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chimtmrger Tageblatt und Mittwoch, den 23. November 1881 270 als ein Haupterforderniß. Ebendeshalb möge man sich aber ja hüten, an dem Zolltarif von 1879 so gleich wieder Aenderungen vorzunehmen, ehe noch die Wirkungen desselben sich vollzogen haben oder überschaut werden können. Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die jetzt vertauscht und die sogenannten Conservativen erscheinen ihm heute als die Träger der Reform- prlitik und die eigentlichen Liberalen. Er schließt seinen Artikel mit folgenden unwirschen Worten: „Die Zukunft wird lehren, ob eine Versamm lung, welcher die Mittel- und Bindeglieder fast gänzlich fehlen, überhaupt lebensfähig ist. Nur so viel scheint sicher: eine reiche, fruchtbare Thäligkeit ist von. diesem Reichstage nicht zu erwarten, und je weniger die Nation von seinem Dasein erfährt, um so wohler wird sie sich befinden." Der preußische Kriegsminister hat erst kürzlich bestimmt, daß die Einführung der neuen deutschen Rechtschreibung bei den Unterofficierschulen er folgen soll, jedoch ohne besondere Beschleunigung, durchaus allmählich. Dagegen soll es in der Militär verwaltung, sowie bei dem Unterricht in den Regi mentern, ja selbst im Cadettencorps bei der älteren Schreibweise sein Bewenden behalten. Die Organisationsarbeiten der Deutschen Landesbank nehmen derartig guten Fortgang, daß die definitive Constituirung derselben bereits in nahe Aussicht genommen werden konnte. Bei der bewährten, allseitiger Anerkennung sich erfreuen den Kraft des an der Spitze dieses großartig ge planten Unternehmens stehenden Professor Clemens konnte eine Betheiligung weitester und auch solcher Kreise, die sich von allen Gründungen bisher prin zipiell fern hielten, resp. fern halten mußten, nicht fehlen. Daß die völlige Ausführung des Pro gramms der Deutschen Landesbank große Kräfte erfordern würde, war vorauszusehen; da dieselben glücklicherweise vorhanden waren, so hat auch die finanzielle Frage schnellere Erledigung gefunden, wie anfänglich vorausgesetzt werden konnte. Aus Frankfurt a. M. wird in derselben Angelegen heit geschrieben: „Eine der namhaftesten Grün dungen der letzten Zeit ist die „Deutsche Landes bank" in Berlin, ein von conservativen Elementen, von preußischen Junkern gegründetes Unternehmen, welches dazu bestimmt ist, die Wirthschaftspolitik des Fürsten Bismarck zu unterstützen. Möglicher weise haben wir in diesem Unternehmen den Krystallisationspunkt für eine klerikal-conservative Finanzgruppe L lu Bontoux in Frankreich und Oesterreich zu erblicken! Denn das Kapital dieser Kreise wird sich vielleicht der genannten Bank lieber zur Verfügung stellen, als einem Unternehmen, dessen Leiter einer anderen wirthschaftlichen und politischen Richtung angehören." Nachdem der Hofprediger Stocker zu Berlin das Mandat als Abgeordneter für den deutschen Reichs tag im 1. Mindener Wahlkreise (landräthlichen Kreise Minden und Lübbecke) abgelehnt hat, ist ein Termin auf den 6. December d. I. anberaumt worden. Ebenso ist, nachdem der Oberbürgermeister von Forckenbeck die Annahme der im 2. Wahl bezirk des Regierungs-Bezirks Liegnitz auf ihn ge fallene Reichstagswahl abgelehnt hat, ein ander weitiger Wahltermin auf den 28. November anbe raumt worden. Die zur Reichskasse gelangte Jsteinnahme von Zöllen und Swuern betrug, abzüglich der Ver gütungen und Verwaltungskosten, bis Ende vorigen Monats 219,109,096 Mk., oder 31,437,810 Mk. mehr als in derselben Vorjahrzeil; darunter die Zölle allein mit über 99 Millionen und einem Mehr von über 13*/r Millionen. Nur der Spiel- kartenstempel, der 477,7 30 Mk. brachte, Hal ein Weniger von 3789 Mk., sonst alle Posten mehr. Die Pause bis zum Donnerstag, welche in den Verhandlungen des Reichstags eingelreten ist, soll dazu dienen, um den ReichstagSmilgliedern Gelegenheit zu geben, sich in dem Etat zunächst "Waldenburg, 22. November 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser muß infolge Unwohlseins das Zim mer hüten und konnte deshalb an dem am 21. d. zu Ehren des Geburtstages der Kronprinzessin ver anstalteten Diner sowie an der Feier der Eröffnung des neuen Kunstgewerbe-Museums nicht lheilnehmen. Der obenerwähnten Feier wohnte übrigens fast der gesammte Hof, Moltke, die Minister, viele Reichs tagsabgeordnete rc. bei. Die Wiener „Montagsrevue" bringt die angeb lich zuverlässige, geheimnißvoll klingende Mittheilung, die Besuche Kaiser Wilhelms im Hotel du Nord zu Berlin gelten einer Dame, welche die geheime poli tische Vertrauensperson des russischen Kaisers sei. Dieselbe trifft in regelmäßigen Zwischenräumen in Berlin ein, Kaiser Wilhelm bestimmt ein Hotel zimmer als Rendezvous-Ort und nimmt während der oft zweistündigen Besuche bei der Dame, welche übrigens eine Gräfin ist, den Thee ein. Ueber das Befinden des Großherzogs von Ba den wird unterm 20. d. gemeldet: Der gestrige Tag und die vergangene Nacht verliefen im We sentlichen wie die vorhergehenden. Temperatur 36,5, Puls 72. Schweiß blieb aus. Die Kräfte nehmen nur sehr langsam zu. Dem Reichstage ist, wie schon erwähnt, ein Gesetzent wurf, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für das Neichsheer, die Marine, die Reichseisenbahn, die Post- und Telegraphenverwaltung und die Neichsdruckerei im Betrage von 32 Millionen Mk. zugegangen. Davon sollen auf das Heer 14,378,605 Mk., die Marine 6,728,800 Mk., Post und Telegraphen 9,750,000 Mk., auf die Eisenbahnverwaltung 1,000,000 Mk., auf die Reichsdruckerei 450,000 Mk. entfallen. Die Mittel sind im Wege des Credits flüssig zu machen, eine verzinsliche Anleihe aufzu nehmen und Schatzanweisungen auszugeben. Die „Franks. Ztg." verurtheilt die Ablehnung der 2. Vicepräsidentenstelle seitens des Hrn. v. Benda und sagt, „der schließliche Ausgang falle der falschen Taktik des Liberalismus zur Last. Wollte er eine Stelle im Präsidium, so mußte er sich nach Levetzow's Wahl mit der dritten begnügen, die zweite aber dem geben, dem sie gebührte, Herrn von Franckenstein. Wäre so verfahren worden, so würde das Centrum bei der letzten Wahl unbedingt für Hänel gestimmt haben. Ein schlechter Anfang der Opposition." Doch fügt die „Franks. Ztg." anderwärts erläuternd hinzu, daß Hr. v. Ber.oa die Wahl zum 2. Vicepräsiden ten deshalb ablehnte, weil der Candidat der ver einigten Liberalen, Abg. Or. Hänel, unterlag und die auf Benda gefallenen Stimmen von dem Cen trum und den Conservativen herrührten. — Be- merkenswerth ist, daß die Neichspartei in allen 3 Wahlgängen sich der conscrvativ-klerikalen Coalition anschloß. Die Volkspartei hat sich im Reichstage als eigne Fraction constituirt. Professor Heinrich von Treitschke spricht sich in den Preußischen Jahrbüchern über die Lage nach den Wahlen aus. Er ergießt die Schalen seines Zornes so ziemlich über alle, mit Ausnahme des Reichskanzlers; aber die Liberalen kommen dabei am schlimmsten weg. Nach ihm sind die alten Rollen "Waldenburg, 22. November 1881. Ein schlagender Beweis. Eine schneidige Waffe in der Hand derAnhanger der Manchester-Lehre gegen d,e neue Wrr.hjchasts- politik des Fürsten Bismarck war die ^hauptung, daß die indirecten Steuern die nothwendrgsten Lebens mittel der Armen vertheuern. Fürst Bismarck trat zwar von vorn herein dieser Behauptung (es war dies namentlich in der Debatte über die Kornzolle) mit der Erwiderung entgegen, daß der Zoll der einem so geringen Betrage nie von dem Consumen- ten, sondern nur von dem Producenten resp. Zwischenhändler getragen werde; allein so richtig diese Anschauung auch war, so wenig fand sie bei der großen Menge Glauben, die an der Meinung festhielt, der „Arme Mann" müsse den Zoll auf Brod, Tabak, Bier, Petroleum rc. tragen, weil der Schein für die Auffassung der Manchesterleute war. Und doch war die Theorie und die Anschauung des Reichskanzlers die richtige, wie dies jetzt aus den bei der baierischen Finanzverwaltung sich heraus stellenden Thalsachen bewiesen worden ist. Durch das baierische Gesetz vom 31. October 1879 wurde nämlich sür Baiern, vom ersten Novem ber 1879 beginnend die Steuer für das zur Bierberei tung bestimmte Malz von 4 Mark auf 6 Mark pro Hectoliter erhöht, also für 50 Liter Malz um 1 Mark. Da nun durchschnittlich aus 50 Liter Brau malz i Hectoliter Bier erzeugt wird, so sollte man glauben, daß jeder Hectoliter Bier um 1 Mark und zugleich jeder Liter Bier um 1 Pfg. im Preise erhöht worden wäre. Dies ist jedoch, wie die „Bair. Handelsztg." mel det, nach den statistischen Erhebungen, welche die Staatsregierung dem gegenwärtig versammeltenLand- tage vorgelegt hat, nicht der Fall, sondern die Preiserhöhung des Bieres trat nur an einzelnen Orten ein, während an anderen Orten die Preise gleich blieben oder gar später wieder zurückgingen. An manchen Orten endlich trat eine Veränderung zwischen Schenkpreis und Ganlerpreis ein, z. B. in München, Nürnberg, Kaiserslautern, Hof, Erlangen, d. h. der Wirth mußte dem Brauer für drs Bier mehr bezahlen wie früher, konnte aber seinerseits gegenüber dem Publikum keine Preiserhöhung aus führen. Es verringerte sich also sein Schenknutzen; er trug die neue Steuer. So verlheilte sich der Malzaufschlagszuschlag in der mannichfachsten Weise zwischen Brauern, Wirthen und Biertrinkern; und gerade so verschieden, wie bei den einzelnen Orten mag es auch bei den einzelnen größeren Geschäften gehen. Die Concurrenz und andere Umstände be stimmen eben die Bierpreise, so daß die geringe Aufjchlagserhöhung nur eine Nebenrolle spielt. Wie bei dem Biere wird es, wie das genannte Blatt meint, aber auch sicher bei allen anderen Waaren ergehen, auf welche indirecte Steuern und Zölle gelegt sind. Bald werden diese von den Producenten oder ausländischen Zwischenhänolern, bald von den Consumenten getragen, je nachdem zufolge der sonstigen Preisbeslimmungsgründe eine Ueberwälzung der Abgaben möglich ist oder nicht. Es findet eine Ausgleichung dieser Spesen bei der Production und dem Handel in der verschieden artigsten Weise statt, so daß sie im Detailverkaufe gar nicht erkennbar sind. Aus diesen Gründen darf man durchaus nicht jagen, daß immer die Consumenten die indirecten Steuern tragen. Es kommt vielmehr darauf an, ob sie jo richtig gegriffen sind, daß eine Ausgleichung ein- 'nlt. Sie läßt sich aber in der Regel erst nach Jahren beurtheilen. Darum erscheint eine große Stetigkeit in der Steuerpolitik und Zollregulirung '--WM-" Waldenburger Anzeiger Annahme von Inseraten für dre nächst-^ scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr ' des vorhergehenden Tages. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg