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Inserate werden bis BormittagS 11 Uhr angenom- . Erscheint jeden Wochentag Abends « Uhr für den 1 > /H andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Ps., I zweimonatlich 1 M üv Ps. u. einmonaU. 7b Ps. rate werden bl« Vormittag« I I Uhr angcnom- - und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile 1 oder deren Raum 1b Pfennige. d v» - men 31. Jahrgang. Minmq, dm 3». Juli. I Amtsblatt für dir königlichm mb stiidttschm Bthörbeu zu Freiberg mb Braud Bermrtwortllcher RedaÜe« J»Uu» Brau» tu Freiberg. rBergerMME und Tageblatt Abouuements «zf bm Kerker für bie Monate Angnft mid September »erde« von sSmmtltchm Postaükaltea wie da» der «itterzeichnete« Expedition und den bekannte» «uS- gabestellm in Freiberg, Brand, Halsbrücke, Grotz- fchirma «ad LanghennerSdors zum Preise von 1 Mk. 5« Pfg. angenommen. Lxpsäition äes „ssreidsrger ^nrsigsr u. Isgedlatt." Eine Aenderung -er Neichsverfassnvg. Der Reichskanzler hat bekanntlich dem Bundesrathe einen Antrag zugehen lassen, wonach die bezüglichen Be stimmungen der Reichsverfassung dahin abgeändert werden sollen, daß an Stelle der dreijährigen Legislaturperioden vierjährige treten und alle zwei Jahre die Etats für zwei Finanzperioden in Einem Gesetze festgestellt werden. Die Reichstagsabgeordneten sollen also, anstatt auf drei Jahre, künftig auf vier Jahre gewählt werden. Der Reichstag selbst soll in der Regel nur alle zwei Jahre zusammen treten und das Budget auf zwei Jahre hinaus feststellen. Dieser Antrag des Reichskanzlers erfährt viel Anfech tung. Man erblickt in dem alljährlichen Zusammentreten des Reichstages eine Gewähr für die verfassungsmäßigen Rechte des Bölkes und ist also nicht geneigt, einer Einrich tung Raum zu geben, welche diese Rechte zu beeinträchtigen vermöchte. Es wird auch darauf hingewiesen, daß die öfteren Wahlen und das alljährliche Tagen der Volksver tretung ein reges politisches Leben im Volke befördere, das Interesse an politischen Angelegenheiten wach erhalte, ohne welches eine befriedigende Gestaltung unserer öffentlichen Zustände kaum denkbar ist; und daß ein sehr werthvolles Recht aus der Hand gegeben wird, wenn das deutsche Volk darauf verzichtet, seine Vertreter alljährlich beisammen zu sehen. Auch guf das Beispiel Englands wird hingewiesen, wo ein Verzicht auf das alljährliche Tagen des Parlaments einfach undenkbar wäre. Es läßt sich nicht leugnen, daß alle diese Einwände viel für sich haben. Die Reichsregierung ist zwar beim Erlaß von Gesetzen nach wie vor an die Zustimmung der Volksvertretung gebunden, ob nun der Reichstag das Bud get alljährlich oder immer auf zwei Jahre feststellt; sie darf in den Dingen, in welchen sie durch die Reichsver- fassung auf die Mitwirkung des Reichstags angewiesen ist, nicht um einen Schritt von der Grenzlinie abweichen, welche die Verfassung ihr zieht. Aber für die Handhabung ihrer Befugnisse, für die Ausführung der Gesetze und für die ganze Verwaltung kann es unter Umständen doch einen recht großen Unterschied machen, ob die konirolirende und kritifirende Instanz — und das ist die Volksvertretung — alle Jahre Gelegenheit hat, ihr Wort zu sprechen, oder ob sie nur alle zwei Jahre hierzu berufen wird. In zwei Jahren kann viel geschehen, was später kaum wieder gut zu ma chen ist. Auch halten wir die Zeit für eine solche Verfassungs änderung so schlecht gewählt wie nur möglich. Ueber eine derartige Maßregel würde sich dtskutiren lassen, wenn Alles im schönsten Einklänge wäre, wenn der herrschenden poli tischen Stimmung nach nur die rein praktischen Gesichts punkte zur Geltung kommen könnten. In der jetzigen er regten Zeit aber, in welcher ein ziemlich weit verbreitetes Mißtrauen, Verstimmung und Pessimismus um sich ge griffen haben, in dieser Periode der Leidenschaften und Kämpfe ist es gar nicht anders möglich, als daß der an den BundeSrath gelangte Vorschlag sofort die Eifersucht auf die Volksrechte und den Entschluß wachruft, das Recht, welches man besitzt, nicht gegen eine Einrichtung aus den Händen zu geben, von der man gar nicht weiß, welchen Einfluß auf das politische Leben sie äußern kann. Einer späteren, sachlichen Prüfung der angeregten Frage in ruhigerer und gelegener Zeit würden wir nicht entgegen ein. Denn Manche- von dem, was für den Antrag der Reichsregierung angeführt wird, ist in der That ebenfalls der Beachtung Werth. In England, das freilich den all- ährlichen Zusammentritt de- Parlaments für nothwendig Mt, herrschen eben andere Verhältnisse wie bei uns. Dort giebt es nur Einen Mittelpunkt des politischen Interesses: das Parlament; wir haben neben dem Reichstag noch die Landtage der Einzelstaaten, welche gleichfalls die Aufmerk samkeit des Volkes und die Kraft der politisch thätigen Männer in Anspruch nehmen. Wir finden gar kein Ende mit dem Verfolgen der Reichstags- und Landtagsverhand lungen, mit den Wahlen zu Reichstag und Landtag, zu den Gemeindevertretungen, den Vertretungen wirthschast- licher Interessen u. s. w. ES ist noch sehr die Frage, ob dieses ausgiebige Maß von Parlamentarismus unserem öffentlichen Leben nicht mehr schadet, als nützt. Das In teresse des Volkes erlahmt unter diesen fortwährenden Verhandlungen, die politischen Kräfte reiben sich auf. Wer mitten im Wahlkampfe gestanden, weiß, daß es immer schwerer hält, den Wähler an die Urne zu bringen. Und was ebenfalls zu bedenken ist: die Anforderungen, welche an Diejenigen gestellt werden, welche ein Mandat erhalten, sind so große, daß Viele, die sonst wohl zur Uebernahme solcher Ehrenposten befähigt und geneigt wären, lieber da rauf verzichten. Ein Mann, der auf den Erwerb für seine Familie bedacht sein muß, kann nur in seltenen Fällen das Opfer bringen, alljährlich einige Monate in Berlin zu leben. Dadurch aber überwuchern die Berufs-Parlamen tarier, die ja auch nothwendig und nützlich sind, in der Ueberzahl aber entschieden Schaden bringen. Zweimal in vier Jahren das Abgeordneten-Mandat auszuüben, würde sich vielleicht mancher erprobte Mann entschließen; drei Mal es in drei Jahren zu thun, verweigert er. Wenn aber schließlich von mehreren Blättern die be absichtigte Maßregel der Reichsregierung als reaktionär verschrieen wird, so geht man damit jedenfalls zu weit. Uns scheint in dieser Hinsicht die badische Landeszeitung ein ruhiges und objektives Urtheil abzugeben, indem sie schreibt: „Gleich wie die Hausfrau dadurch nicht unab hängiger und unselbständiger wird, wenn der Mann ihr statt auf eine, auf zwei Wochen, oder statt auf einen, auf zwei Monate das Wirtschaftsgeld zutheilt, so wenig können die verfassungsmäßigen Rechte deS Parlamentes darunter leiden, daß es den Staatshaushalt statt für ein Jahr, für den Zeitabschnitt von zwei Jahren durchberathet und be schließt. Das ist nicht reaktionär, sondern einfach nur praktisch! Die Stimmen, die sich bereits erhoben, haben eS daher auch bis jetzt nur bei der bloßen Behauptung bewenden lassen und noch nicht einmal die Spur eines Beweises beizubringen gesucht, warum denn dadurch die VolkSrechte verkümmert werden. Das würde auch schwer möglich sein. In jenen Staaten, wo diese Einrichtung bisher besteht, befindet man sich ganz wohl dabei, und wir glauben daher, daß man alle Ursache hat, in der gedachten Reform statt einer Verkümmerung der Rechte des deutschen Volkes eine Festigung und Vertiefung des verfassungs mäßigen und parlamentarischen Wesens zu erblicken." Alles in Allem ist sonach die angeregte Frage nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. In dem jetzigen Augenblicke aber sie zur Lösung bringen zu wollen, halten wir für ein verfehltes Unternehmen. Vie neuen Justygesetze. x Das Reichsgericht Richten wir nunmehr den Blick auf das mächtig auf strebende Monumentalwerk des Reichsgerichtes. Ich will versuchen, soweit es auf gedrängtem Raume möglich ist, die Leser mit dem äußeren und inneren Habitus dieser wahren Neuschöpfung der Reichsgesctzgebung bekannt zu machen. Es sind seltsame Gefühle, die uns beschleichen, wenn wir vor diesem Baue der Gegenwart stehen und schemenartig die Bilder einer versunkenen Zeit vor uns aufstcigen wollen; einer Zeit, in welcher es das ehrgeizige Streben der kräftig gewordenen Landeshoheit deutscher Staaten war, durch Privilegia ä« von sich von der lästigen Rcichsgcrichtsbarkcit (die ost genug nur ein Koloß mit thönernen Füßen erschien) zu cmanzipiren, einer Zeit, aus welcher sich der Grad der Achtung vor der RcichsgcrichtSbarkeit in dem Berschen wiedcrspiegelt: „Zpirss Iit«8 8^ir»vt, 8«<l noo sx8pirimt"; einer Zeit, iu welcher in den Gewölben des Reichskammergerichts die Akten an Stricken aufgehangen schwebten, und der Ueber- liefcrung nach eine Sache endlich an's Licht des Tages gezogen wurde, wenn der vermorschte Strick die Last der Arten nicht mehr zu halten vermochte. Ich will indcß keine rcchtshiftorische Novelle schreiben über Zustände, deren Dasein wir noch aus der Darstellung der Wetzlar'schcn Periode in Göthe's Wahrheit und Dich tung verspüren können. — In welch' greisenhaftes Sta- dinm die Reichsgcwalt getreten war, das lehrt die be kannte Anekdote, welche darüber berichtet, wie unter der Regierung des Großen Friedrich Rcichsbevollmächtigte schon an der Treppe mit ihren Aufträgen prompt und handgreiflich abgcfertigt wurden Eine solche Reichs herrlichkeit, die längst ein leerer Wortklang war, verdiente zu Grunde zu gehen. Nun ist der Phönix aus den Flam men wicdergeborcn, und mit den Siegern von 1866 und 1870 zog er in das neu eroberte Reich ; nicht mehr das alte heilige römische Reich deutscher Nation, durch dessen Truggcbilde die deutsche Nation so Unsägliches erlitten, sondern ein Reich, das deutsche Waffengenosscnschaft und der Wille der deutschen Fürsten in s Leben gerufen- Mit dem Wiederaufleben des Reiches machte sich daS Bcdürfniß einer Reichsgerichtsbarkeit unabwcislich geltend, und schon während der kurzen Dauer des Norddeutschen Bundes war dem Oberappellgericht Lübeck eine solche Ge richtsbarkeit Betreffs der in Art. 74 der Verfassung be zeichneten Angelegenheiten übertragen worden. Die Mi litärgerichtsbarkeit verlangte reichsgcfctzlicbc Regelung, und die bereits aus der Zeit des ehemaligen oeutschcn Bundes herüberaebrachte Gemeinsamkeit des Wechsel- und Handels rechtes führte 1869 zur Neubcgründung des Reichsober- handelsgcrichts, der ersten sichtbaren und mit unverhohlener Freude begrüßten Institution einer wirklichen selbständigen Reichsgerichtsbarkeit, wenngleich mit beschränkter Zustän digkeit. Die wahrhaft fieberhafte Gcsetzgcbungsthätigkeit aber, welche eine der merkwürdigsten Erscheinungen der Gegen wart ist, hat ununterbrochen dafür gesorgt, daß an diesen Kern einer selbständigen Reichsgerichtsbarkcit sich krystall- artig mehr und mehr neue Zweige ansctzten und das Ge richtsverfassungs-Gesetz bringt zu dem Vorhandenen einen so gewaltigen Nachschub, daß die aesammtc Bildung in eine neue Form gegossen werden mußte. Für alle die, welche den Fortschritt der Rcichsaesetz- aebung nicht schrittweise versolgcn, wird es überraschend sein, zu sehen, welche Kompetenzausdchnung das Reichsoberhandelsgericht seit der kurzen Zeit seines Be stehens aus Gebieten erlangt hat, die mit Wechsel- und Handelsrecht gar nichts zu thuu haben. Der Drang und das Bestreben, die Reichsgesetzc unter die möglichste Ga rantie einer einheitlichen Rechtsprechung zu stellen, war so groß und so natürlich, daß keine Gelegenheit hierzu un genützt vorübcrging. Die Ansprüche gegen den Reichs fiskus wegen Aufhebung von Flößcreiabgaben, die Ver hältnisse aus dem Gesetz über Urheberrecht an Schrift werken rc. rc., die oberste Gerichtsbarkeit in Sachen der deutschen Konsulargcrichtc, Ansprüche aus dem Gesetz über Schadenersatz wegen Unglückssällen bei Eisenbahnen, Berg werken rc., vermögensrechtliche Differenzen aus dem Gesetz, die Rechtsverhältnisse der Reichsbcamtcn betreffend, Rechts verhältnisse, welche nach der Straudungsorduung zu be-