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Nr. SS«. Zehnter Jahrg. Erscheint: «glich früh 7 Uhr Inserate »erdeu «»genommen: hi« Abends tt.Lonn- tag> bi» Mittag« 1L llbr: Wkarienftraßr lS. Anzetg tu diel Blatt«, da» jetzt in Exemplare« erscheint, finden eine erfolgreich« Verbreitung Dienstag, 8. August 18SS. Tageblatt für Unterhaltung nnd Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drobisch. Druck und Eigeuthum ber Hera»»geb«r: Litpsch 4t Nktchardt. - Perantwortlicher Redacteur: ZUltUS Retchardt. Abonnement: LieNeljLhrlich roNtz« bei unenigeldlicher Lie> srrung in'» Han». Durch dir SSnigl Pos vierteljährlich rr Ngr Einzelne Nummern 1 Ngr. Inseratenpreise: Für den Raum ein« gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Eing»-> saudl" die Zeile L Agr- Dresden» den 8 August. — DaS Ministerium des Innern hat beschlossen, die Jagdkarten auf das Jagdjahr 1865166 in grüner Farbe mit dem zeirherigen Muster auf der Vorderseite ausgebm zu lassen. — 4 Wer wagt, gewinnt, das ist nicht immer wahr, nnv ein kühner Lusisprung aus dem Fenster, um sein eigenes Ich der persönlich«» Freiheit wicderzugeben. kann oft sehr ge. jährlich werden. Ein solches Verspiel bekundete in allerdings trauriger Weise ein Bewohner der großen Plaucnschengasse. Es war in der Sonntagsfrühe, da rückten die Männer der Gercchtigk ir. Wechseldiener, an, um einen Schuldner nach dem vierten Slvckanrk der Landhausstraße Nr. 9 zu schaffen Den letzten Tag der Vogelwiese wollte der Gesuchte nicht „hoch da droben" zubringen. Er schloß sich ein. Jndeß ein Wechseldie ner läßt sich nicht gleich ins Bockshorn jagen. Er hat das Recht, die Hülse des Schlossers in Anspruch zu nehmen. Als nun der Äeängstigte merkle. daß m.-rn ihn doch finden würde, suchte er drn Ausweg durchs Fenster in dm Hof Leider wohnte er im zweiten Stockwerk. Der Hof selbst ist mit einem Glasdach überdeckt. Er band in Eile zwei Betttücher zusam men, knüpfte sie ans -scnsterkceuz und nun ging die Reise los. Aber die improbisirte Strickleiter riß und der Unglück liche fiel durch das Glasdach in den Hof. Trotz dieses schreck liehen Falles gelang es ihm doch noch, sich in dem Keller ei nes Fleischers zu verstecken, wo er dann blutend gesunden wurde Er hat sich durch diesen Fall nicht bloS die Beine mit dem Glase stark zerschnitten so daß große Blutung er folgte, sondern er erlitt auch noch eine Contusion an der Lunge, die ihn am Athmen hindert Es wurde sofort ein Arzt herbeigeholt der ihn zu Bett schaffen ließ und seine Pflege übernahm Die Wechseldimer mußten nun unverrichteter Sache wieder abgehen und werden wohl ihren Schützling auf lange Zeit in Ruhe lassen. — Nächstkommendm 13. August d. I. wird in Meißen das Turnfest des Gauverbandes der sächsischen Niederelbe ab gehalten. — 4 Das Dampfschiff „Johann" weiß auch noch ein allerliebstes, seltenes Sängerabmteuerchm zu erzählen. Ein Herr R. aus Gera von sehr starker Köeperconstitulion hatte sich Abends IO Uhr auf den genannten Dampfer gesetzt, um von der Terrasse nach dem Waldschlößchen zu fahren. Er hatte die üblichen 15, Pfennige bezahlt und nachher sich auf das bekannt stille Plätzchen zurückgezogen und war dort ein geschlafen. Niemand vermißte ihn und so fuhr der Geraer von IO Uhr Abends bis Morgens früh 2 Uhr für 14 Ngr. fortwährend von d-r Terrasse bis zum Waldschlößchen und zurück. Er hatte dabei auSgeschlafm und viel Geld erspart. —-s- Der starke Regen am Sonnabend hat den Vogel- wiesianern recht sehr mitgespiclt Tie meisten Zelte waren ganz leer, aber in einigen größeren Bierzelten saßen die Gäste Mann an Mann wi- festge>ammt, so daß ein Schutzsuchender hier durchaus kein Mitleid fand. Biele versuchten es, unter dem großen Winkler'schen Hute Schutz zu finden — aber, da der Fußboden tiefer ausgegraben war, als das Niveau der Vogelwiese