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TO. Jahrgang Freitag den 1». Mai 1011 4- erscheint täglich nachm, mli Ausnahme der Sonn- und Festtage, ilusgabe t mit .Die Fett in Wort und Bild" viertclMrlich In Dresden durch Boten S.4N ^ I» ganz . . -lt. In a, Deutschland srct Haus S 52 in Oesterreich 4 1t K. tluSgabe v ohne tllnltrtcrtc Beilage viertelüldrlich I.ditt In Dresden durch Boten S.Itt In ganz Deutschland sret PauS L.SÄ in Oesterreich 4,vv IO — En kiuzel-Rr. 1« y. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die «gespaltene Petitzeile oder deren Raun, mit 15 Reklamen mit IN» 4 die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt. Buchdriiilerrl, Redaktion »nd Geschäftsstelle: Dresden, Ptllnitzer Strafte 4». — Fernsprecher 15«« Für Rückgabe nnverlangt.Schrtststücke keine Perbtndltchket« RcdaktionS.Sprechstunde: l> bis Itk Uhr. Irotr nocli nie ctsgsvesener Xskkee-l'euerunx kostet unser be liebter, vorrü^lietier ^amilien-Kafkee nur 150 PL. ilas pkuncZ. kerliox 8 Kock8troli, stresäen. bliecterlußen in allen Stadtteilen. Die Reichsversicherungsordnung. Erstes Buch. Wir neben jeweils am Endo der Beratung eines Buches eine solche Zusammenfassung, welche die Parlaincntsberichte ergänzt. In zwei nicht übermäßig langen Sitzungen bat der Reichstag das erste Buch mit seinen 176 Paragraphen er ledigt und wäre vermutlich noch weiter gekommen, wenn Bebel nicht bei einer bedentsamen Abstimmung die Beschluss fähigkeit bezweifelt hätte: eine ernste Mahnung an die Ab geordneten der Mehrheit, stets zur Stelle zu sein, was die Minderheit fordern kann. Oder soll der Einspruch Bebels der Anfang einer stillen Obstruktion sein? Tie Mehrheit muß eben die nächsten drei Wochen stramm anshalten, w, il mich der Tiergarten noch so verlockend in jungem Gi m dasteht. Der ruhige und schnelle Verlauf der Verhandlungen ist nicht nur auf die Geschlossenheit der festen Mehrheit znrück- znfiihren, sondern auch ans den Umstand, das; sich beim ersten Buch der „gemeinsamen Vorschriften" ein Kampf wenig lohnt und als das Bekanntwerden mancher Anträge nur die Opposition in den Reihen der Versicherten selbst wecken mußte. Die Zahl der gemeinsamen Vorschriften ist klein und umfaßt in erster Linie die Behördenorganisation. Ter Reichstag genehmigte das Versichernngsamt (der unteren Verwaltungsbehörde eingegliodert), das Oberversichernngs- amt (in der Regel der oberen Verwaltungsbehörde einge gliedert), das NeichSversicherungsamt und ließ in der Praxis die Landesversicherungsämter für Bayern und Sachse» be stehen: die anderen Bundesstaaten werden ihre Landcsver- sichermigsämter eingehen lassen. Von sozialdemokratischer Seite wurden selbständige Aemter gefordert und zwar min destens 1000 Versicherungsämter, deren fortlaufende jähr liche Mehrkosten sicherlich 00 Millionen Mark verursacht hätten, da 60 000 Mark pro Amt im Durchschnitt nicht zu hoch gerechnet ist: diese Mehrausgaben hätten sich nicht ge lohnt und die ganze Arbeiterversichernng nur noch mehr liircankratisiert und ans dein täglichen Leben losgelöst. Es ist auffallend, wie verschwenderisch hier die Sozialdemokratie mit Beamtenvennehrnngen Vorgehen wollte. Die den Ver waltungsbehörden eingegliederten Aemter haben Beisitzer ans den Kreisen der Arbeitgeber und der Versicherten: die Vorstände der Krankenkassen des Bezirkes wählen dieselben. Die von der Sozialdemokratie geforderte allgemeine, direkte und geheime Wahl wnrde abgelehnt. Für die Beisitzer aber bat das Plenum neu bestimmt, daß sie in allen Fragen, wo sie ein persönliches Interesse haben (z. B. Vergebung von Lieferungen usw. nicht initraten und mitstimmen dürfen. Einen zähen und hartnäckigen Kampf verursachte die Frage der Kostenregelung. Tie Vorlage wollte die Masse der Kosten den Versichernngsträgern auferlegen: die Kom mission beschloß zunächst, daß der Bundesstaat alle Kosten zu tragen habe, sofern sie nicht durch Gebühren bei der Krankenversicherung gedeckt würden. Leider setzte die Re gierung diesem gerechten Vorschlag ein rundes Nein ent gegen. Ganz falsch ist die von sozialdemokratischer Seite ausgesprochene Vermutung, als seien es die Konservativen gewesen, welche auf ein Nachgeben gedrängt hätten. Mit den anderen Mehrheitsparteien habe diese vielmehr betont, daß es Sache des Staates sei, die Kosten für diese Behörden zu tragen, zumal hierdurch auch die besitzenden, nicht er werbstätigen Kreise zu den Lasten der Arbeiterversichernng mehr herangezogen würden. Nach langen Verhandlungen, in denen sich besonders der Staatssekretär des Innern als eine wenig nachgiebige Natur zeigte, ist erreicht worden, daß die Kosten für die Beamten der Staat oder die Gemeinde (wo das Versicherungsamt Gemeindebehörde ist) zu tragen hat: im Plenum gelang der weitere Fortschritt, daß der Staat auch die Kosten der Beisitzer zu übernehmen hat. Ter Bnndesrat muß sich damit befreunden, daß dieser Beschluß der zweiten Lesung für den ganzen Reichstag das Minimum darstellt: denn man fordert allseitig, daß der Staat hier mitzahlt, damit er einer Ueberwuchernng der Kosten ent gegentritt: anderenfalls wären die Persichernngsämter ein fach deil Aemtcrn ansgeliesert und die Kosten würden sich ganz ungemessen steigern können. Beim Oberversichernngs- amt zahlt der Staat gleichfalls mit. Das Neichsversiche- rnngsamt erhält nun statt der Senatsvorsitzenden „Senats- Präsidenten", deren Nangfrage jetzt wohl auch geregelt wer den wird. Man lasse nun im Reichsamte des Innern die etwas kleinlich anmntende Eifersüchtelei gegen diese andere Benennung fallen. Von hoher Bedeutung sind die Beschlüsse zu den 88 136 und 136 über die Aerztefrage im allgemeinen: in jeder Lesung ist in Sachen der Zahnärzte ein anderer Beschluß ge faßt worden. Nunmehr wnrde folgende Regelung bestimmt: 1. Tie Kasse muß in der Regel den Versicherten einen Zahn arzt stellen. 2. Der Versicherte muß aber die Wahl haben, auch zu einem Zahntechniker gehen zu können (mit Aus schluß für Mund- und .Kieferkrankheiten). 3. Tie oberste Verwaltungsbehörde kann die Ausnahmen bestimmen, in denen den Versicherten kein Zahnarzt zu stellen ist und sie sich mit dem Zahntechniker allein begnügen müssen (Mangel an Zahnärzten auf dem Lande und in kleinen Städten). In der Uebergangszcit sollen die vorhandenen Zahntechniker, die mit Erfolg praktizierten, ohne Prüfung zugelassen wer den. Tie spezielle Regelung der Aerztefrage soll erst im zweiten Buche erfolgen, falls sie überhaupt erreicht wird. Tie rasche Verabschiedung des ersten Buches stärkt die Hoffnung auf Genehmig!» g deS Gesamtwerkes erheblich; aber man darf nicht vergessen, daß die großen Nüsse im zweiten Buche über die Krankenversicherung zu knacke» sind. M. Erzbcrger, M. d. R. VoMjche Rundschau. Dresden, den II. Mal IVIl. Der Grvßherzog von Baden hat ans Anlaß des am 10. d. M. vor 10 Jahren zu Frankfurt a. M. erfolgten Frie densschlusses allen am Feldzüge beteiligten Reserveoffizieren und im Osfiziersrange stehenden Militärbcamten mit einem Begleitschreiben eine Plakette mit dem Bildnis des ver storbenen Großherzogs Friedrich l. zugehen lassen, die ans der einen Seite das lebcnsnmhre Bildnis des Großherzogs, auf der anderen die Worte Homers trägt: „Immer bleibe dir Lob und Ehr und ewiger Nachruhm." — Im Reichstage wurde am Mittwoch die Reichs- versicherungsordnung bet der Krankenkasse sortgesetzt und flott weiter beraten. Zu Anfang entstand bei der Betriebs krankenkasse eine längere Stockung, welche durch die 2^- stündtge Rede deS sozialdemokratischen Abg. Emmel hervor gerufen wurde. Aber alles Reden half nichts, die be treffenden Paragraphen wurden nach den Kommisstons beschlüssen angenommen; ebenso die folgenden bis 8 339. — Das preußische Abgeordnetenhaus beschäftigte sich am Mittwoch mit drei Gesetzesvorlagen: Entlastung des Oberverwaltungsgerichtes, Umlegung von Grundstücken in der Residenzstadt Posen und Einführung ländlicher Fort bildungsschulen in Brandenburg, Pommern, Westfalen und Provinz Sachsen. Alle drei Entwürfe wurden an Kom missionen verwiesen, nachdem bei letzterem der Abg. Dr. Kaufmann (Zentrum) scharf hervorhob. daß die Einführung des obligatorischen Religionsunterrichts in den ländlichen Fortbildungsschulen gewährt werden möge. — UuterstaatSsekrrtär Mandel ist am Dienstag ganz plötzlich nach Straßburg zurückgekehrt. Wie wir erfahren, hat man ihm in Berliner maßgebenden Kreisen nahegelegt, Berlin zu verlassen, da seine Anwesenheit daö Zustandekommen der reichsländischen Verfassung nicht fördert. Mandel ist be kanntlich der Verfasser der abgelehnten Wahlkreiseinteilung. — DaS neue Kompromiß zu deu Fernsprechgebühren. Ein neuerKompromißantrag ist im Werden begriffen ; er kommt manchen liberalen Wünschen entgegen. Die Grundgebühr wird nach Zahl der Anschlüsse gestaffelt und beträgt in Netzen Kompromißantrag bis zu 100 Anschlüssen 50 Mk. von 101 1000 60 ., 1001 5000 75 ., 5 001 20000 90 ., 20001 „ 70000 . 100 ., Entwurf bis zu 1 000 Anschlüssen 50 Mk. 1001 5000 „ 65 . 5001 „ 20000 80 „ 20001 70000 „ 90 ., angefangenen 50 000 Anschlüsse 10 Mk. von jährlich. Gegenüber dem Entwurf tritt also allgemein eine Erhöhung von 10 Mk. ein; diese trifft mit Ausnahme der Netze unter 100 Anschlüsse alle Teilnehmer. Für die Herstellung jeder Verbindung ist eine Gesprächsgebühr zu entrichten. Sie ist nach Wahl deS Teilnehmers als Einzel oder Pauschgebühr zu entrichten. Die Einzelgebühr beträgt (wie auch nach der Vorlage 1 Pfg.) für jede Verbindung. Die Pauschgebühr ist festgesetzt nach dem Kompromißantrag von von bis zu 3000 Verbindungen 80 Mk. 3001 6000 „ 130 5001 „ 7000 170 7001 10 000 200 10 001 12 000 Entwurf: » 220 " bis zu 2000 Verbindungen 75 Mk. 2001 4000 140 4001 6000 200 „ 6001 3000 250 ,, 8001 10000 „ 300 „ Ferner soll im Fernverkehr wieder die 250 Kilometer- Zone eingesührt werden. In der kommenden Woche hofft man zu einem Abschluß zu kommen. Zapan auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911. Wenn heutzutage von Japan und den Japanern die Rede ist, nehmen Wort und Gebärde sich völlig anders anS als noch vor etwa 50 Jahren, da man von dem interessanten Jnselreiche im äußersten Osten Asiens und seiner Bevölke rung im allgemeinen so gut wie gar nichts oder höchstens das eine wußte, daß inmitten eines an vegetativen Schönheiten fast überreichen, von prächtigen Gebirgshöhen durchzogenen paradiesischen Gefildes ein halb barbarisches, von der Kultur kaum belecktes, harmlos-vergnügtes Mongolenvölklein mit kaukasischem und malaiischem Typeinschlag sein stilles Da sein friste. Jetzt hat sich der Japaner durch seinen intensiven Wissensdrang, den er in Bezug auf europäisches Leben und europäische Kultur durch Entsendung hervorragender Lands leute zu Stndienzwecken nach England, Frankreich und Deutschland äußerte, selbst energisch in den Vordergrund der Beobachtnngssphäre der westlichen Kulturvölker ge drängt. Einen tiefen Einblick in die bewunderungswürdigen Ergebnisse des heißen Mähens der Japaner »m Erweiterung ihres Gesichtskreises in der Richtung