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Wochenblatt für für Wilsdruff, Tharandt, siir die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dreiun-vierzigster Jahrgang. Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag AbonnemenlSprei» vierteljährlich 1 Mar Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstag« bi- Mittag 12 «hr. Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. rschcini möchentlick 2 Ma! Dienstag und Freitag. 'Lbvnnemcuts»rcit> vierteljährlich 1 Mari. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pj. Jnseratenannahmc Montags u. Donnerstags viS Mittag 12 Uhr. Nr. 93 Dienstag, den 20. November 1883. Bekanntmachung. Im Anschlusse an die wegen der Wahl von BezirkstagSabgeor-neten aus den Höchstbesteueeten von unterzeichneter Kö niglicher Amtshauptmannschast unterm 25. vorigen Monats erlassene Bekanntmachung wird noch zur Kenntniß der Betheiligten gebracht, daß in Folge des am 15. dieses Monats erfolgten Ablebens des Herrn Gutsbesitzer Klopfer in Schänitz, als Vertreters der Höchstbesteuerten bei der Bezirksversammlung, bei der am 8. Dezember dieses Jahres Vormittags 10 Uhr im Gasthofe zur Sonne hier stattfindenden Ergänzungswahl nicht sieben, sondern acht Abgeordnete von den Höchstbesteuerten zu wählen sind. Meißen, den 16. November 1883. Königliche Amtshauptmannschaft. v. Bosse. Bekanntmachung, Durchschnittspreise für Marschfourage betr. Von der Königlichen Kreishauptmannschaft Dresden sind die Durchschnittspreise für Marschfourage in dem Hauptmarktorte des hie sigen Bezirks, der Stadt Meißen, auf den Monat September dss. Jrs. folgendermaßen festgestellt worden: 7 M. 16 Pf. für 50 Kilo Hafer, 4 - 53 - - 50 - Heu, 2 - 33 - - 50 - Stroh, Königliche Amtshauptmannschast Meißen, am 15. November 1883. v. Bosse. Bekanntmachung. Dem Vernehmen nach ist aus dem, der hiesigen Stadtgemeinde gehörigen, an der Struth gelegenen Holze unbefugterweise Streu ge recht und weggenommen worden. Da hierbei die Pflanzungen beschädigt worden sind, machen wir hiermit bekannt, daß wir das fernere Einheimsen von Streu aus gedachtem Holze auf Grund von Art. 1 des Forststrafgesetzes vom 30. April 1873, nach welchem jenes Vergehen mit 2 Tagen bis 3 Wochen Gefängniß bestraft wird, eventuell aber auf Grund des R.-St.-G.-B. ahnen lassen werden. Wilsdruff, am 19. November 1883. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Tagesgeschichte. Berlin, 17. November. Der Kronprinz ist mit großem Ge folge heute Vormittag auf der Anhalter Bahn nach Genua abgereist. Im Hafen von Genua liegen die deutschen Kriegsdampfer zur Fahrt nach Spanien schon einige Tage bereit, die Landung wird, wie nun mehr bestimmt mitgetheilt werden kann, in Valencia und nicht in Barcelona stattfinden. Die spanische Regierung hat nämlich an daS hiesige auswärtige Amt darauf hingewiesen, daß zwar in Barcelona von der schwachen französischen Kolonie und überhaupt von den Fran zosen nichts zu fürchten sei, daß aber in Barcelona das sozialistische Element stark vertreten sei, und daß auch der geringste Mißton beim Empfange des deutschen Kronprinzen sie, die spanische Regierung, peinlich berühren würde. Sie könne aber in Valencia einen unge störten würdigen Empfang verbürgen und bäte darum das auswärtige Amt, die Aufmerksamkeit des hohen Reisenden auf Valencia als Lan dungsort zn richten. Der hiesige Hof hat diesem Rathschlage Folge geleistet und sich für Valencia als Landungsort entschieden. Eine Anzahl von Blättern beschäftigt sich bereits mit der Mög lichkeit einer Auflösung des Reichstags im Laufe der nächsten Wintersession. In Regieruugskreisen haben diese Kombinationen nach der „Köln. Ztg." Befremden erregt. „Zunächst läßt sich noch gar nicht absehen, wie sich der Reichstag zu den sozialpolitischen Vorlagen stellen wird, und noch unverständlicher ist es, wenn man schon jetzt von einer etwaigen Zurückweisung der Forderungen der Militär- und Marineverwaltung spricht. Diese Forderungen sind nicht nur noch gänzlich unbekannt, sondern es ist sogar noch zweifelhaft, ob sie über haupt erscheinen werden. Wegen einer etwaigen Ablehnung der sozial politischen Vorlagen wird man nicht zu einer Auflösung schreiten; Forderungen aber, welche die Regierung als zur Reichsvertheidigung unerläßlich nachweist, hat noch kein Reichstag zurückgewiesen, und der jetzige wird es schwerlich thun wollen. Der Reichstag steht vor der letzten Session der gegenwärtigen Legislaturperiode; nach der Stimmung