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Hohenstein - Ernstthaler Tageblatt Amtsblatt Nr. 83. Sonnabend, 12. April 1913. Zweites Blatt. W M MM. 11. April 11113. Der Lützower Friedrich F ö r st e r, der später eine große, berühmt gewordene „Geschichte der Befreiungskriege" schrieb, hat bei seinem Ausmarsch aus Dresden eine Begegnung mit Goethe. Er selbst berichtet darüber in einem Brief an seine Schwester: „Der 11. April war der Tag meines Aus- marsches aus Dresden. Wir hatten eben unsern Morgengesang vor dem Gasthof, in welchem un ser Feldwebel, Professor Markwart aus Berlin, in Quartier lag, beendigt, als ich einen Mann in eine Extrapost einsteigen sah. Kaum traute ich meinen Augen, als ich sah, daß es Goethe war. Ich war als Freund seines Sohnes und als begünstigter Ballbegleiter seiner tanzlustigen Frau Gemahlin oft in seinem Hause gewesen . . . Mit militärischem Anstande einer Ordon nanz trat ich nun an den Wagen heran und sagte: „Euer Exzellenz melde, daß eine Ab- leilung der königlich preußischen Freischar der schwarzen Jäger auf dem Durchmarsch nach Leipzig vor Ihrem Quartier ausmarschiert ist lind Euer Exzellenz die Honneurs zu machen wünscht." Der Feldwebel kommandierte: „Prä sentiert das Gewehr!" — und ich ries: „Der Dichter aller Dichter, Goethe, lebe hoch!" Mit Hurra und Hörnerklang stimmte die ganze Kom pagnie ein. Er faßte mit der Haltung eines Generals an seine Mütze und nickte freundlich. Ich trat noch einmal heran und sagte: „Bei un serem ersten Ausmarsch Goethe zu begegnen, ist ein zu günstiges Zeichen, als daß wir es soll ten vorüberlassen. Wir bitten uni Ihren Waf fe n s e g e n." „Von Herzen gern", sagte er; ich reichte ihm Büchse und Hirschfänger, er legte seine Hand daraus und sprach: „Ziehr mit Gott, und alles Gute sei Eurem frischen deut schen Mute vergönnt!" Während wir ihm ein nochmaliges Lebehoch riefen, fuhr er griißend an uns vorbei . . ." Im übrigen hat sich Goethe bekanntlich nicht besonders für die Volkserhebung erwärmt und hat von ihr keinen Erfolg erhofft. 12. April 1«13. In der Nacht voni 12. auf den 13. über fällt Major v. Hellwig, der als Leut nant in der Schlacht bei Jena in kühnem Hand streich mit ein paar Husaren 1500 gefangene Preußen befreit hatte, die Stadt Langen salza an der Grenze zwischen Thüringen und Hessen. Der Ort war mit 1700 Mann Infan terie, 300 Mann Kavallerie und 6 Kanonen unter den« bayrischen General Rechberg besetzt. Major v. Hellwig wagte mit seiner Schwadron den Angriff, trotzdem der Feind, zum Abmarsch bereit, schon in Bewegung war. Sein Wider stand wurde bald geworfen und ihm 2 Hau bitzen, 3 Kanonen, mehrere Munitions- und Bagagewagen und 20 Pferde genommen. Der Feind zog sich nach Woltershausen im Karree zurück. Man verfolgte ihn eine Stunde weit. Der Verlust Hellwigs war gering. Der zur selben Ka?allerie-Brigade gehörende Rittmeister v. Schwanenfeld machte in Gotha den Versuch, den französischen Ge sandten v. St. Aignan gefangen zu nehmen. Der Gesandte selbst entkam. Der Legations sekretär aber mit sämtlichen Depeschen und einer Bedeckung von IO Mann siel in die Hände der Husaren. Uom Kalkan. Die neue Note, welche die Mächte den B a l k a n st a a t e n in Erwiderung ihnr Vorschläge für die Grundlagen der Vermittlung überreichen werden, deren einzelne Punkte in der letzten Sitzung der Botfchastervereinigung in London festgesetzt worden sind, wird folgenden Inhalt haben: 1. die Mächte sind einverstanden, die gerade Linie Eno s—M idia als Grundlage sür Vie Verhandlungen über die neue türkisch bul garische Grenze anzunehmen; 2. die Entscheidung des Schicksals der ägäischen Inseln, deren Mehrzahl Grie chenland zufallen soll, wird den Mächten über- lassen; . 