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Dresdner Nachrichten : 18.02.1874
- Erscheinungsdatum
- 1874-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-187402185
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18740218
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18740218
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1874
-
Monat
1874-02
- Tag 1874-02-18
-
Monat
1874-02
-
Jahr
1874
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 18.02.1874
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Diesmal aber hat Graf Moltke die Erwartungen enttäuscht. Man rechnete darauf, daß der Feld marschall des Reichs sich über das neue militärische Organisations gesetz als Fachmann äußern sollte. Was aber bot er? Nachdem er die Theorie, daß heutzutage mit dein Milizsyftcme nichts anzufangen sei, mit Recht zurückgewiescn hat, ritt er den Schecken der hohen Politik. Cr glaubt zwar nicht, daß Frankreich Deutschland mit Krieg überziehen werde, und ist in dieser tröstlichen Ueberzeugung nament lich dadurch beruhigt, daß ein umsichtiger Soldat wie Mac Ma- hon jetzt an der Spitze von Frankreichs Negierung steht. Wir dan ken dem erprobten Krieger für diese verhältnißmäßige Beruhi gung, denn wir misten damit wenigstens soviel, daß Mac Ma- hon nicht wieder mit unsinniger Leichtfertigkeit sein Vaterland in einen verhängnißvollen Krieg reißen wird und da die Franzosen noch auf ein paar Jahre mit ihren Rüstungen zurück sind, so hätten wir wenigstens die Aussicht auf eine Reihe Friedensjahre. Das ist zwar nicht Allzuviel — Etwas ist es aber doch. Nur läßt es die Frage ganz unberührt, ob der Reichstag nicht Einfluß auf die Höhe der Friedenspräsenzstärke ausiiben solle. Das ist eigentlich die Hauptsache, auf die es bei diesem Gesetz ankommt. In jedem civili- sirten Lande, das führte Richter-Hagen überzeugend aus, wird jähr lich die Friedensstärke des Heeres vom Parlamente bewilligt, so in Frankreich, so in Italien, so in Oesterreich. Kein Reichstag wird die Mittel verweigern können, um die Fortschritte der Kriegswissenschaft dem deutschen Heere zugängig zu machen. Wenn auf ein Jahrzehnt hinaus der beste Theil der französischen Milliarden dem Militäretat bereits verwilligt ist zum Umbau der Festungen, zur Gründung einer formidabeln Flotte, zur Ausrüstung des Heere« mit neuer Artillerie u. s. n>., so muß dem Reichstage mindesten« da» Recht »«stehen, jährlich im Budget festzusetzen, wie viel Mannschaften jährlich zu den Fahnen zu rufen sind. Der Reichstag hat das Militärgesetz einer Commission über geben. In derselben ist wenigstens Gelegenheit zu gründlicher Prü fung geboten. Interessant war in der Debatte das Auftreten des Sozialdemokraten Hasenclever. Diesem Herrn — der, beiläufig be merkt, von den sächsischen Sozialdemokraten von jeher arg angefeindet wurde — rühmen alle Zeitungsberichte das Würdige und Anstän dige seines Auftretens nach. Es ist in mehr als einer Beziehung von Werth, daß beide Richtungen der Sozialdemokratie im Reichstage vertreten sind. Das Volk lernt so den Unterschied zwischen Beiden allmälig kennen. Bedeutungsvoll war auch der letzte Montag durch das Erschei nen der 15 elsaß-lothringischen Abgeordneten im Reichstage. Ucber das dramatisch-effektvolle Auftreten dieser Männer lese man das Nähere unter „Tagesgeschichte" nach. Der vielbesprochene Protest, den sie gegen die Annexion ihrer Heimathgegenden eingereicht haben, führt kurioserweise den Namen des Abg. Deutsch an der Spitze Dieser französisch fühlende Mann ist nur dem Namen nach ein Deutscher, der Orthographie nach sogar der Deutschen Teutschcster könnte der selige König Ludwig sagen. Sein Antrag ist