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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.03.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960312022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896031202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896031202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-03
- Tag 1896-03-12
-
Monat
1896-03
-
Jahr
1896
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Größere Schriften laut uujerem Preis- vrrzrichnih. Tabellarischer und Ziffrrn'atz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbrförderung .al SO—, mit Postbeförderung .,1! 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Mvrgrn-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Jei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Aitjeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Donnerstag den 12. März 1896. 9V. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 12. März. Der Reichstag hat gestern nach fünftägiger Berathung die zweite Lesung der (LewcrbeordnungSnovellc beendet. Die angenommenen Abänderungen werden wohl nicht durchweg die dritte Lesung ungefährdet passtren, da sie zum Theil höchst unglücklich gefaßt und kaum zum Greifen sind. So die unterschiedliche Behandlung der Consum- und „anderen Vereine" hinsichtlich des Ausschanks von geistigen Getränken. Die „Schnapscasinos" sind bekanntlich den Bundesregierungen überlassen, während die Consumvereine (im Sinne des Ge- iiosfensckaflsgesetzes) den Bestimmungen der Gewerbeordnung über den Ausschank von geistigen Getränken und den kleinen Handel mit Branntwein auf Grund des Reichslagsbeschlusses im ganzen Reiche unterliegen. Kaum „etwas anzufangen" ist auch mit der Bestimmung, daß der Handel mit Drogen und chemischen Präparaten wegen Unzuverlässigkeit der Gewerbetreibenden dann zu versagen ist, wenn ihre „Hand habung Leben und Gesundheit der Menschen gefährdet". Wie will man das festslellen, bevor Unglück angericktet worden ist? Sehr zu billigen hingegen ist die Ein beziehung des Handels mit Loosen in der Reibe der Gewerbe, die wegen dargelhaner Unzuverlässigkeit untersagt werden tönnen. Die Bestiininung, daß der Kleinhandel mit Bier nur einem Gewerbetreibenden verboten werden kann, der wieder holt wegen unbefugten Ausschanks bestraft ist, darf gleichfalls als Berbesserung angesehen werden. Ebenso die Ablehnung des Berbots des Hausirbandels mit landwirthschastlichen Erzeugnissen und Gegenständen des Marktverkehrs im Gememdebezirk des Wohn- oder Niederlassungssitzes des Händlers. Ter vielberufene Art. 8 ist seines bedenklichsten Inhalts dadurch entkleidet, daß das Detailreisen in Gegenständen des Buchhandels, sowie der Wäsche- und Leinenbranche gesetzlich gesichert und der Bundesrath Aus nahmen von dem im Uebrigen allgemeinen Verbote dieser Verkehrsform in weiterem Nahmen, als die Regierungs vorlage zuließ, gestatten kann. DaS Colportiren von Lieferung-Werken ist zwar nicht ohne weitere Behelligungen geblieben, immerhin ist eS ein Vortheil, daß nur der Ge- sammtpreis und nicht auch die Zahl der Lieferungen eines Werkes im Vorhinein festgesetzt werden muß. Die Befriedigung, mit der man bisher den Beschlüssen der Bud get com m lssion zum Marine Etat folgen konnte, wird jetzt durch das Bedauern darüber getrübt, daß vor gestern dem Sparsamkeitstriebe das Trockendock zum Opfer gefallen ist, um dessen Bewilligung die Marineverwallung seit einigen Jahren sich bemüht. Im Etat für 1891/92 