auf abendländische Kultur gewährt die Sonderausstcllung der japanischen Re gierung, die sie innerhalb der Veranstaltungen der Inter nationalen Hygieneausstellung in einem nach dem Entwürfe des Professors C. Jto mit enormem Kostcnaufwande er bauten Palast errichtet hat, um durch Modelle, Zeichnungen und Tabellen ein Bild von dem gegenwärtigen Status der hygienischen Fürsorgeeinrichtungen des Landes zu geben. In elf verschiedene Gruppen sind die Ausstellungsobjekte cingcteilt. In der Gruppe l fallen zunächst ein großes Modell des höchsten und berühmtesten Berges von Japan „Fnjiyama" und seiner Umgebung mit Ausflugs- und Kurorten und ein Modell des Badeortes Mijanoshita, Photographien und Skizzen von Kur- und Badeorten. Seebädern, Heilgnellen usw. ins Auge. Die Gruppe II ist der musterhaften Erläuterung des Eharakters der japanischen Wohnnngsarten, der Definition des Unterschiedes zwischen deutscher und japanischer Bau weise gewidmet. U. a. zeigt sie, das in echtem Material hergestcllte Modell eines japanischen Hauses mit verschieb baren Wänden, mit seinem Garten, seiner inneren Einrich tung »sw. Schöne Schränke, Hausgeräte, Kakemonos, Er zeugnisse der Kunst und des hochentwickelten Kunstgewerbes geben einen Begriff von den Dingen, mit denen der Ja paner, auch der einfachere, sein Heim zu schmücken pflegt. Den Nahrnngsmittcln, einer exakte» Darstellung der Znbcrcitnngsmethoden und ihrer Eigentümlichkeiten, tabellarischen Zeichnungen der chemischen Bestandteile ver schiedener Nahrungsmittel, einer Ucbcrsicht der giftigen Tiere und Pflanzen begegnen wir in Gruppe III, ebenso den Eß- und Küchengeräten, Wachsmodellen von Speisen, der Darstellung der Untersuchung von Nahrungsmitteln usw. In der Abteilung „Kleidung und Körperpflege" über rascht den Besucher der Ausstellung ein Schrank mit lebens großen Figuren in verschiedenen japanischen Kostümen, mit Stoffen, Tuchen und Seide aus dem berühmten Warenhaus Mitsukoshi. Kulturhistorisch wertvoll sind die Zeichnungen von alten Kostümen. Es gibt wohl kein Volk, das so sehr ans Reinlichkeit und Körperkultur siebt, wie das japanische. Deshalb durften natürlich in der Ausstellung weder das Modell eines der vielen öffentlichen Bäder, noch die Wiedergabe der ver schiedenen Arten von sportlicher Körperpflege, wie Ringen, Fechten, Jiu-Jitsu und die dazu gehörigen Geräte fehlen. Am umfangreichsten bedacht ist jedoch die Gruppe „In fektionskrankheiten" mit ihrer großen Fülle von Präparaten und Photographien der »nichtigsten Jnfektions- und ende mischen Krankheiten, von denen die letzteren meist durch Parasiten hervorgernfen werden, die bislang unbekannt waren und die von japanischen Forschern für die Wissen schaft erst neu entdeckt wurden. Zeitungen, Bücher, medizinische Instrumente, altertüm liche chinesische und japanische Medikamente und Volksheil- mittel, von der hygienischen Untersnchnngsanstalt zu Tokio gesammelt, bilden den interessanten Inhalt der medizinisch, historischen Abteilung, während die Gruppe für Kranken fürsorge und Nettnngswesen mit Tafeln, Photographien von Eharitäen und Krankenhäusern, dem Modell einer Anstalt für Leprakranke einige besonders eindrucksvolle Momente aus den öffentlichen Maßnahmen für die Erhaltung der Volksgesnndheit veranschaulicht. Im beste» Sinne anregend wirkt entschieden, was Ja pan in der Kinder- und Schulhygiene leistet. Man sieht das mit Sorgfalt und Liebe hergestcllte Spielzeug, Modelle und Photographien von Schulen und Turngeräten, Dar stellungen der Turnmethoden. Ten Abschluß bildet eine Sonderansstellung von Mili tär und Marine. Des weiteren sind Modelle von Soldaten heimen und Hospitälern ausgestellt.