eigentlich eine Spiegelfechterei. Er verlangt eine Urabstimmung der Elsaß Lothringer, ob sie zu Deutschland gehören wollen. Die letzten Wah len haben bereits die Antwort gegeben, daß die Mehrheit bei Frank reich bleiben wolle. Wozu Etwas auf's Neue ermitteln, was alle Welt weiß? Und nicht minder liegt es ans der Hand, daß Deutsch land an Frankreich nicht die eroberten Gebietstheile abtreten kann. Hätte uns Frankreich im Kriege besiegt und die Rheinprovinzen annektirt, diese aber in die französische Nationalversammlung lauter Deutschgesinnte gesendet — wäre es denkbar, daß wegen der Abnei gung seiner Einwohner die eroberten Provinzen von Frankreich uns zurückgegeben würden? Noch auf eine wichtige Seite der Neichstagsverhandlungen über das Militärgcsctz müssen wir zurückkommen. Kein einziger Elericaler nahm das Wort. Sonst füllten die Mallinckrodts, die Reichenspergcr, die Windthorst's alle Sitzungen mit ihren Reden über Papst, Unfehlbarkeit, Kirchenvcrfolgung u. dgl. m. — hier waren sie alle duckmäuschenstill. So räthsclhast dieses Schweigen bei so wichtigem Gegenstände scheint, so einfach lüftet sich dcrSchlcier dieses geheimmßvollm Verfahrens. Die Clericalen sind sofort bereit, mit vollen Händen einen unsinnig hohen Militärctat zu bewilligen, allen Forderungen der Militärpartei ein gerüttelt und geschüttelt volles Maß und noch darüber hinaus zu gewähren — sobald ihnen die Rcichsregicrung auf kirchlichem Gebiete Zugeständnisse macht. Sie sagten jetzt kein Sterbenswörtchen, um sich die Nückzugslinie zum Frieden mit der preußischen Regierung osfeir zu halten. Der Militäretat ist der Boden, auf dem sic sich mit der preußischen Ne gierung versöhnen zu können hoffen. > besonderen Verfolgung der Presse. Jetzt wird zwar noch, da die Bischöfe in der Widerhaarigkeit verharren, ein Paragraph gemacht, der ihren Widerstand brechen soll, aber zugleich vorsorglich der Fall vorgesehen, wenn Staats- und Kirchengewalt wieder herzinnig be freundet sein werden. Dann, wenn sie wieder Frieden geschlossen haben, wandert der Journalist, der sich gegen ein neues Dogma, gegen die Verehrung von Heiligenknochen, gegen die Klosterwirth- schaft, das Bcichtstuhltreiben und andere Einrichtungen der Kirche mißliebig äußert, ins Gefängniß. Die Leipziger Carncvalgesellschaft darf jetzt noch den Papst verspotten — später wäre eine Satyre auf die Unfehlbarkeit ein Hauptverbrcchen. Zu einer Zeit, da noch alle Welt die Freiheit genießt, nach Herzenslust auf die Ultramontanen zu belfern — einer Freiheit, der sich, um ein Lessing'sches Wort zu modernisiren, bald Niemand mehr bedienen wird — wird schon der Strick gedreht für die Zeit, da der Ultramontanismus wieder Lieb kind geworden sein wird. Reizende Aussichten! Kein österreichischer Minister wird in der Presse so getadelt, wie der Finanzminister de Pretis. Fast einstimmig erklären die österreichischen Journale, daß dieser Mann seinem Posten nicht ge wachsen sei, daß seine Unfähigkeit die Hauptschuld an dem gefähr lichen Umfange der volkswirthschastlichen Krise trage. Nach der Franks. Ztg. hält sich de Pretis für ein verkanntes Genie; all sein Dichten und Trachten geht dahin, cs möglich zu machen, die Anleihe, zu deren Aufnahme ihn der ReichSrath ermächtigt hat,' entbehrlich zu machen. Sein Stolz ist, daß sich gegenwärtig 70 Millionen Gulden in der Staatskasse befinden; die Frage, ob, wenn man jetzt mit der Staalshilfe zögert, nicht in Jahr und Tag auch der Staat eine empfindliche Verminderung der Ctcuereingänge verspüren muß, wird von ihm ignorirt. Seine Eollegcn sind höchlich ergrimmt über die Angriffe, die er erfahren und sie gaben ihm neulich eine komisch zu nennende Genugthuung. Obwohl sie sämmtlich ihr Erscheinen auf den, Balle des Journalisten- und Schriftstellervereins „Con- cordia" zugesagt hatten, der neulich stattfand, machten sie doch nach träglich einen förmlichen Ballstreik. Keiner der Minister erschien auf diesem Balle. Es mußte auch ohne sie getanzt werden „Stirb Du nur ruhig fort, ich werde das Nöthige schon selber besorgen", so sprach eine liebevolle Gattin zum sterbenden Gatten, als dieser ihr seine letzten Wünsche an's Herz legte. „Sterben Sie nur ruhig fort, wir werden das Nöthige schon selber bes«! so sprechen, wie die L.H. schreibt, die konservative« Blätter England» jetzt Täg für Tag zum sterbenden MmisteÄm. Jnzwisch NeutsteTelegramme — das letzteStündleinGladstone'S eingetreten. Und diese beeilt sich, den Clericalen ein Fricdenspförtchen zu offnen. Der neue Prcßgcsehentivurf verschärft die Bestimmung des Reichsstrafgesetzes über öffentliche Gotteslästerung und Beschimpfung anerkannter ReligionSgcsellschaflcn und ihrer Einrichtungen. Wer sich eines solchen Vergehens schuldig macht, wird nach dem Straf gesetze im Minimum mit 1 Tage, im Maximum mit 3 Jahren Ge fängnis; bestraft; nach demPreßgesetzentwurfe aber erhält der Misse-! liebte mit einem Stück Holz erschlug, während der andere Fall (wcl t'-ätcr, sobald er ein Journalist ist, Gefängnis: ni>bt unter 3 Mona-i chen nur schon früher berichteten) die ledige Steincrt ans Kessels- t>'„ und bis zu 4 Jahren. Wir empfinden hohe Achtung vor der! darf betrifft, die ihr (> Tage altes Kind vergiftete. Auf beide Ver- die'.igivn, aiur man täuscht uns auch nicht über den Grund dieser l brechen steht die Todesstrafe. Locales und Sächsisches. — Vorgestern Abend hat in den Paradesälen de« königlichen Residenzschloffes ein Hofconccrt stattgefunden, zu welchem zahlreiche Einladungen ergangen waren. Vor dem Concert nahmen II. KK. Majestäten, sowie J.K.H. derPrinz und die Frau Prinzessin Georg die Vorstellung der angemcldeten Damen und Herren entgegen — Der HauSmann im hiesigen Josephinenstift, Ziesche, hat die zum Verdienstorden gehörige Medaille in Silber erhalten. — Graf Neust hat sich bereits vorgestern von hier nach Lon don begeben. Seine Gemahlin ist jedoch noch hier zurückgeblieben. — Auch die königl. Krcisdirektion hat sich über die Verzöger ung bei der Fertigstellung des vorjährigen Haushaltplanes dem Stadtrath gegenüber mißbilligend ausgesprochen. Hinsichtlich des Haushaltplanes für 1874 sieht die königl. Krcisdirektion einer defi nitiven Feststellung desselben binnen 4 Wochen entgegen und er wartet, daß ihr, falls dies nicht zu ermöglichen sei, die Behinderungs ursachen angczeigt werden, klebrigen« will der Rath Mittel zu rascherer Verabschiedung des Hauöhaltplanes in nähere Erwägung ziehen.) — Am östlichen Ende der Lindenaustraße liegt berLindenau- platz. Wegen der Bebauung desselben hat das Stadtbauamt unter Zustimmung der Baudeputation dem Nathe einen Plan vorgelegt, nach welchem der Platz mit Linden bepflanzt und zu einem Kinder spielplatz gestaltet werden soll. — Nach Abschluß eines zwischen dem Staatsfiscus und der Stadtgemeinde abgeschlossenen Vertrages gehen nicht weniger als fünfzig bisher ganz oder theilweise in fiscalischer Unterhaltung befindliche Plätze, Straßen und Wege innerhalb Dres den und seiner Flur in städtische Unterhaltung über. Die beiden städtischen Straßenmeister sind gegenüber einer solchen Geschästsver- mehrung zu wenig, weshalb der Rath die Anstellung eines dritten Straßenmeistcrs mit einem Jahresgchalt von 500 Thlr. beschließt. — Me Münzsammler haben Gelegenheit, ein neues kostbares Goldstück auszubewahren, um ihre Sammlung vollständig zu haben. Die 