in Regierungskreffen und angesichts der Pläne für die Gesetzgebung ist es nicht anzunehmen, daß Auflösungsabsichten bestehen könnten." Dem Besuche des Prinzen Heinrich von Preußen in Brasi lien widmet das amtliche Blatt des Kaiserreichs unter dem 15. Okib. einen für den Prinzen, die Hohenzollern und das deutsche Volk überaus günstig gehaltenen Bearüßungsartikel, dem wir nach der „Nordd. Allg. Ztg." die folgende Stelle entnehmen: „Im Hinblick auf die ausgezeich neten Beziehungen, die seit langer Zeit zwischen Brasilien und Deutsch land bestehen, im Hinblick auf die Interessengemeinschaft der beiden Länder, von denen dieses gern die kräftigen Arme anfnimmt, die ihm das andere sendet, während jenes die Märkte Brasiliens für den Ab satz seiner industriellen Erzeugnisse nöthig braucht und findet; im Hin blick endlich auf die Freundschaft, welche die beiden Herrscherfamilien mit einander verbindet, ist es eine glückliche Fügung, daß Brasilien, wenn auch nur für kurze Zeit, die Ehrenpflicht der Gastfreundschaft einem jungen Fürsten gegenüber erweisen kann, dem Enkel des mäch tigen Kaisers, dem es vergönnt gewesen, an seinem Lebensabend dem : sehnsuchtvollsten Verlangen der deutschen Nation, von deren Gesinnungs- ! adel und Thatkraft er eine lebendige Verkörperung ist, Befriedigung j zu gewähren." An der Spitze ihres Blattes bringt die „Nordd. Allg. Z." folgen den Artikel gegen Frankreich, der für die Stimmung der deut- i scheu offiziösen Kreise bezeichnend ist: Dir französischen Blätter haben sich seit Jahren die Aufgabe gestellt, unermüdlich nach neuem Material ! zu suchen, um dem Deutschenhaß in Frankreich frische Nahrung zuzu- i führen. Nachdem die alten Unwahrheiten von deutschen Grausamkeiten i während des Krieges nicht mehr Anklang fanden, so daß sogar die i von einem „Augenzeugen" mit vielen dramatischen Details erzählte Niederäscherung des Palastes von St. Cloud in Frankreich selbst für unwahr erkannt wurde, nachdem auch die „deutschen Spione" die als Kellner, Photographen, Handlungskommis rc. ihr Wesen treiben sollten, sich einer nach dem andern als Gebilde bösartiger Einbildungskraft entpuppt hatten, versuchen es die chauvinistischen Zeitungen jetzt mit einem Aufruf an die in der ganzen Welt und auch in Frankreich stark grassirende Sucht nach Geldgewinn, indem sie Deutschland für den wirthschaftlichen Rückgang verantwortlich machen, über den die fran zösische Industrie seit Jahr und Tag Klagen erhebt. Daß dies gläu bige Ohren findet, ist nicht zu verwundern. Die großen Massen sind immer gern bereit, Anderen die Schuld für die von ihnen selbst be gangenen Fehler aufzubürden; aber mit der sonst mit Recht gerühmten politischen Intelligenz der Franzosen ist es kaum in Einklang zu brin- ; gen, daß sie es nicht empfinden, wie sie ihr wirthschaftliches Leben i durch ihre eigene Presse und die fortwährenden Kriegshetzereien ruiniren. : In jenem Lande, welches ununterbrochen in der Sorge vor einem demnächst ausbrechenden Kriege sich befindet, geht das Vertrauen auf den Kredit und die Lust zu Unternehmungen nothwendig verloren. Frankreichs wirthschaftliches Leben wird durch die französische Hetz presse zerstört. Diese ist es, welche die ganze Bevölkerung in steter Sorge für einen nahe bevorstehenden Krieg erhält und dadurch alles Erforderliche leistet, um jedes Geschäft und jedes Unternehmen in Frankreich lahm zu legen. Die englische Hauptstadt beherbergte in voriger Woche einen vielgehaßten und vielgeschmähten Mann in ihren Mauern, den Ber liner Hofprediger Stöcker. Herr Stöcker war eigens nach London gekommen, um einen Vortrag über Luther zu halten, aber schon die Vorgeschichte dieses Besuches ließ ahnen, daß derselbe nicht glatt ver laufen würde. In der That ist es am Mittwoch bei dem Vortrage Stöckers, welchen derselbe in Memorial Hall City über Luther hielt zu stürmischen Scenen gekommen. Schon die Aeußerungen des Red ners über die Weigerung des Lord-Mayors, ihm, Stöcker, das Rath- haus zu seinem Vortrage zur Verfügung zu stellen, stießen auf ener gischen Widerspruch und derselbe wuchs noch, als der Redner Luther in Beziehung zu dem christlichen Sozialismus brachte. In der Ver sammlung war das sozialdemokratische Element stark vertreten, von welchem die Opposition wohl auch hauptsächlich ausging, und erreichte dieselbe einen solchen Höhepunkt, daß Herr Stöcker seinen Vortrag stark abkürzen mußte und die Versammlung in ziemlich stürmischer Weise auseinander ging.