wurde seinerzeit eine erste Nate zu Vor- und Pro- jectirungsarbeiten für die Herstellung von Dockanlagen be willigt; für 1892/93 und ebenso für 1893/94 forderte die Regierung erste Bauraten für zwei große Trockendocks, jedoch ohne Erfolg. Im Iabre 1894 entschloß sie sich dann, ihre Forderung auf ein Dock zu ermäßigen, — jetzt fällt sie zum dritten Male auch mit dieser verminderten Forderung durch. Aus diesem beinahe tragikomischen Verlause könnte man da und dort vielleicht die Lehre ziehen, die Regierung hätte, nachdem zwei Docks abgelehnt waren, ihre Forderung nicht auf eins er mäßigen, sondern auf drei erböbrn sollen, wenn sie mindestens ein Dock haben wollte; die Sache ist aber eigentlich zu ernst haft dazu. Es liegt ja auf der Hand, daß der Mangel eines erreichbaren und in seinen Größcnverbältnissen zulänglichen Docks im Kriegsfälle die leichte Beschädigung eines großen Panzers für den entscheidenden Augenblick gleichbedeutend machen kann mit seiner vollständigen Vernichtung und daß somit die Fürsorge für ausreichende Dockanla^en ebenso wichtig ist, wie diejenige für die Erhaltung, Ergänzung und Ver stärkung der Flotte, sowie daß die für diesen Zweck verwen deten Summen in Zeiten der Gefahr sich hundertfach ver zinsen werden. Wenn es nun richtig ist, daß die zur Zeit vor handenen Dockanlagen unzulänglich sind und daß das von der Stadt Bremen mit einem Beitrag des Reichs nördlich von Bremerhaven zu errichtende Trockendock das vorhandene Be- dürfniß keineswegs befriedigen wird, so ergiebt sich daraus für den Reichstag die unabweisbare moralische Verpflichtung, die Forderung der Regierung nicht von Jahr zu Jahr binaus zuschieben, ganz abgesehen davon, daß durch derartige Ver zögerungen eines schließlich doch nothwendigen Baues Grund- stiicksspeculationen hervorgerufen werden, die sich schließlich recht unangenehm fühlbar machen dürsten. Da aber am Dienstag in der Commission nur der Abg. Prof. vr. Hasse für die Forderung stimmte, so ist leider so gut wie gar keine Aussicht vorhanden, daß das Plenum demnächst sich will fähriger zeigen werde. Die SocialVemokratie liebt es, ihr Wesen in den Augen der Anhänger in das gerade Gegentheil zu verkehren, indem sie bei jeder mehr oder weniger schicklichen Gelegenheit mit der Behauptung auftritt, der Kampf gegen die Social demokratie „wirke überall culturschädigen d." In seiner gestrigen Nummer versucht der „Vorwärts" wieder dergestalt seine Partei mit der Cultur zu identificiren in einer Besprechung über die Aenderung der rechtlichen Stellung der Privatdocenten an den preußischen Universitäten. Das Blatt stellt eS so dar, als ob eine solche Aenderung lediglich wegen der Existenz eines socialdemokratischen Docenten an der Berliner Universität erwogen werde, und sührt dann des Weiteren aus, daß mit der Maß regel ein Schlag gegen die freie Forschung geführt würde. Wir lassen das Eine wie das Andere dahingestellt, räumen aber unbedenklich ein, daß der aufgedrungene Kampf gegin die Partei des gewaltsamen Umsturzes die Culturentwickrlr'.ng unter Umständen zu beeinträchtigen vermag. Aber das flicht desdalb, weil die Socialdemokratie ein Culturfactor wäre oder sein könnte, sondern weil umgekehrt die Cullur durch die ihr feindliche socialrevolutionaire Idee und Agi tation in eine ihr Vorwärtsschreiten aufbaltende Defensiv stellung gedrängt werden kann. Wer den Pflug gegen Räuber vertheidigen muß, bestellt weniger Feld als der sichere Pflüger, aber nicht er, sondern