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Nr. 2V7. Neunter Jahrg. Erscheint: Täglich stütz 7 lltzk. Asserate . werden angenommen; bi« »dendsv, Sonn tag« dis Mittag» 12 Uhr: Marienstraße 18. 1 Sonntag. 23. VetVr. 1884. Monnement: Vierteljährlich 20 Ngr. bei unentgcldlichcr Lie ferung in'« Hau«. Durch die König!. Post vierteljährlich 22 Ngr. Einzelne Nummern 1 Ngr. Anzeig, in dies. Blatte, da« jetzt in 1VVVO Exemplaren erscheint, finden eine erfolgreiche Verbreitung. Tageblatt für Unterhaltung und Mitredacteur: Theodor Drobisch. Dnseralenpreise: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: t Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile L Ngr. Druck und Eigenthum der Herausgeber: Mkpsch 8k Nkichardt. — Verantwortlicher Redacteur: ÄUllUS Neichardt. Dresden, den 23. Oktober. — Se. König!. Majestät hat dem Gutsbesitzer Johann Christoph Mayer zu Neukirch. bei Königsbrück in Anerkennung seiner langjährigen verdienstlichen Wirksamkeit in verschiedenen öffentlichen Functionen die zum Verdienstorden gehörige gol dene Medaille, ferner dem ordentlichen Professor der Geschichte an der Universität zu Leipzig und Senior der philosophischen Facultät das., « r. Wilhelm Wachsmuth, das Prädikat eines Geheimen Hofraths in der dritten Klasse der Hofrangordnung taxfrei verliehen und den Rittergutsbesitzer Friedrich Wilhelm Oehmichen auf Choren zum Friedensrichter im Amtsbezirke Nossen ernannt. ' — r. Aus Weimar sind uns über die Generalversamm lung der Schillerstiftung sehr bettübende Nachrichten zu gegangen. Der Einfluß des mit 13 gegen 9 Stimmen zum Vorsitzenden gewählten diplomatisch gewandten Dingelstedt — so schreibt man uns — sei bei der mangelhaften Zusammen setzung der Versammlung schwer zu bekämpfen, und voraus sichtlich werde der von uns gefürchtete Nechtsbruch, die Wieder wahl Weimars zum Vorort und die Umstoßung der Satzun gen, sich trotz des Widerspruchs geachteter Männer, die noch für Vernunft und Recht eintreten, vollenden. Den Ueber- gang dazu hat schon die Aufhebung der statutarischen Be stimmung, welche den 5 jährigen Wechsel des Vororts vor schreibt, gebahnt. Dingelstedt, so schreibt man uns, ist gewandt und despotisch, und hat eine ganze Schaar, die ihn unter stützt, auf seiner Seite, sich gegenüber nur wenige Entschlossene, mehr Unklare. Er läßt (auf Kosten der Stiftung ?) eine metallographische Berichterstattung durch den Weimar'- schen Hofrath und Ritter des Falkenordens Gottschall an die Zeitungen und Zweigstiftungen ausgehen. Für Amüsemm ist von ihm herrlich gesorgt. Sonntag Mittag», gm Tage vor dem Zusammentretrn der Versammlung, speiste der Verwal- tungsrath beim Großherzog, Abends ttactirte Dingelstedt die im Gasthose „zum Erbprinzen" sich einfindenden Abgeordneten mit Champagner. Montags Diner sämmtlicher Mitglieder beim Großherzog. Dienstags einige Ausgewählte (unter ihnen Hein rich Brockhaus) wiederum zur großherzoglichen Tafel gezogen. Dazu zwei Festvorstellungen im Theater (Shakespeares Hein rich VI. erster und zweiter Theil) und einmal Concert mit freiem Entree. Gearbeitet wurde bis Dienstag Abend nicht viel. Der Montag Vormittag verstrich über Prüfung der Vollmachten, den Nachmittag füllte der kurze Rechenschaftsbe richt des Kassierers Voigt und die sehr lange Rede Dingel- stedt's aus, die mit der Mahnung schloß, den Vorort vor Verläumdungen zu schützen! Dabei wurde weidlich ge scholten auf die kleinen Blätter, insonderheit die Dresdner! Man tröstete sich, indem man verächtlich bemerkte, alle gro ßen Blätter ständen ja doch auf Seiten des Verwaltungs raths, der seine Stellung zu hoch erachte, um auf Angriffe zu antworten. Angedeutet wurde, alle Angriffe rührten aus einem Tintensasse her, womit Herr vr Gutzkow gemeint zu sein schien. Am Dienstag wurde die schon in den Zweigstif tungen zur Genüge