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Tageblatt für Kohenstein-Emstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Kermsdorf, Bernsdorf, Wüstenbrand, Ursprung, Mittelbach, Kirchberg, Erlbach, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Küttengrund rc. Der ..stoyenlleln-Eriiltthaler' Anzeiger erjchelnl mit Ausnahme der Sonn- und Festtage iggych abends mi! dem Dalum des salzenden Tages. Dtcrteljährltcher Bezugspreis bei sreler kleserung ins Kaus Mk. 1.50. bei Abholung In der WeMslsslelle Mk.1.25, durch die Poft bezogen (außer Bestellgeld) MK.1 50. Einzelne Nummern lv Psg. Bestellungen nehmen dle Kelchösls- und Ausgabestellen, die Austräger, sowie sämlltche Kaiser! Postanstallen und die Landbriesträger entgegen. Als «rira- beilage erhalten die Abonnenten jeden Sonntag das .Illustrterte Sonnlogsblatl'. — Anzeigengebiihr sür die «gespaltene Korpuszelle oder deren Naum 12 Psg., siir auswärts 15 Psg.; im Neklameieil die Zeile 30 Psg. Sämtliche Anzeigen finden gleichzeilig im .Oberlungwiher Tageblatt' Aufnahme. Anzeigen-Annahme sür die am Abend erscheinende Nummer bis vormittags 11 Uhr, größere Anzeigen werden am Abend vorher erbeten. Bei Wiederholungen wird entsprechender Naball gewährt, jedoch nur bei alsbaldiger Zahlung. Die Aufnahme von Anzeigen an oorgeschriebenen Tagen und Plötzen wird möglichst bcriickstchttgl, eine Garantie jedoch nicht übernommen. — Für Nückgabe eingefandtcr Manuskripte macht sich die Nedaktion «iserLtLiLlLlLeriLLtLtLlLlLerlLlLiirtLliLerertLkrcLiLtLkrlLlLeLiLLriLlLiLLL nicht verbindlich. iLiLiLLtLtLLrtLiLeriiriLLkriLe-LiLercLkrkrkLcrerkercLkriirkLLcrkrcLe-krbrLL Nr. 163. Fernsprecher Rr. lbl. D0MMstag, dkN 16. JUlj 1908. MschMM- B-Hnftr. S. 35. JahlgÜNg. Freibank Hohenstein-Ernstthal. WM" Berkans von gekochtem Schweinefleisch, Psnnd 40 Pfg. "MU Graf Zeppelins Fahrt unterbrochen! Die sür den gestrigen Dien-tag geplant ge wesene große Dauerfahrt deS Zeppelinschrn Motor- lustschiffeS hat infolge eine» anscheinend unbe deutenden Schaden- am Mechanismus kurz nach ihrem Beginn unterbrochen werden müssen. ES liegen darüber folgende Nachrichten vor. Friedrich-Hafen, 14. Juli. Gegen 4 Uhr landete Gras Zeppelin in Manzell. An dem vorderen Motor war die Kühlwafferschraube gebrochen. Der Schaden ist vorläufig behoben. Während der Fahrt konnte beobachtet werden, daß der vordere Motor nur recht selten arbeitete. Friedrich-Hafen, 14. Juli. Graf Zeppelin ist nach zweistündiger Fahrt von Konstanz nach Friedrich-Hafen zurückgrkehrt. Die Fernfahrt nach Mainz ist nicht angetreten worden wegen Bruchs der Kühlwafferschraube am vorderen Motor. Zeppelin hofft morgen wieder aufzu- steigen. Ein Telegramm auS Konstanz bestätigt eben falls, daß Graf Zeppelin die Fahrt unterbrechen mußte, weil die Kühlwafferschraube deS vorderen Motors hinter Konstanz brach. Der Motor lief warm. Er wurde provisorisch repariert und Zeppelin kehrte zurück. Im Laufe deS heutigen Tage» glaubt man den Schaden völlig beseitigt zu haben. Ueber die Abfahrt des Grafen Zeppelin wird noch auS Friedrichshafen berichtet: Bei frischem Südostwind verließ der Ballon nachmittags 2 Uhr die Halle, umschärml von zahlreichen Booten und Gondeln. Um 2 Uhr 16 Min. erfolgte der Ausstieg in Gegenwart deS Königs von Württem berg. Zunächst bewegte sich der Ballou einige Minuten über der Seefläche und stieg dann auf mit dem Kurs nach