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Montag, ir. November 1928 Neparatlonsaussprache Wmatts ln Berlin Das neue franzofjsche Kabinett Im Sauplguartier am 9. November Line Erklärung des Reichspräsidenten Paris. 11. November. Poincarö hat Sonntagabend sein neues Kabinett gebildet. Um 10 Uhr französischer Reit wurde solgende Miuistcrliste amtlich bckanntgegcben: Ministerpräfidinm: Poincarö, Außenministerium: Briand, Finanzen: Cheron, InnercS: Tardieu, Justiz: Barthou, Unterricht: Marrand, Krieg: Painlcvö, Marine: Leygucs, Ocsfcntliche Arbeiten: Forgeot, Arbeit: Loncheur, Kolonien: Maginot. Handel: Bonuefou. Landwirtschast: Jean Henneffy, Luftfahrt: Eynac. Pensionen: Anterio». Ueber die parlamentarische Unterstützung befragt, erklärte PoincarS: „Mir zählen aus den guten Wille« aller, da wir niemanden augreiseu werden." Beim Verlassen dcS Ministeriums nach dem Grunde besragt, warum er daS Finauzmintsteriumabgcbe. erwiderte Poinearö: «ES ist wahrscheinlich, datz ich während dar Re« parationSverhandlnnge», die sür «uS so wichtig find. Paris »erlassen «nd nach Berlin gehe» mntz." Dagegen beant wortete Poinearö die Frage, ob er auch nach Washington ,« Len Gchnldenverhandlnngen gehe« «erde, mit einer un bestimmten Geste. Es sei in diesem Zusammenhang daraus hingcwiesen. datz es seit langen Jahren das erstemal sein bürste, datz der Ministerpräsident keinen Jachministerposten bekleidet. Rach einer amtlichen Meldung wurbeu z« Un «er st aatssekretären ernannt: Germin Martin. Post. Abg. Patö. körperliche Ertüchtigung. Oberkirch. Arbeit, Abg. FranooiS Poncet. Unterricht und schöne Künste. Das Unter staatssekretariat kür die Handelsmarine wird aufgehoben. — Poinearö hat sich mit seinen Ministern ins Slysöe begeben, um den Präsidenten der Republik das neue Kabinett vorzn- stellen. Eine Erklärung ist nicht vor Mittwoch zu erwarten. Dieses Kabinett wurde von Poinearö gebildet nachdem durch Beschluß der radikalen Kammerfraktion. ihren Mitgliedern Sarraut. Lamonreux, Oueuille und Hesse, die Poinearö in sein Kabinett der rcpuplikanischc» Eintracht ausnehmen wollte, die Erlaubnis zur Annahme der ihnen angeborenen Portefeuilles verweigert morden war. Der Be schluß der Radikalen ist auf die Stellungnahme des Vor sitzenden Daladier zurückzuführen. der erklärte wir müssen Poinearö jede Unterstützung verweigern, die Entschließung des Parteitages von Angers macht uns das zur Pflicht Dieser Standvnnkt Daladicrs wurde von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder gebilligt. Die sozialistische Kammerfraktion und der er weiterte Partcivorstand habe» in einer gemeinsam abgehalte nen Sitzung aus Vorschlag Löon Vlnms eine Entschließung an genommen. in der sie das ohne die Radikalen gebildete Mini sterium alS einen gefährlicheren nationalen Block bezeichnen, als cs das voransgegangenc Ministerium der nationale» Einigung war. und ihm gegenüber eine katego- rische Oppositionsstellung der sozialistischen Partei ankündigen. Berlin, 11. November. Amtlich wird mitgcteilt: Der Reichspräsident gibt folgende Erklärung ab: „Ju dem Aussatz «Im Hauptquartier am 8. November" der Nr. 581 des „Berliner Tageblattes" vom 9. November d. I. hat leider ein ehemaliger preußischer Ossizier behauptet, datz Seine Majestät der Kaiser und König in fluchtartiger Haft und lediglich der Sorge seiner Umgebung sür seine Person nachgebend, nach Holland abgercist sei. Ich verweise dem gegenüber aus die in Nr. 818 der „Kreuz-Zeitung" vom 27. Juli 1919 veröffentlichte gemeinsame Erklärung deS Generaloberst v. Plcssen. des Staatssekretärs v Hintze. der Generale Freiherr v. Marschall und Gras v. d. Schnlenburtz sowie von mir. Aus dieser Erklärung geh« cinwandssrei her vor. daß der Entschluß des Kaisers aus meinen und anderen Rath erst nach qualvollen Seelenkämpscn gefaßt und auS» geführt wurde, um die Fortsetzung des Krieges oder eine» Bürgerkrieg zu vermeiden und dadurch dem Nate-land Noth und Elend zu ersparen — gez. von Hindenburg." KermittlimgMion lm EisenkmM NerslündtgungMreiljchasl aus beiden Sellen Düsseldorf. 11. November. Der Düsseldorfer NegicrnngS- präfiden« Bergemana hat am Sonntag ans eigener Initiative eine Vermittlung zur Beilegung des SisenkonkliktS in die Wege geleitet und die am TarUvcrtrag beteiligten Arbeitgeber- und Arbcitnchmcrverbändc — zunächst ge trennt — aus Dienstag zu einer Besprechung über die durch die Aussperrung geschaffene Lage eingeladen. » Wie verlautet, sind sich beide Strettparteten darüber klar, daß eine befriedigende Lösung des Konflikts nur durch eine Verständigung gesunden werden kann. Im Zusammen hang mit dem Vcrnüttlungoplane schlägt die Stimmung bereits so hoch, daß man glaubt, bis Dienstag eventuell zu der Anbahnung einer Verständigung gekommen zu sein. Als Verhandlungöbasis beabsichtigt man Abmachungen Uber die Arbeitszeitregelung in de» Vordergrund zu stellen. Bei dielen Gedankengängen, die von den Gewerkschaften ausgehen, wird aber betont, daß unbedingt gewisse Sicherungen sür die Beibehaltung der be stehenden ArbeitSzeitregclung gegeben werden müssen. Di« in Duisburg abgchaltene Delegiertenkonferenz des Christlichen Metallarbeiterverbande» er klärte sich mil einer von unparteiischer Seite ausgehenden Vermittlungöakllvn einverstanden. Die Konferenz erteilte den Unterhändlern des Verbandes alle erforderlichen Voll machten. — Der Grund zu der Verständigungsbereitschaft ist der. baß sich nach der ersten Woche der Aussperrung ans allen verwandten wirtschaftlichen Gebiete» die schädlichen Auswirkungen geltend machen. Schwierigkeiten tauchen auch hinsichtlich der Versorgung der nicht organisierten Auögesperrten für die nächste Zeit auf. die nunmehr den einzelne» Gemeinden zur Last fallen. Allenthalben im Gebiet haben die Städte bereits Notmaßnahmen getroffen. Bei längerer Dauer der Aus sperrung sind die Folgen gerade sür die zumeist überlasteten städtischen Haushalte nicht abzniehen. da sich schon die AuS- gaben der Unterstützung in einer Woche in den größeren Städten zu ungeheuren Summen häufen. So wird bekannt, daß gewisse Kreise, Verwaltungen und Kommunen sich bereit gezwungen sahen, zur Deckung der Mehrausgaben höher« Kasscnkrcdite aufzunchmen. Demonstration in Essen — Sieben Polizeibeamte verletzt Reue HM« Emetloiikn des Aetna Rom, 11. November. Nach Meldungen, die am Sonn- abend abend aus Catania eingetrossen sind, hat die AuS- bruchstätigkett des Aetna erneut bedeutend zu genommen. Die Geschwindigkeit, mit der die Lava vorbringt, hat sich wieder gesteigert. Bereits während der Nacht begann das ZerstörungSwerk der Lava an der E i s e n b a h n b r ü ck e. Der Verkehr wird zur zeit mit Dampiern aufrechtcrhalten. Man will versuchen, einen Teil des Verkehrs umznletten, da die Bahnlinie im Westen noch intakt Ist. Nunziata ist erneut bedroht, da die Lava sich vor dem Trümmerhaufen von MaScali ge- staut hat und einen neuen Ausweg sucht. Die Ortschaft Carraba ist endgültig geräumt. Auch Nunziata und Pvggto Bicario sind von den Bewohnern verlassen. Die Lava bildet bereits eine Front von fast 1»09 Meter Breite. Um die Schnelligkeit der Lava leichter berechnen zu können, sind aus ihrem Wege von zehn zu zehn Meter besonders sichtbare Zeichen ausgestellt worden. Während die Lava an der Bahnlinie und an der Hauptstraße ihr ZerstörungSwerk fortsetzt, sind ihr die Station, der Bahnkörper und wette fruchtbare O b st g ä rtcn und Felder bereits zum Opfer gefallen. Carrabba Ist ebenfalls von der Lava erreicht worden. Ter Stadt Gtarre »nd dem Hasen Nicosto sollen hingegen keine Gefahr drohen. Folgenschwerer Mafserrohrbruch Berlin. 11. Nov. Durch einen Wasscrrohrbruch vor Köpe- nikcr Straße ION kurz nach ö Uhr wurde der Bürgersteig in der Breite der HanSsront aufgerisscn und die K e l l e r s r o n t des Hauses eingedrückt. Die Straße wurde weithin überschwemmt und ist mit einer dicken Schicht Sand und Schlamm bedeckt. Ebenso wurde die vor dem Hause befind liche Grube der Ubahn verschlammt. Der dicht bet der Unsall- stclle gelegene Untcrgruudbahnhos Neandcrstraße wurde nicht gefährdet. Intensiver Gasgeruch an der Unsallstelle zeigte an. daß auch ein GaSrokr gebrochen ist. Personen sind nicht zu Schaden gekommen, zumal im Augenblick der Erup- tion die Straße fast menschenleer war. DaS HauS Köpe- niker Straße 100 ist stark gefährdet, so daß eS vollständig ge räumt werden mußte. Die Rettungsmannschaften der Feuerwehr und der Gaswerke konnten sich zunächst nur dar aus beschränken, die GaS- und Wasserleitungen in der Um gegend abzuspcrrcn. Nach drei Stunden ließ der Wasser- zustrom nach, so daß die Feuerwehr gegen 0,80 Uhr mit den Räumungö- und AuSfüllungSarbciten beginnen konnte, die voraussichtlich noch mehrere Stunde» in Anspruch nehmen werden. Der Verkehr ist bis auf weiteres gesperrt. Schwerer Suvunfall bet Frankfurt a. O. Frankfurt a. O„ 11. Nov. In der Station Rosengarten fuhr am Svnntagvormittag eine Rangierlokomotive aus den Triebwagen aus Frankfurt a. O. aus und warf ihn aus dem Gleis. 17 Reisende wurden größtenteils leicht verletzt und konnten, nachdem sic vom Bahnarzt verbunden waren, sämtlich ihre Reise sortsetzen. Gtn chinesischer Vamvfer mit 42 Mann oefunken Peking, 11. November. Im Gelben Fluß ist das chinesische Schiss „Pcn-Kn" mit einer Besatzung von 12 Mann gesunken. Die Ursache dcö Untergangs konnte bisher noch nicht fest- gestellt werden. Moskau und dlr BetruaSMre Listvinot» Sechs Wechselsälschungcn in Paris ausgesuudeu Moskau, 11. November. Wie aus Moskau gemeldet wird, hat die französische Regierung der Svwietbotschaft in Parts von dem Fund der französischen Polizei in der Angelegenheit der gefälschten Somjctwechsel Nachricht gegeben. Sechs Wechsel in Höhe von 25 Millionen Franken, die von