Volltext Seite (XML)
hpt» u Redaküo» Pre»öe»»«e«stadt kl. Vtechner Gaste L. Pi» ZetUmg erfcheimt rie»sia«, Ps»ersi«i «mH »»««aöeu» früh »tz«n»ewe«1»« Preis: PettchLhilMtl^o. Zu beziehen durch di» kaiserlichen Post- anstalten und durch unsere Boten. Bei Krier Lieferung k« H«rd erhebt die Post noch eme Ge bühr von 2S Pfg. ächsische DorsMmK Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amt-Hauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Inserate werden bi- Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: dte1spalt.Zeile15Pfg. Unter Eingesandt: 30 Pfg. Inseraten- Nnnahwestellenr Die Arnoldische Buchhandlung, Jnvalidendank, Haasenstein LBogler, Rudolf Moste, G. L. Daub« « Lo. in Dresden, Leipzig, Hamburg, Berlin, Frankfurt a/M. u. s. w. Verantwvttlicher Redaktenr und Verleger Kerr»a«« MKAer tn Dresden. Mr. 99. Sonnabend, den 22. Anguß 1885. : 47. Jahrgang. Politische Weltschau. Deutsches Reich. In der angesehenen englischen Monatsschrift „Oontemporary kieview" unterzieht der Professor Geffcken in Hamburg, welcher ebensowohl als ausgezeichneter Jurist wie als ein Mann von streng konservativer Gesinnung bekannt ist, die innere Politik de- Fürsten BiSmarck einer äußerst schneidigen Kritik. DaS zuerst die Bestrebungen deS Reichskanzlers betrifft, unsere Arbeiter „glücklich zu machen", so wird in dem betreffenden Artikel geltend gemacht, daß die von der Regierung in dieser Hinsicht jüngst gemachten Ver sprechungen lediglich Wasser auf die Mühle der Social- demokraten seien. Keine gesetzliche Reform auf socialem Gebiete werde je im Stande sein, die Forderungen der unzu- ffiedtnen unteren Klassen zu erfüllen und somit würden sich die diesbezüglichen Bemühungen deS Fürsten Bis marck mit der Zeit als ganz vergebliche herau-stellen. Zugleich aber seien derartige Experimente seitens der Regierung insofern höchst bedenklich, als man damit an maaßgebender Stelle eingestehe, daß unsere socialen Zu stände in der That der Verbesserung bedürften, wodurch naturgemäß die revolutionären Elemente in ihren staats feindlichen Bestrebungen bestärkt würden. Fürst BiSmarck hätte besser gethan, sagt Professor Geffcken, wenn er, anstatt den Appetit der Arbeiter durch Zugeständnisse immer mehr zu reizen, gleich von Anfang an der socialdemokratischen Be wegung mit aller Energie entgegengetreten wäre. Diese ver fehlte Politik würden die späteren Geschlechter einmal schwer zu büßen haben, denn jetzt, nachdem die Regierung selbst zur Stärkung jener revolutionären Partei -eigetragen habe, erscheine der Ausbruch eines offenen Kampfe- zwischen den besitzenden und nichtbesitzenden Klaffen un vermeidlich. Dann werde Alle- darauf ankommen, ob unser StaatSgebäude fest genug gefügt sei, um diesem Anstürme zu widerstehen. Der Verfasser beschäftigt sich sodann mit der Erhöhung der Getreidezölle und gelangt zu dem Resultate, daß dadurch die Masse der Konsu menten schwer belastet werde. Auf diese Weise ver- «heuere dieselbe Regierung, welche das Wohl der Arbeiter als Devise auf ihre Fahne geschrieben habe, den Armen daS Brot. Zum Schluffe heißt eS in dem Artikel wörtlich: .Der Reichskanzler, der die auswärtige Politik mit so erstaunlicher Geschicklichkeit leitet und nur „loSschlägt", wwn eS nothwrndig erscheint, ist in der Regelung unserer inneren Angelegenheiten weniger glücklich. Er hört dies freilich ungern und hat wiederholt