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SWsche Volksmlung Erscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Sonn- u. Festtage. Bezugspreis r Vierteljahr!. 1 Mk. SO Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 8858. Bei autzerdeutschen Postanstalten laut ZeitungS-Preisliste. Einzelnummer 10 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. vucbaruclttrel. beüaktion unH LerebäMttelle; Dresden, Pillnitzer Straffe 4F. Inserate werden die 6 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt I. Nr. 1588. Nr. 155. Katholiken: Luise. Donnerstag, den 9. Juli 1903. Protestanten: Luise. 2. Jahrgang. Die Erkrankung des Hl. Paters. Die Nachrichten vom Krankenlager des Hl. Vaters, welche am Dienstag eintrafen, lassen mit immer gröberer Sicherheit den letzten Schimmer von Hoffnung verschwinden. Als die Aerzte am Montag abends 10 Uhr feststellten, das; die Schwäche des Papstes znnehmc. haben sie fast jede Hoffnung verloren, das; der Hl. Vater die schwere Krise überwinden könnte. Tie Nahrungsaufnahme war eine zu geringe, um die Herztätigkeit zu heben, und die dem Hl. Vater verabreichten anregenden Mittel sind allein nicht im stande, eine stärkere Herztätigkeit hervorznrnfen. Die Cr scheinnngen in der Lunge sind unverändert. Cin Symptom der Reaktion hat sich nicht gezeigt. Der Papst verbrachte fast den ganzen Tag im Fantenil, weil er sitzend leichter atmen kann. Cr ist noch immer bei voller geistiger Frische und unterhält sich trotz des ärztlichen Verbotes mit seinen Setretären. Mazzoni sagte zu einem Vertreter der Agenzia Stefani, er glaube, der Papst könne, wenn nicht außerordentliche Komplikationen eintreten, noch 21 bis 1B Stunden leben. Nach dem „Avanti" bestätigte I >r. Lapponi den hoffnungs losen Instand des Papstes, welcher nur durch ein Wunder gerettet werden könnte. Die Willensstärke des schwerkranken Papstes grenzt an das Wunderbare. Das „Verl. Tagebl." meldet darüber: „Die Umgebung des Papstes äußert sich geradezu enthu siastisch über die unerhörte Willensstärke Leos, obschon der Körper völlig znsammengeschrnmpst und kraftlos ist, will der Papst doch das Vett von ff,eit z» ff,eit verlassen und am Arme eines seiner Neffen oder Prälaten das Zimmer durchschreiten. Der Papst verlangt das mit so kategorischer Stimme, so gebieterisch und mit blitzendem Auge, das; niemand zu widerstreben wagt. „Ich will nicht im Bette sterben!" sagte Leo wörtlich znm Kardinal Agliardi." Die Nacht verbrachte der Hl. Vater ohne Schlaf, doch nahm er vorher viermal Nahrung zu sich. Um '/„7 Uhr stand er ans und setzte sich in den Lehnstuhl. Leider ist ein fortwährendes Abnehmen der Kräfte bemerkbar, jedoch ist das Bewusstsein noch vollkommen klar. Der Papst be sitzt eine fast miglanbliche Willenokraft und vollständige Herrschaft über den total geschwächten Körper. Es ist fast wie ein Wunder anznsehen, das; er die Nacht überlebt hat. Am Montag früh diktierte er dem Sekretär Angeli einige lateinische Verse und bat ihn. sie sofort in die Druckerei des Vatikans zu senden, da er die Korrekturbogen zu sehen wünsche. Ter Hl. Vater sagte, diese Verse würden die letzten seines Lebens sein und er wolle sie vor seinem Hinscheiden veröffentlichen. Ter erst» lateinische Hera- meter lautet: ,.8ul moritin' v-^>><.n-a cunü-n» mm >-o,umr ruüc-iitiff' („Die Sonne sinkt, dem geröteten Himmel ihr Reich überlassend.") Die Verse tragen das Gepräge groffer Melancholie und stellen eine Anrufung des Er lösers und der heiligen Jungfrau, sowie einen Abschieds- grns; an alle Christen dar. Ter am Dienstag früh 10 Uhr ausgegebene Krank, heitsbericht lautet: Ter Papst verbrachte die Nacht unruhig und ohue Schlaf. Tie Natzrungsaufuahiue ist jedoch reger und