durchgesprochene und meist angenommene Oeffentlichkeit der Unterstützungen beschlossen. Alle mißfälli gen Anträge wies man von der Hand oder schob sie einfach zurück. So besonders den Antrag der Mannheimer Stiftung: die Wahl des neuen Vororts vor der Berathung über die Satzungen vorzunehmm. Herr Dingelstedt brachte diesen An trag gar nicht zur Verhandlung und der Mannheimer Abge ordnete schwieg leider dazu. Die Anhänger des Vororts sagten hinterher im Gespräche entrüstet: „so lassen wir uns nicht abfangen!" — Nicht viel besser erging es bis jetzt dem Anträge der Nürnberger Zweigstiftung auf Vorlegung einer Liste mit den Namen aller derjenigen Schriftsteller, deren Unterstützungsgesuche abgewiesen wurden. Dieser Antrag wurde zwar mitgetheilt, aber die Liste ist (wenigstens bis Dienstag Abends) nicht zum Vorschein gekommen. In den Verhandlungen ließ man die Aeuherung fallen: „wir sind souverain." Ein Anderer verstieg sich bis zu der Behauptung: „wir sind denen, die außerhalb der Stiftung stehen, (Wer ist das? die Nicht-Unterstützten?) keine Rechenschaft schuldig." Ein Aus fall des Ur. Braunfels aus Frankfurt a. M. gegen die Leip ziger Abgeordneten (vr. Wuttke und Möbius) schien darauf berechnet, zu schroffen, unvorsichtigen Aeußerungen zu reizen, verfehlte aber seinen Zweck. — Es ist ganz ernstlich im Werke, erst die Statuten zu ändern, dann Weimar wieder zum Vorort zu wählen. Darauf hin arbeitet man, geheim wie öffentlich, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln! Die deutsche Schillcrstiftung ist Corporationseigenthum der Herren Braunfels und Genossen geworden. Gewiß ein glorreicher Einfall! Obwohl Braunfels von Frankfurt die bestimmteste Weisung hat, das statutenwidrige Verbleiben in Weimar nicht zuzulassen, wirkt er doch, als Ritter des Falken, mit aller Kraft für Weimar. Soweit reicht die Mittheilung unseres Correspondenten aus Weimar, die wir erst heute Abdrucken konnten. Die neuesten Nachrichten der D. A. Zeitung rechtfertigen seine Besorgnisse vollständig. „Bei der schließlichen Wahl des Vororts (schreibt diese Zeitung) wurde nach dreimaligem Wahlkampfe Weimar(!) mit 10 Stimmen, gegen Frankfurt mit 9 und Dresden mit 1 Stimme, abermals zum Vororte der Schillerstif tung gewählt. Professor Wuttke protestirt gegen die Wieder wahl Weimars und verläßt vor dem dritten Wahlgange, als die Versammlung nicht durch Anhören einer Erklärung der Leipziger Zweigstiftung den Wahlact unterbrechen will, den Saal. Professor Haase (Breslau) und die andern Unterzeich ner des Protestes (ob die Dresdener vr. Hertel und Ad- vocat Arnest darunter waren, wird uns nicht gemeldet) schließen sich von den weiteren Wahlen aus, indem sie die Wiederwahl Weimars für ungültig erklären." Schon vorher hatten die Abgeordneten von Darmstadt. Breslau, Leipzig, Offenbach, Mainz, Nürnberg (also nicht die von Dresden!) gegen die Abstimmung über die revidirten Satzungen, die wegen ver späteter Vorlage nicht einmal in den Zweigstiftungen vorher zur Berathung gekommen waren, vergebens Protest erhoben. Diese neuen Satzungen bedrohen, wie wir befürchtet halten, den rechtlichen Bestand der Stiftung durch eine Aenderung ihres Zweckes. Während tz 1 der Satzungen den Zweck da hin bestimmte: verdienstvolle Dichter in Fällen über sie verhängter schwerer Lebenssorge zu unterstützen, so sollen jetzt nach dem Beschluß der Generalversammlung die Ga ben der Stiftung nur: „insbesondere in Fällen über sie verhängter schwerer Lebenssorge" gewährt werden. Also un ter andern möglichen Fällen just zufällig auch dieser eine! Welches sind nun die andern Fälle? Müssen es Fälle wirk licher Hülfsbedürftigkeit sein? Das wird künftig ganz von dem Gutdünken und Belieben der Herren Braunfels und Ge nossen abhängen. Man nehme einmal an, daß die Gesetze ähnlich bestimnkM tödlften, ein Dieb ist man, insbe