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W W Airterhaltnngs-Veilage der Sächsischen Volkszeitung > —— — Nr. >3 Sonntag den 30. März M3 Zum Meißen Sonntag. Evangelium: Die Einsetzung des hl. Bußsakramentes. Johannes 20, IS-81. Als einst viel:: Christen im Gefängnisse schmachteten, die bald für Jesus den Martertod erdulden sollten, las der fromme Dionysius in den Katakomben die heilige Messe. Nach derselben teilte er den anwesenden Christen die heilige Kommunion aus. Doch auch die armen Gefangenen sollten für ihren Gang znm Martertode noch die heilige Weg zehrung empfangen. Aber wer sollte sie ihnen in den Kerker bringen? Es war ein weiter Weg dahin, der durch die Straßen der Stadt Nom führte, und die Heiden hatten durch ihre zahlreichen Spione schon eine genaue Personen beschreibung der Priester und Diakone Noms, welche die heilige Kommunion in den Kerker zu überbringen hatten. Wenn einer non ihnen auf der Straße gesehen worden wäre, hätten ihn die grausamen Römer getötet und ihm sogar daS hochwürdigste Gut abgenommen und verunohrt. Zudem waren gerade an diesem Tage die feindseligsten Leiden schaften des götzendienerischen Noms in ungewöhnlichem Maße aufgeregt, da man in Erfahrung gebracht hatte, daß viele Christen baldigst als Märtyrer dahingcschlachtet wer den sollten. Darum war es gerade zu dieser Zeit eine höchst gefährliche Aufgabe, den gefangenen Christen die Himmels- speisc zu Überbringern Nun — die heilige Kommunion lag auf dem Altäre bereit und der fromme Priester Dionysius sah sich um, ob er niemanden fände, der sic am sichersten zu den Gefangenen bringen würde. Ehe sonst jemand hervortreten konnte, kniete der junge Meßdicner Tarcisius zu seinen Füßen, der soeben bei der heiligen Messe gedient hatte. Er streckte die Hände aus, bereit, das heilige Pfand zu übernehmen. Sein Gesicht Wh so schön und unschuldig aus, daß man meinte, einen Engel zu sehen. Er schien um das Lebensbrot zu bitten, ja darauf Anspruch zu machen, daß ihm vor anderen der Vorzug gegeben werde. „Du bist zu jung, mein Kind." sagte der Priester freundlich und gerührt durch dep Anblick des Knaben. „Eben weil ich so jung bin," antwortete Tarci- sins, „werden mir die Heiden nichts tun. Sic denken nicht, daß ich das heiligste Sakrament bei mir trage, und ich kann cs am sichersten in den Kerker tragen. O wie sehr treue ich mich auf diese große Ehre. Ich flehe dich an. hei- liger Vater, versage mir nicht diese große Ehre!" Die Dränen standen dem Knaben in den Augen und seine Wangen glühten vor andächtiger Nnhrung, als er diese Worte sprach. Er streckte verlangend die Hände aus und seine Bitte war so inständig und mutig, daß der Priester nicht mehr widerstehen konnte. Er nahm die heiligen Ge heimnisse. welche sorgfältig in ein Linnentuch gewickelt und dann mit einem anderen Tuche verhüllt waren und legte sie ihm auf die Hände, indem er sagte: „Bedenke, Tarcisius, welch ein Schah deiner schwachen Hut anvertrant wird! Be denke, daß du das Heilige den Heiden nicht vorwcrsen darfst. Willst d» den Leib des Herrn treu bewahren?" „Ich will lieber sterben, als daß ich niir meinen Heiland und Gott rauben lasse." antwortete der Msßdiener Tarcisius, verbarg den himmlischen Schatz in den Brustfalten seiner Tunika und trat mit freudiger Ehrfurcht seinen Weg an. Auf seinem Gesichte prägte sich ein für seine Jahre un gewöhnlicher Ernst aus, als er leichten Schrittes durch die Stadt eilte, gleich sorgsam die besonders belebten Straßen und die zu verborgenen Gassen vermeidend. Da kain er auf einen freien Platz, wo Knaben, die eben aus der Schule entlassen waren, ihr Spiel begannen. «ES kehlt gerade noch einer für das Spiel, wo finden wir den?" sagte einer von ihnen. „Vortrefflich!" rief ein anderer auS. „da kommt Tarcisius, den ich schon lange nicht gesehen habe (Tarcisius war früher ein guter Kamerad bei allen erlaubten Spielen). Komm, Tarcisius, nimm an unserem Spiele teil." „Ich kann jetzt nicht, Petilius; ich kann gewiß nicht. Ich habe einen sehr wichtigen Austrag zu besorgen." „Aber du sollst!" rief der andere, der zuerst gesprochen, ein starker zanksüchtiger Knabe, und hielt ihn fest. „Ich dulde keinen Eigensinn, wenn ich etwas will. Komm alsogleich hierher und spiele mit." „Ich bitte dich." sagte der arme TarcisiuS ängstlich, „laß mich gehen!" „Nein!" erwiderte der andere. „Was verbirgst du denn so sorgfältig in den Falten deiner Tunika? Wohl einen Brief? Nun, der wird nicht ver derben, wenn ec eine halbe Stunde außer seinem Neste ist. Gib ihn her: ich will ihn so lange anfhcben, bis das Spiel zu Ende ist." Damit griff er nach dem Heiligtume. „Nein, nein!" antwortete Tarcisius, zum Himmel aufblickend. „Ich will es sehen," sagte der andere barsch: „ich will wissen, waS das für ein wunderliches Geheimnis ist." Er fing an, den Armen in roher Weise hin und her zu zerren. Ein Haufen Menschen sammelte sich um sic und alle fragten neugierig, was eS gebe. Sie sahen einen Knaben, welcher mit ge kreuzten Armen, als wäre er mit einer übernatürlichen Kraft ausgerüstet, allen Bemühungen eines viel stärkeren und größeren Knaben, ihm das zu entreißen, was er trug, WidersMrö »leistete. Stoßen, Schlagen, Zerren — alles schien vergebens zu sein: er ertrug alles ohne Murren und ohne einen Versuch, wieder zu scblaaen: aber er gab nicht nach. „Was ist das? WaS mag das sein?" fragte einer den anderen, als ein vornehmer Römer -chen des Weges kam und hintrat. Da er als ein besser gekleideter Mann auch ge kragt wurde, was das sein möge, antwortete er in einem verächtlichen Tone, indem er sich umdrehte: „Was das ist? Nichts weiter als ein Christ, der die Geheimnisse der Christen trägt." Er ging seine Wege Er war ein Hauptfeind der Christen und kannte auch den Tarcisius. Er wußte, was seine Worte zur Folge haben würden. Die Neugierde der Heiden, die Geheimnisse der Christen zu sehen, und ihr Ver langen. dieselben zu verhöhnen, war geweckt und von allen Seiten rief man dem Tarcisius zu, er solle zeigen, was er trage. „Nie. so lange ich lebe." war seine einzige Antwort. Ein heftiger Faustschlag eines Schmiedes betäubte ihn und sein Blut begann zu fließen. Ein Schlag folgte dem andern, bis Tarcisius endlich, mit Beulen bedeckt, aber die Hände noch immer fest vor die Brust haltend, zu Boden siel. Der Pöbel drängte sich herbei und man wollte Tarcisius gerade lein heiliges Pland entreißen, als die Elenden sich plötzlich mit Riesenkraft rechts und links auseinandergcstoßen