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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration,- Prei« 22^ Sgr. Thlr.l vierteljährlich, Z Thlr. für da» ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theile» der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt aus dieses Beiblatt der AUg. Pr. Staais- Zeüung in Berlin in der Croedttion (Mohren-Straße No. Z4>; in der Provinz so wie im Auslande hei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 86. Berlin, Montao den 20. Jnli 1833. Holland. Physiognomie der bedentendsten Städte Hollands. Von Roger de Beauvoir. Dem ersten kindrucke nach, darin kommen die meisten Reisenden überein, dielet Holland eme unabweisliche Parallele mit China dar. Wenn wir nicht fürchte» dursten, der Unehrerbietigkeit gegen Hugo Gro- tiuS und den großen Naths-Pcnsionair Witt beschuldigt zu werden, so mochten wir uns ebenfalls zu jener Ansicht bekennen! Die häufigen Beziehungen und Verbindungen der Holländer mit China, das Bedurf- niß wechselseitigen Austausches ihrer Produkte, ihre Sympathie selber in Handel und Gewohnheiten des Lebens, Alles, bis auf ihr mit dem Wasser in gleichem Niveau liegendes Territorium, dessen Physiognomie sich jenen schwimmenden Gärten Nanking s nähert, mußte nolhwcndig seinen Einfluß auf die äußere Gestaltung dieser Landschaften ausüben. Nur, daß man darüber nicht den ungeheuren Unterschied, der zwischen beiden Völkern in Bezug aus Intelligenz und Bestrebungen obwaltet, in den Hintergrund treten lasse! China ist geblieben, was es vor Jahr tausenden war, und hat, so zu sagen, nur die äußere Schale seines Da- seyns erfaßt. Holland, nachdem cs sich Alles, selbst seinen Grund und Boden, mutlng erringen müssen, ist zwar auch aus den Einfall ge kommen, wie China, Alles um sich her zu bemalen: bunt und farbig glänzen seine Fabriken, seine Dämme, seine Schisse und Ruder; die lliebe zu Gold und Seide, die Tyrus zu Grunde gerichtet, ist mächtig in ihm wie in China — aber mehr auf das Innere gerichtet, oder geiziger als dieses, hat es sich eingeschlossen mit seinen Reichthümer», wie Rembrandt S Alchpmist. Zu beständigem Kampfe gegen den Ocean verbunden, hat cs eingeseheu, daß cs ausspeichern und sammeln müsse, um zu siegen, und spare», um auszuhaltcn. Durch Grschicklichkeit und Geduld ist cs dahin gelangt, sich zu einem reichen, mächtigen, gefürchte ten Herrn zu machen, der, gewaltig durch große auswärtige Besitzungen, ehrenfest in strenger unbestrittener Würde lebt. Sein Berührungspunkt mit China liegt in dem Streben, in der Lüsternheit, wenn wir so sa- acn dürfen, nachdem Koketten und Niedlichen, die sich oft an ihm yervorgetha» hat und noch hervorthut, wie sich öfters an den kräftig sten und derbsten Naturen, aus einem Trieb des Kontrastes, ein Bc- dürsniß nach Kleinlichem bemerklich macht. So verwundert man sich mit Recht, aus den strengen herben Zügen seines ehrbare» Antlitzes Schminke zu entdecken, und wenn man seine nervigen Männer sicht, so weiß man kaum, wie man sich die närrische Liebe erklären soll zu den kleinen, niedrigen, gemalten Häuschen und Joujoux. Dieser Be- rührnngspunkt mit Canlon tritt »och schärfer hervor, wenn man über Flandern hinauskommt. Flandern, diese schöne Königin im Golhischcn Festgewande, wirft uns einen tiefen Traucrblick nach, voll bitteren Ver- wcises, daß wir scheide». Die Provinz Antwerpen, die sich majestä tisch zu unserer Rechten erhebt, scheint uns zuzurufen: Bleibt! Und doch stürmt dcr undankbare Pilger weiter, und läßt die herrlichen Monumente des allen Glaubens, die Kirchen und Säulenhallen und Kapellen, die alten Wunder des prächtigen Gent, Hpcrn und Löwe» mit ihren stei nerne» Blumen und das graue düstere Brüssel mit seinen beiden St. Gudula-Thürmen hinter sich! Beim ersten Blick, den man auf Holland wirft, muß man selber gestehen, daß die Mißgünstigen, die uns warnen, Recht haben könnten. Alan hat zehn fürchterliche' Meilen durch wüstes Heideland zu machen, ohne etwas Anderes zu Gesicht zu bekommen, als elende Weiler, russige Schenken und miserable große Kasten, die noch dazu Kaleschen heißen. Bis Breda erinnert die Natur des Landes noch an das Brabantische. Statt einer schwerfällige» Niederländische» Marcchaussce, findet man zu seinem Erstaunen blonde jugendliche Gestalten, militairischc Douaniers, eine gewandte und thätigc Polizei, die den Reisenden nach dem Passier- Jettei des Prinzen von Oranje» fragen und ihm dabei Zigarren anbic- ten. Freilich ein Bisa von Herrn Lehon °) könnte uns eine üble Auf nahme bei ihnen verschaffen, da Belgien keine Besugniß hat, diese Gränze zu überschreiten. Was den Holländischen Soldaten betrifft, so kam cs mir vor, als scv er im eigentlichsten Sinne des Wortes mit einer besonderen Vorliebe der Natur für alle Quälereien des Kamaschen- diensteS geschaffen; ich habe auf dem Ererzicrplatz im Haag Leute gcsc- hen, die sünf Sekunden lang mit erhobenem Beine standen, unbeweglich und mit einer merkwürdigen Resignation; dabei iröpfte ihnen dec Schweiß nur so von der Stirn, diesen geduldigen Rekruten. * Dem Belgischen Gesandten in Paris. Wir habe» im Voraus de» großen Monumenten Lebewohl gesagt; sagen wir also eiligst, daß sich das schönste Denkmal Gothischer Bau kunst und zuglcich das einzige, welches Holland schmückt, in Breda be findet. In der Kapelle der heiligen Jungfrau, sonst das Herrcnchor von Breda genannt, steht dies ehrwürdige heilige Monument des Nas- sauischcn Geschlechts: Engelbrecht II. und seiner Gemahlin, Limburge von Baden, Mausoleum von weißem Marmor. Heinrich, Graf von Nassau, der Neffe des Erstgenannten, ließ dicS Grabmal erbauen, wel ches die Tradition, ohne daß man absähe, aus welche»! Grunde, dem Michel Angelo zuschreibt. Die Eleganz und Feinheit, die in dem Werke herrscht, widerlegt jene Annahme sogleich. Eher dürfte dieses Meister werk ans der Schule des Johann von Bologna sehn. Es ist, wir wie derholen es, das einzige Kothische Denkmal in diesem großen König reich der Wiesen und Kanäle. In ganz Italien cMirt, unseres Be- dünkenS nach, kein Monument, das edler gedacht und schöner ausgc- führt wäre. Was übrigens die Kirche selber betrifft (man nennt sie die alte Kirche), so giebl es gar kein Wort, de» düster» Eindruck, dcn sie macht, gebührend zu schildern. Nackt und kahl, geweißt stehen die Wände da/die Gräber, mit ihren Wappen im Relics, bilden ein schreck liches Pflaster, an vielen Stellen sind die Steine auch umgedreht wor den. Die reizende» Skulpturarbcilcn der Kapellen haben äußerst gelit ten. Die Statncii der Nassan's, in betender Stellung ans ihren Gips- kissc», ihre breiten Degen an der Seite, haben größicnlheilS weder Arm noch Kopf; die Frauen, im langen weißen Spitzcnschleicr, sind von den Bilderstürmern mehr rcspcklirt worden. Die Arabesken des Chors zeu gen ebenfalls von der gewöhnlichen Sorglosigkeit der Protestanten, den profanen Schließern dieses Hcilgthums; (!) nie sind sic gewaschen oder gereinigt worden, und das will doch wahrhaftig viel sagen in Holland. Wenn man über die Schwelle dieses Tempels hinaus ist und Breda hinter sich hat, so trifft man keine Statuen mehr an und keine Kapellen — daher die tiefe Verachtung aller Alterthumsforscher gegen die Gebäude und Monumente Hollands. Was man am öftersten sicht, beim Eintritt in die Städte, ist ein viereckiger Thurm, mit einer Ubr mit vier Ziffer blättern und einer Jaubcrmützc wie Sancho; das geht von Ort zu Ort und nimmt zu bis nach West-Friesland. Die Fa^ade dieser Thürmc ist in der Regel inj, alten Stadt-Wappen verziert; darauf die Holländi schen Löwe» gemalt oder ausgcmcißelt, grob und ungeschickt, und immcr mit der Devise: „sso in»i»ti< »<lial." Fast alle diese Gebäude trage» die Jabrszabl I66tt. Die Glocken spiele, womit sic versehen sind, geben eine melancholische Musik und sind keineSwcgcS so lieblich, wie die zu Amsterdam, die tagtäglich die schönsten Sonaten von Leo und Durante spielen. Auch die Kirchen sind in keinem besseren Stile als die Stadtthorc; nur die Lbürme ha ben ein ctwas interessanteres Ansehen, wen» man sie aus dcr Ferne mit ihren eisernen Zinne» erblickt und ihren durchbrochenen Wulste» auf einem schweren grauen Himmel. Es scheint in der That, als ob die Architektur dieses Landes in Mühlen bestände, so unerschöpflich ist die Mannigfaltigkeit, in der wir diese Gebäude hier anircffcn. ES gicbt Königliche Mühle», Mühlen sür Kinder, Mühle» des Statthalters, Müller-Mühle» und Bürgermeister-Mühlen. Nur das scharfe Gesäuse ihrer großen Flügel unterbricht die weite Stille ringsumher, in dcr man höchstens noch das Geräusch dcr Trcckschuvlc °), dic zwischen dcn Wicscn dahinglcitct, oder das Gebrüll des Rindviehs vernimmt. Holland hat sein neues Kleid angethan; das Gras, das seit dem Herbst unter der Eisrinde lag, beginnt, die spitzen Halme über das Wasser zu erheben; die Ebene, die eine Zeil lang ein See war, überzieht sich mit weichem sammclartigcu Grün. Die Treckschuvtc gleitet sanft über das Wasser dahin, lieblich und leicht. Nach dcn Fischern von Dordrecht, mit ihren weißwollcnen Hosen, kommen nun schon die Fricsinncn mit seinen Spitzen und langen Ohrringen; ihre Gesichter blühcnd in Holländischem Inkarnat, den wir durch Mieri's Pinsel kennen. Diese ganze Land- Mast, mit ihren Wiesen und Weiden, ihrem leisen Geplätscher des Wassers, wiegt dcn Reise,idcn, er mag wollen oder nicht, unwidersteh lich in einen träumerischen Zustand. Für ein Paar Stüber, dic er mehr bezahlt, liegt er allein langanSgestrcckt im Innern des Schiffes und kann behaglich dies große Genrebild bewundern. Besonders am Abend, beim Silbcrglanz des Mondes, wirkt diese Natur mit ihrer vollen Gewalt. Es ist cin melancholisches Bild voller Harmonie, das dann vor unseren Blicken auftaucht; die Nebel, die ihre weißen Netze spin nen, der Mond, der aus den Wolken hervortrilt und die große,! Wasser flächen langsam mit seinem Lickte überzieht, diese Pavillons von Sckic- fcr, die vielen Segel, die schönen Schwäne, die paarweise auf dcr Assel ') El» Fahrzeug, das stündlich ungefähr eine Deutsche Mell« zurücklezt.