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Staatsaryeiger für Erscheint Werktag- nachmittag- mit dem Datum de- Erscheinung-tage-. Bezugspreis: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 1b Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 2129b — Schriftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. den Zreiftaat Sachsen Ankündigungen: Die 32 ww breite Grundzeil« oder deren Raum 30 Pf, die 66 mm breit« Grundzeit« odrr denn Raum im amtlichen Teile 60 Pf., unter Ein» gesandt 90 Pf. Ermäßigung auf Geschäftsanzeigen, Familiennachrichten u. Stellen, gesuche. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Berkaufsliste von Holzpflanzen auf den Staatsforstreviere«. verantwortlich für die Redaktion: I. B.: Oberregierungsrat Hans Block in Dresden. Dresden, Donnerstag, 17. Dezember Nr. 2S2 1925 Plan eines Attentats aus Strese mann ansgedeckt. Berlin, 16. Dezember. Die Politische Polizei des Berliner Polizei präsidiums hat zwei Angehörige rechtsstehender Parteien, den vorbestraften Sohn eines höheren Beamten namens Kaltdorff, der in einem süd- deutschen Werk als Arbeiter beschäftigt war, und den Bureaugehilfen Lorenz, den Sohn eines Oberstudicnratcs, verhaftet. Beide planten gegen den Reichsaußenministcr vr. Stresemann ein Atten tat. Zusammen mit einen: Dritten, der Ma schinenschlosser sein soll, haben sic die Einzel heiten ihres Planes genau besprochen und auch schon alle Vorbereitungen für ihre Flucht nach der Tat, die im Flugzeug vor sich gehen sollte, getroffen. Die Polizei entdeckte den Attentatsplan durch einen Brief, den die beiden an einen Gesinnungsgenossen richteten, der aber doch vor der Durchführung des Planes zu- rückschrcckte. Die Polizei hat die Verhafteten bereits dem Richter zugeführt, der gegen beide Haftbefehl erlassen hat, da er bei der Vernehmung den bestimmten E »druck ge wann, daß beiden bei ihren politischen Ansichten und ihier abenteuerlichen Laufbahn die ver- brecherische Tat wirklich zuzutrauen ist. Kaltdorfs ist ein verbummelter Akademiker und gibt selbst zu, strammer Anhänger Hitlers zu /ein. Er betrachtet Stresemann als „Volksjchäd- ling" und suchte nach Mordbnben, dis mit ihm die Tat ausführen wollten. Lorenz gehört nach seinen eigenen Angaben vor dem Richter der Deutschnationalen Partei an. Daß er schon einige Male im Jrrenhause war, hielt Kalt- dorff nicht ab, ihn für seinen Plan zu verwenden. Aufgedeckt wurde der Plan dadurch, daß ein Münchner Rechtsanwalt, an den sich die beiden Festgenommenen unter Mitteilung des Attentatsplanes mit der Bitte ujm Geld ge wandt hatten, der Polizei Anzeige erstattete. Mehrere Blätter behaupten, daß es sich bei beiden Verhafteten um geistig Minder wertige handle. Die „Tägliche Rundschau" bemerkt, daß dieser Plan nicht der erste sei. Am Todestage Rathenaus seien im Garten des Ministeriums des Auswärtigen in der Dunkelheit von Personen, die sich der Festnahme durch die Flucht entzogen hätten, Schüsse abgegeben worden. Auch kurz vor der Abreise der deutschen Delegation nach Locarno sei von mehreren amtlichen und privaten Stellen aus München und Berlin auf das Bestehen einer Verschwörung zur Ermordung des Neichsaußenmimstcrs hingewicscn worden. Dt.s Blatt fragt schließlich nach den intellektuellen Urhebern der sststematischen öffent lichen Mordhetze. Mehrere Blätter wollen wissen, daß bei den bisherigen Vernehmungen ein Zusammenhang zwischen den Feslgenommcnen und irgend welchen politischen Parteien nicht festgestellt worden sei. Der Reichsrat genehmigt die Beamteuhilse. Berlin, 16. Dezember. Der Reichsrat stimmte heute nachmittag dem Beschluß des Reichstags über die Notstands- zahlungen an Beamte und Kriegs beschädigte vor Weihnachten zu. Die Durchführung dieses Beschlusses bedeutet für das Reich einen Aufwand von ungefähr 34 Mill. M., für die Eisenbahn 23 Mill. M. und für die Post 22 Mill. M. Der ReichSrat genehmigte ferner die Ver- längerung einer Verordnung, durch die die AuS- fuhr von Kunstwerken, die einen nationalen Werl haben, bis zum 31. Dezember 1927 der Seneh- migungspfilcht unterstellt wird. Vereitelter Fluchtversuch -o» Feme- mörver«. Berlin, 16. Dezember. JmLand-bergerUntersuchnng -gefäng- »iS sitzen seit einem halben Jahr Oberleut nant Schulz, der in allen bisherigen Feme- »ardvrotessen al- der verantwortliche Scheitern -er großen Koalition, vr. Koch gibt seinen Auftrag zurück. , Berlin, 17. Dezember. Der Reichsminister a. D. vr. Koch berichtete heute vormittag 11 Uhr dem Reichspräsidenten über seine Verhandlungen, aus denen sich ergebe« habe, daß die große Koalition zurzeit nicht möglich sei, und gab deshalb dem Reichspräsidenten den ihm erteilten Auftrag zur Kabinettsbildung wieder zurück. Der Reichspräsident dankte dem Abgeordneten Koch für seine mühevolle Arbeit, die, wenn sie auch kein positives Ergebnis hatte, doch wesentlich zur Klärung der politischen Lage beigetragen habe. D»e entscheidende Titznng. Berlin, 17. Dezember. Wie das Nachrichlenburcau des Vereid deut scher Zeitung«: erlegcr mitteilt, war die heutige Parteiführerbesprechung unter dem Vorsitz des Abgeordneten vr. Koch nur von kurzer Dauer. Am Schluß der Sitzung wurde folgendes Kommunique ausgegeben: In der heutigen abschließenden Parteiführer- besprechung gab der Abgeordnete Müller-Franken sSoz.) nachstehende Erklärung ab: Die sozialdcmokratische Rcichstagssrattion erkennt an, daß der Abgeordnete Koch, dessen republikanische und demokratische Zuverlässig keit außer Zweifel steht, sich auf daS eifrigste b müht hat, für eine Regierung der großen Koalition eine Basis zu finde», die für die Tozialdcmotratie, das Zentrum, dir Demokraten und die Deutsche BolkSpartei annehmbar ist. Die Fraktion muß jedoch feststelle«, daß d«rch daS mangelnde Entgegenkommen der Deutschen BolkSpartei besonders in sozialpolitischen und wirtschaftspolitischin Maß nahmen, die in diesem Winter überaus drin gend sind, diese« Bemühungen kein Erfolg be- schieden war. Selbst zum Programm deS Abg. Koch hat die Deutsche BolkSpartei jede klare Stellungnahme vermiede«. Die Fraktion kann in der Formulierung, die ihr auf Grund dtr Besprechungen der Parteien neuerdings vorgelegt wurte, eine geeignete Grundlage für die Bildung einer Regierung der großen Koalition nicht erblicken. Das Zentrum erklärte, daß es sich auf den Boden der Richtlinien gestellt habe. Die Deutsche Bolkspartei erklärte gleichfalls, daß sie zwar an einigen Stellen Bedenken zu erheben habe, sich trotzdem aber auf den Boden der Richtlinien stellen könnte. Die- selbe Erklärung wie das Zeuirum gab die Demo kratische Partei ab. Der Abg. Leicht er- klärte für die Bayerische Volkspartei, daß sie von einer endgültigen Stellungnahme absehe. Der Abg. vr. Koch stellte daraufhin fest, daß die Bemühungen um die Errichtung der großen Koalition gescheitert seien. * Zeitungsstimmen znm Beschluß der Gozialdcmotraten. Berlin, 17. Dezember. Fast alle Blätter betonen, daß der gestrige Beschluß der sozialdemokratischen Rcichstagsfraktion das Ende der Verhandlungen über die Große Koalition bedeute'und daß dem Abgeordneten vr. Koch nichts anderes übrigblcibe, als den erteilten Auftrag zurückzugeben. Der „Berl. Lokalanzeiger" bezeichnet es als nächstliegend, daß der Reiä)spräsident nun mehr vr. Luther mit der Neubildung der Regierung beauftragen wird. Die „Germania" erklärt: Ter Widerstand der Sozialdemokratie gegen die einzig mögliche Regierungsbildung sei ein Schlag gegen die Republik und das parlamentarische System. Auch die „Boss. Ztg." bedauert cs, daß die Sozialdcniokratie in einem entscheidenden Augenblick nicht den Mut gefunden habe, über Parteibedenken und Mißtrauen hinweg zu tun, was ein Gebot der Notwendigkeit und der staats politischen Klugheit wäre. Der „Vorwärts" rechtfertigt die Haltung der sozialdemokratischen Fraktion insbesondere mit dem Hinweis darauf, daß die sozialdemo- kratischen Richtlinien für ein Regierungs programm nicht angenommen worden seien, und erklärte, daß es das Mißtrauen gegen die rechte Flügelpartei gewesen sei, das zum Beschluß der sozialdemokratischen Fraktion geführt habe. Tas Bemühen des Parteiführers Koch, ein brauchbares Regierungsprogramm zu finden, habe allgemeine Anerkennung gefunden. Organisator des „Nachrichtendienstes" der Schwarzen Reichswehr eine große Rolle gespielt hat, ferner der Feldwebel Klapproth, der den Mord an dem Wachtmeister Gerlach aus Zossen, an dein Oberfeldwebel Willms aus Span dau und einen: Leutnant Sand in Döberitz aus dem Gewissen hat, weiter der Oberfähnrich Glaser, der den Unteroffizier Greschke zusammen mit dem bekannten Fememörder Büsching in einem Wa'.d bei Baerwalds ermordete, schließlich der Unteroffizier Schieber und noch andere Funktionäre der „Schwarzen Reichswehr". Die Untersuchungsgefangenen setzten sich in Verbindung mit zwei Sträflingen, denen sie 3000 M. als Belohnung versprachen, wenn eS ihnen gelinge, den Wärter zu überrumpeln, ihm die Zellenschlüssel zu entreißen und danach die politischen Strafgefangenen freizulassen. In der Nacht zum DienSlag wurde der Versuch unternommen. Auf die Hilferufe de- Auf-> sehers eilten die übrigen diensttuenden Wärter herbei und vereitelten den Fluchtversuch. Wie verlautet, war dieser Ausbruch aus der Ge fangenschaft in Landsberg von langer Hand vor bereitet und von einflußreichen Geldgebern finanziert. Die Kosten -er Reichsfinanivermaltnnß. Berlin, 16. Dezember. Uber die Kosten der Reichsfinanzverwaltung werden neuerdings aus unbekannten Quellen falsche Zahlen in die Welt gesetzt. Nach den Gerüchten, d-e im einzelnen von einander mehr oder weniger abweichen, sollen die Kosten der Reich-finanzverwaltung rund 2U Milliarde« RM. betraaen. »u denen vermutlick noch di« Kost»« des Ministeriums selbst mit rund 370 Millionen hinzuträten. In Wirklichkeit haben sich die Kosten der Abgabenverwaltung in den letzten Jahren mit geringen Schwankungen zwischen 4 und 5 Proz. bewegt. So betrugen die Ist einnahmen der Reichssinanzverwaltung im Jahre 1924 insgesamt 7379155205 RM., die Gesamtheit der Ist- ausgaben 306 508 461 RM., d. h. 4,14 Proz. der Einnahmen. DaS neue Urteil im Rota-Prozeß. Berlin, 16. Dezember. Im Berufungsverfahren im Prozeß gegen den Direktor der Rota-Werke, die der Reichsbahn erfundene Reparaturen an Waggons in Rechnung gestellt hatten, erkannte die Strafkammer gegen Direktor März auf ein Jahr Gefängnis und 10000 M. Geld strafe, gegen den Eisenbahnoberinspektor Rau wegen Beihilfe auf sechs Monate Gefängnis, den Obermeister Kukuk auf vier Monate und den Oberkalkulator Kaiser auf sechs Monate. Kukuk erhielt Bewährungsfrist gegen Zahlung einer Buße von 360 M. Den Angeklagten wurde die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter auf drei Jahre abgesprochen. Bon einem Haftbefehl gegen März wurde abgesehen. Urteil im Prozeß Lnppe gegen Streicher. München, 16. Dezember. Seit Wochen wurde vor dem Landgericht Nürnberg al- Berufungsinstanz für die Beleidi - gnno-kkage des Ob-rbüraermeister- Luppe gegen Julius Streicher, den Führer der Hitlerleute in Nürnberg, verhandelt. Streicher, Stadtrat und Bolksschullehrer in Nürnberg, ist auch Mitglied des bayerischen Land tages und führte seit 1^z Jahren im Schutz seiner Immunität einen wüsten und berüchtigt gewordenen Verleumdungsfeldzug gegen den Ober bürgermeister Luppe und zwar in seiner Wochen schrift „Der Stürmer". Am Mittwoch nach mittag wurde nun das Urteil gefällt. Es lautet wegen fortgesetzten Vergehens der üblen Nachrede auf zwei Monate Gefängnis. Der Staats anwalt hatte sechs Monate Gefängnis beantragt. Die Strafverfolgung Streichers war vom Landtag gestattet worden. Streicher wurde auch in anderen Prozessen wegen übler Nachrede und Verleum dungen zu insgesamt drei Monaten Gefäng nis verurteilt. Diese Verfahren schweben aber gegenwärtig noch vor den: Berufungsgericht. Notpan-sbeihilfe für -ie Reichs arbeiter. Berlin, 17. Dezember. Der „Vorwärts" meldet: Heute vormittag finden in: Neichsfinanzministerium Verhandlungen wegen der Übertragung der Notstands- beihilfe, die der ReiclMag für die Beamtenschaft beschlossen hat, auf die Reichsarbeiter statt. Kommnnisteuprozeß. Leipzig, 16. Dezember. Das Reichsgericht verurteilte am Mittwoch mehrere Königsberger Kommunisten wegen Beihilfe zum Hochverrat, Waffen diebstahl, Verheimlichung von Waffenlagern und unbefugten Waffenbesitz zu folgenden Strafen: Emil Richter und Bertram zu je 3 Jahren 6 Monaten Gefängnis, Büttner zu 3 Jahren Gefängnis, Boeck zu 2 Jahren 6 Monaten Gefängnis. Den Angeklagten werden 16 Monate der Untersuchungs haft angerechnet. Bei vier weiteren An geklagten wurde das Verfahren auf Grund der Amnestie eingestellt. Den Verurteilten wird zur Last gelegt, im Jahre 1924 durch Einbruch in eine Reichswehrkaserne Waffen gestohlen und für kommunistische Zwecke verwendet zu haben. Dabei haben sie militärische Organisationen gebildet und mit Waffen ausgerüstet. Richter galt in Ost preußen als der „rote General" und war als Nachfolger des Russen Scllnin, genannt Willy, Leiter der kommunistischen Militärorganisation in Ostpreußen. Bertram hatte als Bezirksleiter in Königsberg die Aufgabe, faschistische Waffenlager ausfindig zu »rachen und sie sür die Kommunisten zu beschlagnahmen. Die Öffentlichkeit war aus Antrag des ReickMnwalts ausgeschlossen. Der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik verurteilte den kommunistischen Parteisekretär Erich Melcher aus Berlin- Steglitz wegen Vergehen gegen 8 7 des Republik schutzgesetzes zu vier Jahren Gefängnis und 400 M. Geldstrafe. Ein Jahr und vier Monate der Untersuchungshaft werden angerechnet, jedoch nicht die Geldstrafe, da Melcher Mitglied der K. P. D -Zentrale war. Melcher war im Jahre 1923 während des Verbots der K. P. D.-B e r- bindungSleiter der Zentrale und unterstand der militärischen Leitung des zum Tode verurteilten Skoblewski. Der Hauptbelastungszeuge gegen Melcher war der Schriftsetzer Felix Neumann, der sich zurzeit in der Strafanstalt Sonnenburg befindet. Fort mit dem erpreßten KriegSschulo- bekenntnis. Pari», 1«. Tezember. Vietor «argueritte deröffemlicht i« der radikale« „voloatb" eine« offene« Brief an de« Vorsitzende« der Liga fitr Me»sche«rrchte Prof. Bnisson. Er er- i««ert znaüchst dara«, daß am 12. Juni der Haatzt- anSfchnß der Liga für Menschenrechte sich mit de« Entwarf« eine» Briese» an dr« französischen Mnistertzrüstdente« dcschüfttgte, in dem zum A«»- dr»ck kommen sollte, daß die alleinige Be tast«»- Deatschlaad» mit der Schuld am Kriege t« Art. 2»1 de» Friede«»« dertra«e» al» ««aerrcht ««d trrtüm«