheit ge- Händen und Füßen gefesselt, ohnmächtig, zu- flL, und ohne handgreifliche Beweise. Man hätte "Akeifelhaft dingfest gemacht. s stedanken, die dem Steuermann zu seinem Glück 1 h, "iitig durch den Kopf schossen, bändigten die Wuth ih^^iderstehliche Begier, dem Elenden an die Gurgel i,,i Diedrich Thomsen," murmelteer, ingrimmig seine ^'vend in sich hinein. Man muß sicheren Grund Z-E Kstf m-m die Anker wirft." Whjjein Glas leer und bemerkte, sich erhebend, und zuknüpfend, daß er auf sein Schiff zurückmüsse, gefreut, mit einem LandÄmann ein Glas zusammen haben. Euch gefällt, kommt morgen Abend um diese her, ich höre gern etwas Lustiges," sekte er hin- u «e ik meines Landsmannes wohl an," wandte H,^Bob, „er hat um einige Striche zu tief ins Glas »Hz >hn wohl sicher nach Hause." -llvv gcuvxuuiey, „das ist mein wie E jch°n für ihn sorgen." MU ' wünschte freundlich „gute Nacht", und Wickel - -""en, als er sich noch einmal zu Bob umwandte, mir, Mann," sagte er, „kommt auch Ihr st wieder hierher? Ich meine mit meinem Lands- Die Insel-Nixe. Roman von E. Heinrichs. (Nachdruck verboten) > (Fortsetzung.) >N», nun," rief Diedrich flirnrunzelnd, „was soll das