erklärt, daß n von keiner Majorität im Reichstage kontrolirt sein will und daß eine Monarchie aufhört, diesen Namen zu verdienen, wenn der Souverän von der Volksver tretung gezwungen werden kann, seine Minister zu ent» lassm. Nichtsdestoweniger ist der Kanzler beständig be ¬ sorgt, sich selbst eine Majorität im Reichstage zu sichern und gelingt ihm daö nicht, so spricht er zu den Volks vertretern in einem Tone, den ein Schulmeister gegen ungezogene Knaben anzuschlagen pflegt." Dem Pester „Lloyd" zufolge ist die Anbahnung einer Verständigung zwischen den Kabinetten in Berlin und Wien betreffs der zum Schutze der beider seitigen wirthschaftlichen Interessen gegenüber dritten Staaten zu ergreifenden Maaßregeln in erster Linie dem Grafen Andraffy zu danken. Zu Beginn deS vergangenen Frühlings traf derselbe auf einer Soiree in Wien mit dem dortigen deutschen Botschafter, Prinz Reuß, zu sammen. Die beiden Staatsmänner kamen u. A. auch auf die Erhöhung der deutschen Getreidezölle zu sprechen und bei dieser Gelegenheit bemerkte Graf Adraffy, er stehe dieser Maaßnahme deS Fürsten BiSmarck nicht principiell feindlich gegenüber, sondern sei vielmehr der Meinung, daß auch für die volkswirthschaftlichen In teressen Oesterreich-UngarnS, namentlich was die Land- wirthschaft betreffe, ein gewisser Schutz dem AuSlande gegenüber nur von Vortheil sein könne. SS sei jedoch weder nothwendig noch wünschenswerth, daß solche Maaßnahmen der österreich-ungarischen Monarchie ihre Spitze auch gegen Deutschland kehrten, sowie ja auch Fürst Bismarck wiederholt erklärt habe, er wolle die deutsche Landwirthschaft nicht gegen Oesterreich-Ungarn, sondern nur gegen die russische, amerikanische u. f. w. Konkurrenz schützen. ES scheine ihm, fügte Graf Andraffy hinzu, daher nicht nur wünschenSwerth, sondern auch möglich, daß beide Staaten sich über gemeinsame Schutzmaaßregeln andere« Ländern gegenüber verständigten, während man im Verkehre mit einander jene Koulaoz beobachten könne, welche den gegenseitigen intimen poli tischen Beziehungen entspreche. Obwohl daS Gespräch Andrassy'S auch nicht einmal entfernt einen ofsiciellen oder offiziösen Eharakter hatte, schien dasselbe dem deutschen Botschafter dennoch interessant genug, um darüber aus führlich nach Berlin zu berichten. Fürst BiSmarck be tonte in seinem Antwortschreiben an den Prinzen Reuß den hohen Werth, den er auf die Ansichten deS Grafen Andraffy lege, behandelte dann eingehend die Schwierig keiten, welche zur Zeit der Realisirung der angeregten Idee entgegenstünden, ließ aber zum Schluffe seine Geneigt heit erkennen, in einem gelegenen Momente auf den Gegenstand zurückzukommen. Die spanische Presse kann sich noch immer nicht über die Okkupation der Karolineninseln seitens Deutsch lands beruhigen. Der „Globo" spricht sich mit beson derer Leidenschaftlichkeit auS und benutzt gleichzeitig die Gelegenheit, um die öffentliche Meinung gegen König AlfonS aufzureizen, weil derselbe sich in demüthigender Weise vom Fürsten BiSmarck behandeln lasse. Von allen Regierungen dürfte die deutsche am Besten wissen, daß die Karolineniuseln spanische- Besitzthum seien. Schon lange vor dem gegenwärtigen Kolonialfieber, im Jahre 1875, — so erzählt das genannte Blatt — kam der spanische TranSportdampfer „Patinjo" auf dem Wege nach den Mariannen zur größten Insel der erwähnten. Gruppe und fand, daß daselbst ein deutsches HauS die deutsche Fahne aufgehißt hatte. Der Kommandant des DampferS verwies dem Ehef der Firma diese Kühn heit und befahl energisch die Einziehung der deutschen Fahne, eine Aufforderung, der man auch ohne Weiteres nachkam, da es damals keinem Menschen einfiel, die Rechte Spanien- auf die Karolineninseln anzufechten. „Theuer kommt unS in der That die Freundschaft mit Deutschland zu stehen"; so fährt der „Globo" wörtlich fort, „auf Grund deS neu abgeschlossenen Handelsver trages werden wir ausgebeutet und außerdem demüthigt, beraubt und beleidigt man unS noch." Da- Blatt macht schließlich den Vorschlag, Deutschland und Spanien möchten behufs Schlichtung dieses Streitfalles den Schiedsspruch einer dritten Macht anrufen. Von der Willenskraft und dem Pflichteifer deS Kaisers Wilhelm legt folgende Episode ein beredtes Zeugniß ab: Der kaiserliche Leibarzt richtete am Montag an den greisen Monarchen ein Schreiben, worin er die Bitte aussprach, derselbe möchte angesichts der ungünstigen Witterung der feierlichen Enthüllung deS Denkmals Friedrich Wilhelm deS Ersten fernbleiben. Dieses An sinnen lehnte jedoch Kaiser Wilhelm mit den Worten ab: „Sterbe ich, so sterbe ich wenigstens im Dienste." Hierauf begab sich der Leibarzt, von ernstlicher B- sorgniß für da- Wohlergehen seines kaiserlichen Herrn getrieben, am Dienstag früh persönlich nach Schloß Babelsberg, um dem Monarchen seine Bitte angelegent- lichst zu wiederholen. Der Kaiser aber erwiederte: „Ein König von Preußen, der nicht mehr zu seinen Soldaten gehen und den Verpflichtungen seines Amte- walten kann, der ist kein König mehr und müßte die Regierung niederlegen!" Wie bereits gemeldet, war der Monarch denn auch bei der Feierlichkeit in der That zugegen. Bei dieser Gelegenheit hielt derselbe folgende Ansprache: „Preußen sieht in weiland König Friedrich Wilhelm I. den Schöpfer einer in allen ihren Gliedern fest orgauifirten Armee. Die Wichtigkeit diese- Fundamente- deS Staate- erkennend, haben alle Könige Preußen- an dem Heer wesen fortgebaut und der Boden, auf dem wir heute stehen, (Potsdam), hat die Fortentwickelung der Schöpfung meine- erhabenen Ahnherrn gesehen. König Friedrich der Große übernahm zuerst diese festgebildeten Truppen und die Weltgeschichte weiß, welchen Geist er in denselben ge schaffen hat und welche glorreichen Erfolge er mit ihnen erkämpfte. Friedrich Wilhelm lll. schuf nach schmerz- Feuilleton. Schuldbeladen. Original-Roman von Iuliu- Keller. (23. Fortsetzung.) Er fuhr sich mit der Hand über die Augen und sprach dann in weichem Tone weiter: „Al- ich damals von Ihrem Vater ging, da sagte ich ihm, daß ich meinem Kinde und Ihnen verziehen hätte, daß ich Sie freundlich aufnehmen würde, wenn Vie eine- Tage- meiner Hilfe bedürfen sollten! — Nun find meine Worte in Erfüllung gegangen — und waS ich damals gesagt — will ich getreulich halrea. Sie werden in meiner kleinen Wohnung, die mit dem Laden zusammenhängt, ein Unterkommen finden und sich daselbst verborgen halten. — Sie müssen mir aber versprechen, bei Tage daS HauS nicht zu verlassen, sondern nur abends, bei völliger Dunkelheit, in guter Verkleidung au-zugthen. — Dann mögen Sie, natürlich mit größter, umsichtigster Vorsicht, Nachforschungen über Hedwig an stelle», während vor Allem ich darauf bedacht sein werde, deren Aufenthaltsort zu ermitteln. — Freilich, daS wird eine schwere