20-Markstücke nämlich werden seit 1874 etwas anders geprägt; die bisher auf beiden Seiten dcS Adlers vertheilte Inschrift „Deut sches — Reich", bei der zur Ausfüllung hinter „Reich" ein Eichen- blatt angebracht war, ist zusammengezogen , steht mehr oberhalb des Adlers und das Eichcnblatt ist weggcsallcn, an dessen Stelle die Jahreszahl, während unter dem Adler nun blos die Werthbezeich nung steht; der Adler ist kleiner geworden, um Raum für die In schrift zu gewinnen. Es sicht nun zwar die Inschrift symmetrischer aus, aber der verkleinerte Adler hat dadurch nicht gewonnen, der in den, großen deutschen Adler eingekästclte kleine preußische sieht viel mehr noch „finzlicher" aus; cs wäre wirklich nicht schade, wenn letz terer wegfiele, cs würde dann der deutsche Adler nur an Corpus, au kräftigerem Gepräge gewinnen. — In den nächsten QuartalSsitzungen de« hiesigen Schwur- gcrichtShofs (welche Herr Geh. JusiizrathWchinger präsidircn wird) kommen voraussichtlich unter Anderem zwei interessante Fälle zur ^ Verhandlung. Der eine Fall betrifft den Dienstknecht Pctzold von hier, welcher seine in Lungkwitz bei Dippoldiswalde wohnende Ge- — L.L. Leipzig, 17.Febr. Das Wetterglück Leipzigs könnte sprichwörtlich werden. Im leuchtendsten Frühlingswetter ging gestern der imposante Carncval-Festzug durch dieStraßcn derSladl. Viele Tausende von Zuschauern hatten sich zu dem originellen Schauspiele eingefunden. Auf den Straßen und Plätzen, die der Zug passiren mußte, konnte man sich mit Mühe seinen Platz be haupten. Doch ließ seine närrische Hoheit der Prinz Carneval un gebührlich lange auf sich warten. Pünktlichkeit, diese Höflichkeit de, Fürsten, kannte der Augenblicksmonarch offenbar nicht. Er hatte auch nicht die Entschuldigung des Sprüchworts für sich, daß Hoffen und Harren Manche zu Narren macht. Denn der Narren, die auf sein Erscheinen harrten, waren genug da, sie wurden zuletzt unge duldig. Als aber der Zug sich in Bewegung setzte, nahm er ein so schnelles Tempo an, daß das Publikum die einzelnen, oft sehr origi nellen Partieen des Zugs nicht mit der erforderlichen Muße wür digen konnte. Erlassen Sie mir eine katalogisirte Aufzählung der etlichen 60 Gruppen, in welche der Zug zerfiel! Sic waren von ungleicher Güte. Prachtvolle Costume, Alles funkelnagelneu vom besten Atlas und Sammet, wechselten ab mit schäbigen Bummel kleidern, gesunde Witzeinfälle mit trivialen Szenericen. Gegen die Ultramontanen kehrte sich fast die einzige Spitze des Witzes im Carnevalzuge; an die übrigen mächtigen Erscheinungen der Gegenwart wagt sich dieser Witz nicht. Das wirkt zuletzt einseitig und ist tendenziös. Mit alledem will ich dem Organisationstalente des CarnevalcomiteS nicht zu nahe treten. Der Fcstzuc, machte sich pompös. Die Gruppe der Edclnarrcn, auf prächtigen Nossen und in strahlenden Gewän dern, wird man kaum anderswo in solchem Glanze paradiren sehen. In der Vorführung der Küchendragoncr, der Angel- und Kaffee sachsen, der Leipziger Localerscheinungen zeigte sich Phantasie, Ge schmack und Humor, der in andemGruppen eine sehrzusagende groteske Ader annahm und stellenweise — z. B. bei dem Gefolge des Schahs von Persien, das aus Ferkeln und andern Schweinereien bestand — drastisch wirkte. Jedenfalls können die Leipziger mit Befriedigung auf die Leistungen ihres Zugcomites zurückblicken. Die beträchtlichen Summen und die anstrengenden Leistungen per sönlicher Natur, die sich alle Mitwirkenden aufzulegen hatten, sind, das ist das Urtheil aller Zuschauer, nicht vergebens aufgewendet ge wesen; die Anerkennung des Publikums war eine allgemeine. Da« originelle Treiben, das sich auf den Straßen Leipzigs von früh an