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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.07.1920
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1920-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19200722012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1920072201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1920072201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Bemerkung
- Text schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-07
- Tag 1920-07-22
-
Monat
1920-07
-
Jahr
1920
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Morgen-Ausgabe tilrLelpzl- »nd V^koN« zweimal tl-llch l»1 Haataebracht, SaantaitaltMaraeaaataad» moaall. M. 1V.—, »I»rt«l!ad»l. M.»-—: für Bbdoler »via«. M. 8 50. Mokaea-Aaßgab» allein M. 7LV manailich, Adend-^iatiad» allein M a.— maaailich. varch »issar» aatwärlizea Ftitale» ial -aal ae- dracht monatlich M. 10,—, »t«et«l,<ih,lich M. SO.—; duech dl» Polt «anerbald Deatlchlaad« Teiamt-Autgab« monatlich M. 7^0, viert,IILHr- Uch M. Li.« <a»«lchll«blich P»ftb,ft»ll,«diidr). Autlandtoerlaad: monatlich M. 10.— and VraLsachen-vvrta. Slnielaommern: Mar,en- Aadgad« >0 Ps, Bdand-Antgad« Ä> Pt. Sonalazt-Aat-ad, 40 Pt Hauptschrlftlett«: Dr. Erich Everth, Leipzig. yrmdels-FeUuns ^lrnLsblatt des Rates und des PoUzeiarrrtLS de« Stadt Leipzig 114, Jahrgang Anzeigenpreis: Dl.2L.->: Anzeigen von Aehdrden Imamtltchea Teil dl« Äonpireillezill« 7N.ll.ia v.aatw. M. 5.—; klein« Anzeige» diaTloaparelllezelleM I.«V. »on nuIwLet« Mir. l.LO, DeschLfltanzelgen mit Pla»ooklchei>t«n im Preil« «r»d!>!. Platz und Vatenvorlchrllt ohne Derdlndllchdelk. Pellagenpreil, tllr dl« Lelamlautlag« dar Lautend Md. 17.— nell», sie Tellauslog« dal Tausend Alk. 15.— nell», sllr Postaoslaa« Posigeddd» «zli«. Zernlprech-Anlchlutz Nv.lliillr, 14SN und 146-4. — Postlcheckdenl» 7'4V>t SchrlMellung und Selchösllftell«: llohannl««»!!» 41». -e Verlag: Dr. Reinhold L Eo„ Leipzig. Rr SS« Donnerstag, den 22. 3uli 1920 Englands Antwort an Rußland Vorläufig noch keine Räumung der östlichen Abstimmüngs§eL-cte Berlin, 21. Juli. (Eig. Drahtbericht.) Der deutsch?» Re gierung ist nicht bekannt, ob u»d wann die Entente ihre Besatzungen aus Ostpreußen zurückziehen wird, auch steht noch nickt fest, wann der Oberste Rat daS Abstimmungsergebnis anerkennen wird. Anscheinend hat die Entente, vornehmlich Frankreich, noch keine Lust, angesichts der Vor gänge.in Litauen, ihre Trupven abzuberussn. Rach Meldungen auS Suwalki räumen die Polen alle Gebiete nördlich vonGrodno an der o st preußischen Grenze. Da die Ab stimmungsgebiete von der Reichswehr nicht beseht werden dürfen, wäre ein Teil Ostpreußens bei weiterem Vormarsch der russischen Truppen ohne Schuh deutscher Truppen. Die Reichsregierung hat diese Gefahr wohl erkannt. Wie es scheint, will die Entente bei weiterem russischen Vorrücken ihre Truppen in Ostpreußen belassen, um eine Kontrolle auSüben zu können, ob Deutschland und Rußland etwa gegen Polen Hand in Hand arbeiten. Frankreich soll darauf auf merksam gemacht haben, daß das Zurückziehen der Enlentetruppen aus Ostpreußen für Polen eine große Gefahr bedeutet. 