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Wochenblatt für für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden 1884. Nr. 2 Freitag, den 4. Januar Inseratenannahme Montag« ».Donnerstags dir Mittag 1S Uhr. Erschein möckep.lOch 2 Mai DienSlau »ns Freitag. AbsnnementSpreiS vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Ps. Erscheint wöchentlich 8 Mal Dienstag und Freitag AbonnemeniKpreis vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Inseratenannahme Montags u. Donnerstags bi« Mittag 18 Ubr. für dt^ König!. Amtshauptmamlschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht nnd den Stadtrath zu Wilsdruff. Wierun-vierzigster Bahrgang. Tagesgeschicht e. Berlin. Bei dem Neujahrs-Empfang der Generäle (unter Führung des Kronprinzen, Prinz Friedrich Carl und Moltke), sowie der Botschafter, hielt der Kaiser keine Ansprachen und berührte auch in der Unterhaltung nicht die Politik. Unter den zahllosen Berichten über die Unterredung des Kron prinzen mit dem Papst, die in den Zeitungen zu finden waren, scheint uns der jetzt in der N. Z. veröffentlichte der Wahrheit am nächsten zu kommen. Auf die Anredr des Papstes, daß er sich freue, den Sohn eines so erlauchten Vaters und einen ün Kriege und Frie den so bewährten Fürsten bei sich begrüßen zu dürfe», antwortete der Kronprinz: Er sei als Gast Sr. Majestät des Königs von Italien nach Rom gekommen und habe geglaubt, nicht verfehlen zu sollen, Sr. Heiligkeit durch seinen Besuch seine Ehrerbietung auszudrücken. Nach dem der Papst wiederholt seiner Freude darüber Ausdruck gegeben, bewegte sich das Gespräch zuvörderst in allgemeinen Formen; man sprach über die Reise nach Spanien, über den früheren Aufenthalt des Kronprinzen in Italien, über den Aufenthalt des Papstes als Nuntius in Brüssel rc. Endlich fragte der Papst, ob Seine kaiserliche Hoheit ihm keinerlei Eröffnung zu machen habe. Der Kronprinz erwiderte, daß ihm, der lediglich nach Rom gekommen sei, um dem König von Italien zu danken für die zahlreichen Beweise der Gast freundschaft, keinerlei Mission hätte übertragen werden können, um so weniger, als auch diese Reise nach Rom erst vor etwa acht Tagen beschlossen worden und schon durch diese Thatsache ausgeschlossen sei, was Seine Heiligkeit anzudeuten beliebe. Hierauf antwortete der Papst: Er sei Seiner Majestät dem Kaiser aufrichtig dankbar für die Wiedereinsetzung des Bischofs von Limburg, es sei dies ein Akt wohl wollender und entgegenkommender Gesinnung. Der Kronprinz äußerte hierauf, daß er wegen seiner längeren Abwesenheit über die Einzeln- heilen des Falles nicht näher unterrichtet sei. Der Papst fuhr fort, er hoffe und wünsche von Herzen, daß Se. Majestät der Kaiser seine friedliebende und erleuchtete Gesinnung auch durch die Wiedereinsetzung der Oberhirten der Bisthümer Posen und Köln bethätige» werde. In Beantwortung dessen wies der Kronprinz von Neuem darauf hin, daß der Zweck seiner Reise, wie er schon bemerkt habe, jede Mission aus schließe, ferner auf den Umstand, daß er die in Betracht kommenden Einzelheiten in dem Augenblicke nicht völlig beherrsche. Der Papst verließ hieraus die Fragen und besprach nur noch im allgemeinen die zwischen der Kirche und Preußen bestehenden Differenzen; es gehöre zu den heißesten Wünschen seines Lebens, dessen Tage ja gezählt seien, den Frieden hergestellt zu sehen, und er hege die Zuversicht, daß der Besuch des zukünftigen Herrschers nur dazu beitragen könne, seinem Wunsche Erfüllung zu bringen. Der Kronprinz nahm diese Aeuße- rungen dankend entgegen, er wolle dieselben seinem kaiserlichen Vater übermitteln, der ja in allen Fragen ein Fürst des Friedens sei. — Die Unterredung hatte genau 46 Minuten gewährt. Der Kronprinz selbst hat von dem Wesen