sondere wenn man stiehlt, oder: als ein Todtschläger wird man gestraft, insbesondere Otzin das Strafgesetz es gebie tet. Das Recht schlägt man todt, insbesondere wenn das Recht den Herren Braunfels und Genossen nicht bequem ist! Durch diesen offenen Rechtsbruch, der den Zweck der Stiftung alterirt, will man aber die illegalen Zuwendungen an Auer bach und Andere hinterdrein legal machen. Die Generalver sammlung hat damit, daß sie sich auf eine Abänderung der Statuten einließ, .ihre Stellung gänzlich verkannt. Sie hatte die Stiftung treu und gewissenhaft zu verwalten; nicht durfte sie die Satzungen, welche die Verwaltung regeln, am aller wenigsten aber den Stistungszweck antasten. Sicherlich wer den die Regierungen, sicherlich wird das Königlich Sächsische Ministerium des Cultus für die reich dotirte Dresdener Stif tung solchem kecken Rechtsbruch die erforderliche Zustimmung versagen! — — Der rühmlichst bekannte blinde Pianist Herr Max Funger veranstaltet nächsten Montag ein Conzert im Hotel de Saxe, das sehr interessant zu werden verspricht und ver weisen wir deshalb auf den Jnseraten-Theil unsers heutigen Blattes. — Ueber das beklagenswerthe Ereigniß in Glogau giebt die „Schl. Z." die nachstehende, ihr aus glaubwürdiger Quelle kommende Darstellung, welche die Verschuldung der Betheiligten nur als eine Verirrung jugendlichen Leichtsinns, keineswegs aber als das entwürdigende Verbrechen erkennen läßt, als welches dasselbe nach den bisher bekannt gewordenen, durch den Schein so sehr unterstützten Umständen und An zeichen betrachtet werden mußte: Fräulein Agnes Sander und Fräulein D. waren mit den Jngenirrleutnants Krause und v. Richthofen im Verlaufe der Sommermonate in einem Dorfe unweit Glogau, wo die Familien der Damen ihren Sommer aufenthalt genommen halten, näher bekannt geworden. Als die Familien in die Stadt zurückgekehrt waren, beschloß man den angenehmen Umgang fortzusctzen, und die beiden jungen Damen nahmen sogar die Einladung der Offiziere an, sie einmal zu besuchen. Sie kamen am 5. Oktober Abends vor 7 Uhr in die Wohnung des Leutnants Krause, wo sie von beiden Offizieren erwartet wurden. Diese hatten den Damen versprochen, sie um halb 9 Uhr wieder nach Hause zu führen. Leutnant K. hatte Nachmittags das Zimmer durch seinen Burschen Heizen und ein kleines Abendessen besorgen lassen; von einer Orgie war keine Rede: cs war eine Flasche Wein da, die kaum zur Hälfte ausgetrunken wurde. Die (Gesell schaft war Anfangs sehr heiter; bald aber fühlten alle' Vier heftige Kopfschmerzen und verloren allmählich die Besinnung. Es konnte noch nicht 8 Uhr gewesen sein, als Alle in der Stellung, in der sie sich gerade befanden, cinschliefen.' Augen scheinlich muß dies zu gleicher Zeit geschehen sein, da Keiner den Zustand der Andern gewahr wurde. Wie sich aus der Untersuchung herausgestellt, hatte der Bursche des Leutnants K. die Ofenklappe zu zeitig geschlossen. K. erwachte zuerst wieder, als Agnes Sander zu seinen Füßen auf den Boden siel. Das Licht war inzwischen ausgebrannt; es mochte 2 Uhr sein. Sein besinnungsloser Zustand hatte also 6 Stun den gedauert, und augenscheinlich war er nur durch die Er schütterung des Falles der Sander wieder »u sich gekommen. Sein Kopf war wüst und schwer, und erst nach geraumer Zeit konnte er seine Gedanken sammeln. Mit Mühe zündete er ein neues Licht an, und es bot sich ihm nun ein schreck licher Anblick Auf dem Sopha lag sein Kamerad in tiefem Schlafe, auf dem Fußboden die beiden Mädchen: die eine laut stöhnend und wimmernd, jedoch ohne Bewußtsein, die andere still und mit Schaum vor dem Munde. Erst nach vieler Mühe gelang es K., seinen Kameraden v. R. zu Wecken, und Beide berathschlagtcn nun, was zu thun sei. Beide fühlten sich so elend und betäubt, daß längere Zeit verstrich, ehe sie sich so weit erholten, daß sie die beiden Mädchen wenigstens in eine bequemere Lage bringen konnten. Auf die Idee, daß das Zimmer mit Kohlendampf angefüllt sein könnte, kamen Beide nicht, sie glaubten vielmehr, daß der Wein schädliche Ingredienzen enthalten habe. Endlich gegen 3 Uhr konnte v. N. das Haus verlassen, um einen Arzt zu holen, und erst nach einer Stunde kehrte er mit demselben zurück. An dem Symptomen, die sich an dem Körper der Agnes Sander, die, wie sich hcrausstellte, bereits todt war, erkennen ließen, kam der Arzt auf die Vcrmuthung, daß Kohlendampf im Zimmer sei. Sofort wurden Thür und Fenster geöffnet, und wäh rend man das noch lebende Mädchen in ihr älterliches Haus schaffte, wurden an dem andern von einem herbeigeholten zweiten Arzte Rettungsversuche angestellt, die leider erfolglos blieben. Am Morgen ward die Leiche ebenfalls fortgeschafft. Die beiden Offiziere litten am nächsten Tage an Kopf- und Brustschmerzen, Schwäche und Zittern an allen Gliedern, Symptomen, welche bewiesen, daß sie selbst in Lebensgefahr geschwebt hatten. — Am 29. Oktober schließt die Pränumcrationszeit für das Dresdner Adreßbuch 1865, welchem d'iesmals eine revi- dirte Ausgabe des von Herrn Polizeikommissar, Oberlieute nant Behrisch bearbeiteten, mit besonderem Beifalls anerkann ten großen Planes der Stadt und ihrer nächsten Umgchuug (einzeln ü 10 Ngr.) beigegeben wird. Die mit dem Ver triebe des Adreßbuches beauftragte Buchhandlung von E. am Ende (Seestraße 13) ist auch dieses Jahr den Wünschen Vie ler entgegengekommen, indem sie gegen einen Zuschlag von 8 Ngr. auch Vorausbezahlung auf gut und fest in ganz Zeug gebundene Eremplare annimmt; ebenso wird gleichzeitig der Aufdruck von Namen oder Firma in Auftrag genommen. Der für das an Adressen und Notizen immer reichhaltiger werdende Adreßbuch mit Plan billig zu nennende Pränume rationpreis von 1 Thlr. 15 Ngr. (gebunden 1 Thlr. 23 Ngr.) erlischt eben am 29. Oktober, und werden alsdann nur Be stellungen zum erhöhten Preise von 2 Thlr. (gebunden 2 Thr. 8 Ngr.) berücksichtigt. — 7 Am Freitag früh gegen 11 Uhr schwankten in den Hof des Kgl. Bezirksgerichts drei schwerbeladene Wagen, gezogen von 6 rothen Dienstmännern. Die Wagen waren mit neuen Möbeln beladen, die eben aus einer hiesigen Restauration unter dem Zulauf einer großen Menschenmenge abgepfändct worden waren. Der eine rothe Dienstmann soll dabei von der Frau des Restaurateurs in die Hand gebissen wordm sein. Es mußte polizeiliche Hilfe requirirt werden. — -j- Am Freitag Abend gegen 7 Uhr brannte in Eisen berg bei Moritzburg ein Auszüglerhaus weg, das zur soge nannten Oberschänke gehört. Es wohnte Niemand darin war aber mit Flachs gefüllt. Die Glut tvar groß. Bei die ser Gelegenheit wurden dem Nachbar 700 Thlr. Geld ge stohlen. Die Entstehungsursache des Feuers ist unbekannt. — Die Victoria relria im hiesigen botanischen Garten wird sicherem Vernehmen nach, zufolge des jetzigen milden Wetters, ihren zahlreichen Verehrern und Bewunderern heute oder morgen auch noch eine 15. Blume entfalten. Demnach würde die Pflanzenkönigin erst Mitte dieser Woche ihre dies jährige Glanzperiode beschließen. — Vorgestern Mittag hatte ein 17 Jahre alter hiesiger Realschüler, der aus Meißen gebürtig ist, das Unglück, wäh- , rend des Turnens einen Schenkel zu brechen. — Zwei an der Pferdebahn am Feldschlößchen ange- stcllte Bremser gericthcn vorgestern mit einander in Wort wechsel, dem bald Thätiichkeiten nachfolgten. Der Eine von Beiden schlug den Anderen dabei mit einer Peitsche wiederholt . so heftig um den Kopf daß die Verletzungen, die Letzterer da durch erlitten, seine Unterbringung im Krantenhausc nöthig machten. — In einem Kohlenwerke zu Berzdorf bei Bernstadt ist am 18. d. M. der 3-t Jahre alte Bergarbeiter Ferdinand Hammler aus Leuba durch Herabstürzen eines KohlenflötzeS getödtet worden.