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178 ÄMObkilU M ZHUm AmtzÄNg Nk. 38. zu Nr. 11 des Hauptblattes. 1931. Beauftragt mit der Herausgabe ReglerungSrat Brauße in Dresden. Landtagsverhandlungen. 21. Sitzung. Dienstag, den 1L. Januar 1931. Präsident Weckel eröffnet die Sitzung 13 Uhr b Minuten. Am Regierungstisch die Staatsminister vr. Hedrich und vr. Mannsfeld sowie andere Regierungsvertreter. Bor Eintritt in die Tagesordnung teilt der Präsident dem Hause mit, daß die Deutsche Demokratische Partei von nun an den Namen Deutsche Staatspartei führt. Abg. vöchel (Soz.) beantragt zur Geschäftsordnung, den Antrag seiner Fraktion auf Drucksache Nr. 240, der wie folgt lautet: Unter Bruch des bestehenden Tarifvertrags beab sichtigt die Deutsche Reichsbahn A.-G. 12 000 Eisenbahner im Gebiet der Reichsbahndirektion Dresden znm Zweck der zwangsweisen Einführung von Feierschichten zu ent lassen. Diese Maßnahmen haben m allen Kreisen der Eisenbahner berechtigte Empörung ausgelöst. Zur Lösung dieser Krise beantragen wir, der Landtag wolle beschließen: , die Regierung zu ersuchen, bei den zuständigen Stellen der Deutschen Reichsbahn A-G. sofort vorstellig zu werden und für Beilegung dieses Konflikts im Sinne des geltenden Tarifvertrags und der daraus folgernden Forderungen der zuständigen Gewerkschaften energisch einzutreten. auf die heutige Tagesordnung zu setzen und ihn mög lichst an erster Stelle zu verhandeln. Abg. Tiegel (Komm.) erklärt sich für die Kommuni stische Fraktion damit einverstanden. Abg. Mätzig (Komm.) beantragt zur Geschäftsordnung, folgende Anfrage heute mit auf die'Tagesordnung zu setzen: Die durch Mehrheitsbeschluß bewilligte Winter beihilfe ist bisher nicht zur Auszahlung gelangt. Der Landtag wolle beschließen, die Regierung zu ersuchen, Auskunft darüber zu geben, wann und wie sie die Durchführung der Winterbeihilfe in Angriff zu nehmen gedenkt. Bei der Abstimmung über den Antrag Böchel erhebt Abg. Enterlein (Wirtschp.) Widerspruch (Abg. Edel: Das ist unerhört! — Abg. Enterlein: Das hat Zeit bis nächsten Donnerstag!), der Antrag Nr. 240 kann also nicht mit verhandelt werden. Gegen den Antrag Mätzig wird ebenfalls Wider spruch erhoben, deshalb kann auch diese Anfrage nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden. Hierauf wird in die Tagesordnung eingetreten. Punkt 1: Erste Beratung der Vorlage Nr. 18 wegen Erhöhung der Ausfallgarantie des sächsischen Staates für Lieferungsgeschäfte mit Rußland. Die Vorlage Nr. 18 verweist einleitend auf die der Regierung durch Landtagsbeschluß vom 4. März 1930 er teilte Ermächtigung, „für in Sachsen zur Ausführung kommende Lieferungsaufträge der russischen Regierung sowie für Vorauszahlungen aus Wareneinfuhrgeschäfte von in Sachsen ansässigen Unternehmungen mit der russischen Regierung durch Bürgschaftsübernahme oder in anderer Form eine anteilige Garantie zu leisten mit der Maßgabe, daß die Verpflichtung des Staates jeweils 20 Mill RM nicht überschreitet, und daß die Verpflichtung nur für solche Geschäfte übernommen wird, für die das Reich in mindestens dem gleichen Umfange Garantie leistet". Die Ausfallgarantie des Reiches und Sachsens ist, wie die Vorlage weiter ausführt, seither von 106 sächsischen Firmen, meist für eine größere Anzahl von Lieferungs geschäften in Anspruch genommen worden. Der Kauf preis aller bis jetzt unter die Garantie genommenen sächsischen Geschäfte beziffert sich auf rund 123 Mill. RM. Während bis zum 30. September 1930 der Reichsanteil der Ausfallgarantie 30 Proz. (bei Geschäften mit einer Kreditfrist unter 18Monaten) bzw. 35 Proz. (bei Geschäften mit einer längeren Kreditfrist) und der Länderanteil 20 Proz. bzw. 25 Proz. betrug, ist seit dem 1. Oktober 1930 ein heitlich der Reichsanteil auf 40 Proz. und der Länder- aMil auf 