4- * Breslau, 21. Juli. (Drahtbericht.) Der Sicherheitspolizei ist es ge lungen, mehrere polnische Waffenlager in Oberschlesien ausMnehmen. ES wurden zahlreiche Munition, Schußwaffen, Spreng stoffe und Maschinengewehre beschlagnahmt. bei sie den Vorteil Haden, daß unsere Grenze ihnen zunächst als Flanken schuh dient, und daß sie ihre lieberzahl durch immer weiteres Ausholen zur Geltung bringen können. Für Deutschland bedeutet das, daß unsere Grenze gegebenenfalls in recht intensive dauernd« Fühlung nahme mit den russischen Truppen geraten wird. Die beste Sicherung Deutschlands liegt in der Disziplin der Sowjettruppen, die ja gut sein soll. In der gestrigen Sitzung des AeichstagSausschusses für auswärtige Angelegenheiten besprach der sozialdemokratische Abgeordnete Bern stein das Vorrücken der Bolschewisten in Polen. Er wies auf die Möglichkeit hin, daß, wenn der Krieg zwischen Rußland und Polen be endet sei, für die demobilisierten oder sonst sich auflösenden Truppen ent sprechend zu sorgen sei, daß sich dann, ähnlich wie es im Baltikum ge schah, marodierende Banden bilden, die dann auch die Sicher heit unserer eigenen deutschen Grenzbevölkerung gefährden könnten. Diese Bevölkerung müsse daher rechtzeitig entsprechend ge schützt werden. Der Minister des Aeußern Dr. Simons erwiderte, daß in der Tat die bolschewistische Armee nur wenige Tagesmär s chevon der deutschen Grenze entfernt sei. Für den Schutz der Grenzbevölkerung gegen die von Bernstein angedeuteken Gefahren wurden bereits sorgfältige Maßnahmen getroffen. Bemerkenswert ist, daß im Zusammenhang mit den bolschewistischen Erfolgen namentlich in der Presse -er Rechten die Aiarmnach- richten über Zusammenziehung einer Roten Armee in Ost- ireußen sich vermehren. Angeblich soll Insterburg der Haupt- ammelpunkt einer solchen Roten Armee sein, und die Radikalen sollen ich mit Bezug auf die polnische Niederlage sehr optimistich äußern. Sie ähen darin ein Zeichen dafür, daß man dem russischen Befreier bald werd« die Hand reichen können. Inzwischen Haden Ermittelungen in Hamburg, wie von zu- ständiger Stelle mitgeteilt wird, keinerlei Anhaltspunkte für daS Auf treten einer Roten Armee in Hamburg ergeben. Wie die «Nationalzlg.' aus diplomatischen Kreisen hört, glaubt man Anhaltspunkte dafür zu haben, daß Rußland im Falle eines Zustande kommens von Friedensverhandlungen auch die Frage deS polnischen Korridors nach Danzig aufrollen werde, um sich hier LaS Reckt des freien Verkehrs zu sichern. Eine ernste Warnung London, 21. Juli. (Eig. Drahtbericht.) Der Reuteragsnlur zufolge hat die englische Regierung am Dienstag abend die Antwort auf die Note der Sowjetregierung abgesandt. «Daily News' teilt darüber mit: «Die englische Antwortnote an Sowjetruhlaad macht es deutlich, dah England nicht eingreifi, um Polen irgend etwas über feine Unabhängigkeit innerhalb seiner Grenzen hinaus zu verschaffen. Aber wenn die Bolschewisten in Polen eindringe», so würde die Lage von Grand aus geändert sein. Alle Parteien in Polen würden sich zur Verteidigung -er Grenzen zusammenscharen und würden die besten Offi ziere Westeuropas, sehr wahrscheinlich einschließlich des Marschalls Fach selbst, zur Verfügung haben. Was die Munition angeht, so ist ganz Westdeutschland mit Geschützen und Munitionslagern vollgestopft, die nach dem Vertrage den Alliierten ausgeliefert werden müßten. Von diesen Schießvorrälen wird nichts