der Räuber verschuldet die Bracke. Und wenn beim Löschen des Tempelbrandcs Kunstwerke zer stört werden, so fällt die Culturschädigung dem Herostrat und nicht der Feuerwehr zur Last. Unter den Deutschen in der Tüvafrikanischen Republik, namentlich in den Goldfeldern und in Johannesburg selbst ist, wie uns von dort geschrieben wird, der Ge danke laut geworden, daß etwas mehr — auch von Reichswegen geschehen müsse, um das deutsche Element zu sammenzuhalten und dafür zu wirken, daß es nicht, wie leider in einzelnen Fällen in der letzten Krise, auf falsche Wege geräth — auf die Seite der Revolution. Johannesburg bedarf ein deutsches Consulat. Wenn auch der Consul in Pretoria noch geneigt, um die äußeren Geschäfte wahrzunehmen, so erheischt doch die von Jahr zu Jahr steigende Bedeutung von Johannesburg auch für die deutschen Interessen nicht nur in materieller, sondern vielmehr auch in ideeller Beziehung eine entsprechende Vertretung. Hat man z. B. in einer Anzahl südamerikanischer Städte, die nicht entfernt mit Johannesburg an Be deutung sich niesten können, diplomatische oder kauf männische Agenten, so erfordert diese Goldstadt schon wegen ihrer Wichtigkeit für die Zukunft besondere Vertretung. Wir meinen auch, daß durch die Schaffung eines Centralpunctes für die Deutschen das Nationalbewußt sein gehoben und gestärkt wird. Der gegenwärtige Consul v. Herff in Pretoria hat z. B. bei verschiedenen Gelegen heiten bereits bewiesen, daß er eS verstanden hat, das deutsche Element in der Landeshauptstadt zu einem geachteten gesell schaftlichen und soweit denkbar maßgebenden wirthschaftlichen Factor zu machen und dabei die besten Beziehungen zur Regierung zu unterhalten. Er bat die vorjährige Kaijer- geburlstagSfeier bereits geleitet, an welcher Präsident Krüger selbst persönlich theilnahm und ein Hoch auf den Kaiser auS- brachte, er hat die Sympathien zwischen Deutschland und der südafrikanischen Republik bei Gelegenheit der Eröffnung der Eisenbahn nach der Delagoabai durch den Besuch deutscher Osficiere in Pretoria und Johannesburg herzlicher gestaltet, er Hal in der letzten schweren Zeit in Pretoria an der Spitze der Deutschen dahin gewirkt, daß alle wie Ein Mann auf Seite der Regierung standen. Darum sind wir auch überzeugt, daß ein deutscher Consul in Jobannesburg ebenfalls große Auf gaben und Pflichten zu erfüllen hätte. Es erscheint über haupt wunderbar, daß trotz der großen Anzahl der Deutschen in und um Jobannesburg noch keine maßgebende und all gemeine Bereinigung der Deutschen existirt. Einestheils mag hieran die Sucht der Einzelnen schuld sein, möglichst schnell reich zu werden, wobei für geselligen Verkehr nicht viel Zeil übrig bleibt und es mag wohl auch mancher in englischen Diensten stehende Deutsche, um seine Stellung nicht zu ver lieren, sein Deulschthum verleugnen, andernlheils aber wird die große Zerstreuung der Deutschen in der 80000 Einwohner zählen den Stadt und die außerordentliche Verschiedenheit der Stände Mitwirken. Ein deutscher Krankenverein scheint mehr auf dem Papier als in Wirklichkeit zu bestehen und die deutsch- cvang flsche Mission scheint leider auch wenig zum Zusammen schluß des Deulschthum« gcthan zu haben. Hoffen wir, daß Deutschland in richtiger Erkenntniß der Sachlage auch in Johannesburg, wo England neben officiellen Agenten Tau fende von freiwilligen — Agents provocstvul-s — hat, seine Interessen zu wahren sucht, und zwar durch Ernennung eines deutschen Consuls. Die Balten müssen die Hoffnungen auf ein milderes Regiment, die nach dem Tode des Gouverneurs Sinowjew gehegt wurden, bedeutend herabschrauben. Die Ernennung des Generalmajors Wladimir Dmitrijewitsch Schurowzew zum Gouverneur von Livland läßt vermuthen, daß man in Petersburg an eine Aenderung der bisherigen Politik gegen die Bevölkerung der deutschen Provinzen nicht denkt. Schurowzew ist erst 40 Jahre alt, er diente bis jetzt unter dem Generaladjutanten Scheremetjew in Tiflis, und es geht ihm der Ruf voraus, daß er den größten Antheil an der Ver folgung der Duchoborzen hatte, einer Secte, die sich durch ihr streng sittliches Leben und ihren Fleiß vortbeilhaft vor so manchen anderen der zahllosen russischen Seelen aus zeichnet. Schurowzew soll religiös auf streng orthodoxem, politisch aus unbedingt national-russischem Standpunkt stehen. Beides würde nicht bindern, ein gerechter Gouverneur zu sein, wenn in den Ostseeprovinzen nicht die Verrussungs bestrebungen zu weit vorgeschritten wären. Sie dürften jetzt neue Nahrung erhalten, und bei der am 5. März erfolgten Eröffnung deS livländischen Landtags herrscht, der „Boss. Ztg." zufolge, eine sehr ernste und gedrückte Stimmung, obwohl man von der bevorstehenden ErnennungSchurowzew'ö nur vertrauliche Kenntniß haben konnte. Ersichtlich hat der im Schwinden begriffene Einfluß des Oberprocureurs des Heiligen Synods, Pobedonoszew's, den Westprovinzen den erwarteten Vortheil nicht gebracht. Es wird ruhig weiter russificirt, und selbst in Finnland sind ganz unleugbare Erfolge zu verzeichnen. Die panslawistischen Blätter Hetzen zudem unermüdlich weiter, während anzuerkenncn ist, daß die sonstige russische Presse sich eines anständigen Tones gegen die Balten befleißigt, ihre StaatStreue nicht mehr in Zweifel zieht. In der kubanischen Angelegenheit verlautet aus Washington,9.März, daß Taylo r,der Gesandte der Vereinigten Staaten in Madrid, an CanovaS daS Ansinnen gestellt habe, Spanien möge, um eine Intervention Amerikas in Cuba abzu wenden, jetzt, wo eS noch Zeit sei, so bald als mög lich der Insel politische Autonomie unter spanischer Oberhoheit gewähren, wie solche Australien und Canada unter englischer Herrschaft haben. Canovas habe diese Zumutbung schroff zurückgewiesen und sich jede fremde Einmischung zu Gunsten der Aufständischen verbeten. Von Autonomie könne nie die Rede sein, böchstensvon der Einführung der im vorigen Frühjahr durch die Corte- beschlossenen Reformen. Dies aber erst nach der Niederwerfung der jetzigen Jnsurrcc tion. Nach Vage der Dinge konnte die Antwort Spaniens nicht ander- lauten, das hätte man sich in Washington vorher sagen können und nicht auf den Rath Englands, welches sich als „Vermittler" angeboten hatte, hören sollen. In Spanien läßt man sich überhaupt durch das Säbelgerassel des Repräsentantenhauses und des Senats der Union nicht imponiren, weil dort so gut wie anderwärts die Ueberzeugung an Boden gewonnen bat, daß mit den kriegerischen Dekla mationen gegen Spanien wieder einmal Spekulationen der Hauptschre>er an der New-Aorker Börse verbunden sind. Da weiß man auch in den Vereinigten Staaten selbst und nimmt die bramarbasirenden „Volksvertreter" nicht ernst, denen selbst nicht- ungelegener bätte kommen können, als ein gleichlautender Beschluß beider Körperschaften, zu dem der Präsident ver fassungsgemäß innerbalb zehn Tagen bätte Stellung nehmen müssen. Die Sache ist auf dem besten Wege, zu versanden. Wir erhalten als Beweis dafür