30 Proz. festgesetzt worden. Der Warenverkehr nut Rußland hat sich im Jahre 1930, namentlich unter der Einwirkung des Fünfjahresplans, stetig weiter entwickelt. Gegenwärtig sind zu Lasten des sächsischen Garantieanteils Bürgschaften in Höhe vom 19 V. Mill. RM, mithin unter Zugrundelegung eines durch schnittlichen Garantiesatzes von 25 Proz. für Lieferungs geschäfte in der Gesamthöhe von 77 Mill. RM, über nommen worden Hiernach ist zurzeit für weitere Bürg schaftsleistungen des sächsischen Staates nur noch ein Betrag von rund 750000 M verfügbar. Da zurzeit sächsische Firmen mit Rußland über den Abschluß weiterer Lieferungsgeschäfte mit einem Ge samtkauspreis von über 10 Mill. RM verhandeln, die für den Fall ihres Zustandekommens der Interministerielle Ausschuß mit der Reichs- und Ländergarantie versehen will, aber nicht damit gerechnet werden kann, daß in nächster Zeit größere Beträge der sächsischen Garantie summe von 20 Mill. RM frei werden, muß diese erhöht werden, wenn der sächsische Staat sich an der Mit garantierung von Lieferungsgeschäften nach Rußland weiter beteiligen will. Obwohl Verluste aus der Garantieübernahme bisher dem sächsischen Staat nicht erwachsen sind, verkennt die Regierung keineswegs die Bedenken, die einer aber maligen Erhöhung des Garantiehöchstbetrages, nament lich auch im Hinblick auf die angespannte Finanzlage des Staates, entgegenstehen. Gleichwohl glaubt die Regierung, angesichts der schwierigen Wirtschaftslage und der erschreckend großen Arbeitslosigkeit es nicht ver antworten zu können, die Anträge der beteiligten Wirt- schaftskreise auf eine weitere Erhöhung der Garantie summe unberücksichtigt zu lassen, zumal da der Wegfall der zusätzlichen Garantie des sächsischen Staates die Finanzierung der Russengeschäfte wesentlich erschweren oder unmöglich machen und der Verlust dieser Geschäfte die heimische Industrie gegenüber der außersächsischen Konkurrenzindustrie empfindlich schädigen würde. Die Regierung glaubt, daß die Erweiterung der jetzt 20 Mill. RM betragenden Höchstgrenze für die staatliche Garantie um 5 MM. RM auf 25 Mill. RM ausreicht, um die Bedürfnisse der Wirtschaft zu befriedigen. TtaatSminister Vr. Hedrich (zur Einführung der Vorlage): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierung bittet Sie, in der Vorlage Nr. 18 zu beschließen, daß die Höchstsumme der staatlichen Garantie für Lie ferungsgeschäfte mit Rußland, die infolge des Landtags beschlusses vom 4. März 1930 20 Mill. RM beträgt, auf 25 Mill. RM festgesetzt wird. Wegen der Begründung im einzelnen darf ich auf den Inhalt der Vorlage selbst Bezug nehmen. Die Regierung darf sich der Erwartung hingeben, daß der Landtag die Vorlage wie die beiden früheren, den gleichen Gegenstand betreffenden Vorlagen vom 15. März 1926 und vom 31. Januar 1930 einstimmig annehmen werde, entspricht doch der in der Vorlage gestellte Antrag der Regierung dem Beschlusse des vorigen Landtags, Maßnahmen zur Hebung der Ausfuhr sächsischer Erzeug nisse zu ergreifen, den er auf Grund des Antrags Druck sache Nr. 214, betr. Maßnahmen zur Hebung des Arbeits marktes im Interesse des sächsischen Wirtschaftslebens, am 12. Dezember 1929 gefaßt hat. Die Regierung wäre dem Landtage besonders dank bar, wenn die Vorlage in sofortiger Schlußberatung an genommen würde, weil, wie bereits in der Vorlage ausgeführt worden ist, die sächsischen Garantiemittel zur zeit nahezu erschöpft find. Aus naheliegenden Gründen hat die Regierung dem Landtage die Erhöhung der jetzigen Garantiesumme von 20 Mill. RM lediglich um den Betrag von 5 Mill. RM vorgeschlagen; sie glaubt, daß damit bei dem revolvie renden Charakter der Garantie die Bedürfnisse der säch sischen Wirtschaft zunächst befriedigt werden können. Sollte gleichwohl in späterer Zeit ein unabweisbares Bedürfnis zu einer abermaligen Erhöhung der Garantie summe auftreten, so wird die Regierung im Interesse der Fortführung der von der sächsischen Wirtschaft bei ihrer heutigen Lage für unbedingt notwendig erachteten Garantieaktion anderweit darüber Beschluß zu fassen haben, ob dem Landtag eine weitere Erhöhung der Garantiesumme vorzuschlagen ist. Abg. vr. Eckardt (Dnat): Unsere Stellung zu der Vorlage Nr. 18 hat mit unserer allgemeinen Stellung gegenüber der Sowjetregierung in Rußland natürlich nichts zu tun. Hier handelt es sich um eine rein geschäftliche Maßnahme, die notwendig ist, um der deutschen Industrie einen Teil der so ersehnten Be schäftigung wiederzugeben. Für uns kommt es bei der Zustimmung wesentlich darauf an, ob man damit rechnen muß, daß der Staat mit seiner Garantie in Anspruch genommen wird. Ich habe in dieser Beziehung zunächst keine Besorgnis und fühle mich darin dadurch bestärkt, daß jetzt große Auf träge in England mit 5jähriger Laufzeit der Zahlungs bedingungen angenommen worden sind. Ich glaube nicht, daß das Regime der Sowjets so plötzlich zusammen brechen wird, denn sie verfolgen ja ein Prinzip, das ihre Anhänger bei uns in Deutschland immer bekämpfen, nämlich die außerordentliche Kapitalbildung, wie sie im Fünfjahresplan dargestellt wird (Zurufe b. d. Komm.), auf Kosten der Lebenshaltung der breiten Massen, und sie befinden sich dadurch gerade im Gegensatz zu unserem angeblich kapitalistischen Staate, wo wir weniaer Wert auf Kapitalbildung legen, sondern die Kaufkraft meist unniittelbar verbrauchen. Ich glaube aber auch nicht, daß sich das System der Sowjets auf die Dauer halten lassen wird, denn es handelt sich nicht um organisch gewachsene Einrichtungen, sondern um eine gewisse wirtschaftliche Treibhauskultur, große Unter nehmungen, denen aber der Zwischenbau fehlt. Doch dies ist hier nebensächlich. Hier interessiert uns vielmehr die Frage, ob durch Annahme der Russenaufträge deutsche Menschen Arbeit erhalten können. Sachsen leidet gerade augenblicklich mit seinem Maschinenbau besonders Not, und gerade Maschinen sind es ja, die die Handelsvertretung der Sowsetregierung bestellen will, in der Hauptsache Werk zeugmaschinen. Der Werkzeugmaschinenbau befindet sich vorzugsweise in Chemnitz, wo die Rot am größten ist. Deshalb müssen wir alle Mittel ergreifen, um hier Hilfe zu schaffen. Es handelt sich, da der Kredit sich ja immer wiederholt, um bedeutende Aufträge, die auf diese Weise für Sachsen erworben werden können; denn aller 18 Monate bzw. in vierteljährlichen Zwischenräumen laufen ja die Zahlungen ein. Wir halten dieses Engagement deS Staates für besser, als daß man mit Arbeitslosenunterstützung oder mit Notstandsarbeiten der Arbeitslosigkeit abhelfen will. Wir stimmen deshalb zu. Aber wir finden die beantragte Erhöhung für un- genüg^id. Wir haben in Sachsen in der nächsten Zeit wahrscheinlich noch größere Aufträge der Handels vertretung der Sowjetregierung zu erwarten. Deshalb halte ich es für besser, wenn wir schon jetzt die Höchst garantiesumme auf 30 Mill. M erhöhen. Wir haben einen entsprechenden Antrag gestellt. Wir sehen darin keine Gefahr denn die Regierung hat es ja in der Hand, rechtzeitig mit ihren Bürgschaften zu stoppen, falls es ihr möglich scheint, daß sie mit der Bürgschaft in Anspruch genommen wird. Ich bitte Sie, unserem Anträge zuzustimmen, und ich glaube auch, daß wir die Vorlage beute in Schluß beratung erledigen können. (Beifall b. d. Dnat.) TtaatSminister vr. Hedrich: Meine hochgeehrten Herren! Der Herr Abg vr. Eckardt erachtet namens seiner Partei die Erhöhung von 20 Mill, um 5 Mill, auf 25 Mill, für ungenügend und beantragt, die Gewähr leistung auf 30 Mill. M zu bemessen. Ich bitte Sie dringend, diesem Antrag nicht stattzugeben. Mit Recht hat der Herr Abg. vr. Eckardt soeben her vorgehoben, daß zurzeit keine Besorgnisse bezüglich der Rückzahlung der Kredite vorhanden sind. Dem stimme ich durchaus bei. Die Rückzahlungen haben sich bisher ordnungsgemäß seitens der Sowjetrepublik vollzogen, aber ich betone ausdrücklich, zurzeit und bisher sind die Kredite in Ordnung gegangen. Wir können aber unter keinen Umständen übersehen, wie die Verhältnisse in Rußland sich weiter entwickeln werden. Unbedingt ist jedenfalls Vorsicht geboten. (Abg. Voigt: Das wissen Sie doch, Herr Renner!) Wir müssen dauernd darüber wachen, wie sich gerade in finanzieller Beziehung die Verhältnisse in Rußland weiter entwickeln werden. Aus diesen Grün den bitte ich Sie, dem Anträge keine Folge zu geben. Es kommen hierzu noch ganz besondere weitere Um stände; wie ich mir erlaubt hatte schon in der Einfüh rungsrede hervorzuheben, sind ja die Garantien revol vierend, mit anderen Worten, die Summen, die sich durch Rückzahlung erledigen, können erneut gegeben werden. Tatsächlich fließen jetzt fortgesetzt Summen zu rück, die vor zwei bis drei Jahren gewährleistet wor. sn sind. Wir können auf Grund dieser rückfließenden Summen neue Gewährleistungen geben; hierzu kommen noch die 5 Mill. RM, die wir als neue Garantien zu be willigen bitten. Zum anderen, das habe ich auch bereits hervor gehoben, ist ja, da der Landtag in der nächsten Zeit aller Voraussicht nach dauernd versammelt sein wird, jederzeit Gelegenheit geboten, wieder erneut an den Landtag heranzutreten und um eine weitere Erhöhung zu bitten, dann werden wir zunächst die Verhältnisse wieder zu prüfen haben, wie sie sich in Rußland, ins besondere in finanzieller Beziehung, entwickelt haben, und dann können Landtag und Regierung darüber Be schluß fassen, ob die Verhältnisse so sind, daß wir unbe denklich weitere Garantien gewähren können. Abg. Renner (Komm. — Zuruf des Abg. Meyer: Im Osten nichts Neues!): Im Osten ist doch einiges Neues, das ist die Tatsache, daß Herr Abg. Eckardt und auch der Finanzminister die Erklärung abgibt, daß man für die Rückzahlung der Kredite an Sowjetrußland gar nicht mehr besorgt zu sein braucht. (Zuruf b. d. Wirtschp.: Das hat er nicht ganz gesagt!) Zweitens gaben Sie zu, daß das System der Sowjets doch nicht so schnell zu er schüttern sei. Es gibt eine Möglichkeit, Herr Hedrich, wo Sie Ihr Geld verlieren können, nämlich wenn Deutschlands Arbeiter das Sowjetsystem in Deutschland aufbauen, sind die deutschen Kapitalisten ihre großen Darleben, ihre, großen Anleihen, ihre großen Betriebe und ihren großen Grundbesitz los. Es gibt im Augenblick nur noch ein einziges Land im ganzen Weltmaßstab, mit dem man überhaupt Aus- tauschgeschäste machen kann; das ist die Sowjetunion. So sehr die Herren vom Kapital das System des Bolschewismus hassen, so sehr sind sie doch gezwungen, mit dieser verfluchten Sowjetrevublik Geschäfte zu machen, um wenigstens einige kleine Oasen im all gemeinen Zusammenbruch der kapitalistischen Wirtschaft aufzurichten. Die Zusammenbruchchancen in Deutschland für die deutschen und für die Weltkapitalisten sind in der letzten Zeit, auch in der Zeit, seitdem wir hier im Landtag nicht versammelt waren, größer geworden. Es gibt keine andere Stelle auf der ganzen Erde, in der es Ausstieg, Fortschritt und Entwicklung gibt, als eben in Sowjetrußland Alle Hetze, alle Verleumdungen gegen diesen einen Arbeiterstaat ändern die konkrete und positive Tatsache nicht, daß die Kapitalisten aller Länder, die immer mehr abwärts gehen, jetzt an fangen, sich um den ruffischen Absatzmarkt zu reißen. (Sehr wahr! b. d. Komm.) Das müssen jetzt auch die bürgerlichen Zeitungen zugeben, daß man trotz allem Haß gegen die Sowjetunion versuchen muß, die Handelsbeziehungen zu verbessern. Lloyd George hat in seinen NeujahrsauSführungen sehr deutlich und klar