Konstanz, gefolgt von dem Drachenboot „Gna" und dem Dampfschiff .Königin Charlotte'. Um '/«3 Uhr schwebte der Ballon über Konstanz und umkreiste in größeren Bogen die Rheinbrücke in etwa 200 Meter Höhe und führte verschiedene Manöver auS. Der Ballon schlug dann die Richtung Friedrichshafen ein. Um 3 Uhr 10 Min. ließ sich der Ballon in der Höhe von MerSburg aus dem Master nieder, um sich gleich wieder zu erheben. Auf der Höhe von Immenstaad fuhr er sodann bis zur Halle, wo er '/^4 Uhr einige Meter seeinwärtS landete, um dann von dem Dampfboot „Buchhorn" ins Schlepp tau genommen zu werden. Darauf kehrte der Ballon um '/«b Uhr in die Halle zurück. * * * Auch der englisch« Motorballou Hai kein Glück gehabt. Der sür Montag in Aussicht genommene Probe- ausstieg deS neuen englischen MilitärballonS „Nullt Gceundus II" konnte nicht erfolgen, einmal wegen zu schlechten Wetters, zweiten-, weil der Gteue- rungsapparat nicht in Ordnung war. Wenigsten- verlautet die- zufällig, trotz der strengen Geheim- haltungSmaßregrln, mit denen die Ballonhalle offiziell umgeben wird. Da- neue Modell soll sich von dem seinerzeit verunglückten wesentlich nur der Größe nach unterscheiden, in der er da- alte bedeutend übertrifft. Die Gondel besteht auS Stahl und hat einen seidenen Ueberzug Im Vorderteil find die Petroleummotoren, die zwei seitliche, fächerförmige Propeller treiben. Al- Steuer dient ein Leinwandsegel unterhalb der Gondel. Der neue Ausstieg dürfte vor Ende der Woche nicht erfolgen können. Tagesgeschichte Zur Wahlrechtsfrage Wie daS „Leipz. Tgbl." mitteilt, beabsichtigt man, die WahlrechtSdepulation bereits Anfang September, also vor Eröffnung deS Landtages, wieder zusammentreten und ihre Tätigkeit fort- setzen zu lassen. In dieser Tatsache ist wohl ein Beweis dafür zu erblicken, daß man ernsthaft ge willt ist, die Wahlreform in diesem Winter zum guten Ende zu bringen und daß man die Absicht hat, nach den voraufgrgangenen Deputationsbera tungen dem Landtage bei seinem Zusammentritt sogleich möglichst mit positiven Vorschlägen zu kommen. BischofSchäfer über dieLage des Katholizismus in Sachse». Am 8. Juli hat „Bischof Schäfer von Sachsen", wie die „Eicksseldta" schreibt, in Paderborn ge legentlich der Generalversammlung des Bonifatius- Vereins ein sehr beachtenswertes Loblied über die Lage deS Katholizismus in Sachsen angestimmt. .In Sachsen lohne sich die MisfionSlätigkeit." „In der königlichen Familie werde der katholische Glaube recht eifrig betätigt." „Seitens der GtaatSregierung sei den Katholiken noch nie eine Schwierigkeit in den Weg gelegt worden." Dem Kultusministerium rühmte Bischof Schäfer nach, daß e- „immer ge recht" gewesen sei. Ja er weiß ihm noch bessere» nachzusagen. ES ist „sogar wohlwollend". Diese Worte klingen freilich ganz ander- als die düsteren Klagen, dir aus Katholikenversammlungen usw. über die trübe Lage der Katholiken in Sachsen ost zu hören waren. Keiue Begegnung Kaiser Wilhelms mit dem Zaren und Präsidenten FalUdre». Die Meldung der „Nowoje Wremja", daß der deutsche Militärbevollmächtigte in Petersburg, Generalleutnant von Jakobi, ein eigenhändiges Schreiben Kaiser Wilhelm- zur Urbergabe an den Zaren erhalten habe und daß dieser Brief ein sehr wichtige- politische- Dokument sei, ist, wie die „Neue Polit. Corresp." erfährt, nicht zutreffend. WaS die Frage einer angeblich bevorstehenden Begegnung