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ilsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ aas Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meitze«, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Raffe«. Äienstag de» 1 Juli 1924 Wilsdruff-Dresden ZK 151 — 83. Jahrgang Postscheck: Dresden 2640 Telegr.-Adr.: »Amtsblatt* Ms »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint täglich nachm. 5 Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in d«r Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 Mk., bei Postbestellung Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend t^ger und Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeit Be- fDuigen entgegen. Im Falle böherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung dir Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur. wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. 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Es ist ein ganzes Programm, vor allem aWrlich ein finanzielles Programm, das Graf Kanitz vor- lezte. Freilich konnte er über die brennendste Frage, näm- lih die Kredit not der Landwirtschaft, keine Zusicherung gebe», die der Landwirtschaft nun eine wirkliche Hilfe ver spricht, denn dis Neichsbank habe schon über den üblichen Rühmen hinaus Kredite gegeben. Man hoffe aber, daß man die Rentenbank zu einem landwirtschaftlichen Kredit- iWtut umbilden und als solches nutzbar machen könne, da sie ja nach Unterschrift unter das Sachverständigengutachten q,s ihrer Stellung als Währnngsbank ausscheidet. Vielleicht Hnns man darüber hinaus auch die öffentlichen Versiche rungsanstalten zur Anlage ihrer Gelder in landwirtschaft- kchcn Hypotheken veranlassen. Außerdem diskontiere die Deichs bank wie im Frieden, die kurzfristigen kmdZvirtfchast- ljchen Warenwechsel. Wegen der Finanzierung derdiesjährigenErnte biete sich die Möglichkeit, noch einmal Mittel der Reichsbank pU Verfügung zu stellen: vor allem aber müsse man hier für nach Annahme des Sachverständigengutachtens auslän dische Kredite erhoffen. Die dringendste Forderung der Landwirtschaft wendet sih gegen den Steuerdruck. Der Landwirt hat in der HMptsache nur einmal im Jahr die Einnahmen aus dem sirtrag seines Betriebes, muß aber fortgesetzt Steuern zah- M, also auch in einer Zeit, wo er keine Einnahmen hat. Die "v-m NeichZliandbund vorgeschlagene generelle Stundung der Auern wird vom Grafen Kanitz abgelehnt, dagegen die Sundung der Erbschaftssteuer bis zum Herbst zugestanden. Ebenso auf Antrag die Einkommensteuervorauszahlungen u-d dft Vermögenssteuer. Ebenso soll dem deutschirationalen Wtrag auf Berichtigung des Wehrbeitrages stattgegeben werden, was zweifellos eine nicht unerhebliche Senkung des ursprünglichen Betrages herbeisühren würde. Weiter be- schrftigte sich die Erklärung der Regierung mit der Preis spanne zwischen dem Erzeuger- und Lem Ladenpreis. Bekanntlich bekonrutt der Landwirt zwar nur dreiviertel des Friedenspreises; der Konsument muß aber einen Preis bezahlen- der überdem Friedenspreis steht. Andererseits find die Preise für die landwirtschaft lichen Produktionsmittel, also die Maschinen, Kohlen usw. erheblich über den Friedenspreis gestiegen. Die Regierung verspricht sich eine starke Preisfenkimg für diese Jndustrie- erzeugnisse von der Unterschrift unter das Sachverständigem gutachten und der Ausschaltung der Micumverträge. über Lie dringend notwendige Herabsetzung der Gütertarife für landwirtschaftliche Produkte hat der Minister