in polnische Hände ge langen, anher wenn Sowjetruhland in Polen einfällt. Wenn die- ge- sststeht, wird die Gesamtheit der Kriegsoorräte sofort zur Verfügung stehen.' — «Daily Expreß' sagt: Di« englische Antwort erklärt, daß es unmöglich ist» die Verhandlungen über den Handelsverkehr mit Rußland fortzusehen, wenn die Sowjettruppen la Polen eindringen. Krasslu ist dahin verständigt worden, daß es bester ist, seine Abreise nach England so lange aufzuschieben, bis die Stellungnahme der Sowjet regierung zweifelsfrei klargemacht ist. Rom, 21. Juli. (Drahtbericht.) Der «Secolo' berichtet aus Paris, daß die Alliierten der Moskauer Sowjetregierung ein auf fünf Lag« befristetes Ultima kam zur Einstellung der Feindseligkeiten auf polnischem Gebiet übermittelt haben. * * * ' Warschau, 21. IoU. (Eig. Drahtbericht.) In der letzten Sitzung des LandesoerteidigungSrates wurde die Frage der Einberufung der Jahrgänge 1890—94 sowie die Frage eines Ge setzes, auf Grund dessen dem Staatsbürger, der sich der Dienstpflicht ent zieht, die Bürgerrechte entzogen werden sollen, erörtert. Wien, 21. 2ult. (Drahtbericht.) Der ukrainische Pressedienst meldet: Dt« Städte im äußersten Osten von Galizien, insbesondere Tarnopol und Brody, wurden wegen Gefährdung durch die Sowjettruppen von den Polen geräumt. Lemberg und die Städte westlich vom Sau fluß sind mit Flüchtlingen überfüllt. Die Ruffen nahe der deutschen Grenze Königsberg, 21. Juli. (Drahtbericht.) Der Vormarsch der bolschewistischen Truppen an der polnischen Nord front geht mit einer für die Polen geradezu vernichtenden Schnellig keit vor sich. Von militärischer Seite wird mitgeleilt, dah der Nord flügel der bolschewistischen Truppen nur noch 90 Kilometer von der ost preußischen Grenze entfernt sei. Die aus Kavallerie bestehenden Spitzen sollen sogar schon auf 80 Kilometer an die Grenze herangekommen sein. Allgemein wird angenommen, daß die bolschewistischen Truppen uicht über die Grenze Vordringen werden. Die zuständigen Stellen haben aber trotzdem alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutze der Grenze getroffen und eine verstärkte Sicherung längs der Grenze dorchgeführt. * * * Berlin, 21. Juli. (Drahtbericht unserer Berliner Schrtftlettung.) Der militärische Mitarbeiter des «B. T.' be merkt zu den Meldungen über die russischen Erfolge: Grodno liegt in der Luftlinie 75 Kilometer von dem Südostzipfel unserer ost preußischen Grenze. Rund zwei Tage nach diesem Geschehnis können wir also hier mit dem Erscheinen russischer Truppen rechnen. Die Rusten werden vermutlich versuchen, die Umfassung der Polen südlich der Südgrenze Ostpreußens gegen Warschau weiterhin fortzusetzen, wo- Millerands Verteidigung ' vor der Kammer Die Aussprache über die Verhandlungen in Spa. Paris, 21. Juli. (Drahtbericht.) Nach Tardieu sprach der Sozialist Blum, der erklärte, man hätte von Deutschland 2 0 Millionen Tonnen verlangen sollen als Ersah für die Kohlen, die die zerstörten Gruben nicht liefern könnten, aber zum Preise der französischen Kohle. Jetzt aber müsse Frankreich für die Tonne anstatt 90 Franken 180 Franken bezahlen. Es sei ein schlechtes Mittel, Deutschland zu helfen, wenn man die französischen Konsumenten der billigen Kohle und die französischen Steuerzahler der deutschen Zahlungen