deS Kaiser- mit dem Zaren angeht, die von russischen und französischen Zeitungen immer wieder aus- Tapet gebracht wird, so ist bereit- vor einigen Wochen zwischen Kaiser Wilhelm und dem Zaren festgestellt worden, daß in diesem Jahre eine Zusammenkunft nicht stattfindet. Ebenso ist an den von französischer Seite kommenden Aus streuungen über eine Begegnung Kaiser Wilhelm- mit dem Präsidenten FalliöceS kein wahre« Wort. Eine Rede deS französischen Botschafters 1» Berlin. Bei der Feier der französischen Kolonie in Berlin hielt der Botschafter Jule- Cambon, der an dem nämlichen Tage für die feste und taktvolle Vertretung der Interessen Frankreichs am deutschen Kaiserhofe mit dem Großkreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet worden war, eine bemerkenswerte Ansprache. Er sagte u. a.: Man gefällt sich zur Zeit anscheinend in der Störung der Ruhe Euro pa» durch allerhand beunruhigende Alarmgerücht« Man darf sich dadurch aber nicht aufregen lassen; denn alle Regierungen find auf den Frieden ange wiesen, fie kennen seinen Preis Darum kaffen Tie unS, so etwa schloß der Botschafter, den Pessimismus fernhalten, lassen Sie unS mit bestem Vertrauen in die Zukunft schauen, mit dem Ver- trauen, da» alle Schwierigkeiten der Lage hinweg, räumen wird bet allen denen, die den guten Willen dazu haben. Pfä»d»»g de» Lohns. E» ist eine Bewegung im Gange, die Summe de- Gehalt- oder Lohn-, die der Pfändung unter- liegt, über den bisherigen Jahresbetrag von 1600 Mark hinaus zu erhöhen. Bisher liegen zu der Frage nur Leußerungen au» den Kreisen der An gestellten vor. Für die Entschließung der Regte- rungen würde r» jedoch von großem Werte sein, auch über die Anschauungen, die in den Kreisen de» deutschen HandelStageS und de- Zentralver- bände- deutscher Industrieller herrschen und über die Erfahrungen, die man hinsichtlich der Wirkung der geltenden Vorschriften auf die Verhältnisse der Angestellten gemacht hat, näher unterrichtet zu werden. Der Staatssekretär de- ReichSamtS de» Innern v. Bethmann-Hollweg ersucht deshalb um eine gutachtliche Aeußerung. Ark. Morgan al» Sozialpoltttkerin Eine der reichsten amerikanischen Erbinnen, Frl. Anna Morgan, die Tochter deS „Ringköntg-" Pierpont Morgan, ist in Berlin eingetroffen. Die Dame ist ander», al- viele ihrer „Goldschwestern* von drüben"; sie will sich nicht amüsieren, sucht keinen europäischen Grasen oder Prinzen zum Manne, sondern will ernsthaft studieren und zwar die deutsche Arbeiterverstcherung. Man erfährt deshalb nicht« von ihren Kleidern, Hüten usw , nicht einmal ihr Aussehen wird verraten. Aber so indiskret ist man, ihr Alter auf 28 Jahre an zugeben. Auch hört man, daß sie jetzt schon 260 bi- 300 Mill. Mark „schwer" sein soll. Doch wa» jaben die Kavaliere davon; Miß Morgan will Ich ja der Sozialpolitik widmen! Daß sie sich gerade die deutsche Arbeiterverstcherung zum Stu- )ium erwählt hat, scheint kein schlechte» Zeugnis ür diese zu sein, wenn auch immer verächtlich von >em .bißchen Sozialpolitik' gesprochen wird. Wir wünschen der jungen Dame den besten Erfolg, wobei wir voraussetzen, daß eS ihr wirklich ernst mit der selbst gestellten Aufgabe ist. Zweifelnde Liebe. Roma» von M. K n c s ch l c - Sch ö n a u. 7. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Ich wollt cs Dir wünschen, mein Kind; doch Werners Äußerungen und ganze», Verhalten nach hast D» nicht die geringste Ursache zu derartig sangninischcr Auffassung. Ich dächte, er wäre deutlich genug gewesen." „Das kann ich eben nicht finden, bestes Tantchen. Sieh, Du sagtest selbst, die Nachricht von meinen'. Hiersein habe ihn sehr erregt — ok dion, ein Zeichen, daß er noch Interesse an mir nimmt. Solange dies noch der Fall, ist Polen nicht verloren. Hättest Du mir gesagt, es habe ihn gleichgültig gelassen, dann würde ich wortlos die Segel streichen, denn Gleichgültigkeit ist der Tod der Liebe. Aber so — selbst wenn er mich hassen sollte, gebe ich die Hoffnung noch nicht aus." Mit stolzer Bewegung wirst sie den Frisiermantel bei Seite, und wie sic so dastcht mit trinmphiercnd erhobcnem Haupte und blitzenden Augen, ein Bild reifer Fraucnschönhcit, da sagt sich Tante Sidonie, daß eS trotz allem und allem doch nicht unmöglich sei, daß ihr lockender Reiz noch einmal imstande ist, den Neffen zu berücken. Adelheid bemerkt sehr wohl die heimliche Bc wundcrung, die die Tante Omer Schönheit zollt, und ihre Miene wird 1^ nnphicrcndcr. „Findest Du nicht, Tantchen, daß^ch schon viel schlanker geworden bin?" fragte sie, wieder vor den Spiegel tretend und sich prüfend beschauend. Die stete Zu nahme ihrer Taillenweite und des Umfanges ihrer Hüften ist ihr steter Kummer. Sic weiß genau, daß ihre kleine Gestalt durch zu große Fülle starke Einbuße erleiden würde, und beobachtete mit pein licher Genauigkeit die geringste Zu- und Abnahme. Nun hatte ihr der hiesige Badearzt als probate« Mittel gegen den lästigen Fettansatz allnächtlich Pricßnitz-Packnngen mit in Soolc getauchten Um scblägen geraten und mit fanatischem Eiser bcsolgt sic diesen Rat und bildet sich bereits Ersolg ein. Tantc Sidonie .'ann zwar beim besten Willen von einem solchen noch nichts entdecken, doch in ihrer großen Gutmütigkeit meint sic srcundlich: „Es kommt mir wirklich vor, als ob Du über dcn Husten ctwas abgenommen habest!" Während Adelheid ihre Toilette beendet, erscheint die Bonne mit dcn beiden kleinen Mädchen. Tantc Sidonic hat nicht zu vicl gesagt, als sic gcstcrn abcnd dieselben ihrem Neffen a!s elende Würmchen schilderte, sie sind es in der Tat. Rhachilischc Gc- schvpfchen mit blassen, gedunsenen Gesichtern, in denen die großen braunen Augen, die sic von der Mutter geerbt, daS einzig anznchcnde sind. Paula, die älteste, leidet an Rückgratverkrümmung, und das an sich plumpe Figürchen wird durch das ortho pädische Korsett, dieses Marterinstrument, noch schwerfälliger. Lidd», die jüngere Schwester, ist nicht so apatisch, auch zierlicher, trotzdem sic auf recht krummen Beinchen cinhcrwatschclt. Die Kleinen kommen soeben auS dem Kmoartcn, wo sic beim Schweizer ihre Morgenmilch getrunken und sich etwas umhergctnmmclt haben. Jetzt wollen sic der Mutter guten Morgen sagen, ehe sic gebadct, massiert und wieder inS Bett gesteckt werden. Bciiu Anblick der kleinen Mißgestalten zuckt cs wehcvoll um dcn Mund der schönen Frau, sic Icidct schwer unter der Krankheit ihrer Kinder, doch nach Art der Genußmenschen will sic so wenig wie möglich an ihr Leid erinnert werden und kürzt deshalb stets dn§ Zusammensein mit ihnen nach Möglichkeit ab. Auch jetzt mahnt sie, nachdem sic mitleidig die großen, mit spärlichem Blondhaar bewachsenen Köpfe ihrer Mädchen gestreichelt, zur Eile, und die kleine Liddy niuß ihre Erzählung von dem großen, weißen Zicgen- bock deS Schweizers, den sie zu ihrcm Entzücken streicheln durfte, sür sich behalten. Die schöne Mama hat sür so etwas keine Zeit. „Glaubst Du, daß Werner heute bei »ns speisen wird?" fragte sic intcrcssicrt die Tantc, wclche bc- küwnicrt dcn armcn Klcincn nachschautc „Ich hossc cs bestimmt, doch weshalb — —" „Elise, ziehen Sic dcn Kindcrn zu Mittag die neacn blauen Kleidchen an!" rust sic dcr Bonnc nach „Das wird sic auch nicht schöner machen!" denkt Lanie Sidonic mitlcidig sür sich, und laut sagte sic: „Ich werdc mich jctzt noch cin paar Stundcn nicdcrlcgcn, vicllcicht kann ich mir dir Kopsfchmerzcn vcrschlascn." „Tue das, bcsteS Tantchcn, und crlnubr, daß ich Dich hinübcrbeglcite und Dir ein wenig be hilflich bin." Dcn Arm nm die alte Dame legend, führt sie dieselbe in ihr nach dem Garten gelegenes Vcranda- zimmcr, Hilst ihr beim Ausklciden, deckt sic sorglich zu und läßt die Jalousien herab. Tante Sidonic weiß gar nicht, wie ihr geschieht. Sie kann sich nicht entsinnen, jemals von Adelheid mit solch zärt licher Fürsorge behandelt worden zu sein, denn von jeher pflcgtc diese nur an sich zu denken, ganz be sonders aber nach ihrer Verheiratung, die sie ganz und gar zur eitlen Modedame gemacht hatte. > „ES steckt doch ein guter Kern in ihr," dcnkt sie im Entschlummern, „und wenn sie Werners Frau geworden wäre ." Tiefe Atcmzüge verkünden, daß die gute, alte Dame vorderhand allen weiteren Reflexionen entrückt ist. Adelheid hat sich in ihr Zimmer zurückgezogen, eine Handarbeit hcrvorgesucht und sitzt nun aus ihrcm schattigen Balkon, dessen üppiges Wcinlaub sie dcn Blicken Vorübergehender entzieht, ihr aber doch erlaubt, die Straße zu übcrschcn. Müßig ruhen ihre weißen, ringgcschmückten Hände aus der vor ihr nuSgcbreiteten Stickerei, träumend schaut sie in daS grüne Gerank. Hinter der weißen Stirn arbeiten rastlos die Gedanken. Der FeldzugSplan, den sic in vergangener Nacht zur Eroberung deS spröden Vetters entworsen, muß noch einmal ein gehend geprüft werden, denn ihr ganzes LebcnSglück hängt von dem Gelingen desselben ab. So sehr da§ Herz der eitlen, genußsüchtigen Fran auch erfüllt ifl von den Freuden der Welt, die Reichtum gewährt, tief drinnen im verstecktesten Winkel lauert die Reue über verscherztes LicbeSglück. Das Leben an dcr Scite dcS sicchcn Gatten war, trotz allen Überflusses, ein unbefriedigtes. Jetzt, wo sie wieder frei war, erwachte die alte, heiße Liebe zu dem Jugendfreunde von neuem und forderte leidenschaftlich ihr Recht. Vor ihren erregten Sinnen steht ein Zukunftsbild voll wonnigsten Glücke-. Liebe, angesehene Lebens stellung, Reichtum — diese drei köstlichen Schick- salSgnbcn, sie glaubt sic schon in Händen zu hallen. Nur klug sein, schlangenklug den richtigen Weg zum Herzen de« Jugendgclicbten ausfindig machen" Anfänglich hatte sic beabsichtigt, al« reumütige, »och immer heißlikbende Sünderin vor ihn hinzu- treten und fein Herz im Sturme zurückzugewinncn. Die Kinder waren ihr dabei recht im Wege gewesen. Jetzt aber nach dem Bericht dcr Tantc dünkt es ihr klüger, die Rolle der resignierten Märtyrerin zu spielen und ihre elenden Kinder als HilsStruppcn zu benützen, um sein Mitleid herauSzusordern. Gelingt ihr das so recht au« dem Grunde, so glaubt sie gewonnenes Spiel zu haben, denn daß Äitleid sich in Liebe verwandelt, ist durchaus nichts seltenes — warum sollte c« hier nicht der Fall sein? (Fortsetzung folgt.)