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Mmßag, Nr. 42. 1. Zum 1869. .... Vreist^ vterteljährltch L2'/»Ngr. Zu beziehen dmch alle kgl. Poft- Anstalten. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Erscheint jeden Dienstag und Freitag früh. R.ustadt- Dre«de«, in der Expedi tion, tl-Meißn. Gaffe Nr. 8, zu haben. Redigirt unter Verantwortlichkeit des Verlegers E. Heinrich. Politische Weltschau. Deutschland. Wohl selten gings im Reichstage mattherziger zu, als vorigen Freitag. Der Antrag des Abg. Hagen wegen der Präsidial-Verordnung über dieKommunal - steuern des Militärs, welcher nach der ersten Lesung an eine Kommission zur Berichterstattung verwiesen wurde, stand auf der Tagesordnung. Nun lagen für die zweite Lesung folgende Kommissionsanträge vor: Der Reichstag wolle beschließen zu erklären: 1) daß, abgesehen von anderen beachtlichen Bedenken, Art. 61 der Verfassung sich nur auf die bei Publikation der letztem bereits vorhanden gewesene preußische Militärgesetzgebung bezieht und beziehen kann, nicht aber auf solche preußische Militä'rgesetze oder Verordnungen, die erst nach Publikation der Verfassung erlassen worden sind oder erlassen werden; 2) daß das Verhä'ltniß des Militärs zu den Kommunalsteuern einer gtsetz- ' lichen Regelung im Sinne der Einheit des Bundes-Heere- bedarf. — Die Kommission beantragt ferner: 3) der Reichstag wolle beschließen: dem nachstehenden Gesetz-Entwurf seine verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen: Gesetz betreffend die Heranziehung der Militärpersonen zu den K-mmunalabgaben. .Wir Wilhelm rc. Einziger Artikel. Die in den einzelnen Bundesstaaten bi- zum Erlaß der Verordnung vom 32. December 1868 (Bundes-Gesetzblatt von 1868 Nr. 35) geltend gewesenen Gesetze und sonstigen Bestimmungen hinsichtlich der Heranziehung der Militärpersonen zu den Kommunalabgaben treten zur anderweiten gesetzlichen Regelung ihrer Beitrag-Pflicht unter Auf hebung jener Verordnung wieder in Kraft. Der Hagen'sche Antrag ging bekanntlich weiter, indem er 1) die Rechtsbeständigkeit der Verordnung vom 22. Dec. 1868 bestritt, daher 2) sie für nicht rechtsverbindlich erklärte und 3) die Zurückziehung derselben forderte. — Für die zweite Lesung waren noch einige andere Anträge eingegangen, z. B. vom Abg. Forckenbeck, welcher wenigstens die Besteuerung des Privat- Eigenthums der Offiziere für die Kommunen verlangte. Allein der Reichstag nahm unter Ablehnung sämmtlicher Anträge nur Punkt 1 und 2 der Kommissionsvorschläge an, wodurch that- sächlich nichts weiter erreicht ist, als daß man die Verfassungs widrigkeit der Verordnung konstatirte. Ein solcher Beschluß wird ohne alle Folgen bleiben. In der Debatte trat klar zu Tage, daß selbst unter den Bundesregierungen über diese Angelegenheit ver schiedene Ansichten herrschen. Der hessische Bevollmächtigte, Hoffmann, erklärte: Ich ergreife das Wort, um Ihnen den Standpunkt darzulegen, welchen die hessische Regierung in dieser Frage einnimmt. Veranlaßt bin ich dazu, weil es nach den Er klärungen des Vertreters der vereinigten Regierungen in der Kommission den Anschein gewinnen könnte, als ob in der Auf fassung der vorliegenden Frage unter den verbündeten Regierungen Uebcreinstimmung bestände. (Hört! hört!) Diese findet, ich bedauere es konstatiren zu müssen, nicht statt. (Hört!) Die hessische Regierung geht von einer Auf fassung aus, welche der des Bundespräsidiums ent- gegengesetzt ist. (Hört!) Nach ihrer Ansicht gehört dieser Gegenstand überhaupt nicht zu der Militärgesetzgebung, vielmehr glaubt