Litwinow. dem Bruder dcö Außenkommissars unter schrieben wurden, sind nunmehr in Paris aufgefunben worden. Nach Erklärungen der Polizei sollen noch wettere falsche Wechsel der Berliner Handelsvertretung, die von Litwinow gefälscht sind, im Umlauf sein. In Moskau ist man über diese Angelegenheit sehr empört und erklärt, daß die Sowsetrcgierung sür diese Wechsel nicht haften werde, weil sie eine grobe Fälschung darstelltcn. — Aus Grund der Veröffentlichungen über die Betrugsaffäre hat sich der in dieser Angelegenheit ebenfalls genannte Michael Holz, mann von London aus. wo er angeblich zur Abwicklung großer finanzieller Transaktionen weilt, mit seinem Berliner RechtSbcistand in Verbindung gesetzt und diesem die Er klärung abgegeben, baß er weder in direktem noch indirektem Zusammenhang mit diesem Wcchsclbetrug stehe. Vor dem Rathaus in Essen, in dem das Stadtparlament über die Unterstützung der Ausgesperrten beriet, kam eS t« den Spätnachmittagsstunden des Sonnabends zu einer Demonstration, in deren Verlaus ein Polizeimajor und sechs Beamte durch Sieinwürse verletzt wurden. Vier Personen wurden verhaftet, jedoch handelt es sich hierbei nicht um AuS« gesperrte. Zwei der Verhafteten trugen Notfrontkämpserbunb. kleidung. Die Polizei hatte nur von dem Gummiknüppel Gebrauch gemacht. Sie Redner der ersten ReWtnEnag Der RcichsarbcitSmlnIster wird die Interpellationen beantworten Berlin, 11. November. Für die am Montag im Reichstag beginnende Aussprache über die Aussperrungen in West, deutschland haben die meisten Fraktionen bereits ihre Redner bestimmt. Für die sozialdemokratische Fraktion wird Abg. Brandes, für die deutschnativnale Fraktion Abg. v. Ltndeiner-Wildau. für die Fraktion der Deutschen Volkspartet Abg. Dr. Molden Hauer sprechen. Da» Zentrum hat den Abg. Dr. Stegcrwald als Redner be stimmt. Für die Demokraten spricht Abg. Schneider- Berlin, für die Kommunisten Abg. F l o r i n. Die Redner der Bäurischen Bolköpartci und der Wirtschaftspartet werben erst noch in Frakttonssitzungcn bestimmt. Berlin. 11. November. Amtlich wird mitgeteilt: Da» ReichSkabinctt beschäftigte sich in seiner Sonnabcndsitzuna mit der durch den ArbcttSkamps in der nordwestlichen Eisen- tndustrie geschaffenen Lage. Der Reich SarbeitS« minister wurde beauftragt, die von den Parteien gestellten Interpellationen in der Montagsitzung des Reichstags zu be antworten. Das Kabinett besprach ferner den Stand der deutsch-polnischen Handelsvertragsverhanb- lungcn. Die Beratungen hierüber werden fortgesetzt werden. Sie Kam der Arbeitslosen'iliiterMiiiig DaS ReichSverstcherungsamt soll entscheiden Düffelbors. 11. November. Gestern fand vor dem Spruch« ausschuß des Oberverficherungsamtcs Düsseldorf die Be« rnfungSverhandlung wegen des Streitfalles betreffend Zah» lung von Arbeitslosenunterstützung an die ausgesperrte« Metallarbeiter statt. Der SprnchauSschuh hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage die Sache an den Spruchsenat beim ReichöversicherungS» amt abgegeben. Die Rechtsaussassung des Spruch. ansschusseS geht dahin, daß eine Aussperrung als Kampf- Maßnahme vorliegt und deshalb der 8 01 AB AVG. zur An- Wendung gelangen muß, wonach eine ArbcitSlosenunter« stlitzung nicht gezahlt werden dürfe.