da-s Allgemeinbefinden etwas besser. In der rechten Hälfte des Brustkorbes macht sich bei objektiver Prüfung eine Veränderung bemerkbar: der mittlere Lungculappen, der bis jetzt der Lust den Durchtritt nicht gestattete, ist jetzt für sie durchlässig. Dagegen ist der innere Ton dumpfer geworden, wa? Flüssigkeit im Brüstfell vermuten lägt. Man wird einen Probestich in das Brustfell machen. Tie Herztätigkeit ist so herabgesetzt, das; die Niereutäligkeit unzureichend ist und die Fiuger spitzen blau gefärbt sind. Lapponi. Mazzoni. Um 1l Uhr vormittags wurde mittels einer Pravazschen Spritze ein Stich in das Brustfell gemacht. Das nachmittags 2 Uhr heransgegebene Bulletin lalltet: „Der in die Brust des Papstes ansgeführte Probe stich ergab eine serohämatische Flüssigkeit. Man schritt darauf znm Brnstslich tThorakocentese», durch den etwa ttOO Gramm Flüssigkeit entleert wurden. Eine rasche Untersuchung nach der Operation ergab einiges Schleim- rasseln in der zuerst ergriffenen Lnngengegend. Der Papst ertrug die Operation gut, seilte Stimmung ist gehoben, und der Allgemeinznstand scheint etwas gekräftigt. Gegen- wärtig ruht der Papst. Lapponi. Mazzoni." — 'Nach dem „Giornale d'Jtalia" war der Zustand des Papsleo am Dienstag abend gegen U> Uhr sehr ernst. Als seine Neffen bei ihm eintraten, atmete der Papst mühsam und konnte nur sagen: „Meine Lieben", wobei ihm die Tränen in die Angen traten. Um Uhr morgens reichte Mon signore. Mazzolini dem Papste die heilige Kommunion. Der Papst lies; die Personen seines Dienstes rnien und sagte: „Ich fühle den 'Augenblick nahe, Euch Lebewohl zu sagen!" Darauf ertestte er ihnen seinen Segen. Später fühlte siel) der Papst besser, was gegen Morgen bei solchen Krankheiten gewöhnlich und in diesem Falle auch der Zn sührnng von Säuern..'", zu danken ist. Cr schlief wiederholt kurze Zeit. Einige weitere Meldung»,,, die im Laufe des Dienstag vormittag eingetroffen sind, beschäftigen sich mil der Haltung der italienischen Regierung lind dem jedenfalls in aller nächster Zeit notwendig werdenden Konklave. Wie „Capitan Fraeassa" meidet, versammelten sich bei Kardinal Gotti heute elf Kardinäle, um ihre Ansichten be züglich einer Papstwahl anszntanschen. Cs seien dabei die Namen VannnteUi, Gotti und Rampolla genannt worden. ! Das Blatt meldet weiter, wenn Kardinal Dreglia znm j Papst gewählt werden sollte, werde er den 'Namen Pins X. ! annebmen, weil er von Pins IX. znm Kardinal ernannt . worden sei: sollte einer der von Leo XIII, ernannten j Kardinäle gewählt werden, so werde er wahrscheinlich den ! Namen Leo XI V. annehmen. Alle Personen, welche nicht znm Vatikan gehören, mussten den Palast um U> Uhr abends verlassen: es wurde selbst nicht gestattet, den Krankheitsbericht zu lesen. — „Jtalie" meldet, Kardinal Gibbons werde dem Konklave beiwohnen können, da ein Dampfer sich anheischig gemacht habe, ihn in sechs Tagen nach Havre zu bringen. Da gegen werde der Erzbischof von Sydney. Kardinal Moran. an dem Konklave nicht teilnehinen können. Die Kardinäle, welche den Kardinalshnt noch nicht erhalten haben, werden ihn durch den Camerlengo empfangen, damit sie am Kon klave teilnehmen können. Die Architekten des Vatikans, Schneider und Martnnieei, haben ihre Maßregeln für das Konklave getroffen. Um t Uhr nachmittags erwachte der Papst, nahm Nahrung und wollte sich erheben: zugleich verlangte er die ärztlichen Bulletins zu sehen. Möglicherweise wird die Flüssigkeitsentziehnng wiederholt werden. Mazzoni erklärte einem Mitarbeiter der „Jtalie". es sei wohl eine große Wahrscheinlichkeit, daß der Papst der Krankheit er- liege, aber er glaube nicht daran. Politische Nnndschan. Deutschland. Ein Gebet des Kaisers für den Papst. Kaiser