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Weißeritz-Mung Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend 75. Jahrgang. Dienstag, den 26. Oktober 1909. Nr. 124. Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmannschast, das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Dippoldiswalde, Mit achtfettigem „Illustrierten Anterhattungsblatt". Mit land- und hauswirtschastlicher Monats-Beilage. Für die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle und an bestimmten Tagen wird keine Garantie übernommen. Verantwortlicher Redakteur: Paul Johne. - Druck und Verlag von Carl Jehne in Dippoldiswalde. , Dk erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend und wird anden vorhergehen- denAbenden ausgegeben. Preis vierteljährlich 1M. 25 Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummem 10 Pfg. — Mle Postan- Palten, Postboten, sowie znsereAusträger nehmen Bestellungen an. Inserate werden mit 1» Pfg-, solche au« unserer Ämtshauptmaimschaft mit 12Pfg.die Spaltzeil« oder deren Raum berech net. Bekanntmachungen auf der ersten Seite (nm von Behörden) die zwei- gespaltene Zeile 35 bez. 30 Pfg. - Tabellarische und komplizierte Inserat« mit entsprechendem Auf> schlag. - Eingesandt, im redaktionellen Teile, dl« Spaltenzeile 3V Pfg Der rote Landtag. Noch ist er nicht fertig, der rote Landtag, aber die Gefahr eines solchen ist uns bereits deutlich genug vor Augen gerückt. Nicht, daß die Sozialdemokratie schon diesmal die Mehrheit in der Kammer erringen könnte — das halten wir trotz ihrer Beteiligung an 53 Stichwahlen für ausgeschlossen — wohl aber steht fast mit Sicherheit zu erwarten, daß sie zur stärksten Fraktion anwachsen wird und daß daher künftig kein Gesetz gegen sie zustande gebracht werden kann, wenn nicht Konservative und Liberale fest zusammensiehen. Da ein solches Zusammen stehen doch nur in einer beschränkten Zahl von Fragen erwartbar ist, so wird die Sozialdemokratie tatsächlich den Landtag beherrschen. Völlig abzuwenden ist diese Gefahr nicht mehr, wohl aber ist es noch Zeit, sie wesentlich herabzumindern Es stehen sich in den erforderlich gewordenen 57 Stichwahlen gegenüber in 28 Wahlkreisen Nationalliberale und Sozial demokraten, in 16 Konservative und Sozialdemokraten, in 7 Freisinnige und Sozialdemokraten, in 2 Wahlkreisen Resormer und Sozialdemokraten, in je einem Kreis Bund der Landwirte und Sozialdemokraten, Miltelstandsvereini- gung und Nationalliberale, Bund der Landwirte und Konservative und Konservative und Nationalliberale. Hieraus ergibt sich, daß die Nationalliberalen, die im ersten Wahlgange nur vier ihrer Kandidaten durchgebracht haben, nur mit Hilfe der Konservativen es noch zu einer beachtenswerten Stellung im Landtage bringen können. In einer geringeren Anzahl von Wahlkreisen sind umge- gekchrt die Konservativen auf die Unterstützung der Nationalliberalen angewiesen. Bei dieser Sachlage sollte man sich doch auf allen Seilen darüber klar sein, daß es ein Gebot der Selbsterhaltung ist, mit allen Kräften und unter Hintansetzung aller Sonderinteresten gegen den ge meinsamen Feind vorzugehen. In diesem Sinne hat auch der Konservative Landes verein soeben folgende Erklärung veröffentlicht: Noch niemals hat Sachsen einen Wahlkampf erlebt, wie denjenigen, der in den letzten Wochen hinter uns liegt. Noch niemals zuvor sind die Leidenschaften der Bevölke rung in solchem Matze erregt und aufgestachelt worden wie diesmal. Alle linksstehenden Parteien von den Nationalliberalen bis zu den Sozialdemokraten haben in erster Linie den Kampf gerichtet gegen die Konservativen. Ein „Volksgericht" solle nach dem öffentlich verkündeten Wahlaufruf der Nationalliberalen an unseren Partei freunden vollzogen werden, und da die gewissenhafte, für unser Land so ersprietzliche Tätigkeit der Konservativen im sächsischen Landtage ihnen keinen genügenden Anhalt bot, um dieses „Volksgericht" mit dem herbeigesehnten Erfolg in Szene zu setzen, mutzte die Reichssinanzreform herhalten, um dem liberalen Gegner Waffen zum Landtagswahl kampfe zu liefern. Natürlich war es kein Heldenstück, datz die Liberalen, die bei der Reichsfinanzreform versagten und mürrisch beiseite traten, den Konservativen, welche dem Reich die diesem so dringend nötigen Mittel gewährt hatten und damit eingetreten waren für des Reiches An sehen und Ehre, für des Reiches Sicherheit und Macht, aus dieser ihrer patriotischen Pflichterfüllung einen Strick zu drehen bemüht waren. Trotzdem haben im ersten Wahlkampf die vereinigten Liberalen nur vier Landtags- wahlsitze von 91 aus eigener Kraft erobern können. Bei den übrigen Wahlen, in denen Liberale in die Stichwahl kommen, sind sie fast durchgängig auf die Hilfe der von ihnen so geschmähten Konservativen angewiesen. Datz über das Verhalten der Liberalen in den Kreisen unserer Parteifreunde die bittersten Klagen geführt werden und datz überall im Lande tiefe Mißstimmung und Verbitte rung herrscht, ist mehr wie begreiflich. Und dennoch! Wir dürfen solcher Verbitterung in unseren Reihen nicht ausschlaggebenden Einfluß gewähren, und dennoch müssen wir, wenn es uns auch hart und schwer angehen mag, bei den bevorstehenden Stichwahlen überall dort, wo Sozial demokraten Gegner sind, Mann für Mann eintreten für die bürgerlichen Kandidaten. Das Vaterland über die Partei ist bisher immer der Wahlspruch der Konservativen gewesen und soll es auch in dieser ernsten Stunde sein. Kein konservativer Mann kann einen Sozialdemokraten wählen. Wenn ein jeder von uns des Gelöbnisses sich bewußt bleibt, allezeit einzustehen für das unzertrennliche Wohl für König und Vaterland gegenüber dem gemein ¬ samen Feind, sind fest die Reihen zu schließen. Jetzt gilt es den Kampf auf allen Linien und bis zum letzten Ende der Sozialdemokratie. Der Vorstand des nationalliberalen Landesvereins im Königreich Sachscn hat in einer Sitzung am Sonntag in Leipzig zu den Stichwahlen folgenden Beschluß gefaßt: Der Vorstand des nationalliberalen Landesvereins verweist auf die große Tragweite des Ergebnisses der bevorstehen den Stichwahlen und fordert die Parteifreunde auf, mit aller Kraft auf den Sieg der Kandidaten der nationalen Parteien, einerlei ob rechts- oder linksstehend, hinzuwirken. Lokales und Sächsisches. - - Dippoldiswalde. Hausbesitzern sei jetzt vor Beginn des Winters empfohlen, die Dächer, Essen und Verschlüge prüfen zu lassen. Denn mit den Häusern ist es wie mi den Kleidern: ein kleines Loch, das unbeachtet bleibt, reitzt leicht ins Ganze. Zudem bringt ein schadhaftes Dach noch allerhand Nachteile. Regnet es in den Boden oder schnei es gar hinein, so wird das Holz leicht faulen. Ist das Dach oder der Schornstein defekt, so kann leicht ein Passant der Straße oder ein Hausbewohner selbst durch ein herab fallendes Ziegel- oder Schieferstück verletzt werden. Aus diesem Grunde ist auch die Festigkeit der Firmenschilder an den Häusern, die der Balkone und Verschlüge zu prüfen. — Die Stichwahl im 5. städtischen Wahlkreise ist vom Wahlkommissar auf Donnerstag, den 4. November, anberaumt worden. Die Wahlvorsteher, die Wahllokale, ebenso auch die Zeit für Abgabe der Stimmzettel bleibt überall die gleiche wie am Hauptwahltage. — Bei Abschluß eines neuen Vertrages mit Herrn Stadtmusikdirektor Jahn ist feiten des Stadtrates die Auf nahme einer Bestimmung vereinbart worden, wonach Herr Jahn verpflichtet ist, im Laufe jeden Winters zwei sogen. Volkskonzerte zu veranstalten, u.n allen Be wohnern unserer Stadt Gelegenheit zu geben, sich von der Vorzüglichkeit unserer Stadtkapelle zu überzeugen. In anderen Städten besteht bereits die gleiche Einrichtung und haben sich die Konzerte eines überaus zahlreichen Besuches zu erfreuen gehabt. Nächste Mittwoch (27. Oktober) ver anstaltet nun im Schützenhause Herr Jahn das erste dieser Konzerte und wird dasselbe hoffentlich recht gut besucht. — Nochmals wollen wir bemerken, daß der Besuch völlig unentgeltlich ist. — Aus dem Programm in voriger Nr. ist zu ersehen, datz nur ausgewählte Musikstücke dargeboten werden. — Am Freitag beging der Männergesangvrrein „Ein tracht" hier im Sternsaale die Feier seines fünfjährigen Bestehens mit Konzert, Theater und Ball unter Beteili gung verschiedener Mitglieder des hiesigen Brudervereins und anderer Gäste. — Unter der Leitung ihres Vorsitzenden, Herrn August Kühnel, hielt die 2. Grabegesellschaft ihre 72. Generalver sammlung ab. Für 13 verstorbene Mitglieder wurden 780 Mark ausgezahlt. Ausgenommen wurden 16 neue Mitglieder. Der Einnahme von 998 Mark stand eine Ausgabe von 1025 Mark gegenüber. Die Gesamtausgabe an Begräbnisgeldern beträgt bis jetzt 26325 Mark in 650 Sterbefällen. — Die Krankenunlerstützungskasse unter Leitung des Herrn Tischlermeister Rüdiger zählte am 1. Februar 163 Mitglieder. Der Einnahme von 293 Mark stand eine Ausgabe von 245 Mark gegenüber, ausgezahlt an Unterstützung wurde auf 118 Krankheitswochen 177 Mark. Die Gesamtausgabe beträgt in 5620 Krankhetts- wochen 6722,50 Mark. — Bekanntlich ist die falsche Angabe des Alters des Kindes beim Lösen des Eisenbahnbilletls strafbar. Gegen diese Bestimmung wird aber häusig gesündigt. Kinder unter vier Jahren werden, wie man weih, frei, und unter zehn Jahren zum halben Preise auf der Bahn befördert. Line begüterte Dame in einem Nachbarort Geras hatte ihr 10 r/2 Jahre altes Töchterchen als 91/2 Jahre alt ange- geben und so nur eine halbe Fahrkarte für die Fahrt ge löst. Wegen Betrugs ist die Frau nun in der letzten In stanz zu drei Tagen Gefängnis verurteilt worden. — Mittlere Niederschlagsmengen (mm oder 1 auf den qm) und deren Abweichungen von den Normalwerten in den uns benachbarten Flußgebieten, 2. Dekade Okt. 1909; Vereinigte Weitzeritz: beob. 1, norm. 17, Abwchg. —16; wilde Weitzeritz: beob. I, norm. 21, Abwchg. —20; rote Weitzeritz: beob. 0, norm. 20, Abwchg. —20; Müglitz: beob. 0, norm. 20, Abwchg. —20. Lungkwitz. Herrn Lehrer Seidel in Lungkwitz ist vom Kgl. Ministerium des Kultus und ösfentlichen Unterrichts der Titel Oberlehrer verliehen worden. Attenberg. Die hiesige Stadtgemeinde hat von der derzeitigen Besitzerin, Frau Landrichter Mühlmann in Dresden, ein reichlich 6 Hektar großes Stück Fichtenhoch wald des Raupennestes käuflich erworben. Das Grund stück liegt oberhalb von Ungers Villa und umfaßt den für die Sommerfrische so wertvollen Anlagenteil und das Plateau mit Schutzhütte, sowie die sternförmig angelegten und untereinander verbundenen Parkwege und wird durch den oberhalb der Villa quer durch den Wald laufenden Weg begrenzt und reicht ziemlich bis an die Rehefelder Chaussee. Es ist geplant, in diesem Waldkomplex eine große geschützte Rodelbahn anzulegen. Posfendorf. Am Donnerstag, den 21. Oktober, hielt der hiesige Männer-Gesangverein „Arion" seine diesjährige Generalversammlung in Butters Gasthof ob. Nach dem Kassenbericht betragen die Einnahmen im Geschäftsjahr 1908/09 386,63 Mark, die Ausgaben 353,28 Mark, sodaß der Verein unter Hinzurechnung der Heinz-Stiftung über einen Barbestand von 86,73 Mark verfügt. Sämtliche Vorstandsmitglieder wurden einstimmig wiedergewählt. Das Vereins-Stiftungsfest soll im Januar 1910 in üblicher Weise gefeiert werden. Dresden. König Friedrich August wird am heutigen Montag den Reichskanzler v. Belhmann-Hollweg in Pill nitz in Audienz empfangen. — Wie in politischen Kreisen verlautet, hat sich Staats minister Graf Vitzthum v. Eckstädt in einer Privatunter redung dahin geäußert, daß die Regierung über das Ein dringen der Sozialdemokratie in den sächsischen Landtag keineswegs besorgt sei. Es sei nur der Wunsch der Regie rung, daß sich die sozialdemokratischen Abgeordneten auch tatsächlich an den Arbeiten für das Wohl des Landes be teiligen. Dresden. Der ordentliche Landtag ist zum 9. No vember einberufen worden. — Die weitaus größte Stimmenzahl bei der Wahl am 21. Oktober ist auf die Sozialdemokratie entfallen. Ls ist das erklärlich, weil die Sozialdemokraten in allen Wahlkreisen ohneAusnahmeKandidaten aufstellen, während alle übrigen Parteien in vielen Kreisen auf eigene Kan didaten verzichteten und damit auch auf eine ganze Reihe von Stimmen, die die einzelnen Parteien sonst mehr zu verzeichnen gehabt hätten. Die zweitstärkste Stimmenzahl erzielten die Nationalliberalen, es folgten die Konservativen, der Freisinn, die Resormer und der Mittelstand. Im ein ¬ zelnen wurden abgegeben für die Sozialdemokratie für die Nationalliberalen für Konservative, Freik. usw. für den Freisinn für Reformer und Mittelstand 489427 Stimmen, 338043 Stimmen, 315159 Stimmen, 103829 Stimmen, 25662 Stimmen. Schandau. Nach Bekanntmachung der Bools- kommission vom Gebirgsverein für die Sächsische Schweiz haben in diesem Jahre 17049 Touristen die Kahnfahrten auf der oberen Schleuse benutzt gegen 16864 im Vor jahre. In der Edmunds- und Wildenklan,m finden auch in diesem Winter Kahnfahrten statt. Mittweida. Der Vorstand des Technikum-Anlagen» seslvereins bewilligte einstimmig aus Bereinsmitteln 2000 Mark als Grundstock zur Errichtung einer Stadthalle in den Schwanenteichanlagen. Es ist an ein großes Etablisse- ment mit Saal und entsprechenden Nebenräumen gedacht. Im Falle einer Verwirklichung des Projektes würde Mittweida die erste Stadt Sachsens sein, welche eine Stadthalle erhält, wie sie in Süddeutschland schon mehr fach bestehen. Annaberg. Zum Bahnprojekt Chemnitz Weipert- Keilberg Tunnel-Karlsbad erfahren wir von gutunterrichteter Seite noch folgendes: Mit der Oberaufsicht der Vorarbeiten für die Bahn hat die österreichische Regierung den Ober ingenieur Rubricius-Prag betraut, der bereits in Weipert eingetrosfen ist. Die Bahnlinie wird sich im Tal entlang bewegen, also unmittelbar an der Grenze zwischen Sachsen und Böhmen. Beim Forsthans Parthum, am Fuße des Keilberges bei Oberwiesenthal i. S , ist der Eingang des Tunnels geplant. Einen Anschluß findet die Linie an die »ereits bestehende Bahn Lichtenstadt-Merkelsgrün-Dallwitz- ^arlsbad. Der 20. Oktober, an dem der Entschluß der österreichischen Regierung bezüglich der Planung in» Grenz-