beraube. Die Zustimmung Englands habe man zu teuer erkauft. Ministerpräsident Millerand antwortete Tardieu und Blum, er habe niemals die Urheber des Vertrages getadelt, weder Tardieu noch den großen Franzosen, der, nachdem er das Land gerettet und auch den Defaitismus aufs Haupt geschlagen, mit jugendlichem Eifer die Last schwerer Verhandlungen getragen Hobe. (Starker Beifall. Abg. Baron ruft: Das ist «ine Grabrede!) Millerand fuhr fort, er werf« den Ver fassern des Vertrages nicht vor, ihren Nachfolgern ein diplomatisches Instru ment hinterlassen zu haben, in dem alles festgelegt, aber nichts geregelt sei, einen Vertrag, den man nicht revidieren dürfe, aber interpretieren müsse, um aus ihm eine Realität zu machen. Frankreich verlange nun die Mittel zum Arbeiten. Deshalb habe man geglaubt, man müsse vor allen Dingen die Kohlenlieserungen sicherstellen. Wenn es «inen Menschen gäbe, der den heißen Wunsch Hütt«, dah dt, Okkupation des Ruhrgebiets niemals notwendig sei, so sei er es. (!? Di« Schriftltg.) Er arbeit« aber auch daran, aus dem Vertrag ein wirkliches Instument zu machen, und aus dem Frieden ein« Sach«, die ihrer Definition entspräche. Die von ihm in Spa erzielten Ergebnisse seien hinter feinen Hoffnung«» zurückg«blteben, ober er möchte wissen, wie man zu einem besseren Ergebnisse hätte kommen sollen. Wenn die Verfasser des Friedens vertrages bessere Methoden wüßten, sei er bereit, ihnen seine Stell« ab- zutreten. In dem Kampf«, den man tatsächlich führen müsse, verlange er das Vertrauen des Parlaments. Lvucheur erklärte, er sei beunrnhigt von der Wendung di« die Verhandlungen in Spa genommen Hütten. Er sehe darin einen Vorgang, der M einer Ftnaazkris» führen könne. Er begründete dies näher und erklärte schließlich, daß alle Klauseln der Abmachungen von Spa für Frankreich ungünstig seien. Es sei nicht möglich, die Ent schädigungssumme, di« Deutschland für Pensionen und Wiedergutmachun gen zählen müsse, herabzoseken. Wenn Frankreich nicht die Milliarden erhalte, müsse der französisch« Steuerzahler sie bezahlen. Der Minister für öffentliche Arbeiten Le Trocquer bezweifelte die Richtigkeit der Zahlen, die Lvucheur vorgebracht habe. ES kam des halb zu einer Auseinandersetzung zwischen beiden. Schließlich wurd«, wie bereits gemeldet, noch einer kurzen Erklärung des Finanzministers Ma real dem Ministerium das Vertrauen mit 420 gegen 152 Stimmen ausgesprochen. Di« einfache Tagesordnung wurde vorher, nachdem sie die Regierung zurückgewiesen halte, mit 437 gegen 152 Stimmen abgelehnt. Die Tagesordnung, mit der die Kammer der Regierung das Ver trauen aussprach, lautet: .Die Kammer genehmigt die Erklärung der Regierung, vertraut auf die energische Durchführung der Verteidiounq der materiellen und moralischen Interessen Frankreichs in Verbindung mit seinen Verbündeten, weist j«den Zusatz zurück und geht zur Tages ordnung über.' Billigere Kohlen in Frankreich! Paris, 2i. Juli. (Eig. Drahtbericht.^ .Petit Parisien' hört von unterrichteter Seite, daß die Lieferung der deutschen Stein kohlen an Frankreich nach den Abmachungen von Spa «ine Preisherabsetzung der französischen Steinkohlen um 25 Pro zent zur Folge haben werde. * * - Paris, 21. Juli. (Drahtbericht.) Der französischen Kammer sind zwei Gesetzentwürfe zugegangen. Der erste verlangt einen Kredit von 3Ki Millionen Frank«» zur Feier des 50jährigen Jubi läums der französischen Republik, der zweite die Uebersührung des Herzens Leon Gambettos nach dem Pantheon. Frankreichs Kriegsausgaben Paris, 21. Juli. (Eig. Drahtbericht.) Im Senat teilt« der Berichterstatter zum Etat mit, daß die Kriegskosten 19l8 ihr Maxi- mum erreicht haben und 54^ Milliarden Frank betrugen. Für die ersten sieben Monat« des Jahres 1920 betrogen die Ausgaben noch 25dL Mil liarden. Insgesamt kostete der Krieg dem Staate 233 Milliarden und 300 Million«!^— . ......... , ... Polens Schickfalsstunde Von Heinrich Gesell. Dio Bilder auf dem östlichen Kriegsschauplatz wechseln kaleidc- jkopartig. Was vor einer Woche noch in weiter Ferne schien, ist nahe gerückt, was sich damals als ganz unwahrscheinlich in den Köpfen einher Phantasten ausmalte, ist schon fast Wirklichkeit geworden. Mollen wir die heutige Lage fachlich nud ruhig be urteilen, so müssen wir zwischen der strategischen und der politischen Entwicklung unterscheiden, so eng diese auch ineinander greisen mögen. Politisch ausschlaggebend für die letzte Entwicklung war der Entschluß Lloyd Georges in Spa, feine seit Monaten gepflogenen Verhandlungen mit Krassin mit der Angelegenheit des polnisch russischen Kriegs zu verkoppeln und damit den Versuch zu macken, dem nun allmählich auch England peinlichen Vordringen der Bolschewisten ein Verhandlungsziel zu setzen. Die Alliierten sandten auf seinen Vorschlag eine Note nach Moskau, in der auf Grund genau formulierter Bedingungen ein Friede oder wenigstens ein Waffenstillstand zwischen Polen und Sowjetrußland vor geschlagen wurde, die jedoch keinen Zweifel darüber lieh, daß im Fall der Nichtannahme dieses Vorschlags mit seinen für Polen überaus demütigenden Bedingungen alle bisher gepflogenen Ver handlungen Englands mit Krassin über ein wirtschaftliches Zu sammenarbeiten nichtig sein sollten. Mit welchen Mitteln Lloyd George diese Note seinen Verbündeten und insbesondere Frank reich schmackhaft zu machen wußte, ist im einzelnen nicht bekannt: immerhin mag es als bezeichnend für die ganze Lage angesehen werden, daß man Frankreich die Zustimmung zu der erheblichen Verkleinerung Polens im Osten durch die Zusage abzulocken wußte, daß man die von Frankreich verachteten Beziehungen zu Krassin zu opfern sich bereit erklärte, wenn etwa Lenin wider Erwarten «Nein" sagen sollte. Die '-Notwendigkeit zu diesem für die kommende Entwicklung überaus wick'^en Schritt des englischen Premierministers liegt l» der strategis Entwicklung begründet, mit der di« unmittelbaren politischen /^...Dtverschiebungen im Osten Schritt gehalten Haden. Sowjetrußlan) hat unter den: Eindruck seiner Siege Litauen einen Frieden angebolen, mit dem dieses Land ohne weiteres einver standen sein konnte, und Litauen hak unter völliger Abschirmung des polnischen Jochs gern das Angebot angenommen. Vergangene Woche ist der Friede unterzeichnet worden, er bestimmt die Gren zen des neuen Staates nur gegen Norden, Osten und Süden und überlaßt die Entscheidung über das Memelgebiet der Zukunft. Gegen Lettland soll die alte Grenze des Gouvernements Kowno gelten, im Osten zieht die Grenze von der Gegend des (lettiscken) Dünaburg die Düna und Beresina entlang zum Njemen und ver läßt diesen erst wieder südlich von Grodno, um scharf nach Norden die deutsche Ostgrenze zu erreichen. Man sieht, man war in Moskau mit dem bisher von Polen besetzten Teil Litauens sehr freigebig, und hat den Litauern nicht nur die ganze Gegend von Wilna, sondern sogar Teile des Kreises Suwalki zugesprochen, die selbst zur Aussenzeit als sogenannte Weichselprovinzen zu dem ehemaligen polnischen Gebiet gerechnet wurden. Polnische Quellen oesagen allerdings, daß auch die Litauen zugesprochenen Gebiete von der Noten Armee beseht worden seien oder in absehbarer Zeit beseht würden, doch liegt eine Bestätigung solcher Nachrichten von litauischer Seite bisher noch nicht vor, so daß man vorerst annehmen darf, die Nachricht solle nur zur Anfeuerung der Polen dienen. Jedenfalls haben die letzten polnischen Truppen den Boden des «verbündeten Litauen' längst verlassen, nach Wilna ist auch Grodno geräumt worden. Wie die Dinge weiter südlich strategisch stehen ,bleibt etwas undurchsichtig,da hier nur übertriebene Sieges meldungen von russischer Seite vorliegen, denen man ebensowenig trauen soll, wie den ewig beschönigenden Meldungen des polnischen Heeresberichtes. Authentische Meldungen über die Einnahme Lembergs durch Budjenys Reiter sind jedenfalls noch nicht ein getroffen, dagegen ist Pinsk geräumt, Breft-Litowsk bedroht, das Festungsviereck um Luck und Kowno für Polen verloren, wenn sich auch in Dubno noch eine kleine polnische Truppe gehalten haben sollte. Bei allen Schlüssen aus dieser militärischen Lage ist aber wohl zu beachten, daß es sich bei dem Vorgehen der roten Truppen in keinem Fall um eine sichere Besitznahme handelt, der nun sofort eine politische Machtentfaltung vonseiten der Lwwjetregieruna auf dem Fuße folgen kann: vielmehr ist daran festzuhalten, daß das Entscheidende eigentlich nur die Vertreibung der Polen ist. Für eine wirkliche Machtentfaltung sind die bolschewistischen Truppen im Verhältnis zu den ungeheuren Gebieten, um die es sich hier handelt, viel zu schwach. An Stelle des militaristischen Terrors der Polen wird also vorerst einfach ein Chaos der Machtlosigkeit treten, wie es außerhalb der Verwaltungszentren auch in Sowjet rußland selbst an der Tagesordnung ist. Wohin die Dinge steuern, wird man nur mutmaßen, nicht sicher Vorhersagen können. Für Deutschland werden sie von vor dringlicher Wichtigkeit dadurch, -aß die enge Berührung der Roten Armeen mit dem Ostpreußen vorgelagerten Litauen bald auch unsere eigenen Grenzen in Mitleidenschaft liehen kann. Dann muß sich zeigen, ob diejenigen recht haben, die für diesen Fall eine bolschewistische Ueberflutung auch Deutsch lands Vorhersagen — sei es, daß sie sie fürchten oder wünschen — oder ob die noch vor kurzer Zeit in Moskau abgegebenen Er klärungen in Geltung bleiben, wonach Sowjetraßland keine Er oberungsabsichten gegen Deutschland hat. Dann wird es gelten, dafür Sorge zu tragen, daß auch die politische Ueberflutung Deutsch- lands unterbleibt, wenn anders wir davor bewahrt werden sollen, abermals aus -em innerpotitischen Gleichgewicht zu geraten. Welche Bedeutung man in Paris und London der Entwicklung t« 9sten beimißt, geht aus -er Art und Meise hervor, wie man
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