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Dresden, den II. November. den Königlichen Weinbergen zu war eine ziemlich ergiebige und — Die Ausbeute in Pillnitz und in der Loßnitz daS Product selbst dieses Jahr ein leidliches. Der Centner Trauben wird auf sechs Thaler taxirt und zwar von der besten Sorte. Die königlichen Weinberge in der Lößnitz zählen 12 Winzereien. — Zwei Kanonieren der 14. Batterie sind aus ihrem Kantonneinentsquartier, der Kammer eines Nebengebäudes in einem GutSgehöste zu Reichenberg bei Mocitzburg mittelst An steigens mehrere Thaler baares Gelv nebst Portemonnaie, 6 Photographien und — ein Paar Paradehosen entwendet worden. — Die in Nr 308 und 311 unserer Zeitung enthaltenen Notizen über die Veihaftung des Postassistent Ullrich wegen verübter Briefspoliation, ergänze»- wir zu Vermeidung etwaigen Mißverständnisses dahin, daß der genannte Postassistent Ullrich nicht zu verwechseln ist mit dem gleichfalls hier in königlichem Postdienst stehenden Postsecretair Theodor Ullrich. — Nach längerer Pause hielt am verflossenen Freitag dre altbewährte Gesellschaft Heiterkeit in den Sinen deS Königl. Belvedere ihr erstes Wmteroergnügen ad. Wie schon früher oen Freundinnen und Freunden froher Geselligkeit in dieser Gesellschaft immer das Beste in Kunst und Humor geboten wurde, so brachte auch dießmal ein Kreis von Künstlern und tun st verwandten Dilettanten manch Treffliches zu Gehör. Das Franke'sche Musikchor durch Orcheftervorträgc, dcsfln Dirigent, Herr Musikdircctor Franke durch umsichtige Leitung des musi kalischen Elements, sowie deS letzteren Bruder, der jugendliche Herr Kummermujikas Franke als ganz bedeutender und zum lebhaftesten Beifall hinreißender Vietinvirtuos, vereinten sich mit den Leistungen der Damen Fräulein Hellwig und Slöck- hardt, welche neben d.m unverwüstlichen Humorist.ker Herrn Eschler fl, der zur theatralischen Aufführung kommenden Weih rauch',ch«n Posse: „Hermann und Dorothea" in Gesang und Spiel höchst ergötzlich wirkten. Ern frischer fröhlicher Geist belebte die Gesellschaft; Tafel und Ball gaben dem mit Marschner'S feinem Trarteurtalente auSgestatteten Abende den unvermeidlichen Schluß. — Vorgestern Nachmittag war eine Frau, welche hinter dem Alaunplatze, in dem sogenannten Trommelthale, sich mit Holzlesea beschäftigte, Zeuge davon, wie ein junger io—17- jährlger Bur che auf emen Baum stieg und sich in einer Höhe von ca. ü Ellen an einem Aste aushängte. Auf das Geschrei der Frau kam ein, in der Nähe beschäft gier, Waldarbeiter her- bei, welcher den Erhängten adschmu. Alle Wiederbelebungs versuche blieben erfolglos. Der Leichnam wurde gerrchtlrch aufgehoben. —IDaS ist ein Schlachten, Braten und Schmoren, daß man den Dust sogar in der Atmosphäre spürt, ja ihn fast verkö.pert dahinbrodeln sehen könnte Und warum? Man wandere nur, wie der Schreiber dieses, durch Torf und Stadt, und man wird die Antwort haben. Tie Krrmeß ist daron schuld. Die Kirmcß z eht wie ern Krämer und Trooler durch« ganze Land von Dorf zu Dorf und ruht, wie jener, nur em oder zwei Tage aus, um ihren Lärm und Jubet bald darauf anderwärts auf'S Neue loszulassen. Der Brertcufel mit der blauen Schürze im Keller tief hämmert srrsch und periodisch auf die schimmligen Fässer daraus los, um mechanisch den Kir- meßnimmrrsatren da oben mit seiner Holzkeule zu telegraphi- ren: „Angesteck.!" Aber nicht bloa die Kirmeß macht jetzt die Runde im weiten Lande, nein, der unvermeidliche Karpfen- schmauß, den jeder Dorfbewohner moralisch gezwungen mitma chen muß, reflectirt auf das ohnehin ungeheuer auf andere Weise aller Ledenikraft beraubte Poriemonnaie, wenn nicht etwa gar ein EmzugS- und AbzugSschmauß in äuplo auf dem Rrper oir verzeichnet steht. Das sind aber nur Kleinigkeiten in dem großen Freuden- und FestcycluS de« Winter«, die nur der Dörfler kostet, der Städter schwunmt in ernem wahren Ocean von Vergnügungen, zu dem die Kirmeß nur die paffende Jubelouverture ist. Klein« Wochenschau. Während vorige Woche unser gesammter Vorrath politischer Aufmerksamkeit und Gespanntheit lediglich auf Rom und Paris coneentnrt war und es unsere Ungeduld nicht erwarten konnte, daß die Sache Hitze kriegen werde, fanv ein hohe« Witterung- Ministerium eS für gerathen, uns»re Wißbegicrde insofern etwa- abzukühle«, daß e« völlig unerwartet in unsere politischen Be trachtungen schneien ließ, so daß wir uns mit einem Male in dm Winter verseht sahen, obschon noch nicht einmal die Mar- tistSganS verzehrt war. Ich weiß nicht, was BarometriuS zu diesem plötzlichen Wendenvum sagen wird und ob diese dicht vom Himmel fallenden Bettfedern in seine Berechnung paffen, dp ich seine letzt« Prophetie nicht gelesen habe. Also die Asantgarde des Winters wäre eben so uner wartet angelangt, als die Franzosen in Italien Wir muffen nun abwarten, ob andere Corp» dort wie hier Nachfolgen. Zu Garibaldi, der die Stadt Nom srmmt dem heiligen Vater bereits in der Tasche zu haben glaubte, konnten wir Dresdner diesmal der Wahrheit gemäß sagen: „Ja, morgen schneit's!" Diese jüngste Garibaldische Expedition hat übrigens n cht viel länger gedauert, als die neueste Wagncrsche Oper, die drei Tage lang spielen soll. Warum nicht gleich lieber von Michael bis Ostern, da hätten wir doch was für u isec Geld. Wer sich da ein Billet für den dritten Rang kaust, brauchte den ganzen Winter nicht cinzuheizen. Also mit Garibaldi wäre eS vor der Hand wieder einmal Feierabend. Sein Unternehmen gegen Nom ist durch die Da- zwischcnkunft der Franzosen total mißglückt. Wie lange der Alte Ruhe halten und ob man ihm Seiten der italisch m Re gierung zu künftigen Kreuzfahrten gegen den Papst überhaupt F.eihe.t und Gelegenheit geben wird, muß die Zukunft lehren. Emstweilen wird man flirre Person wohl etwas in Gewahcsam Hilten, aber in einem Gewahrsam, der mehr zu seinem eigenen Besten. Die Lösung der italischen Frage ist durch die Be siegung der Garibaldianer „einfacher" geworden, sagen die Zei tungen. Wenn sich also nicht audcrweite diplomatische Knoten ansctzcn, wie es jetzt nicht den Anschein hat, dürfte sich die Sache zwischen Italien und Frankreich diesmal noch machen. Die ital. Truppen sind ebenfalls aus dem Kirchenstaate zurück- marschirt, so daß auch in diesem Punkte eine Verwickelung weniger. Aber da« muß man sagen, der heiflge Vater, wie alt er ist und in welcher Bedrängniß er sich b»findet, kann von seiner alten Liebhaberei, von Zeit zu Z:it die geistlichen Oberhirten mit einem Cireulurschniben zu bedenken, nicht lasten. Solche päpstliche Eircularschreiben nennt man E.acylliccn, und wirs kann in der Regel solchen ketzerischen Negierungen und Leuten, die es dem Pappe nicht recht machen, der Text gelesen. In dem jüngsten Circulare, welches erlassen ward, als Garibaldi fast vor den Thoren Noms stand, geht es vornehmlich über Victor Emanuel und dessen Politik, aber noch mehr über die Nüssen her, weil diese nicht größeren Ncspect gegen tue pol nische katholische Geistlichkeit und deren Gerechtsame «n den Tag legen. Der Kaiser von Oesterreich ist von seinem Pariser Auö- sluge wohlbehalten wieder bei seinen guten Wienern einzetroffen und wirb seiner Frau Gemah in, welche aus entschuldbaren Gründen auf diese Reise verzichten mußte, von den erlebten Herrlichkeiten Viel zu erzählen wissen. Wenn wir noch jung sind und kein Geld haben, in das Theater zu gehen, sind wir schon zufrieden, den Theaterzettel zu lesen, der zu uncntgeldlicher Lcctüre an den Straßenecken klebt. Gerade so geht eS jetzt dem europäischen Publikum h.n- sichtlich der jüngsten Pariser Festivitäten. Die Zntungen sorgen für die ausführlichsten Programme und Beschrerbungen. Auch der Parcker Bürgermeister, Herr Hausmann, hatte diesmal tüchtig die Spcndirhosen angezogen und gab zu Ehren des hohen österreichischen Gastes rm Namen der Stadt Paris ein Tractement, welches Alles übertroffen haben soll, was in die sem Genre bisher dagrwcsen. Alle europäischen GourmandS »rüsten vor Wsn.re mit der Zunge schnalzen, wenn sie nur diesen Küchenzettel lesen. Um auch der Phantasie einige Aus beute zu gewähren und der Uebersetzungslust eine interessante Aufgabe zu bieten, „löge dieser Küchenzettel in der Ursprache, wie er im Pariser Stadthause auLlag hier ein Plätzchen finden. Dieses Nonplusultra der Pariser Küche lautet im Gegensatz zu dem bekannten „Butter, Brod und Käse" wie folgt: POI^Lkd. — lii-qoo «t'eccevissez — I'cintsmeo, — lurdols, iiruce bollsmlaiüv. — Oaai ierz,Ie ckev- rerril«. H0K5-I) OKIlVfiK Llläl ll.8. — Oou5'a<1e8 i> I« peoluxaixe — voackees srix creeetles. K.XIÜLK8. — p'ilols äs dooris » la proveocale — 8uprsme5 so peularäes »ux lculläs — Liusses äe wsuvielte? « I» knsoet-re. — Laille» <te vixne » I» )ar>tilli«re — Iloinaräü ä I innone-riae — Sla; ovirnise« so tilels äs solvü 80» 8 848. N>»18. — llinännvesux lratles, ssure a l» l'erißueux. — Poi5z„!i äs Iloköms el docaLSk!:. — kuissovz «i'ecror isses so ltliin. — Itni- d»Icn äs toies so >>1sl»x» »I>4»IL„878. — potils poi« a Is Irsnrsiss. — 1'stilSü 6 Itz- psxno »u Llals.s — Irolles so vin äs Obsm sxn«. — Lnpröns« äv Pockes. — Leiser <1 imsosü a I Orient»!«:. - Lslesux sinkroiri« xlscör. — Prints, rsis'vs, snsirsr, cempnles, pülisseiies etc. VII>!8. — Llsäero trsppv — Lkälesn-ä'Vquem Iraopü — Lks- tesn-ä'Isrs» — tiomsnöe. — Lkslesv-Hovlro/.e. — Okemdortin. — »useskeimer — Xvres. — LksmpLzi»« trappe. — bvoville-l'ovsere. — Lk<r>esii-l.»llitle. — Kslaxs. — 1'orlo. Da man sich aber aus Allem, wenn man auch nicht mit gegessen hat, eine gute Lehre ziehen soll, so geht aus diesem „hohen" Küchenzettel hervor, daß sich die hohen Herrschaften so gut eines schätzbaren Merzen« zu erfreuen haben, wie die unterschiedlichen Völker, welche, wa« einen guten Magen an langt, in den unterschiedlichen Zeitläufen ebenfalls das Mög lichste geleistet haben. Concert des Violoncellvirtuascn Griitzmacher. „Das letzte Billet verkaaft!" hieß es schon am Fceitag, als Herr Friedrich Grützmacher, der rühmlich bekannte Cello virtuos und Mitglied der k. musikalischen Kapelle ein Concert im Saale des Hotel de Sax.' angezeigt hatte. Unter außer ordentlich reger V.thciligung und im Beisein II KK. H§>. dcs Prinzen Georg nebst Gemahlin fand das Concert vorgestern Abend statt, das unter Mitwirkung gediegener Kräfte nebst der k. musikalischen Kapelle unter Leitung des Herrn Hofkapell» mc ster Do Nistz mit der Mcndelssohaschen Ouvertüre zu dem Liede» spiel: „Die Heimkehr aus der Fremde" begann. Des Meisters Jugendwerk, hier zum ersten Mal von der k. Kapelle vorge führt, bekundete den Ausspruch Mozarts: „Wenn das Feuer nicht in der Composition liegt, von außen kommt s nicht hinein " Ueberall Leben und Bewegung, trug man mit Vorführung dieser Ouver türe eine Schuld der Dankbarkeit für den Meister ab. der bei Lebzeiten hartnäckig seine früherer „Jugendsünden", wie er eS nannt', der Oeffentlichleit entzog. Frau Jauner-Krall entledigte sich mit großem Geschick der Arie: „Kommt all' ihr Seraphim" aus dem HändcUchen „Samson". Obwohl diese Arie mehr in die Kirch:, als in den Conecrtsaal gehört und eine umfangreiche volle Stimme verlangt, ließ der Vortrag ihr dennoch das Recht angcdeihen, wie denn die aus der Bühne geschätzte Sängerin sich als Liedersängerin im Ccm- certsml bcwah'te. Als Glcnrzpanlt des Abends strahlte das Becthooensche Concert für Piaaosorte, Violine und V oloncell, vorzKragea von der Kammeroirtaosin Fräulein Mary Krebs, Herrn Concertmeistw Lautcrbach und Herrn Grützmacher Drei anerkannte, gediegene Kräfte die einzeln in London gewirkt und h>er eine Trias bildeten wie man sie selten si'den wird. Lautcrbachs tempelreine keulch: Violine, das vollendete Spiel von Mary Krebs im Verein mit dem Conc-rrtgeber, es wirs dies za einer Schöpfung, wo die Kunst im Zenith steht uns den Stempel wahrer Weihe empfängt. Wohlverdienten Beifall erntete hicraul Herr Hosopernsänger Vachmann durch den Vortrag einer Arie aus Mehuls „Joseph", eine Wahl, die jedenfalls besser war, als die drer nun folgenden Stücke für Violoncello-Solo von Sebastian Bach zum ersten Mal vom Conccrtgeber vorgctragen. Nur keine Uebcüchätzung des Alten, kein Heraufbeschwören von Ge spenstern in einer Zeit, wo solche keine Berechtigung mehr haben. Referent dieses hörte diese drei Stücke vor Jahren einmal von dem berühmten Celloist Menter in München, aber in besten Zimmer, nicht im Conccllsaal. Sie gaben dem Vortragenden wohl Gelegenheit, seine Virtuosität in Sprüngen und Passagen zu zeigen, einen schönen Eindruck aber aus den Hörer durch daS sonst so seelcnvollc Instrument werden sic nimmer Hervor bringen. Alan sicht den Spfller arbeiten und sich abmühen, bci den Bravos aber haben Herz und Seehle keinen Anthsil. — Erquickend und das Gleichgewicht wieder herstellend wirkt« Fräulein Krebs durch zwei Solostücke für Pianoforte Berceuse von Chopin und Mmp-milx! koimi-ais,- von Lißt> Das war doch wieder einmal ein schönes, reii.es Clavierspiel, kein wildes chaotisches Durcheinander. Hier wird uns Poesie, die in der Seele lebt, zur Anschauung gebracht, drc Finger sind die Die ner der Seele und diese wird applaudirt von Denen, die nicht bloS mit den Ohren, sondern auch mit der Seele hören. Technik in hohem Grade, aber bei dieser immer mehr Erfolg erringenden Künstlerin ist, waS wir schon früher einmal bc- merkt, die Technik ihr nur las Mittel, um die Poesie d.r Musil zur Ecscheinung zu bringen, nicht, wie so oft bei den brillanten Virtuosen, selbstsüchtiger Zweck, mit sich selbst lieb äugelnde Koketterie. Kommen wir jetzt zu drei, von Frau Jauner - Krall am Pianoforte gesungenen Liedern. Die Künstlerin hat Allen ge lehrt so aus dem Herzen heraus nachzufühlen, was eigentlich das deutsche Lied heißen und sein soll, so ganz das deutsche reine Lieo, ohne irgend einen Beigeschmack der französischen Romanze, oder der italienischen Fioritur, ohne alle Idee deS SslonS. „Die Elfe", von Nutz, „Ich hör' ein Bächlein rau schen" von F. Schubert, und „der Dorsschmied" von G. Hölzl. Seit Jahren greisen viele Sängerinnen mit wunderbarer Con» scquenz immer nach dem fern liegenden, während das Beste Ihnen vor der Hand liegt, wie z. B diese drei Lieder. Wer aber besitzt solche Naivetüt im Vortrag wie Frau Jauner- Krall? Dieß kann nur eine Schauspielerin welche neben den materiellen Kräften ein gründliches Studium und ihre Kunst fertigkeit in die Wagschaale legt. Der große Beifall war ein gerechter wie er auch Herrn Grützmacher zu Thcil wurde, der das Concert mit einer von ihm compomrtm und mit Orchester- begleitung von ihm vorgctragcnen Fantasie beschloß. ES sei offen gestanden, daß dieser hochgeschätzte Künstler in seinen Vorträgen nicht so glänzen konnte wie es sonst geschieht, wenn er sich allein mit seinem Instrument befindct und nicht von Masten gedeckt wird, wo man ihn nur zeitweilig vernimmt. DaS Cello, die Klarinette der Streichinstrumente, ist eine Ton welt schon für sich, e« bedarf keiner Umgebung wenn eS alH r i >!'- !?' A ' t 1