sie, daß ebenso wie die Heranziehung der Militärpersonen zu den StaatSsteuern einen Gegenstand der Eivilgesetzgebung Einuuddreißigster Jahrgang. II. Quartal. bildet, auch die ^rage, ob und inwieweit Militärpersonen zur Kommunalbesteuerung heranzuziehen seien, Sache der Eivil gesetzgebung sei. Es liegen auch auS Hessen Petitionen vor, in denen Gemeinden bittere Beschwerde darüber führen, daß ihre kommunalen Interessen durch diese Verordnung verletzt werden. Ob es nun klug ist, auf diese Mißstimmung keine Rücksicht zu nehmen — daS ist eine Frage, über die man ja verschiedener Ansicht sein kann. Man kann sich über diese Mißstimmung hinwegsetzen und sagen: es ist ganz gleichgiltig, ob die betreffen den Gemeinden zufrieden sind oder nicht, fügen müssen sie sich schließlich doch. Ich glaube aber, man sollte diesen Standpunkt njcht einnehmen. Die großen Lasten des norddeutschen Bundes werden — ich will nicht sagen mit Freude, aber doch ohne Widerstreben — getragen, weil man ihre Nothwendigkeit ein sieht. Aber solche Einrichtungen, die, wie das Kommunal-Pri- vileg, nicht als nothwendig bezeichnet werden können, sollten doch recht ernstlich erwogen werden. Es ist weder im militärischen Interesse nothwendig, noch im allgemeinen Interesse deS Bundes nützlich, dieses Kommunalsteusr-Privileg, wie es in Preußen be steht, auf die übrigen Bundesstaaten auszudehnen. Von den sächsischen Abgeordneten sprach nur Ackermann gegen die Verordnung. „DaS preußische Heer", äußerte der selbe, „war ein einheitliches, bevor die Steuerfreiheit der Offiziere in ganz Preußen Geltung hatte; denn die Verordnung von 1822 bezog sich nur auf die Städte, in denen die Städte - Ordnung von 1808 galt. Ein Mißtrauensvotum gegen das Militär liegt nicht darin, wenn die Gemeinden ihm gleiche Rechte mit allen Bürgern einräumen, ihm aber auch gleiche Pflichten auflegen und der Soldat wird dadurch nicht schlechter, daß er den Bürger brief seiner Gemeinde im Tornister trägt. Aufgabe deS Reichs tags muß es sein, diese Steuerfreiheit überhaupt aufzuheben. — Unter den Vertheidigern der Verordnung entwickelte ganz beson ders Freiherr v. Moltke große Wärme für die Sache. „Die Armee", erklärte er, „kann für sich bestehen; sie hat ihre Hand werke, ihre Künste, ihre Musik, ihre Aerzte und ihre Geistlichen. Sie betrachtet sich überall als selbständig. - (Beifall rechts.) Wie will man uns nun der Kommune gegenüber Verpflichtungen aufbürden? Wir wählen die Obrigkeiten der Städte nicht; wir haben keinen Theil an den Bürgerfonds; wir erfahren nichts über seine Verwaltung und haben nichts mitzusprechen über die Ver wendung der Fonds. Es ist uns gleichgiltig, ob eine Stadt ein Rathhaus baut oder eine Markthalle, ob sie eine Badeanstalt errichtet oder ein Hospital. (Unruhe. Ruf: Aber Schulen.) Wenn der Soldat erkrankt, kommt er inS Militärlazareth, wird er Invalide, nimmt nicht die Stadt sich seiner an, sondern der Militärsiskus. Wenn er hilfsbedürftig ist, geht er in sein heimath- liches Dorf zurück, die Stadt thut nichts für ihn. Die Stadt schenkt uns keinen Schießstand und keinen Exerzirplatz, wir müssen beides erwerben. Die Stadt giebt uns kein freies Quartier, wir bezahlen dafür, und wenn es nicht ausreichend ist, würde die Militärverwaltung gern mehr geben, wenn Sie nur die Mittel dazu bewilligen wollten. (Heiterkeit.) Das Militär ist ein Gast in der Stadt, der seine Rechnung bezahlt. Man hat daS Militär bedauert, daß man es außerhalb des Volkes stelle; bei uns ist von emem Gegensatz zwischen Militär und Volk nicht die Rede. 48