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Nummer 139 — 26. Jahrgang «mal wöch. vezn-spretg für Iunt 3.00 Mk. elnschst " ' ^ . . . . ^ .. .Petlkzelle S«^. ra Die Petitreklamezelle. 8SMlln» Sestellgew. «nzelgenpreise: Die 1, Stellengesuch« SO L. Die Petitrel neter breit, 1 ^l. Offertengebühren für"Selbstabholer Lü L, bei Uebersenbung durch die Post auherdein Portozuschlag. Einzel-Nr. 1« -Z, Gonntags-Nr. 20 Geschästlicher Teil: Artur Lenz in Dresden, SSicklWe Sonntag, den 19.Juni 1927 Zm Falle höherer Gewalt erlischt sekie Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaufträgen u. Leistung v Scliadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern/ ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Vev> antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. NückportA nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmÄtagH, Hauptschriftleiter: Dr. G. Desczyli. Dresden.! weschliftSftell«, Druck u. Verlag - Vermanla. « <G. skr Verlag und Druckerei, Filiale Dresden. DreSdou-A. l, Pollerstratzel?. FerurusLwlS. Postscheckkonto Dresden rroz. Balckkonto: Ltadtbauk Dresden Nr. Sl7lS Für christliche Politik und Kultur Medaktio» der Lach,Ische» V»lks,«ltu», Dresden-rutstadt >, Polierslrahe l?. Fernrns Mil und 2l0I2. Die Beratungen im Berrvallungsral der Retchsposl — Die Porlovorlage zurück gezogen und erneu! vorgelegi Sie poliltsche Einheit -er deutschen Katholiken Von Josef Ioos, Ai. d. R. Die deutschen Katholiken sind eine Einheit im (glauben und in der Gemeinsamst der Kirche Aber schrn diese Einheit ist zugleich Mannigfaltigkeit. Ein und dasselbe religiöse Gut spiegelt sich anders im Kind, anders im Erwachsenen, je nach Fassungsvermögen und Tempe rament. Unser Gottesbegriff und das religiöse Heilsecleb- nis weiten und vertiefen sich mit unseren wachsenden geistigen Kräften. Hier liegt aber auch die Klipve für die Erhaltung dieser Einheit. Und nun für den Bereich des Politische n. Hier handelt es sich um die Gestaltung des öffentlichen Lebens, also um Staat, Wirtschaft, Gesellschaft, uni die Einfluß nahme auf die stattlichen Organe und die Gesetzgebung, um die Machtansammlung und Ausübung zu diesem Zwecke. Hier verläßt uns in den Einzelfralgen die dog matisch sichere Stütze, und wir betreten das Gebietder freien Entscheidung nach Zeit und Zweckmäßig keit. Hier k önne n die Katholiken nuseinandergelleil. Und sie taten es. Die politischen Einheiten der Katholiken sind in fast allen Ländern bis auf wenige Aus nahmen höchst unvollkommen. Frankreich ist das klassische Beispiel der größtmöglichsten Zerrissenheit, aber auch der absoluten Einflußlosigkeit. In neuerer Zeit reden wir auch von einer wachsen den politischen Differenzierung der deutschen Katholiken. Aus de »"Geschichte ist uns bekannt, daß es einmal anders ivar. In einem gewissen Zeitpunkt waren diedeutschen Katholiken, von kleinen Splittern abgesehen, politisch in einer Einheit zusam men g e s ch l o s s e n. Es war die Zeit, da sie als eine Minderheit einflußlos und gleichsam neben dem politischen Geschehen standen, in den Jahren des Kulturkampfes sogar mißverstanden, bedrängt, vergewaltigt, in ihrer Bewe gungsfreiheit im eigenen Vaterlande beschränkt. Wir haben in den letzten Jahrzehnten vor dem Weltkrieg nur mehr die letzten Ausläufer dieser Zeit gesehen. Die neue Reichsversassung nach dem Zusammenbruch, die Weimarer Verfassung, hat uns die umstrittenen Freiheiten des Ge wissens. des kirchlichen Lebens, der Ordensniederlassun gen, des Unterrichts bis auf die noch zu erwirkende gleich berechtigte Anerkennung der Konfessionsschule als selbst verständlich gewährt. Zugleich ist mit dem überkommenen Gebrauch einer imparitätischen Behandlung des katholi schen Volksteils (der immer als etwas dümmer und weni ger staatstreu gegolten habe) grundsätzlich gebrochen wor den. Parallel mit den gewordenen Frei heiten undSicher heilen lockerte sich das Gefüge des politischen Zusammenhalts. Warum? * Drei U r sa che n k o m p l e xe glauben wir klar feststellen zu können. Sie erscheinen einzeln für sich, aber auch in Vermischung miteinander. Einmal das l an d s m an n s cha f t l i cb e Ato me n t. Es stand hinter der Trennung unserer varirischen Freunde vom Reichszentrum. Das Land Bagern, nur die Hoheit seines Staatswesens besorgt und von der Furcht eines gleichmacherischen zentralistischen Reichsgedankens gequält — kurzum aus tiefster Sorge um die Erhaltung feiner Eigenart — glaubte politisch eigene Wege gehen zu müssen. Unsere Freunde sind diesen eigenen Weg jahrelang gegangen, und schon fanden sich Theoretiker, die Nachweisen zu können glaubten, daß das nie mehr anders sein könne und so bleiben müsse. Die Jungen hüben und drüben denken anders, ruhiger und kühler darüber. Der schwarzseherische Pessimismus liegt uns nicht. Der Sü den ist anders als der Westen und Norden. Im Lande Bayern ist die Bevölkerung vitaler, stärker volkhaft als anderswo. Der Heimat- und Volksgedanke ist stärker äls der Staatsgedanke. Und eine volkstümlich Verwal tung ließ zu Friedenszeiten den Staat kaum fühlbar wer den. Im Gegensatz dazu greift der Staat von heute ein: er muß es. Er müßte es auch, wenn es noch Fürsten, Könige und Kaiser gäbe. Das wird übersehen. Aber, auf der anderen Seite wächst auch im Süden ein Iung- Keitter Die Welt (Illustrierte Wochenbeilage). die deutschen Sender (Funkbeilage). Unterhaltung und Wissen. Aerztticher Ratgeber. Recht für alle. Turnen. Sport und Spiel. Berti», 17. Juni. Heute vormittag begann die Sitzung des Vermal- tungsrats der Reichs post, in der über die geplante Gebührenerhöhung entschieden merden soll. Inzwischen ist den Mitgliedern des Verwaltungsrats eine neue Vorlage des Reichspostministeriums zugegangen, die die Erhöhung der Rundfunkgebühren von monatlich 2 M. auf 3 M. monatlich oorschlägt. Es wird davon »tu« Mehreinnahm« von IS bis 21 Millionen Mark jährlich erwartet. Bor Eintritt in di« Tagesordnung gab Reichspostininister Dr. Schätze! die Ertlärung ab, dah er als politischer Minister verpflichtet fei, dem Beschlust des Reichstages Rech nung zu tragen. Jedoch habe er über das Schicksal der Vorlage nicht allein zu entscheiden, weil nach dem Reichspost- finanzgrsetz der Vcrwaltuugsrat zuständig sei. Auch Handel« es sich nicht mehr um eine Vorlage des Ministeriums, sondern um eine solche des Arbeitsausschusses, nach dem dieser bereits Stel lung genommen habe. 8r weise aber darauf hin, dast der Post bei Ablehnung der Vorlage die Gelder fehlen, bereits erteilt« Bestellungen aufrecht »» erhalten, was zu Arbriterentlassungen führen müsse. Später »nässe die Erhöhung der Gebühre» doch kommen; bis dählk'Antz«'aber der Post monatlich 20 Millionen Mehreinnahme verloren. Der Minister empfahl vor der Be ratung der vorliegenden Vertagungsanträge zunächst den Be richterstatter des Arbeitsausschusses, Herrn Griiiifeld-Berlin, zu hören. Hiermit erklärte sich der Verwaltungsrat einverstanden. Inzwischen waren folgende Anträge eingegangen: Antrag Sie in köpf (So,;.) und Gen.: „Die Vorlage über die Er höhung der Postgebühren wird an den Herrn Reichspostminister zuruckgewiesen." — Antrag Raschig (Dem.): „Die Beratung einer Verordnung zur Aenderung der Postordnung und einer Verordnung zur Aenderniig der Postscheckgebühren- und der Post scheckordnung wird auf November 1927 verschoben." — Antrag Torgler (Komm): „Mit Rücksicht auf den Beschlich des Reichstagsplenums vom 15. Juni wird von einer Beratung der Gebührenvorlage und von einer Bcschlichfassuiig Abstand ge nommen. Die bisherigen Portosähe werden beibelialien." Im weiteren Verlaufe der Sitzung des V e r w a l t u » g s - rates der Rcichspost, der sich, wie gemeldet, mit der Er höhung der Postgebühren beschäftigt, erklärte der Reichspost ininister, dag er die Genehmigung der Gebuhrenvorlage für er forderlich halte. Mit seiner Ministerverantwortung könne er cs nicht in Linklan gbringeu, Ausgaben ohne Deckung zu machen. Wenn der Verwaltungsrat eine andere Haltung ein nehme, so werde er hieraus die Konsequenzen ziehen. Inzwischen hat der hamburgische Senator Dr. Stran des den Antrag eingebracht, die Vorlagen über die Eelmhren- erhöhungen bis aus weiteres zurückzustelle». Der Antrag Sie in köpf und Genossen wurde zugunsten dieses Antrages zurückgezogen. Auch der braunschweigische Gesandte Boden sprach sich im Aufträge seiner Negierung für eine Ver- oolk heran, das die Blütezeit eines volkstümlichen und , schöpferischen Herrscherhauses nicht mehr gesehen und ge- I Kaimt hat, dafür aber durch das überwältigende Erlebnis des Neicl^gedankens hindurchgeschritten ist. Und dieses Jungvolk wird reif zur gemeinsamen Sache. Ich sage es nicht, weil es mir jetzt klug erscheint und wohl bestimmt für die jetzige Situation, sondern weil es in sieb wahr ist: Die deutschen Katholiken haben Grund zu bedauern, daß die vitalen und volkhaften Kräfte- des Bayernvolkes praktisch von der Gesamtheit getrennt wor den sind. Sie werden sich nie an diese Trennung gewöh nen und sie nie für selbstverständlich halten. In uns aber, der jüngeren Generation, ist der Glaube an die Möglich keit der Wiederherstellung einer Einheit stärker als die Bedenken. Er reicht auch über die staatspolitischen Pro blemfragen der rechtlichen und verwaltungsmäßigen Be ziehungen zwischen dem Reich und den Ländern hinaus. Die werden ihrer Lösung entgegengeführt, ob der ein zelne will oder nicht. Wer die deutsche Snä-e will, muß die starke Reichsgeivalt wollen. Und es ist kein Ge hein,nis und nichts Neues, wenn wir sagen, daß die deut schen Katholiken allezeit ein gegliedertes Reich wollten, die Einheit in der Mannigfaltigkeit wohl- tagung der Vorlage aus, ebenso der Ministerialdirektor Dr. Nobis für Preutzen. Geg«n die Vertagung wandte sich der deutsthnatioimle Abg. Bruhn, der auch die Ansicht äusierte, das) im Reichstag eine Mehrheit für eine Aufhebung des Post finanzgesetzes nicht gegeben sei. Professor Salomon, Frankfurt (Main) (Gruppe Wicttschast. erklärte, datz die Wirtschaftsvertreter berei t seien, di« Vorlage in der Fassung des Arbeitsausschusses anzunehme ». Sie sei sich dabei bewutzt, im Gegensatz zu den Grostorganisatio» neu der Wirtschaft zu Handel». Er beantrage Schluss der De batte und erbitte eine viertelstündige Paus«, damit sich die Wirt schaftsoertreter besprechen können. Nach Wiedereintritt in die Beratungen wurden sämtliche Bertagungsantriige abgelchnt; darunter der Antrag Strandes gegen 10 Stimmen aus den Gruppen Reichstag, Reichsrat und je einem Vertreter der Gruppe Wirtschaft und Personal. Hieraus erklärte der Reichspoftmiinfter zur Ueberraschung der meisten Mitglieder des VerwaUungsrats, das, er nunmehr dem Wunsche des Reichstags Rechnung trage und die Gebnhren- vorlage namens der deutschen Neichspost zuriükziehc. Abg. Mekotte (Z!r.) stellte hieraus folgenden Antrag: „Der Berwaltungsrat genehmigt die vom Arbeitsausschuss be schlossenen Gebührensätze." Ferner brachte im Lause der sich entspinneiwen Goschäfts- ordnungsdebaU« Kommerzienrat Wimmer-München folgen den Antrag ein: „Der Verwaltungsrat beaustragt den Herrn Minister, erneut eine Vorlage einzubringen, die sich aus die Be schlüsse des Arbeiisausschusses stützt." Die Abgg. Torgler (Komm.), Steinkops (So;.) und Schumann (So;.) hielten die Anträge im gegebenen Augen blick sür völlig unmöglich und betonten, das; es Sache des Reichs postministers sei, von sich aus eine Borlage einzubringen, wenn er die Feit dazu für gekommen erachte. Es müsse auch berücksichtigt werden, datz der Reichstagsbeschlus; sich gegen die Vorlage in der Fassung des Arbeitsausschusses gerichtet Hab«. Die Herren 2 a l o m o n - Frankfurt a. M.. Wimmer- München und G r ü n s el d - Berlin, setzten sich sür die Weiter beratung der eben zurückgezgenen Vorlage ein, die vom Verwal tungsrat aus erneut eingevracht werden könnte. Der Reichspostminister erklärte sich bereit, sowohl dem An trag Allekotte als auch dem Antrag Wimmer solgen zu wollen und die Vorlage am Sonnabend wieder einzubringen. Hiergegen wandten sich verschiedene Redner, darunter der Abg. Schwa rtzer (Bayer. Vvlksp.), Gesandter Boden und Abg. Bruhn (Dtn), die es für notwendig hielten, wegen der entstandenen Situation erst einmal Fühlung mit anderen zu ständigen Stellen zu nehmen. Nachdem sich der Reichspostminifter nochmals bereit erklärt hatte, die Vorlage in der Fassung der Beschlüsse des Arbeits ausschusses bereits am Sonnabend erneut einzubringen und der Hossnung Ansdruck verliehen hatte, das; es gelingen werde, die Sache wieder ins Gleis zu bringe«, vertagt« sich d«r Ver waltungsrat auf Sonnabend, den M. Juni. , begründeter echter Eigenart. Die aber ist nicht an juristi- I sche Zwirnsfäden gebunden. Der Streit der Aeinter und der Regierungen untereinander ist keilt Streit des Volkes. * Der zweite Ursachenkomplex der Lockerung unserer politischen Einheit liegt in dein U e b e r w u ch e r n w i r t- schaftlicher Interesse n. Um seine wirtschaftlichen Sonderinteressen einseitiger und rücksichtsloser pflegen zu können, sammelt sich der Landwirt mit dein Landwirt, der Mittelstandsmann, der Indnstrielle, der Arbeiter, jeder mit seinesgleichen unter der politischen Trennung von dem andern. Dieser Trennungsgrund ist der bedenklichste, der übelste. Er ist ein Ausdruck der Scheidung zwischen reli giösem und wirtschaftlichem Denken, zwischen Religion und politischem Leben. Unsere Zuversicht ist die, daß die junge Generation diese Zerspaltung der Lebenszusam menhänge am wenigsten begreifen kamt und solchem Ver halten von sich aus ein Ende setzt. Sie sucht ja gerade mit brenneüder Seele die Einheit zwischen Glauben und Tun und den Zusammenhang zwischen religiösem Denken, praktischer Wirtschaftsgestaltung und Bolksordnung. Die rein wirtschaftlich orientierten Menschen und die Wirt»