sich zeigt, so hatte sich der Wasserstrom dort Ein gang gesucht und es war nur mittelst Stelzen, Wasserstiefeln und Gummihosen darin zu verkehren. Wer also der 8ha- rybdiS entronnen war, der stürzte in die Scylla. Trotzdem rassel'.m die Omnibusse mit ihren Dachtraufen bis in die späte Nacht hin und her. Man sieht, es giebt Freuden, die nie ganz zu Wasser werden können. — Wenden wir unS zum Schluß noch zu einer ernsten Scene, die sich in einer Schau bude ereignete und auf den Zuschauer, das heißt auf den mit leidigen, einen höchst betrübenden Eindruck machte. Das als „Seetiger" producirte prachtvolle Exemplar eines riesigen Meerbewohners, das durch seine Dressur, seine Seltenheit, seine feurigm Augen und sein seidenglänzender Haar alle Na- lurliebhaber anzog und entzückte, lag am Sonntag Abend im Verenden. Anstatt des kühlen Wassers, in dem es so lustige Capriolen gemacht, lag ein Strohsack in der Wanne und darauf seitwärts hingestrcckt — das edle Thier, im Todeskampfe zuckend, die Augen geschlossen. Trotzdem fanden sich auf dem zweiten Platze einige „Graue", die diese letzten Zuckungen eines so leidenden, schönen Thieres mit ihren sogenannten Witzen bespöttelten. Daß eS leider noch solche Menschen giebt! — Der Tod dieses Thieres ist für den Besitzer ein schwerer Verlust, da selten ein solches Meerungeheuer lebendig in» Netz geht. — Als in der zehnten Stunde zwei Schützen- tambour» den Zapfenstreich schlugen, entstand an der Vogel- pange ein Crawall, indem ein anscheinend „Angeheiterter" die Heiden Tambours insultirte, sich mitten zwischen sie hiuein- drängte und sie am Trommeln hinderte. Leider kam auch hier die allgewaltige vo» populi (die sogenannte) dem Störenfried zu Hilfe, so daß sich die sehr ruhigen Schützen still in ihre Gemächer zurückziehen mußten. Derartige Ungehörigkeiten kamen in den letzten Tagen mehrere vor. — Der „Magnus'sche Raubritter' wurde dieses Jahr zum ersten Male nicht ec- schunden — er wird Wohl für immer somit vom Repertoir verschwunden sein. — Somit endet nun die Vogelwiese und mit ihr die Festfreuden diese- Sommers. Wer weiß, was das künftige Jahr bringen wird! — — Nur nicht nach Rußland. Die „D. Mg Ztg " schreibt aus Leipzig vom 3 August, „Vergangene Nacht um 12 Uhr sah man aus einem Wagen des um die gedachte Stunde auf dem Berliner Bahnhof hier angekommenen Zugs eine Reihe elender und zerlumpter Gestalten, deren Anblick das größte Milleiden erregte, heraussteigen. Es waren zu sammen 32 Personen, 17 Erwachsene und 15 Kinder. Die Unglücklichen — aus Würtemberg stammend — kehrten in diesem traurigen Zustande aus Rußland zu ück, wohin man sie vor drei Jahren unter glänzenden Versprechungen als Ar beiter auf dortige Güter verlockt hatte. Nichts von Allem, was man ihnen zugesichert, war ihnen gehalten worden, und so suchen sie denn enttäuscht und mit gebrochenem Lebensmuts) ihr Vaterland wieder auf. Der würtembergische Generalcon- sul, Herr Bänsch, nahm sich ihrer auf das Lebhafteste an und beförderte sie heute Weiler. Schon in vergangener Nacht waren mebrere, zusammen aus 33 Köpfen bestehende würtembergische Familien in gleicher Verfassung hier durchpassirt." — Telegraph sche Depesche der Dresdner Nachrichten, cingegangen Abends 6 Uhr: „Die Neustädtcr Thurm uhr steht immer noch." — Wie wir hören, hat sich der Tramsoldat, der mit seinem Geschirr neulich ein anderes Pferd so beschädigt hat, daß es verendet, mit dessen Besitzer wegen seines diesf allst gen Anspruchs an ihn sofort geeinigt. — Dem hiesigen Photograph, Herrn Gleeson (Spiegel fabrik), welcher einige seiner photographischen Bilder zur inter nationalen photographischen Ausstellung nach Berlin sandte, ist von der Jury der Ausstellung für Portraits daselbst die Preismedaille zucrkannt worden. — Ein jovialer hiesiger Sängerwirth theilte an seine zum Sängcrfeste erschienenen zahlreichen Gäste folgende gedruckte Haus ordnung aus: 8 1. Die Bewohner des Hauses be trachten sich als eine Familie und heißen ihre Gäste alle ge meinschaftlich herzlich willkommen — tz 2. Der Kaffee wird Morgens gegen 6 Uhr gemeinschaftlich im Garten eingenom men. — 8- 3. Es wird gewünscht, daß die Gäste in keiner Weise sich geniren; nur bittet man dringend, aller musikalischen Angewohnheiten, namentlich des Schnarchens und Politisirens sich thunlichst zu enthaiten, und aus dem Bett nicht mit dem linken Fuße aufzustehen, — 8 4. Für diejenigen, welche grundsätzlich kem Wasser über die Lippen bringen, w rd zum Ausspülen des Mundes ein leichtes Moselweinchen bereit ge halten. — 8 5- Das Mitbringcn von Hunden wird ver beten; nur ein Spitz wird gern nachgesehen. 8- 6, Der Ei, arrenverschleiß ist Monopol des Wirthes. Um für die Heuer zu erwartende reiche Weinernte Gesäße zu gewinnen, wird für jede leere Flasche eine volle gewährt. — 8 7, Da gegen ist jeder Sängergast verpflichtet, ein F-stglas abzuneh men, welches unter keiner Bedingung zurückgenommen wird. — 8 8. Achtung auf die Treppe! Wer sicher empor kommen will, wolle sich rechts halten, links kann man leicht sich über stürzen und fallen. — tz 9. Hausschlüssel werden nicht ab gegeben. da die Gäste voraussätzlich so früh nach Hause kom men, daß das Hausthor geöffnet ist. Andernfalls bittet man den Hausmann zu schellen — 8 10. Der Gast ist ersucht, so lange zu bleiben, als die Guirlanden hängen. Die Ver welkten werden durch Neue ersetzt. — 8 ll. Wird als be kannt vorausgesetzt. — Die „L. N." berichten: Ein gutes Geschäft machte ein Packträger beim Dresdener Sängerfeste, welcher 36 Sänger in ihr gemeinschaftliches Massenquartier geleitete und sich von Jedem 2 Ngr. zahlen ließ; der Dresdner Wirth, dem es bald darauf erzählt wurde, fahndete vergeblich auf den schleunigst spurlos Verschwundenen. — Ein OmnibuS-Conducteur forderte den oben aufsitzenden Sängern für die Fahrt nach dem großer Garten 2j Ngr. ab, reducirte aber den Preis sofort auf 1 j Ngr., als emige inwendig sitzende Residenzler davon hörten und bestätigten, daß die Höhe des Platzes auf den Preis keinen Einfluß habe. Ueberhaupt muß dankend und rühmend anerkannt werden, daß die Dresdner versuchten Prellereien entschieden entgegen traten. — Wie wir vernehmen, sind am Schluffe der diesjährigen Vogelwiese noch recht bedeutende Rohheiten verübt worden. Gestern Morgen nämlich gegen halb 5 Uhr sollte der fernere Einlaß in drn Hippodrom eingestellt werden. Das Publikum wollte sich aber nicht abweisen kaffen. Ein Gensd'arm, der ,ur Steuerung de- Andrang- dorthin postirt war, wurde bei diesem Anlaß von zwei Leuten mit einem Schirm über den Kopf und mit der Faust in das Gesicht geschlagen. Als dir- selben darauf verhaftet und der auf der Vogelwiese befind lichen Polizeiwache übergeben worden waren, verlang»« eine Masse Volk, das den Transport der Arrestaten bis dahin be gleitet hatte, schreiend und tobend ihre Freilassung und ließ sich nicht eher zur Vernunft bringen, bis ihre Rädelsführer gleichfalls verhaftet wurden. — — Auf der unteren Vorwerkstraße Nr. 9 ist gestern Morgen in einer dort vier Treppen hoch gelegenen Küche Feuer entstanden. Es war ein Durchzugsbalken unter der Kochmaschine in Brand gerathen. Das Feuer hatte sich anderen Gegenständen in der Küche mitgetheilt und dadurch größere Dimensionen angenommen, so daß es durch die Decke nach dem Boden gedrungen und sämmtliche in einer Bodenkammer befindliche Gegenstände vernichtet hat. Selbst die Dachsparren waren bereits angebrannt, als es gelang, das Feuer endlich zu löschen. Man bewerkstelligte dies mit Handspritzen. Wäre das Feuer in der Nacht herausgekommen, so dürfte jedenfalls auch der Dachstuhl mit abgebrannt sein. — In der gestrigen Ziehung 3. Elaste 64. k sächs. Lan deslotterie fielen auf beigesetzte Nummern folgende größere Ge winne: 15,000 Thlr. auf Ne. 4251. 8000 Thlr. auf Nr. 66961. 4000 Thlr. auf Nr. 32722 1000 Thlr. auf die Ncn. 21646 754.-9. 400 Thlr. auf die Nrn. 239 8628 17447 24600 25303 28032 28048 34389 -10788 41663 53758 70807 75001. 200 Thlr. auf die Nrn 1956 6570 9014 11021 11757 12186 I49I5 17132 17798 18963 19522 22958 24565 26537 26854 29296 30400 36211 36269 36492 43413 45159 48974 50395 58398 58499 62354 67613 68570 69749 71714 75761 77738. — f Am 7. d. M. fand im königl. Bezirksgericht eine geheime Sitzung statt, in welcher eS sich um die Verurteilung eines Menschen handelte, der Unzucht mit Kindern unter 12 Jahren getrieben; wenigstens war er dieses Verbrechens an- gcklagt. Nur ein Zeuge war erschienen. Als Vertheidizer fungirte Herr Advocat Lohrmann. Die Verhandlung selbst dauerte nur kurze Zeit. Der Angeklagte, Ernst Lamminger aus Kleinluga, erhielt 6 Monate Landesgefängniß — 4 Oeffentliche Gerichtsverhandlungen vom 5. August. (Fortsetzung und Schluß.) Herr Staatsanwalt Noßtcuscher giebt einen historischen Ueberblick und hält für er wiesen, daß die Angeklagten sich nach und nach 25, dann ztr eimal 100 und endlich 50 Thlr. ungeeignet, daß sie di« Absicht gehabt, sich diese Beträge rechtswidrig anzurignen. Aus dem Geständniß gehe hervor, daß Oscar Hans gen von dem Unternehmen der Beiden unterrichtet war, bei der Aus führung der Erpressungen geholfen. Emil HänSgen und Kieß ling dagegen leugneten jede verbrecherische Absicht In Bezug auf Kiesling seien schon das wichtige Punkte, daß er den Oscar Hänsgcn geheißen, sich Registrator Mohrmann zu nen nen, daß er ihn sogar der Frau Niemann als solchen vorge- stelll Schon dieses einzige Moment würde hinreichen, zu be weisen, daß er nicht auf Seiten der Verletzten gestanden. Schließlich stellt der Herr Staatsanwalt den Antrag, die An geklagten nach den im Berweisungserkenntniß angezogenen Ge- sitzesstellen zu bestrafen Herr Advocat Richard Schanz als Defensor Emil Hänsgens, giebt zu, daß sein Defendent» em stark beflecktes Leben hinter sich habe, aber lange Zeit einen besseren Weg gegangen sei. Er würde auch diesen vielleicht nie wieder verlassen haben, Härte sich ihm nicht eine so gün stige Gelegenheit geboten, wäre ihm die That nicht so leicht gemacht worden. Der größte Theil der dem Strafgesetz unter liegenden Thaten wäre unterblieben, hätte sich nicht plötzlich der sogenannte „Lustspieldichter" Kießling hineingemischt Kieß ling siehe geistig höher, als dieser Dienstmann. Die Verthei- digung hofft, daß der Gerichtshof so milde urtheilen werde, als es das Strafgesetzbuch erlaubt Herr Advocat Lesky, als Vertheidiger Kießlings, bezeichnet seinen Clienten Wohl a!s ei nen falschen Ratbgebcr der Niemann, als einen Winkeljuristen und Winkelschriftsteller, der sein Bureau auf der Kneipe Hab« und seine ganzen Acten in der Westentasche trage, der aber deshalb nur ein falscher Nathgeber gewesen, weil er es nicht bester wußte, nicht aber aus böser Absicht. Herr Advocat Hendel als Defensor des am wenigsten gravirten Oscar HänS gen, gebt auf das offene Geständniß desselben ein und hofft, daß der Gerichtshof ihm Glauben schenken werde, namentlich in den Punkten, wo er in seinen Aussagen allein dasteht, besonders aber auch darin, daß er daS abge- lehnt, w ssen ihn theilweise Kießling bcschuld'gt. Die Frau Niemann gebe einmal daS Beispiel von der Citrone, die aus- gequeischt werden mußte mit vereintem Druck von allen Seiten. Die eigentlichen Urheber dieses fortgesetzten Ver gehens sind Emil HänSgen und ..Dichter' Kießling. EmilS Thätigkkit sei bekannt und die Sache nahm größere Dimen- ionen an, als Kießling rintrat. Oscar sei nicht von Anfang an Mitwisser des Verbrechens gewesen, denn die beiden An-