folgende Meldung: * Washington, 11. März. (Senat.) Die Berathung über den von dem gemischten Ausschüsse angenommenen Beschlußantrag, betreffend die Anerkennung der kubanischen Aufständischen als kriegführender Macht, ist ans unbestimmte Zeit vertagt worden. In der Debatte gab der Senator Hale der Befürchtung Ausdruck, Amerika sei für einen Krieg nicht vorbereitet, es wünsche einen solchen auch nicht und Hoar, Republikaner von MafsachussetS sagte, Spanien habe kein Recht, die Kammerbeschlüsse als bindend für das amerika nische Volk zu betrachten, denn der Senat habe keine ibn qualificirende Autorität, die in der Sache ausschlaggebend sei. Mittlerweile setzt, wie uns der Drabt aus Madrid meldet, die dortige Regierung, um für alle Fälle gesichert zu sein, ihre militairischen Maßnahmen fort. Auf Cuba selbst fanden wieder mehrere Gefechte statt, bei welchen die Aufständischen zahlreiche Tobte, die Spanier nur geringe Verluste gehabt haben sollen. Feuilleton. Leine „dumme" kleine Frau. L2s Roman von F. Klinck-Lütet-burg. Nachdruck verboten. Dreizehntes Capitel. Weihnachten war Wilhelm Herrengrund mit seiner jungen Frau zu deren Eltern gereist. Letztere batten eS dringend ge wünscht, und so war es nicht gut möglich gewesen, der Ein ladung auSzuweicbeu. Gern waren Beide nicht gegangen. Frau Gertrud's Aussehen gab zu ernsten Besorgnissen Ver anlassung und Wilhelm Herrengrund konnte sich einer gewissen Unruhe nicht erwehren, wenn er in daS bleiche, schmale Gesicht derselben mit den tiefliegenden Augen und eingesunkenen Schläfen sah. Unruhe war es aber nicht allein, von welcher er sich beherrscht fühlte, mehr noch wirkte der Aerger über diese thörichte Frau, die ihn in seinem Thun und Lasten förmlich verwirrte, so sehr er sich auch gegen diesen störenden Einfluß zu verwahren suchte, auf ihn ein und versetzte ihn in eine geradezu unerträgliche, reizbare Stimmung. Daß auf diese Weise das eheliche Verhältniß sich nicht gebessert, war selbst redend, und schon aus diesem Grunde widerstrebte Herren grund ein Aufenthalt bei den Schwiegereltern. Er durfte nicht darauf rechnen, daß die Gattin, welche nicht das geringste Berständniß für die Notbwendigkeit des Verbergens gewisser Vorgänge anerkennen wollte, beitragen würde, die Eltern über Dinge zu täuschen, die diese eigentlich nicht« angingen, und so konnte eine unnütze Fragerei nicht ausbleiben. Es lief aber glatter ab, al- er sich gedacht. Der Aufenthalt im Elternbause wirkte wohlthätig auf Frau Gertrud. Ihr Zustand gab eine Erklärung für ihr leidendes Aussehen Dazu kam der Wunsch, die Besorgnisse einer zärtlich liebenden Mutter zu zer streuen, die Eltern sollten nicht abnen, daß sie mit ihrem LebenSglück schon jetzt kläglich Schiffbruch gelitten. Denn seltener und immer seltener kamen die Augenblicke, in welchen die Hoffnung in ihr ausflackerte, daß ihr Einfluß auf den Gatten stark genug sich erweisen würde, den Irregeleiteten auf die Babn der Erkenntniß zu bringen Sie erntete nur Zorn und Haß für ein redliches Bestreben. Und doch mußte eS ander» werden. Sie fühlte sich von einer sinnlosen Angst ergriffen, wenn sie der Stunde gedachte, in welcher sie einem Kinde das Leben geben würde. Sollte sie es mit dem Bewußtsein empfangen müssen, daß der Fluch der Sünde an ihm eines Tages offenbar werden würde? O, nur daS nicht — nur dies eine nicht! Und doch — die unselige Stunde würde für sie kommen. Einmal batte sie dem Gatten eine diesbezügliche Andeutung gemacht, aber ein