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Ottendorfer Mm Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen t,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mir Aloritzdors und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Tpiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme ron Inseraten bis vormittag >c> Uhr. 5mnene werden init in Pf. Ntt >e Spattzoiio borochnot. Tabellarischer Satt nach de- fondcrem L»rif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Bkrillu. Nr. 11. Mittwoch, den 6. Oktober 1902. 1. Jahrgang. Ocrtlichrs nnd Sächsisches. Ottcndorf-Vkrilla, 4. Oktober 1902. -H In der am Sonntag im Gasthof zum „schwarzen Roß" stattgefnndencn Be sprechung der Grund- und Hausbesitzer von Ottendorf-Moritzdorf, welche sehr zahlreich be sucht war, wurde die Gründung eines Grund- und HauSbesitzervereinö beschlossen. Zum Bei tritt meldeten sich ca. fünfzig Herren an. Als Vorsitzender wurde Herr Gärtnereibesitzer Fr. Matthes gewählt. Üeber die Zwecke und Ziele dieses Vereins werden wir in einer der nächsten Nummern berichten. — Se. Majestät der König besuchte m Sonntag mit Ihrer königlichen Hoheit der Prinzessin Mathildeden Vormittags- gotlkSdicnst in der Schloßkapelle zu Pillnitz. Nachmittags 2 Uhr fand bei Sr. Majestät in Villa Hosterwitz Familientafel statt, an der Ihre Majestät die Königin-Wittwe mit Ihrer königlichen Hoheit der Frau Gräfin von Flandern, sowie das Kronprinzen- paar mit seinen beiden ältesten Söhnen und die Prinzessin Mathilde, königliche Hoheit, teilnahmen. — Die seit einigen Tagen eingetretenc naßkalte Witterung und die im Gebirge wie in der Lausitz erfolgten Schneefälle hemmen die in vollem Gange befindliche Kartoffel ernte. Da die Thermometer bereits bis nahe auf den Eispunkt gesunken waren, so haben die Landwirte große Besorgnis, daß bei weiterem Sinken der Temperatur eine Schädigung der Frucht eintritt. Das wäre bei den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen um so bedauer licher, als die arme Bevölkerung auf eine gute Ernte und billige Preise rechnet. — Die sächsische Staatsregierung hat aus Antrag ter Eisenbahnverwaltung die versuchs weise Einführung von Motorwagen auf normasipurchen Bahnen beschlossen. Die ersten Wagen werd"» am l. Mai '.VON in Betrieb gesetzt weiden. —- Nach dem amtlichen Bericht der Konungsion sür das VKermärwesen über die in der Zeit vom 16. bis mit 80. September im Königreiche Sachsen festgestellten anstecken den Tierkrankheiten ist der Milzbrand in 19 Fällen und je ein Fall von Tollwut und Rotz zu verzeichnen gewesen. — Auf Grund der Bekanntmachung des Reichskanzlers über den Betrieb der Bäckereien und Konditoreien vom 4. März I896 sind der 18. November, 20-, 22., 28. und 81. Dezember dss. Jhs. als solche Tage festgesetzt worden, an denen in Bäckereien und Konditoreien Gehilfen und Lehrlinge über die vorgeschriebene Zeit hinaus beschäftigt werden dürfen. — Klotzsche-Königswald. Herr Klavier virtuos Bode veranstaltet am kommenden Donnerstag im Saale des Arendtschen Kur hauses ein Künstlcrkonzert, bei welchem das Rich -Eilers-Orchester und Frau Dr. Fernbacher (Gesang) Mitwirken. Das Konzert findet zum Besten des 1. Verjchönerungsvereins statt. Dresden, 6. Oktober. Der bekannte Dresdener Zwiebel- und Meerrettigmarkt findet vom 18. bis 2l. Oktober statt. Er wird in bezw. an der städtischen Hauptmarkthalle an der Weißeritzstraße abgehalten. — Einen schweren Einbruch verübten Diebe in das Bu'cau des Rechtsanwalts Dr. Mendel bei Hellem Tage. Sie erbrachen eine schwere Kassette und stahlen den darin aufbewahrteu Betrag von 2000 Mk. Leuben. Von jetzt ab finden die Sitz ungen des hiesigen Gemeiuderates öffentlich stait und cs ist der Zutritt jedem männlichen Gcmeindcmilgliede, welches das 25. Lebensjahr erfüllt hat und im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte ist, gestattet Großenhain, 6. Oktober. Heute wurde die Großenhainer Reichsbanknebenstclle auf hiesigem Neumarkte eröffnet. Die 1. Blumen spende überreichte Herr Baumeister Riemer, den 1. Reichsbankchek präsentierte Herr Tuch fabrikant Kegel, hier. — Welch staunenswerte Entfernungen die Brieftauben zurückzulegen vermögen, zeigt sich an einer Brieftaube des hiesigen Vereins „Kriegspost". Die Taube wurde von einem hiesigen Schlage in Belgien erworben, hat hier drei Paar Junge gezogen und jetzt, wo das Geschäft zu Ende, besinnt sie sich auf ihre Heimat und macht eine Reise von ca. 620 Kilometern Luftlinie. Gestern wurde dieselbe von einem Herrn in Lüttich in freundlichster Weise wieder zurückgeschickt. Gr o ß e n h a i n. 6. Oktober. Die Jagden des Großenhainer Parforcejagdvereins haben am Sonnabend begonnen. Sie werden, wie bisher, östlich von Großenhain in der Gegend von Folbern, Kalkreuth, Mühlbach usw. nb- gehalten- Montags, Donnerstags und Sonn abends treffen sich die rotröckigea Reiter zur fröhlichen Jagd. Bei der Eröffnungsjagd be fand sich das Stelldichem im Walde nord westlich von Brockwitz, wo sich mittags gegen l Uhr zwei Damen und 51 Herren, darunter Generalleutnant von Hönning O'Carroll. ein gefunden hatten. Die Jagd führte an Stelle des erkrankten Präsidenten Herr Oberst Sensft von Pilsach. Es wurde eine Schleppe über 4500 in geritten, worauf ein Schwarzkittel ausgesetzt wurde, den die Hunde zwischen Adelsdorf und Naundorf deckten. Herr Leut nant von Fritsch vom Gardereiter-Regiment hob aus. Der Führer konnte 51 Brüche ver teilen, woniit die von schönem, mildem Herbst wetter begünstigte erste Jagd ihr Ende er reichte. — Der Präsident des seit 1866 be stehenden Vereins ist gegenwärtig Herr Oberst von Müller, Schatzmeister ist Herr Rittmeister Freiherr von Könueritz. Strehla, 5. Oktober. Infolge starker F nüernig mußte das am Freitag Abend von Mein in der Nchtuig nach Mühlberg ab gefahrene Perionen-Dampfschiff „Kaiser Franz JostpH' die Fahrt unterwegs einstellen und auf hiesiger Station vor Anker gehen. Die Pasiagiere, zum größten Teil Mühlbergcr, waren deshalb gezwungen, auf dem Dampf schiffe zu übernachten. Anstatt Freitag Abend -^8 Uhr langten ste erst am andern Tage, Sonnabend früh in der siebenten Stunde in Mühlberg an. Dies ist in diesem Jahre der zweite Fall, daß ein Personen-Dampfschiff Finsternis ivegen die Fahrt unterwegs einstellte und die Passagiere auf demselben unfreiwilligen nächtlichen Aufenthalt zu nehmen gezwungen waren. Oschatz, 4. Oktober. An der Strehlaer Brücke wurde gestern Abend Hr8 Uhr ein Radfahrer, der Windmüller Richter aus Merk witz, der schwerhörig ist, vom Zuge der Mügel- schen Sekundärbahn überfahren und schwer am Kopfe und einem Schenkel verletzt. Aerztliche Hilfe war glücklicherweise baldigst zur Stelle. Der Ueberfahrene liegt schwer darnieder, wird aber voraussichtlich mit dem Leben davon- kommcn. Freiberg, 6. Oktober. Mit großer Spannung sieht man hier dem Ausgange des in den nächsten Tagen zur Verhandlung kom menden Prozesses gegen einen Schlossermeifter entgegen. Derselbe wird beschuldigt, die städt ische Gasanstalt in der Weise geschädigt zu haben, daß er der Leitung unberechtigterweise Gas entnommen haben soll, indem er von dem Haup zuleitungSrohr eine Leitung in seine von ihm benutzten Räume abgezivcigt hat, noch ehe das Gas seinen Weg durch den Zähler ge nommen hat. Dadurch, daß der Betreffende seit einiger Zeil nach dem Stande des Zählers einen erheblich geringeren Gasverbrauch gegen früher aufzuweisen hatte, schöpfte die Verwalt ung des Gaswerkes Verdacht. Sie ließ durch ihre Angestellten, wie verlautet, die Leitung unvermuteterweise einer sehr sorgfältigen Prüf ung unterziehen. Danach soll der gehegte Verdacht volle Bestätigung gefunden haben, weshalb gegen den Schlosiermeister Anzeige bei der königlichen Staatsanwaltschaft erstattet und das Strafverfahren gegen ihn eingeleitet wurde. Leipzig, 3. Oktober. Das Landgericht verurteilte den fünfzigjährigen Bürgerschullehrer Albin Schmidt aus Borna wegen fortgesetzter schwerer Sittlichkeitsverbrechen an Schülerinnen zu 2 Jahren 6 Monaten Zuchthaus. Der Verurteilte ist verheiratet und Vater von 10 Kindern. Buchholz, 4. Oktober. Gestern Vor mittag ist von einem Dache der 15jährige Schieserdeckerlehrling Würzberger, bei seinem Vater in der Lehre stehend, auf die Straße ab gestürzt und wenige Stunden darauf an den erlittenen inneren Verletzungen verstorben. Mittweida, 6. Oktober. Einem be dauerlichen Unfall fiel ein hiesiger älterer Weber zum Opfer, indem er auf der Freiberger Straße ausglitt und einen Schädelbruch erlitt, dem er nach wenigen Stunden erlag. Meerane, 5. Oktober. Unter ge waltigem Andrange von männlichen und weib lichen Textilarbeitern fand am Sonnabend Atzend im Saale der „Tonhalle" hier die an gekündigte öffentliche Versammlung in der schon gemeldeten Lohnbewegung statt- Dieser Versammlung, zu der gegen 500 bis 600 Personen erschienen waren, wohnte auch der Vorsitzende des deutschen Textilarbeitcr-Ver- bandeö, Hübsch aus Berlin, vei. Es wurde bekannt gegeben, daß auf den eingereichten Lohntarif von seilen der vereinigten Weberei- tzesitzer eine Antwort nicht eingegangen fei. Es folgte darauf eine längere, sehr erregte Debatte, die schließlich den Beschluß zeiligle, daß in den Fabriken bestehenden Arbetter- Ausschüsse am Montag Vormittag ^10 Uhr vei den Fabrikanten nunmehr vorstellig werden und die Antwort derselben in einer am Diens tag Abend stattfindenden Versammlung den Arbeitern bekannt geben sollen. Zwickau, 6. Oktober. Wegen Beleidig ung des Standesbeamten und Schulkassen verwalters August Winkler in Niederplanitz wurde Sonnabend Vormittag von dem Schöffen gericht hier der im sozialdemokratischen „Säch sischen Volksblatte" in Stellung befindliche Ex pedient Müller zu einer Geldstrafe von 600 Mark verurteilt. Das „Sächsische Volksblalt" hatte, wie wir seinerzeit berichteten, den Standes beamten Winkler der Veruntreuung amtlicher Gelder beschuldigt. Der Expedient Müller hatte jene Nummer verantwortlich gezeichnet. Rusdorf, 6. Oktober. Der hiesige OrlSwächter August Ebermann niinmt gegen wärtig einen Umbau seines Hauses vor. Vorige Woche wurden von den Maurern beim Grundgraben in nur geringer Tiefe vier irdene Töpfe mit Geld zu Tage gefördert. Der Fund hat hat einen Wert von 2400 Mark und besteht aus 840 Mart in goldenen 10- Mark- und 20-Mark-Ltücken, im übrigen aus Thalern, wovon manche allerdings nicht mehr gillig sind. Da in dem betreffenden Grund stücke in den letzten Jahrzehnten immer nur unvermögende Leute gewohnt haben, so ist es noch völlig unaufgeklärt, von wem und aus welchem Grunde der kleine Schatz dort ver graben worden ist. Aus der Woche. Wohin man in Deutschland mit dem ewigen Nachgeben und Freundlichthun gegen England schon gekommen ist, zeigt die Haltung der eng lischen Presse gegenüber dem möglichen Em pfange der Burengeneräle durch Kaiser Wilhelm- Daß dem Kaiser solche Leute wie Botha, Delarey und Dewet eher imponieren können wie der Großspekulant Rhodes braucht wohl nicht erst gesagt werden, und wenn er jene Helden zu sprechen wünscht, so wird er sich dazu schwerlich erst die Erlaubnis von England erbitten, obgleich gewiße mternaiionale Förmlichkeiten auch England gegenüber gewiß nicht außer Acht gesetzt werden. Wenn aber die „St. James Gazette" sagt, der deutsche Kaiser möge nach England kommen, falls er die Burengeneräle sprechen wolle, und diese sich dann von König Eduard vorstellen lassen, so ist das eine solche Ungezogenheit, daß man für ihre zutreffende Bezeichnung kaum die rechten Worte findet. Erst die geschichtliche Forschung wird die Erklärung dafür suchen müssen, iveshalb keine Großmacht während des für England so überaus kritischen Jahres 1901 die Gelegenheit benutzt hat, um sich an Eng land zu revanchieren. Die englischen Staats männer seit hundert Jahren, besonders Welling ton und Palmerston (Lord Feucrbrand), Disracli, Gladstone, Salisbury sind wegen ihrer Rück sichtslosigkeiten berüchtigt und haben sich oft genug Blößen gegeoen, die von den andern Mächten hätten ausgenützt werden können. Die übergroße Friedensliebe des jetzigen Zaren hat England während des Burenkrieges vor großen Gefahren behület; aber der wachsende Einfluß Rußlands in Persien, Afghanistan und China war doch nur durch die englischen Drangsale in Südafrika möglich — und Nordamerika hat sich seine Neutralität durch Aenderung des staatsrechtlichen Zustandes an der Landenge Mittelamerikas bezahlen lassen. Nur Deustch- land, dessen offizielle Politik streng neutral war, ist leer ausgegangcn! Ja dec Dank Englands offenbart sich nur in der frech herausfordernden Sprache seiner Zeitungen gegen unseren Kaiser. — Emile Zola ist ge storben, einem schlecht brennenden Kamin zum Opfer gefallen. Der Naturalismus in rotzester Form Hal seinen Meister gelötet. Der Schilderer des Lebens, wie es wirklich ist, nicht wie es die dichterische Phantasie schafft, des Lasters und des Elends, er, dec jede soziale Szene „knippste", um dieselbe in seinen Roman zu verwerten, welcher Millionen Leser gefunden hat und noch weiter finden wird, ist im Kohlen- dunst erstickt. Der Winter setzt diesmal so früh ein, daß man jetzt schon Heizen muß und unser alter lieber Freund, der Ösen, der dies mal gar so frühzeitig seiner sommerlichen Be schaulichkeit entrissen wird, rächt sich dafür durch allerlei Unarten, die selbst unser Leben in Gefahr bringen können. Der „Fall Zola" wird Millionen zu erneuter Wachsamkeit gegen die Tücken unserer Heizmittel wachrufen. — Der Zar hat den kalten Norden verlassen und ist nach Lioadia gegangen, nicht ohne vorher die Finnen noch etwas zu kneifen und den Generalgouverneur von Warschau, der erst kürzlich von unserem Kaiser durch den Schwarzen Adlerordrn ausgezeichnet wurde, in Ungnade zu beurlauben. Was hat der arme Graf ver brochen ? ! — Die Leser werden zufrieden sein, wenn sie an dieser Stelle mit dem österrUchisch- ungarischen Ausgleich verschont werden. Leine Erwähnung wenigstens aber durfte hier nicht unterbleiben, weil er jetzt wieder Tag für Tag in den Wiener Meldungen wiedcrkehrt. Spaniens 16jähriger König hat von sich reden gemacht, weil er sich weigert, Dekrete zu unterzeichnen, die ihm der Kriegsmmisler General Weyler zur Unterzeichnung vorgelegt hatte. Eine Ta- larennachrtcht verheiratet seine Mutter mit ihrem Stallmeister. Der Stallgeruch widersprach an und für sich der Meldung nicht. Stallgeruch ist in allen Ländern „einfach feudal". Frank reich exportiert jetzt Mlnlsterreden, die zwar nie aufregend ivirken, aber doch gewisse Einblicke in die Regierungömaximen eines Landes ge statten, in dem der Radikalismus Trumpf ist. Bestellungen auf die werden in Lomnitz bei Herrn Kaufmann Schlotter, in Lunnersdorf von Herrn Hirche entgegen genommen.