entwickelte, fand erst in späten Nachtstunden seinen Abschluß. Um ' gerechtfertigten Tcckel im vorweg auSzuspre» chm, sö hat es mich entrüstet, daß man sich mit Erbsen, Linsen und Brezeln bombardirte. Blumensträuße, Papier schnitzel, Gypskügelchen und dergleichengl sollten genügen; Lebensmittel sollte man nicht in den Straßenschlamm werfen. Und wie tief war dieser Schlamm auf dem Corsa! Das Carnevaleomit« hätte sich den Dank aller Narren verdient, wenn es einige Fuhren Sand und Kies auf dm Corso hätte fahren kaffen. Im Übrigen aber zeigte sich d/r Humor Leipzigs von der glücklichsten Sette. Ich habe viel Ausgelassenheit, nirgends eine Ungezogenheit gesehen. Alles razte und pritschte! Selbst die Omnibusconducteure raztm die Passagiere, ehe sie das Fahrgeld einkassirtcn; Kleinkinder auf dem Ammenarme razten die soldatischen Schätze ihrer Nährerinnen. Stu denten ließen an Bindfaden aus ihren vierten Etagen Babuschen und alte Hüte herunter, die jubelnd von dem Publikum erangelt wurdsn. Am Abende des Montags besuchte ich noch einen Hostag im Schützenhaus. Es war dies die vcrhältnißmäßig trockenste Partie. Der veredelte Cigarrenhändler, der zum Prinzen Carneval erklärt worden war, hielt eine recht herzlich langweilige Ansprache; Masken gab cs sehr wenig; es wurde im Bummclkostüm, oft die Cigarre im Munde, getanzt. Um so glänzender soll der Hofmaskenball am Fastnachtsdienstag werden. Ihm beizuwohnen, war mir leider un möglich ; ich schied dankbar für die vielm froh in der alten, liebm Musenstadt verlebten glücklichen Stunden. Die hier als Dienstags-Gesellschaft beiHelbig schon längere Zeit bestehende „Vereinigung nationalliberalerGesinnungsgenossen" hat sich in einen „Deutschen Reichsverein" umgewandelt, dessen Tendenz kurz also ausgedrückt wird: „Der Verein hat den Zweck, das Interesse und die Thcilnahme des Volkes an den öffent lichen Angelegmheiten in reichstreucm und liberalem Sinne anzu- regen und fortzubilden." — Die Gruna'sche Wcgebeflerung ist nicht berühntt und die Amtshauptmannschaft steht neuerdings sehr scharf auf rascheres Vor gehen, hat auch genannte Gemeinde soeben schon um 20 Thlr. ge trost. Neu ist aber folgcntte Wegesperre. Montag Abend nach 7 Uhr brach am Waldpark eine Stein führe aus Gruna auf dem Geleise der Pferdebahn bei einer Carambolage entzwei. Die Kutscher aber spannten ruhig ihre Pferde aus, zogen gen Gruna und wollten den zerbrochenen Wagen die ganzcNacht über auf dem Geleise ruhig liegen lassen. Hunderte fleißiger Geschäftsleute, die auf die Pferde bahn angewiesen find, mußten auf allen Weichen bis zum böhm. Bahnhof 10, 15, ja 20 Minuten warten, wegen des Unverstandes eines Fuhrmannes. Der Wagen wurde gegen 10 Uhr noch mühsam von der Bahndirektion entfernt; aber sicherlich wird dem Gebühren des Fuhrmanns die gebührende Strafe nicht entgehen. — Welche Stimnumg in Sebnih in Betreff der Pirnaer Bank herrscht, davon giebt das zu Scbnitz erscheinende „Grenzblatt" in seiner Nr. 18 von diesem Jahre Ausdruck, indem eS unter der Ueber- schrift,Locales" das Resultat des am 4. d. Mts. hier abgehaltenen Verhörtermins mit bitteren Worten über die Wirtschaft mit dem Gelde und über die Hoffnungen der Gläubiger veröffentlicht und mit den Worten schließt: „Wo bliebe also die übrige Masse baaren Geldes? Findet das Gericht keinen Grund, die ganze Gesellschaft durch zwanzig Jahre mit Wasser und Brod zu dcmüthigen, s» mögen die Cparcinlcger das Recht erhalten, mit den Gebrüdern Marx und Consorten selbst abzurechncn." — Ein Wettrennen sehr eigenthümlichcr Art, oder besser ge sagt, ein Wettkämpfen findet nächster Tage in unserem Dresden
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