spöttisches Auflachen war, wie so oft, seine einzige Antwort gewesen. Seitdem trug sie die Qual allein, welche mehr und mehr den Entschluß in ihr zur Reife gedeihen ließ, mit der großen Liebe, deren sie fähig war, das Kind vor Schaden an Leib und Seele zu bewahren und eS jedem unheilvollen Einfluß von Seiten des Vaters zu entziehen. Der Winter hatte seit Mitte deS Monats mit aller Streng- eingesetzt. Der Schnee lag zur Weihnachtszeit un gewöhnlich hoch und fämmtliche Züge trafen mit bedeutender Verspätung ein und hatten sogar an verschiedenen Stellen, die den Schneeverwehungen am meisten ausgesetzt waren, mit Hilfe von Pioniren ausgegraben werden müssen. Unter diesen Umständen drangen Herr und Frau Bodenstein darauf, daß die Tochter einen günstigeren Zeitpunkt für ihre Rückkehr nach G. abwarten möge. Herrengrund schien sehr damit einverstanden und auch Frau Gertrud zeigte sich anfang bereit, dem Wunsch der Eltern nachzugeben. Der Gedanke, einmal wieder, und wenn auch nur auf ein paar Tage, den stillen Frieden des Elternhauses zu genießen, hatte etwa» Verlockendes für sie. So willigte sie ein. Sie wollte aber dem Gatten den Koffer packen helfen und hatte zu diesem Zweck von der Mutter eine Anzahl Zeitungen in Empfang genommen, sie zum Einwickrln zu benutzen. Herrengrund war gleichfalls in dem Zimmer an wesend. Er stand am Fenster und blickte in die nieder schwebenden Flocken hinaus, die emsig bemüht waren, die Weiße Hülle zu verstärken, während Frau Bodenstein ab und Zu ging, der Tochter ihren Beistand anzubieten, der aber immer wieder lächelnd abgewehrt wurde. Zwischen den Gatten war während einer Viertelstunde kein Wort gewechselt. Herrengrund stand in tiefem, nicht angenehmem Sinnen verloren. Auch in, letzten Iabre war er um diese Zeit hier gewesen. Welch ein Abstand! Wir war ein solcher Wechsel möglich und was hatte ihn bewirkt? Nicht rin einziger Gedanke streifte eigenes Verschulden. Sein ganzer Aerger wandte sich gegen die kleine Frau, die von den besten Entschlüssen beseelt m die Ebe getreten war und Alle« gethaU hatte, was in ihren Kräften stand, sie zu einer beglückenden zu gestalten. Freilich in ihrer Weise. Wilhelm Herrengrund aber batte nur die Ueberzeugung, daß sie ibn getäuscht. In der Brautzeit war sie anders gewesen, immer bemüht, ihm eine Freude zu bereiten, ihm zu gefallen. Nachdem sie seine Frau geworden war, hielt sie weder das eine noch andere mehr nöthig. Darin lag das Ganze. Nein, cs gab noch etwas Anderes. Seine Hand krampfte sich grimmig zusammen indem er daran dachte. Dann that er einen tiefen Athemzug und in seinen Augen glühte es dämonisch. Ein leises, unterdrücktes Aechzen entrang sich in diesem Augenblicke von den Lippen Frau Gertrud's. Sick nach ihr uniweudcnd, sah Herrengrund sie vor dem Koffer knieen, den Kopf vornübergeneigt, in der rechten Hand hielt sie zusammen geknittert noch ein Stück Zeitungsblatt, in welche« sie eine Büchse batte wickeln wollen. „WaS hast Du, Gertrud?" Sie gab keine Antwort, gleich darauf war er an ihrer Seite. Auch Frau Bodenstein kam. Sie fand ihre Tochter ohnmächtig, und es bedurfte längerer Anstrengungen, sie wieder zum Bewußtsein zu bringen. Ihr Zustand mußte krampfartig sein. Sie hatte die Hände geballt und es war unmöglich, der einen das Papier zu entreißen, welches ihre Finger fest umschlossen. Weder Herrengrnnd, noch ihre Mutter dachten aber auch daran, in demselben die mögliche Ursache des Anfalles zu erblicken. Frau Gertrud war schon als junge« Mädchen OhnmachiS- Anwandlungen ausgesetzt gewesen, und ihr gegenwärtiger Zustand machte diese erklärlich. Sie hätte sich um da« Packen nicht kümmern sollen. „Mutter — ich will auf mein Zimmer gehen", flüsterte sie leise, und noch immer war keine Spur von Farbe in da« todtblrichr Gesicht zurückgekehr». „Ich fühle mich sehr unwohl." Für den Gatten hatte sie keinen Blick. Ja, al« er sie umfassen wollte, sie zu stützen, wich sic schaudernd vor ihm zurück. Dann aber griff sie selbst nach seiner Hand, und mit dieser Bewegung schien da- Blut erst wieder in Eircu- lation zu kommen, eine leise Rötbe stieg in ihre Wangen. Sie ließ sich von ihm auf ihr Zimmer führen, wohin ihr die Mutter folgte, sie zu Bett zu bringen. Hier ange- lan^t, behauptete sie aber, daß ihr besser sei und sie nur einige Augenblicke auf dem Sopha anSruhen wolle. Man möge sie nur allein lassen. Herrengrund entsprach sofort diesem Wunsche, dann auch Frau Bodenstein, die der Tochter etwas Stärkendes bereiten wolle. Gertrud athmete auf, als sie sich allein sah. Ihre Hand langte in die Tasche und zog ein Stück Papier hervor, dasselbe, welches sie vorhin zerknittert in ihrer Hand gehalten. Ein Blick daraus überzeugte sie, daß eS dasselbe war. Dann schob sie es zitternd in die Tasche zurück. Als die Mutter kam, hatte die junge Frau sich in der That schon erholt. Sie war vom Sopha aufgestanden und nahm das erquickende Getränk entgegen. „Mir ist wieder ganz besser, Mutter, ich will zu schlafen versuchen. Stört mich, bitte, nicht. Zum Mittagessen komme ich herunter." Nun war sie sicher, daß man sie eine Stunde allein lassen würde und sic konnte in Ruhe prüfen. Doch wohl nur ein Zufall hatte sie auf eine furchtbare Weise erschreckt und ihr plötzlich eine Dermutbung aufgedrängt, die zweifellos jeder Begründung entbehrte. Dieser Zeitungsartikel, der sie so sehr erschreckt, enthielt gewiß nichts Neues, und die Worte, die ihr plötzlich so jäh ausgefallen waren — Fran Gertrud laS ibn noch einmal: „Ein sehr beklagenSwerther Vorgang macht schon seil längerer Zeit in unserer Stadt viel von sich reden. Der Inspektor von Greisiugcn, Cassirer und Schriftführer des Vereins „Nllemannia" soll sich schon seit einer Reihe von Jabren erheblicher Unterschlagungen von Vereinsgeldern schuldig gemacht haben. ES haben neuerdings auch Polizei liche Vernehmungen deS Inspektors von Greifingen stakt gesunden, daS Material ist der Staatsanwaltschaft über wiesen, die zu entscheiden haben wird, ob man es hier, wie wahrscheinlich, mit einem Betrüger eu xros zu thun hat. Von Greifingen lebt schon seit Jahren in derangirten Vermögen-Verhältnissen und war bereits einmal, wegen Be truges, in Untersuchung. Er bat sich den Vorgang, leider, nicht zur Warnung dienen lassen. Daß er trotzdem ver standen, in seiner Vertrauen-stellung, al« Cassirer, sich zu erhalten, mag wohl zum Beweise dienen, wie vorzüglich es ibm gelungen ist, über seine Person zu täuschen. 9m Interesse einer Klarstellung höchst bettUbenderVorgänge ist eS von Wichtig keit, daß dir Verein-niitgliedcr ihre Wahrnehmungen in Be zug auf den ungetreuen Cassirer direkt an dir königliche Staatsanwaltschaft zu L. oder an die Polireiverwaltung zu O. gelangen lassen. Jntbrsondere dürsten Nachrichten will kommen sein, die Aufschluß darüber geben, wann zuletzt Bei träge an den p. Greifingen gesandt worden sind." Und wieder stöhnte dir jungt Frau, von Grelrnquäl ge-
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