allerdings keine bestimmte Zusage gemacht; nur für Gegenden, die unter Naturereignissen gelitten haben, sollen sie gewahrt werden. Dem Weinbau, der unter denBefetzungsverhältnifserr und der Abschnürung von dem unbesetzten Deutschland, vor allem aber durch die zollfreie Konkurrenz namentlich der elsässischen außerordentlich leidet, kann naturgemäß erst geholfen s^Wden, wenn sich die Verhältnisse im Westen staatsrechtlich haben. Graf Kanitz ging ferner auf die allgemeine Handels- Nnd Wirtschaftspolitik der Regierung hinsichtlich der land wirtschaftlichen Erzeugung ein. Daß die Preise für dir landwirtschaftlichen Erzeugnisse jetzt ganz allgemein weit unter dem Friedensniveau von 1913 stehen, bringe die Gefahr mit sich, daß besonders in Deutschland die Land wirtschaft zu einer extensiven Kultur übergeht, um Pro duktionskosten zu sparen. Der Ernährungsminister kündigt nun Gesetzentwürfe an, die der Landwirtschaft einen ihre Existenz gewährleistenden Ertrag der bevorstehenden Herbstbeftelllmgsarbeiteu bringen sollen, um der weiteren Extensivierung der landwirtschaftlichen Betriebe entgegen zuwirken und die Landwirtschaft zu schützen. Eine stabile Preisgestaltung, die gleichzeitig auch dem Landwirt die Existenz und die Aufrechterhaltung des Betriebes er möglicht, liege auch im Interesse der Verbraucherschaft, und darum müsse der Preisunterschied zwischen den ausländi schen und inländischen Produkten ausgeglichen werden. Wir stehen dicht vor der Ernte, und mit den angekün digten Gesetzentwürfen darf nicht mehr lange gezögert werden, wenn der Landwirt für seine Ernte in den Genuß der angekündigten Sanierung treten soll. Mckrkehr ckrr Ausgewiesenen Aufhebung der Strafen angekündigt. Fast allen ausgewiesenen Deutschen im Rhein- «US Ruhrgebiet seit Januar 1923 ist durch die letzten Verfügun gen der französischen Besatzungsbehörde die Rückkehr in die Heimat gestattet worden. 60 bis 70 ausgewiesene Personen sind ; allerdings von der Erlaubnis zur Rückkehr noch ausge nommen worden. General Degoutte hat aus Anordnung der französischen Regierung die Verfügung erlassen, den um die Rückkehr aus dem Ruhrgebiet und dein Düsseldorfer Brückenkopf Ausge wiesenen zu ermöglichen. Dreier Beschluß ist dem Regie- MWM M W M« Kmsmuz MMi? Deutschland soll Mithilfen. (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes".) London, 30. Ium. Der stets gut unterrichtete Korre spondent des Observer bestätigt, daß zu der am 16. Juli in Lon don stattfindenden Konferenz auch deutsche Vertreter zugezogen werden sollen, nicht um wieder ein Diktat wie in Versailles zu erhalten, sondern um an der Frage mitzuhelfen. Russisch-englische Differenzen. London, 30. Juni. In unterrichteten Kreisen verlautet, daß die Forderungen der Besitzer von Vvrkriegsschulden der Zarenregierung große Schwierigkeiten für eine Fortsetzung der englisch-russischen Verhandlungen bilden. Die Ausschüsse, welche die Interessen dieser Gläubiger vertreten haben, halten daran fest, daß die englische Regierung den vollen Nennwert dieser Schulden im Betrage von 60 Millionen Pfund Sterling an erkennen und den Zinsdienst wieder aufnehmen muß. Da die City erklärt, daß sie sich in Verhandlungen mit Rußland erst einlassen will, wenn die Frage der Borkriegsschulden geregelt sei, ist dadurch der ganze Komplex der Verhandlungen in Frage gestellt. Volksentscheid über Amerikas Eiutritt iu den Völkerbund (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes".) Neuyork, 30. Juni. Der Konvent der demokratischen Partei nahm nach einer Nachffitzung, die bis in die Morgen- WUÜM IW»« rmigspraliveuton von Düsseldorf mitgeteklt worden. Außer- dem sind Maßnahme« zur Aufhebung von Strafen getroffen worden, die über am passiven Widerstand Beteiligte verhängt wurden. Die Prozesse der nach allgemeinem Strafrecht Ver urteilten sollen «achgeprüft werden, um Begnadigungen zu ermöglichen. Unter den Beamten, denen die Rückkehr nicht gestattet wird, befindet sich der sozialistische Regierungspräsident von Düsseldorf, Grützner, der Landrat von Essen, Schöne, Der Chef der Polizei in Düsseldorf, Oberegierungsrat Axle, der Poftzeichef von Essen, Niedermeyer. Die in großer Zahl auK- gewiesenen Polizeibeamten dürfen zurückkehren. Bemerkens wert ist, daß mit der Aufhebung Der Ausweisung der Be amten noch nicht ihre Zulassung zu Len Ämtern, die sie vor her irmegehabt haben, ausgesprochen ist. Es ist Dazu noch eine besondere Erlaubnis notwendig. Nicht gelöst ist ferner die Unterkunftsfrage, Da die beschlagnahmten Wohmmgen der Ausgewiesenen noch nicht frei-gegeben find. fiegvaaigmige» au» vsu ärmschrr Seite Ans Anlaß der zugunsten der Ruhrgcfangcn und Ausge wiesenen vom französisstM Ministerpräsidenten getroffenen Maß nahmen ist frrmzösifchcrfeits angeregt worden, Mr weiterest Befriedung der besetzten Gebiete auch diejenigen Deutschen zu begnadigen, die während des Ruhrlsmpfts den französischen Behörden mittelbar oder unmittelbar Hilfe geleistet oder sich der Anwendung der Verordnungen der Interalliierten Rheinlandlommission oder den Anweisungen der Militärbehör den nicht widersetzt haben. Der Reichspräsident hat sich daraufhin entschlossen, die Begnadigung derjenigen Deutschen in Aussicht zu stellen, die sich gegen die vom Reichspräsidenten ans Anlaß des Ruhr- kampfcs erlassenen Verordnungen vergangen haben, soweit sie sich nicht des Hoch- oder Landesverrats schuldig ge macht haben. Soweit das Gnadenrecht den Ländern zuficht, wer den entsprechende Gnadenmaßnahmen seitens der beteiligten Länderregirruusen, insbesondere Bayerns und Preußens, vor- bereitet. Kbeinisnck Mr «las SutaMen. In Der Schlußsitzung Des Rheinischen ProvinzkallanD- tages verlas Abgeordneter Freiherr von Loe vom Zentrum im Namen aller Fraktionen mit Ausnahme der Kommunisten eine Entschließung, die besagt, der Provinzial- landtag sehe die einzige Möglichkeit für eine sozial-gerechte Verteilung der durch die Besetzung geschaffenen Lasten da durch, daß die ans Der Grundlage Des Sachvsrfläu- di gengutachtens von der Reichsregierung etngeleite- teu Verhandlungen und Maßnahmen mit möglichster Be schleunigung hurchgeführtwerden. Er erwartet von diesen Verhandlungen neben der dringend notwendigen wirtschaftlichen Erleichterung die Räumung Des über die Bestimmungen des Friedensvertrages hinaus besetzten deut schen Gebietes, dis Innehaltung der im Vertrag festgesetzten Räumungsfristen für das besetzte Gebiet, die Wiederausrich tung der deutschen Staatshoheit, die Freilassung der politi schen Gefangenen, .die Rückkehr aller Ausgewiesenen und die Wiedereinsetzung der ausgewiesenen Beamten in ihre Ämter." In feiner Schlußrede betonte Präsident Reichsminister Dr. Jarres, daß über die Lebensfrage des rheinischen Volkes im Verlaufe der Tagung eine Einmütigkeit geherrscht habe, die mit Freude und Genugtuung erfüllen müsse. i stunden dauerte, das Programm an, daß der Mehrheit des Re- ! solutionskomitees vorgelegen hatte. Das Programm schreibt vor, r daß die Frage, ob die Vereinigten Staaten in den Völkerbund j eintreten sollen, einem Volksentscheid unterworfen wird. Ein verheerender Wirbelsturm. (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes") Paris, 30. Juni. Nach einer Havasmeldung aus Cleve- ? land ist die Stadt Loran von einem Wirbelsturm heimgesucht worden. 300 Personen sollen getötet und 1500 verwundet sein. Ein Augenzeuge, der aus Loran eingetroffen wäre, behauptet, die Stadt sei völlig zerstört. Infolge Unterbrechung der Tele graph- und der Telephon-Verbindungen war es unmöglich, eine Bestätigung dieser Nachricht zu erlangen. Der Bürger meister von Sandaski hat die Behörden von Kolumbia dringend um Zuweisung von Truppen gebeten und erklärt, die Stadt liege in Trümmern. Nach späteren Nachrichten, die offiziell noch nicht bestätigt sind, soll die Zahl der Opfer in Loran ungefähr 100 betragen. London, 30. Juni. Nach einer Reutermeldung aus l Cleveland sind dem Orkan, der die Stadt Loran heimfuchte, fünfzig Personen zum Opfer gefallen. 118 Personen wurden verwundet. In Ladusly sind sechs Personen im Sturme umge- kommen. Der Bürgermeister berichtet, daß 7000 Personen in Loran obdachlos sind. Nur zwei Gebäude in der Stadt sind unversehrt. Die Behörden haben über die vom Sturme heim gesuchten Gegend den Belagerungszustand verhängt, um Pliin* ! derungen vorzubeugen. WchrtsgMMMeii in SbeiMeskn. Sechs Mandate ungültig. Das Wahlprüfungsgericht des Reichstages hat be schlossen, daß die Wahlen im Reichswahlkreis 9 (Oppeln) für ungültig erklärt werden. Es müssen Neuwahlen statt- sinven, da es sich nicht sestftellen läßt, welches Vas Er gebnis der Wahlen gewesen sein würde, wenn sie ord nungsmäßig vonstatten gegangen wären. Die Nachprüfung hat ergeben, daß die Zurückweisung des Wuhtvorschlages, der seitens der Wnrtschäftspartei des deutschen Mittel standes im Kreise Oppeln eingereicht worden war, nicht hätte erfolgen dürfen. Durch dieses Urteil gehen die bisherigen Abgeordneten des Wahlkreises 9 ihrer Mandate verlustig. Es sind die Mgg. Wolf (Dnt.), Ulitzla, Ehrhardt und Zip- pert (Zentr.), Jaasch und Jendrich (Komm.). gsvsrikAsr MlMerpi'Wckent Das neue Kabinett. Freitag wurde endlich nach den laugen Wirrungen «uv Hemmungen der letzte« Wochen im bayerischen Landtag scr neue Ministerpräsident gewählt und damit gleichzeitig daS Kabinett konstituiert. Von 107 anwesenden Abgeordnete« gaben 68 ihre Stimmen für den Kbg. Held als Minister präsident ab. In den letzten Tagen war das Zustandekommen der Negierung wieder stark gefährdet worden durch den Dr. Held, rungsprogramm entwickeln. Meinungszwist zwischen Deutschnationalen und Bayerischer VolksparLet. Schließlich wurden die Differenzen aber beigelegt. In der entscheidenden Ab- stimmung stimmten für Held Die Bayerische Volks- Partei, die Deutschnationale und Deutsche Volkspartei, der Bauernbund und das Zentrum sowie der Abge ordnete Krakowil. Die De mokraten und Sozialdemo kraten gaben weiße Zettel ab. Der neue Ministerpräsi dent wird nächsten Mitt woch das neugebildete Ka binett dem Landtag vor stellen und das Regie- Er begibt sich sodann zur Teilnahme an der Ministerprästdentenbesprechung nach Berlin. Held gehört der Bayerischen Volkspartei (baye risches Zentrum) an. Das endgültige Kabinett dürfte sich wie folgt zusammensetzen: Dr. Held, Ministerpräsident und Minister des Äußern; Dr. Stützel, Innenminister, Dr. Matt, Kultusminister, Gürtner, Justizminister, Dr. Krausneck, Finanzmitzister, Dr. v. Meinel, Handelsminister, König bauer, Sozialminister und Dr. Fehr. Landwirtschaftsminister.