des Papstes einen angenehmen Eindruck empfangen, er bezeichnet ihn als einen feinen, liebenswürdigen Herrn von anscheinender Gutmüthigkeit und Wohlwollen, mit dem es sich wohl verkehren lasse. Wie lange Zeit hindurch alle Wege nach Rom führten zum Papst, in den 50er und 60er Jahren alle Wege zu Napoleon in Paris, so führen in unserm Jahrzehnt alle Wege nach Berlin, nach Friedrichs ruhe oder Varzin. Kein Staatsmann, Botschafter und großer Poli tiker glaubt, wenn er eine Reise macht, einen Umweg zu machen, wenn er nach Friedrichsruh geht. Dem russischen Minister des Aeußern ist der russische Botschafter Fürst Orloff in Paris fast auf dem Fuße gefolgt. — Deutschland ist das Zünglein in der europäischen Waage, und dieses Zünglein richtet kein Feuer und großes Uebel, sondern nur Frieden an. Immer noch giebt es Deutsche, die sich für fremde Völker und Interessen als Kanonenfutter anwerben lassen. Allein in der Schweiz sollen 200 Deutsche von den Franzoseu Handgeld für den Krieg in Tonkin genommen haben. In Graudenz ist eine jnnge Arbeiterin, die eine Atlasschleife von einem Grabe entwendet hatte, zu 6 Monat Gefängniß vernrtheilt worden. Straßburg, 2. Januar. Die „Elsaß-Lothringische Zeitung" schreibt: „Unter den Vielen Glückwünschen, welche dem Statthalter am Neujahrstage von Nah und Fern zngegangen sind, verdient nachfol gendes Telegramm der Stadt Schleswig wohl besondere Erwähnung, weil es Zeugniß ablegt von den Gesinnungen, welche dort nach einem Zeitraum von 17 Jahren dem ehemaligen Generalgouverneur des Landes noch bewahrt werden, und unter solchen Umständen doch wohl eine über die hergebrachten konventionellen Formen der Höflichkeit hinausragende Bedeutung beanspruchen darf. Das Telegramm lautet: „In dankbarster Verehrung, unwandelbarer Treue und wärmster An hänglichkeit bringen die herzlichsten und ehrerbietigsten Glückwünsche der Magistrat und die Stadtverordneten." Wien. Der hiesigen Nuntiatur ging eine Mittheilnng zu über den Besuch des deutschen Kronprinzen beim Papste, worin hervorge hoben wird, der Kronprinz habe seines erlauchten Vaters und seinen eigenen ernstlichen Wunsch ausgesprochen, allen berechtigten Interessen der Katholiken in Preußen, und so weit dies in die Befugniß der ! Kaisermacht falle, im Reiche Schutz zu gewähren, wogegen er die ! Hoffnung ausgesprochen hätte, daß die preußische Regierung mit dem ! Oberhaupte der katholischen Kirche über diese Interessen ebenso zu ! einer Verständigung gelangen werde, wie diese in anderen Staaten erzielt worden sei. In der Pfarrkirche des Bezirks Favoriten in Wien fand am Sonntag Abend gegen den Jesuiten-Missionsprediger, Redemptoristen Hammerle, während derselbe predigte, eine tumnltuarische Kundgebung statt. Das Zischen, Pfeifen und mehrere gegen die Kanzel gerichtete Steinwürfe riefen unter der in der Kirche versammelten, gegen 3000 Personen zählenden Menschenmenge eine panikartige Bewegung hervor, die durch falschen Feuerlärm gesteigert wurde. In dem entstandenen Gedränge wurden sieben Personen verwundet. Der Exzeß, von etwa 20 jungen meist czechischen Arbeitern veranlaßt, scheint durch den Um stand verursacht worden zu sein, daß Hammerle sich in der letzten Predigt über die Verprassung des Wochenlohnes von Seiten der Ar beiter in Wirthshäusern tadelnd ausgesprochen hat. Nach Beendigung der Kirche versuchten die Ruhestörer, welche riefen: Wir brauchen keine Jesuiten, dieselbe von außen zu sprengen. Bis jetzt sind 4 Arbeiter verhaftet. In Paris wird einer der reichsten indischen Nabobs zum Besuch erwartet. Er hat jährlich 40 Millionen Francs zu verzehren. Seine Familie besteht einschließlich seiner Wenigkeit ans 121 Personen, 13 Frauen und 107 Kindern. Den Zeitungen in Petersburg wurde verboten, über den Mord des Chefs der Geheimpolizei Details zu bringen. Bei der Leiche wurde angeblich ein Brief gefunden, des Inhalts, daß nunmehr die Reihe an den Minister des Innern, Tolstoi und den Stadthauptmann Gresser käme. In dem Hause, worin der Mord verübt wurde, befand sich ein Konventsquartier der Geheimpolizei. lieber die Ermordung des Chefs der russischen Geheimpolizei meldet das „Berl. Tgbl." noch: Die That war das Resultat eines wohlorganisirten Komplotts der Nihilisten, dessen Leiter der frühere Nihilist Pikanew war, der nach seiner Begnadigung auf Vorschlag Schudeikim's unter dem Namen Jablowski in die Dienste der russischen Geheimpolizei trat und die rechte Hand Schudeikim's wurde. Vor 4 Wochen war es Schudeikim gelungen, einem gegen den Kaiser ge planten Anschlag auf die Spur zu kommen, und di'e angebliche Haupt- leiterin, Frau Wolkenstein und andere Mitbetheiligte festzunehmen. Seitdem erhielt Schudeikim, sowie dessen junge Frau häufig Droh briefe und Warnungen. Der verwundete Begleiter Schudeikims war dessen Neffe, der keine Polizeicharge bekleidet. Der Ueberfall fand in der Wohnung Jablowski's statt, der verschwunden ist und eifrig ge sucht wird. Vaterländisches. Wilsdruff. Wir wollen nicht unterlassen, hier noch besonders darauf hinzuweisen, daß nächsten Sonntag nach dem Vormittagsgottes dienste in unserer Kirche eineKollekte für die Heidenmission ge sammelt werden soll. Beim Durchlesen des Flugblattes, das am Neujahrstag an den Kirchthüren vertheilt wurde, findet man, daß, ob wohl schon unendlich viel für die Heidenmission gethan worden i st, doch noch viel, unendlich viel mehr für dieselbe gethan werden muß. — Auf das in heutiger Nummer angekündigte Konzert des ehe maligen Hofschauspielers Herrn Zocher aus Dresden im Hotel Adler machen wir alle Freunde humoristischer Konzerte und solche, die es werden wollen, aufmerksam, bemerkend, daß Herr Zocher uns diesmal zwei neue Kräfte zuführen und ein vielseitiges Programm bieten wird. — Auf den Sächsischen Staatsbahnen kommt in neuerer Zeit ein Frachtartikel, der bisher nur in geringem Maße transportirt wurde, immer mehr zur Geltung. Es ist dies die Zuckerrübe, welche in Preußen einen ansehnlichen Theil der Bahngüter ausmacht und in Oesterreich ebenfalls in größeren Massen zur Beförderung kommt, in Sachsen aber bisher nur wenig erbaut wurde. In der Hauptsache befaßten sich nur diejenigen sächsischen Laudwirthe mit dem Zucker rübenbau, welche an auswärtigen Zuckerfabriken betheiligt waren, und gelaugten demzufolge die erbaute» Rüben zum Export nach dem Aus lande. Nachdem nun aber bei Döbeln eine sächsische Zuckerfabrik ent standen ist und auch in verschiedenen anderen hierzu günstigen Landstrichen Zuckerfabriken projectirt sind, steht zu erwarten, daß der Zuckerrübenbau in Sachsen sehr bald eine bedeutende Stellung einnehmen und den Eisenbahnen den neuen Transportartikel in Massen zujühren wird. Es ist dies auch daraus zu schließen, daß man für die in Ausführung begriffene Bahnlinie Döbeln-Mügeln-Oschatz eine Anzahl Güterwagen speciell zum Zwecke des Transportes von Zucker rüben in Aussicht genommen hat. — Der Brutalität eines jungen Menschen ist in Neustädtel bei Schneeberg ein Menschenleben zum Opfer gefallen. Daselbst starb am 2. Feiertag nach langem, schweren Leiden ein 23 Jabre alter Zimmermann, der vor einigen Wochen Abends auf dem Heimwege von Schneeberg von einem Menschen ohne Grund durch Messerstiche verwundet wurde. Der Thater ist seiner Zeit gefänglich eingezogen worden und sieht seiner Bestrafung entgegen, die in diesem Falle der größten Rohheit nicht empfindlich genug sein kann. — Dieser Tage ist der Co urierz ug Nr. 2 von Plauen nach Hof ohne Passagiere gefahren. Nachdem die 3. Klasse bei diesen