3. die Frage der Kriegsentschädi gung wird zusammen init allen aus dem Kriege hervorgehenden sinanziellen Fragen von einer Finanzkommission erörtert werden; -1. betreffs Albaniens wird erklärt, daß die Nord- und Nordostgrenze von den Mächten, die auch über den übrigen Teil der Grenze beraten werden, bereits bestimmt sei. Schließlich werden die Mächte den Verbün deten empfehlen, die Feindseligkeiten e i n z u st e l l e n. Oesterreich lehnt eine Geldentschädignng ab. An Wiener unterrichteter Stelle wird be stätigt, daß seitens einiger Großmächte mit Mon tenegro wegen einer Kompensation für Skutari verhandelt wird. Hier erklärt man es jedoch für vollkommen ausgeschlossen, daß Montenegro eine territoriale Entschädi gung auf Kosten Albaniens erhalte. Oesterreich- Nngarn lehnt auch ab, sich an einer Geld entschädigung für Montenegro zu betei ligen. Der römische Korrespondent der „Neuen Freien Presse" erfährt von berufener Seite, daß hinsichtlich der Südgrenzen Albaniens in Lon don ein Vermittlungsvorfchlag eingebracht wurde, der den Interessen Griechenlands, sowie Italiens und Oesterreich-Ungarns billig Rech nung trägt und dessen Annahme gesichert er scheine. Die friedliche Blockade vor Antivari. Der Kommandierende der internationalen Flotte in den Gewässern von Antivari, Vize admiral Burney, hat gestern srüh dem Gouver neur von Antivari notifiziert, daß von 8 Uhr fp ih ab die friedliche Blockade von Antivari bis zur Drin m ü n düng er klärt sei. Der König mit dem Wanderstav. Ueber die Pläne König Nikitas sür den Fall, daß die Großmächte ihn mit Gewalt, an der Einnahme Skutaris verhindern, meldet Reuter: Sollte es Montenegro nicht gelingen, das zu erhalten, was es zur Ausrechterhaltung seiner Unabhängigkeit sür unbedingt ersorderlich hält, so wird König Nikita abdanken und mit seiner Familie das Land verlassen. Montenegro wird damit aufhören, ein unabhängiges Königreich zu sein und wird sich unter König Peter mit Serbien ver einigen. Auf Grund eines zwischen Mon tenegro un,d Serbien bereits geschlossenen Staats vertrages behält sich König Nikita das Recht der Thronfolge in dem neuen serbisch-montene grinischen Reiche vor. Auch wird ihm eine ent sprechende Zivilliste bewilligt werden. —- Nikita mäßigt sich. Erst wollte er nicht lebend wieder nach Hause kommen und nun will er „bloß" abdanken! Der amtliche türkische Kriegsbericht meldet: Im Laufe des Mittwoch fand auf dem linken Flügel der Tschataldscha-Linie ein leichter Artilleriekampf statt. An den anderen Punkte» der Tschataldscha-Linie hat sich nichts neues ereignet. Vor Bulair herrscht Ruhe. Am Mittwoch bombardierte ein griechisches Torpedoboot den südlich von Aiwali gelegenen Ort Ayasmanly. Ein von der Küsten artillerie abgefeuertes Schrapnell fiel aus die Kommandobrücke des Torpedobootes nieder, worauf sich das Torpedoboot von der Küste ent fernte. Hierauf wandte sich das Torpedoboot gegen das Kap Sarmussak Burnu und gab einige Kanonenschüsse gegen eine zur Beobach tung des Feindes dienende Truppenabteilung ab, ohne jedoch Schaden anzurichten. pus dem Beiche. Die Reise des Kaisers auf dem „Imperator" Die Reise des Kaisers mit dem Riesen dampfer „Imperator" wird, wie das „Berliner Tagebl." aus Las Palmas erfährt, bis nach den kanarischen Inseln ausgedehnt wer den. Die Ankunft des Kaisers wird voraussicht lich am 3. oder 4. Mai erfolgen. In der Be gleitung des Kaisers werden sich befinden der Reichskanzler, der preußische Landwirtschafts- Minister, der Handelsminister und die Staats sekretäre der Kolonien und des Reichspostamts. Der Cumberländer beim Kaiser. Seit gestern weilt der Herzog von Cumberland als Gast des Kaisers in Homburg. Ursprünglich hatte dieser Besuch des Cumberländers in Berlin stattsinden sollen. Bei der spitzfindig-raffinierten Beflissenheit, wo mit unsere Welfen jede leiseste Schattierung in der Behandlung dieser Angelegenheit sür sich und ihre Stimmungsmache ausdeuten, war es von vornherein nicht angenehm zu hören, daß der Besuch des Cumberländers in Homburg v. d. H. statt in Berlin abgetan werden solle. Tatsächlich wird denn aus Hannover schon be richtet, es habe in dortigen welfischen Kreisen „außerordentlich angenehm b e - r ü h r t", daß der Kaiser den Herzog und die Herzogin von Cumberland nach Homburg und nicht nach Berlin eingeladen hat, wohin der Herzog nur sehr ungern gegangen wäre. Ob das Herzogspaar zur Hochzeit des Prinzen Ernst August am 24. Mai nach Berlin fahren werde, sei noch nicht bestimmt; doch gelte ihre Teilnahme nicht als ausgeschlossen. — Wie gütig von den hannoverschen Welfen, sie also unter Umständen doch zulassen zu wollen. Angesichts dieser hartnäckigen ablehnenden Hal tung der Welsen muß von vornherein die rosen- sarbene Gedankenlosigkeit abgelehnt werden, mit welcher der Homburger Besuch hier und dort schon als „Krönung der Versöhnung" zwischen Hohenzollern und Welfen angesprochen wird. Je vielfacher diese Gedankenlosigkeit zum Aus druck kommt und je nachsichtiger und vielleicht zustimmender sie etwa von osfiziöser Seile wird behandelt werden, desto unabweislicher wird die Pflicht, darauf hinzuweisen, daß unsere Welsen durch ihre bedauerliche Haltung, wie seinerzeit der Verlobung zwischen Kaisertochter und Welfen- prinz, so jetzt auch dem Homburger Familien besuch die politisch erfreuliche Bedeutung herab- mindern. Es hilft nichts, vor dieser Tatsache den Kopf in den Sand zu stecken. Der abgeschüttelte Herr Häusler. Sein Militärfachverständiger, Generalmajor Häusler, ist dem Zentrum am Mittwoch außerordentlich peinlich auf die Nerven gesallen. Die „G ermani a" zögert auch nicht, ihn mit seiner gestrigen Rede im Namen der Partei gründlich abzuschütteln. Sie schreibt über diese Rede: „Herr Häusler hat als General zweisellos ein großes Sachverständnis für militärische Dinge, und vieles von dem, was er sagte, war gerechtfertigt, aber in manchem schoß er doch weit über das Ziel hinaus. Seine Ausführungen deckten sich in vielen Punk ten nicht mit der Auffassung der Fraktion, und es wäre besser gewesen, wenn sich Herr Häusler seine Ausführungen für die Kommission, die der geeignetere Ort für die Vorbringung einer ins Einzelne gehenden Kritik ist, Vorbehalten hätte. Der ihm ausschließlich von der Lin ken zuteil gewordene Beifall wird dein Herrn Abgeordneten zweifellos gezeigt ha ben, daß er in manchen, einen Mißgriff getan hat. Die Linke zeigt sich maßlos erfreut über die scheinbare Meinungsverschiedenheit im Zentrum, aber die Herren täuschen sich. Das Zentrum kennt keinen Fraktionszwang, und jedem seiner Mitglieder steht die volle Redesrei- heit zu. Wenn Herr Häusler davon Gebrauch gemacht hat, war das sein gutes Recht, aber die Art, wie es geschah, läßt sich nur — wir bedauern, das sagen zu müssen — aus einer Verkennung der gegen ivärtigen politischen Situation erklären. Aus sine Uneinigkeit des Zentrums über die Heeres vorlage schließen zu wollen, wäre gänzlich ver fehlt, die Herren von der Linken werden bei dieser Spekulanon nicht aus ihre Kosten kom men. Es ist selbstverständlich, daß Herr Häus ler scharfen Widerspruch beim Kviegsminister fand." Lachsen und die Jahrhundertfeier. Zur Jahrhundertfeier hat das sächsische Ministerium des Kultus und öffentlichen Unter richts eine G e n e r a l v e r o r d n u n g er lassen, die folgenden Wortlaut hat: „Das gegenwärtige Jahr ist für unser deut sches Volk ein Zeitabschnitt großer vaterländi scher Erinnerungen. Auch Sachsen, das vor 100 Jahren unter den Heimsuchungen des Krie ges und dem Zwange der Fremdherrschaft an, längsten überaus schwer zu leiden hatte, und aus dessen Gefilden diese endlich siegreich gebrochen wurde, wird der Befreiung des Vaterlandes vom Druck der Fremdberrschaft besonders dank bar gedenken. Zugleich rufen die Segnungen, deren wir uns in unserem wiedererstandenen Deutschen Reiche erfreuen, und seine nunmehrige Weltmachtstellunz die Erinnerung an die Zeiten zurück, in denen zum erstenmal der Gedanke an Deutschlands.Einteil zur kraftvollen Tat erwacht ist. Das Ministerium setzt voraus, daß alle Schulen des Landes im deutschen Unterricht und in den Geschichtsstunden die Ereignisse des Jah res 1813 im Zusammenhang behandeln werden. Der 26. Anzug, der Todestag Theodor K ö r- n e r s, wird besondere Gelegenheit bieten, die glühende Vaterlandsliebe dieses sächsischen Hel denjünglings den empsänglichen Herzen der Jugend nahezubringen. Vor allem aber wird der Tag der feierlichen Einweihung des V öl te r s ch l a ch t d e n k m a I s zu Leipzig den Mittelpunkt der Erinnerung an Deutschlands siegreiche Befreiung bilden. Wo an diesem Tage eine Schulfeier stattfindet oder die Schüler zu anderen vaterländischen Veranstaltungen zuge zogen werden sollen, erteilt das Ministerium zur Aushebung des Unterrichts Genehmigung.' Um die Jesuiten. Wie es heißt, werden vom Reichsamt des „Hrrengoid". Roman von H. C o u r t h s - M a h l e r. (Nachdruck verboten.) Herbert Sonsfeld hatte seine Tante in ihr Zimmer geleitet. Dort standen sie sich eine Weile stumm gegenüber. Endlich sagte Herbert aufatmend und heiser vor Erregung: „Gewon nen! Der Sieg ist unser." Frau von Sterneck setzte sich müde in einen Sessel. „Ja, aber fast wäre alles verloren gewesen. Ich habe gezittert, solange Jutta fort war. Wo mag sie gewesen sein? Sie sah furchtbar verstört aus. Ich ver mag mich kaum am Gelingen unseres Planes zu ersreuen. Götz Gerlachhausen war ihr mehr, als wir dachten. Mir ist wirklich bange um sie." Herbert warf den Kopf zurück. „Nun ver dirb mir doch die Freude nicht und laß die Klagelieder. Die Hauptsache ist: Wir sind ge reitet. Um Jutta sei unbesorgt. An einer ersten Liebe stirbt man nicht. Schließlich bin ich doch auch nicht zu verachten." Er zündete sich eine Zigarette an und bot der Tante sein Etui. Sie folgte seinem Beispiel. Dann sah sie bittend zu ihn, auf. „Herbert, versprich mir, daß Tu gut zu dem Kinde sein willst." „Herrgott, ich bin doch kein Kannibale, der kleine Kinder verschlingt! Natüv.äch werde ich gut zu ihr sein, aus ein bißchen Süßholz soll es mir auch nicht ankommen, wenn jemand wie ich auch längst über solche Kinderkost hinaus ist. Wird mir gar nicht schwer fallen, und Du sollst sehen — sie verliebt sich noch bis über die Ohren in Deinen vortrefflichen Neffen. Ernsthaft: Du brauchst nicht Trübsal zu b.vsen, es fehlt jeder Grund dazu. Bedenke, was wir erreicht Ha ven!" Sie lehnte sich in ihren Sessel zurück und blickte den Rauchwölkchen nach. Sein Ton schien sic nicht zu verletzen. „Gewiß", sagte sie, „gar viel! Und ich habe mich bisher auch nie mit fruchtloser Reue abge geben, aber wenn ich jetzt so rein und schuld los vor meiner Tochter stehen könnte, wie ich es ihr glaubhaft machte — kein Preis wäre nur zu hoch. Doch genug davon! Nicht umsonst will ich gegen die Macht eines Toten gerungen ha ben. Hier stehe ich — hier bleibe ich — fort mit nutzlosen Sentimentalitäten!" „Bravo, chere tante, in dem Sinne will ich ein paar Flaschen Pomery kalt stellen lassen. Wir trinken vorläusig ohne die kleine Braut auf unsere Verlobung." Er klingelte und gab den bezüglichen Be fehl, der prompt ausgeführt wurde. — — — Erst am nächsten Morgen kam Jutta wie der aus ihren Zimmern. Beim Ankleiden hatte ihr bereits die neue Zofe geholfen, da Johanne schon abgereist war. Jutta erschien sehr bleich am Frühstücks tisch, aber sie schien ruhig und gefaßt. Ihre Mutter und ihr Verlobter umgaben sie mit zar ter Aufmerksamkeit. Da zwischen ihr und der Mutter Jahre überbrückt werden mußten, fehlte es nicht an Gesprächsstoff. Mit heimlichem Schmerz empfand Jutta, daß ihr die Mutter fremder erschien als zur Zeit, da sie noch nicht wußte, wie innig sie zusammengehörten. Lag es an ihrer allgemeinen Seelenstimmung, daß ihr Herz nicht so wann sür die Mutter zu schlagen vermochte? Es quälte sie ungemein, daß sie sich zu zärtlichen Worten zwingen «nutzte. Wenn ihre Mutter sie mit Liebkosungen überschüttete und ihrer Freude über das endliche Wiedevfinden Ausdruck gab, war ihr zu Mute, als fände das alles keinen Widerhall ii« ihrem Herzen. Sie zioang sich in eine freudige Stimmung hinein, und fühle doch, datz sie zum erstenmal in ih rem Leben vor sich selbst und anderen Komödie spielte. Noch mehr hatte sie diese Empfindung ih rem Verlobten gegenüber. Als er einmal leicht der« Arn« auf der Stuhllehne um sie legte, glaubte sie vor Schrecken zu erstarren. „Was hab' ich getan — mein Gott — was hab ich in sinnlosem Trotz getan", dachte sie zum Verzweifeln schmerzerfüllt. Herbert sah ihr an, datz sie über seine Vertraulichkeit (entsetzt war. Schnell zog er seine«« An«« zurück und plauderte unbefangen. Während sie sich bemühte, daraus einzuge hen, irrten ihre Gedanken immer wieder ab. „Nun kam« Götz Gerlachhausen nicht mehr annehmen, datz ich ihi« geliebt habe, selbst wenn ich mich irgendwie verraten hätte. Jetzt, da ich mich mit einem andern verlobte, wird er glau ben, datz er «nir gleichgültig war", meinte sie bei sich und wollte sich einreden, daß sie bei die se«« Gedanken Befriedigung empfinde. Es war vergebliches Bemühen. Qualvoll verging ihr der Morgen. Sie sehnte sich nach der Einsamkeit ihres Zimmers und mutzte doch die Gesellschaft der beiden Men schen ertragen, die ihr nun die Liebsten aus der Welt sei«« sollten. Das Wetter war trübe und unfreundlich; die Stimmung grau und drohte sich in einen Landregen aufzulösen. Die drei saßen sich im Salon neben den« Speifesaal gegenüber und bemühten sich zu plau dern. Da sie in der Tiefe des Zimmers am Kamin Platz genommei« hatten, sah sie nicht, datz Götz Gerlachhausei« in den Schlotzhof ritt. Als der Diener «neldete, datz Herr von Gerlach hausen Komtesse Ravenau zu sprechen wünsche, fuhr Jutta in jähen« Schreck empor und er- blatzte. Sie wollte den Besuch abweisen lassen, aber ihre Mutter hatte bereits gesagt: „Wir lassen bitten." Zn Jutta gewandt, fuhr sie fort: „Du kannst ihn nicht ablehnen, Jutta. Was sollte die Dienerschaft denken! Außerdem ist es wohl das Richtigste, Du stellst Herbert als Deinen Verlobten vor. Dann weiß er, daß für ihn nichts mehr zu hoffen ist." Jutta wurde glühend rot. Sie dachte daran, daß sie Götz bereits ihre Verlobung gemeldet, ehe sie vollzöge«« war. „Ich traf Herrn von Gerlachhausen gestern im Walde. Er weiß, daß — daß Herbert «nein Bräutigam ist — auch daß Du hier bist, Mut ter." Blitzschnell flog ein warnender Blick aus Herberts Augen zu Frau von Sterneck hinüber. Sie richtete sich kampfbereit auf. Sie wußte nun, was Götz hier wollte. Ein Strauß mit ihm stand ihr bevor, aber sie glaubte des Sie ges sicher zu sein. (Fortsetzung solgt.)