und langwierige Aufgabe sein; denn in einer so großen, bevölkerten Stadt verschwindet ein einzelner Mensch, wie ein Sandkorn und wir dürfen nicht einmal bei der Polizei Nachfrage halten, weil unS daS — da Ihre Flucht jedenfalls allen Behörden und Polizeibureaur angezeigt ist — zu leicht verdächtig machen könnte. Wird man doch zuerst vermuthen, daß der Flüchtling fich bei seiner Frau aufhält und diese sogar scharf beobachten. — ES gilt also die größte Vorsicht. — — Wochen, Monat« können Vergehen, ehe wir unseren Zweck erreichen und Gott weiß, ob da- überhaupt jemal- der Fall sein wird." Mit feuchten Augen blickte der bekümmerte Mann vor sich hin, während Walter Barthold in dumpfe- Schweigen versunken war. Nach kurzer Zeit hatte da- Gefährt die Stadt erreicht. „Wir nähern un- dem Ziele", sagte nun Gottlieb Naumann. „ES ist n-thig, daß wir unS darüber einigen, als welche Person ich Sie den Leuten bezeichne, welche Sie zufällig sehen könnten." „AIS einen armen Verwandten", entgegnete Walter, „einen Neffen meinetwegen, der Ihnen im Geschäfte etwa- zur Hanb gehen soll — bis er eine andere Stellung ge funden." „Hm — daS läßt fich hören. — ES werden mich vor dem Geschäfte mehrere Männer erwarten, welche Herr Schmelzer — so heißt mein Brotherr — für mich bestellt hat, damit fie mir bei der Einrichtung deS LadenS behilflich seien. Von diesen Leuten müssen Sie gesehen werden und ihnen gegenüber bedarf eS vor Allem der größten Vorficht. Sie müssen unbefangen auftreten und durch nicht- Ihre wirtliche Stimmung verrathen. Reden Sie mich mit „Du" an, wie ich ,S auch Ihnen gegen über thun werde." — Der Laden, in welchem die Blumenhandlung, zu deren Leiter Gottlieb Naumann ernannt worden war, fich befand, lag in einer sehr belebten und breiten Straße im Mittelpunkte der Stadt. Al- der von Blumentöpfen vollständig besetzte Wagen deS alten Gärtner- vor dem Hause, in welchem da- GeschäftSlokal fich befand, hielt, drängten fich mehrere junge Leute, die denselben offenbar erwartet hatten, heran und begannen unverzüglich mit dem Abladen der Töpfe. .Hier, Wilhelm", sagte Naumann laut zu Walter Batthold, „Haft Du den Schlüssel. Oeffne den Laden und laß die Blumenstöcke so aufstellen, wie ich Dir ge sagt habe. Sobald der Wagen völlig leer ist, werde ich auch hereinkommen und dann kannst Du Dich meinet wegen von den Strapazen Deiner Reise erholen. Nach mittag heißt - dann aber tüchtig an die Arbeit, mein Junge." — ES wurde Walter unendlich schwer, sich in die ihm zuertheilte Rolle zu finden. Er mußte seine ganze Willens kraft zusammenraffen, um vor den Leuten unbefangen und sicher aufzutreten. Er vermuthete in Jedem einen Spion und ver mochte die ihn seit seiner Flucht unausgesetzt peinigende Furcht vor Entdeckung nicht zu bannen. Sobald er bemerkte, daß einer der drei Männer ihn ansah, wandte er sich schnell ab und machte sich in einer Ecke deS LadenS zu schaffen. Da man aber seine Anweisung zur Aufstellung der Blumenstöcke und Gewächse erwartete, so mußte er seine Scheu und seine Unsicherheit überwinden und immer wieder mit den Leuten sprechen. Bald glaubte er zu bemerken, daß man heimlich Glossen über ihn mache und seine unsichere Art und Weise bespöttele — er sah, daß zwei Männer fich an stießen und mit einander flüsterten und erschrak. Erleichtert athmete er auf, al- der alte Naumann endlich den Laden betrat und zu ihm sagte: