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ZchönbuM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Lage nach kann- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster, scheinende Nummer bis nachmittags 3 Uhr deS vorhergehenden Tages. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. ««d aldeuburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SS Pf. Einzelne Nummern 5 Pf Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Filial-Expedition in Altstadtwaldenburg: bei Herrn Kaufmann Max Liebezeit. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Mittwoch, den 1. Oktober 230. 1831. Den neu eingetretenen Abonnenten wird, soweit der Vorrath reicht, auf Verlangen der Anfang der begonnenen Erzählung gratis nachgeliefert. Da der Vorrath indessen nur noch ein beschränkter ist, neue Anmeldungen aber schon jetzt recht zahlreich eingelaufen find, bitten wir Diejenigen, welche auf den Beginn der Erzählung reflectiren, dies recht bald thun zu wollen, da dein Verlangen voraus sichtlich späterhin nicht mehr entsprochen werden kann. Die Expedition. "Waldenburg, 30. September 1884. Als der Besuch unseres Kaisers in der Hauptstadt Westfalens, in Münster, unmittelbar bevorstand, ist zu den verschiedenen Festvorbereitungen und Veranstaltungen noch eine, oder richtiger zwei Adres sen hinzugetreten, welche dem Kaiser in feierlicher Audienz überreicht werden sollten. Die eine Adresse ging von dem westfälischen Adel aus, die andere von den Kirchenvorständen und den Kirchengemeinde vertretungen der Provinz, und es erregte kein ge ringes Aufsehen, als plötzlich die Nachricht bekannt wurde, der Kaiser hake die Entgegennahme beider Adressen abgelehnt, weit in denselben Bezug aus den Kirchenstreit genommen sei. Der Einzug des Kaisers in Münster fand statt. Aus dem unbe schreiblichen Jubel, welcher dem Kaiser in der alten Bischofsstadl entgegenbrauste, ist deutlich ersichtlich, daß die Ablehnung der Adressen im Volke selbst keinen besonderen Eindruck hervorgerufen hat, der Tag von Münster hat vielmehr aufs Neue bewiesen, daß in der Liebe zu Kaiser und Reich die Bewohner aller Provinzen Preußen'S und aller Theile des deutschen Reichs gleich sind. Es giebt etwas, was über Parteizwist und Kirchenstreit steht. Den Kaiser und das deutsche Vaterland. Wir sagen, die Ablehnung der Adresse sei erfolgt, weil aus den Kirchenstreit Bezug genommen sei. So hieß es vor 8 Tagen! Diese Molivirung ist nicht ganz treffend, wie die folgenden Stellen aus der Adelsadresse beweisen werden: „Die schweren Leiden, welche der kirchenpolitische Kampf in den verflossenen dreizehn Jahren über Ew. Majestät katholischen Unter'hanen gebracht hat, können die Treue westfälischer Herzen nicht erschüttern. Aber wir dürfen in derselben gewissenhaften Treue nicht schweigen, wenn wir auf die Ruinen blicken, welche dieser Kampf angehäuft hat, wenn wir fort und fort den Schmerzensruf der Millionen hören, denen die freie Ausübung ihrer Religion beschränkt ist, wenn wir so viele Pfarreien noch verwaist, die Heranbildung des Klerus und die Seelsorge verhin dert, die katholische Kirche in Fesseln gelegt sehen. Wir sind tief dankbar, daß Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestäten Huld die Hindernisse gehoben, welche der Rückkehr des Bischofs von Münster in seine Diözese entgegenstanden, wie für die erfolgte Wiederbesetzung des bischöflichen Stuhles in Pader born; wir danken allerunterthänigst für alle einge- tretenen Erleichterungen. Aber dieselben können in ihrer Beschränkung die vorgeschilderlcn Leiden nicht beseitigen. Ew. Kaiserliche und Königliche Majestät haben das erhabene, in den Herzen aller getreuen Unter- thanen wiederklingende Wort ausgesprochen, es solle Ihrem Volke die Religion erhalten werden. Allerhöchstdieselben bezeichneten bei der Erbhul digung Ihres getreuen Volkes zu Königsberg im Jahre 1861 zu Allerhöchstdero Genugthuung das Verhältniß des Staates zur katholischen Kirche als durch Geschichte, Gesetz und Verfassung wohlgeordnet. Ew. Kaiserliche und Königliche Majestät wollen Allergnädigst geruhen, diese bewährte Ordnung wie der Herstellen zu lassen, zu dem reichen Segen Allerhöchstdero Regierung auch das werthvollste Gut, den inneren Frieden hinzufügen und Allerhöchstdero katholische Unterthanen von der schwersten, auf den selben lastenden Bedrückung zu befreien." Das sind die betreffenden Stellen der Adresse, die zugleich ?/» ihres GesammtinhaltS ausmachen. Das der Kirchenstreit eine leidige Angelegenheit ist, die je eher, je besser beseitigt ist, bestreitet kaum Jemand noch, und gerade unserem ehrwürdigen Kaiser liegt es wohl am meisten am Herzen, daß der Zwiespalt mit Rom ein Ende nimmt. Es ist nicht einzusehen, weshalb der Kaiser nicht eine Adresse angenommen haben sollte, in welcher die Hoffnung auf eine glückliche und nicht zu ferne Er ledigung des Kulturkampfes ausgesprochen wurde! Thut das aber die Adresse? Nein! Sie enthält eine Kritik der vom Kaiser eingesetzten Regierung, sie verklagt diese Regierung beim Kaiser und sie tadelt aus's Heftigste die mit kaiserlicher Genehmi gung ins Leben gerufenen Gesetze. Dadurch tritt sie aber der Person des Kaisers selbst zu nahe und aus dem Rahmen heraus, weil heraus, welchen derartige Schriftstücke unbedingt inne halten müssen, mögen sie betreffen, was sie wollen. Die Verfasser der Adresse hätten sich dies selbst sagen können und müssen, der eingeschlagene Weg war grundfalsch, auf solchem Wege kommt man nicht zum Ziele. Die Discusfion dieser Adelsadresie ist gerade kein ange nehmes Thema; daß sie, und was damit zusammen hängt, peinliches Aufsehen erregt, daran haben ihre Verfasser selbst Schuld. "Waldenburg, 30. September 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Aus Baden-Baden wird gemeldet, daß der Kaiser dort in gewohnter Weise die üblichen Regierungs geschäfte erledigt. Das Befinden ist ganz vor trefflich. Die „Magdeb. Ztg." schreibt: Wie wir hören, wird erst nach dem Beginn des Wintersemesters die medizinische Fakultät der Berliner Universität in Beralhung darüber treten, was etwa in Bezug auf die Berufung Or. Schwenninger's zum außer ordentlichen Professor zu geschehen habe. Uebrigens ist ein starker Bruchtheil geneigt, die Sache auf sich beruhen zu lassen, da doch keine Aenderung zu er warten ist. Angeblich hat Fürst Bismarck auf die Einwendungen des Cultusministers gegen die Er nennung gesagt: „Wenn Schwenninger nach Mün chen geht, so gehe ich mit, und nun machen Sie, was Sie wollen! Daraufhin wäre die Ernennung vollzogen. Die Neuhaus-Ostner Nachrichten bringen die Dar stellung eines kaum glaublichen Excesses gegen den freisinnigen Reichstagsabgeordneten Cronemeyer in Neuhaus a. d. Oste, der verübt durch den mit der Leitung des Amtes Neuhaus betrauten Re gierungs-Assessor Glogau. Wir überlassen dem Blatte für seine Angaben die volle Verantwortung: „Nach einer Reihe von Jnvectiven in einem Lokale gegen Cronemeyer sagte Glogau: „Jawohl, Sie sind von ganz gemeinen, erbärmlichen Arbeiterhorden gewählt, Herr Abgeordneter, und gehören einer Partei an, die ich von Grunde meines Herzens verachte und den Nihilisten und Königsmördern gleichstelle." Herr Glogau fordert sodann die An wesenden auf, die Ausschließung Cronemeyer's au« der Gesellschaft auszusprechen. Nur zwei Herren stimmten aber dem bei, und mit diesen verließ Herr Glogau das Lokal. Um 10'/r Uhr erschien er von Neuem und zwar mit einer Laterne, mit welcher er verschiedenen Anwesenden in's Gesicht leuchtete, mit der Bemerkung: „Ich will sehen, ob auch lauter anständige Menschen anwesend sind." Dann stellte er sich vor Cronemeyer, und als dieser ihm sagte, er solle sich wegen seines Betragens schämen, schien er den Abgeordneten mit der Laterne an den Kopf schlagen zu wollen; die Laterne wurde ihm aber von einem anderen Herrn fortgenommen. Darauf rief Herr Glogau: „Ich willes zum Exceß bringen, entweder excludirt diesen Nihilisten oder mich;" er ergriff sodann einen schweren, metallbeschlagenen Halbliterschoppen von starkem Krystallglas und warf denselben mit den Worten: „Ich will den Hund vernichten," gegen den Kopf Cronemeyer's, der schnell den Arm emporhob, von dem das Glas ab prallte. Der Assessor ergriff dann noch einen Stuhl, um sich auf den Abgeordneten loszustürzen, wurde aber verhindert. Herr Cronemeyer, der sich nach Möglichkeit ruhig verhalten, entfernte sich darauf und wird diesen — wir wiederholen nochmals — kaum glaublichen Fall der Staatsanwaltschaft unterbreiten. Die deutsch-freisinnige Partei wird in der That einen Partei-Wahlaufruf veröffentlichen. Die „Pari. Corr.", Richlers Organ, bringt lediglich eine kurze Zusammenstellung der bekannten Partei prinzipien. Einzelne Theile des in der Ausarbeitung be griffenen bürgerlichen Gesetzbuches für da» deutsche Reich sind den Ministerien die verschiedenen deutschen Staaten zur Begutachtung zugegangen. Nachrichten aus Nom zufolge sollte Herr von Schlözer in diesen Tagen Cardinal Jacobini eine Note überreichen, welche Vorschläge zur Lösung schwebender Fragen im Kirchenstreite enthalte. Die „Nordd Allg. Ztg." reproducirt ohne jede weitere Bemerkung folgendes Urtheil der „Köln. Ztg." über die westfälische Adelsadresse: „Das Schriftstück gehört zu ven stärksten und unehrer bietigsten Verdächtigungen, die jemals in heuchle rischer Entstellung der Thatsachen und mit trüge rischer Absicht gegen die Regierung bei der Krons versucht worden sind." Am Sonntag wurden zwei Arbeiterversamm lungen in Berlin polizeilich verboten, eine dritte aufgelöst. Der Staateanzeiger publizirt eine Verordnung, wonach die aus Berlin und Umgebung auf Grund des Socialistengesetzes ausgewiesenen Personen auch nach dem 1. October ausgewiesen bleiben. Neu ausgewiesen ist ein Arbeiter aus Adlershof bei Berlin. Zur Bildung der Berufsgenossenschaft auf Grund des neuen Unfallversicherungsgesetzes schreiben die Berl. Pol. Nachr. Einzelne größere Unter nehmer oder auch einzelne Industriestädte glauben, sie könnten Genoffenschaften für sich bilden, ohne zu erwägen, ob diese gesetzlichen Voraussetzungen hierzu vorhanden sind und die Leistungsfähigkeit für alle Zeitungen gesichert ist. Wir sind überzeugt, daß das Reichsversicherungsamt derartigen unberech tigten Sonderbestrebungen keinen Vorschub leisten wird und wenn diese Ueberzeugung in den betreffenden Kreisen erst Boden gewonnen haben wird, wird sich auch ein Ausgleich leicht herbeiführen lassen. Ungarn. In der Thronrede, mit welcher Kaiser Franz Joseph den ungarischen Reichstag in Pesth eröff nete, heißt es in Bezug auf das Verhältniß Oester reich-Ungarns zu den übrigen Großmächten: „Unsere Beziehungen zu Deutschland sind die möglichst innigsten und stehen wir auch mit den übrigen Staaten im besten Einvernehmen, was mit Sicher heit erwarten läßt, daß Sie unbeirrt durch äußere Verwicklungen ihre Thätigteit dem Wohle Ungarn«