Wilhelm I I. erhielt die Nachricht von der schweren Erkrankung des Papstes, wie dem „Berliner Börsen Eonr." von zuverlässiger Seite ans Kiel mitgeteilt wird, Sonntag Morgens an 'Bord der „Hohenzollern". Bei dem Vor mittags stattsindenden Schiffsgottesdienst sprach hierauf der Kaiser ein (Lebet für den Papst. Der Kaiser sagte: „Depeschen ans Rom enthalten schlechte Nachrichten. Der Papst, den ich kenne, liebe und verehre, ist in Gefahr. Belen nur für ihn." Ter Kaiser sprach sodann einfach und eindrucksvoll ein (Lebet für Leo XIII. Der Schlußsatz des frei gesprochenen (Hebels, das ans die Anwesenden tiefe Wirkung ansübte. lautete: „Die Welt braucht große, gute Männer, möge der allmächtige «holt dem heiligen Vater noch viele Jahre schenken." — Eine fürchterliche Drohung flößt die „National- liberale Korreiv." gegen das ff,entrinn ans. Sie meint, nachdem Männer wie Bassermann und Büsing durch die Schuld des Zentrums gefallen sind, hätten die Wahlen zur Evidenz bewiesen, daß für die nationalkiberale Partei keine Aussicht mehr vorhanden sei, durch Entgegenkommen auf die Wünsche des Zentrums den kirchlichen Frieden im Reiche zu befestigen. Dadurch wird auch uns bis ans weiteres die Richtung gegeben, welche dahin gehen muß, zwar jeden knllnrlampserischen Akt für die Zukunft zu ver meiden: ebenso aber auch jedes Entgegenkommen für spezielle Zentrmnswünsche abznlehnen." 'Nun wird das ff,entrinn aber zerknirscht in stch gehen. Wenn uns die Herren nur verraten wollten, seit wann sie überhaupt ernst lieh darauf bedacht gewesen wären, „den kirchlichen Frieden Nach geschiedener Ehe. Ein Sittenbild ans dein heutigen Frankreich. Von Eomtesse de Beaurepaire. — Deutsch von Helene KrcinbS. ceo. ^ortsctzioi.r) (Nuchdruck l'ei'lwN'ii.) Diesen Brief brachte die verschmitzte Kammerjnngfer heimlich zur Post. Zwei Tage später traf schon die Antwort ein. „Ich bedanre", schrieb der alte Revolutionär, „daß Sie so unüberlegt handeln und so ungeduldig sind. (Hut Ding will Weile haben. Ich hätte besseres von Ihnen er wartet. Sie wissen doch, das; Herr Bertinet keinen festen Charakter hat, sonst hätten Sie ihn nicht so rasch gewonnen und dahingebracht, daß er sein ganzes früheres Leben ver- lengmste. Preisen Sie Ihren Glücksstern — und die Ver zagtheit Frau Volandens, die ihn ohne Protest in Ihre Gewalt geliefert. Nach diesem entscheidenden Schritt gibt es für Sie keine Rückkehr mehr. Bertinet ist ehrgeizig, es ist ihm ein Lebensbedürfnis, seinen 'Namen genannt zu hören. Lassen Sie nur noch einige unliebsame Erfahrungen kommen, dann wird er schon von selbst seiner Erbitterung Luft machen. Was Frau Düflot anbetrisst, so ist ihre Zeit noch nicht da. Wenn wir in unseren Znknnftsplänen Erfolg haben sollen, so müssen diese noch geheim gehalten werden. Gerade die Leute, wie Ihre „Frau Präfekt" dienen unseren Zwecken am besten. Sie schläfern das Mißtrauen ein und schlagen de» Verdacht nieder, der sich gegen uns geltend macht. In Ihrer Provinz, wo man den Nenernngen so abweisend gegenüber steht, muß man einstweilen noch an unseren guten Willen glauben: die Wachsamkeit mag erst dann »nieder rege werden, wenn es zu spät ist. Darum ertragen Sie vorläufig die Frau Düflot, überwachen können Sie dieselbe immerhin, damit sie uns nicht etwa das Spiel verderbe." In diesem Tone ging der Brief weiter. Er enthielt Ratschläge und Ermntignngen die Fülle. Es dauerte auch nicht lange, da konnte Regina sich von der Richtigkeit des Urteils, das Herr Boivin ausge sprochen, überzeugen. Noch vor Ablauf der Woche rief Herr Bertinet den Gemeinderat zu einer Sitzung zusammen. In seiner angen blicklichen Gemütsverfassung war irgend eine Tätigkeit ihm Bedürfnis, um den Geist abznlenken. Als er zu der anberanmten Stunde sich in das Dorf begab, schloß sich ihm ein Landwirt an, der gleichfalls dahmging. Er hieß Eompin und war einer der einfluß reichsten Mitglieder der Gemeinde Vertretung, dessen spitze Zunge und treffende Bemerkungen allgemein gefürchtet waren. Er begrüßte den Bürgermeister und unterhielt sich mit ihm. „Entschuldigen Sie", sagte er nach einem Weilchen, wenn ick; mich nicht nach dem Befinden Ihrer Frau Ce mahlin erkundige. Da es deren zwei gibt, könnten Sie die eine meinen, während ick, von der anderen spreche. Wir dummen Bauern hier verstehen von den neumodischen Geschichten nichts, nur sind anders groß geworden. Aber in Paris sind die Leute sich r gescheiter." 'Bertinet machte eine abwehrende Handbewegnng und schwieg. Sein lästiger Begleiter ließ sich nicht einsci,lichtem. „Was aber Ihre .Kinderchen anbetrisst. so flößt man da auf keinen Irrtum. Ich hoffe, sie sind wohl und munter. Fräulein Herminchen ist gewiß schon ganz groß geworden? War das ein liebes, fremidliches Mädchen!" Glücklicherweise war man auf der Schwelle des Bürgermeister - Amtes angelangt, wo schon andere Ge- meinderäte warteten, sodaß Herr Beltinet nicht zu ant worten brauchte. Der Pfeil hatte aber doch sein Ziel getrosten. Die Sitzung begann damit, daß Herr Bertinet die Mitteilung von der Bewilligung einer neuen Wegstrecke machen konnte, auf welche das Dorf schon jahrelang ge wartet hatte, und die bisher immer abgeschlagen worden. Es war das eine der Vergünstigungen, welche der Präfekt seinem neuen Verbündeten erwiesen. Die Nachricht wurde sehr gleichgiltig anfgenommen Die meisten Mitglieder der Gemeinde-Vertretung wussten, das; sie diese Berücksichtigung auch ohne Herrn 'Bertinet ge sunden Härten, wenn sie in Hinsicht ans religiöse Fragen, z. B. der Prozession, nur ein wenig der Regierung zu Willen gewesen wären. Aber eine solche Schwachheit wollte der Drtsrat sich niemals zu Schulden kommen lassen, und eben deshalb, um gegen derartiges Ansinnen zu protestieren, hatte man den konservativen, gut katholischen 'Bürgermeister gewählt. 'Nun Herr 'Bertinet kehrt gemackit. hatte seine Gegenwart als Vorsitzender keinen Sinn mehr, und die Feindseligkeit gegen ihn trat klar zu Tage. In den meisten Ortschaften Frankreichs findet am Ist. August die feierliche Prozession statt, die auf ein Ge lübde Ludwigs XIII. znrückgeführt wird, und welche durch einen altertümlichen frommen Gebrauch nocki an Reiz gewinnt. 'Nach der Vesper am Himmelsahrslage nämlich wird ans den Frauen der Gemeinde diejenige gewählt, welcher die Ehre znsällt, bis znm nächsten Jahre den Stab der Jnngsran in ihrem Hanse ansznbewahren. Es ist dies eine Stange, an deren oberen Ende sich die Statuette der Mutter Gottes befindet. Tie glückliche Schatzmeistern) darf dann bei der folgenden Prozeision den blnmen- und spitzengeschmückten Stab tragen, dessen lange wallende Seidenbänder von vier weißgekleideten Mädchen gehalten werden. Vor dem Hochanue tritt sie mit dielen ihren Be gleiterinnen ans die Schwelle ihrer Wohnung und erwartet den herannahenden festlichen Zug. Majestätisch hallt unter der hohen Wölbung der Bäume das Echo der Lob und 'Bittgesänge wieder, andächtig bewegen sick, die langen Reihen der 'Beter zwischen den grünen, blumigen Wegen. Zuerst die Engelclien, dann die Erslkommnnikanten in ihren bräutlichen Gewändern, die Marienkinder mit Ab zeichen. die Schützen, die kirchlichen Vereine mit Fahnen und tandarten, mit den Relianienschreinen ihrer hl. Patrone, endlich die Geistlichkeit im Drnate, gefolgt von der frommen 'Bevölkerung. Die ganze Pfarrgeineinde holt als Ehren- geleite das Bild der Himmelskönigin in der Kirche ab. (Fortsetzung folgt.) - - ff st l I ei I 1 ....