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Kabemuer Anzeiger und Zeitung für Seifersdorf» und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Eckersdorf, Coßmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz ete. Kummer 58^ Sonnabend, den 22. Mai 1897^ 10. Jahrgang. Oeffentliche, unentgeltliche Impfungen. Die diesjährigen, öffentlichen unentgeltlichen Jmpf- welche mit nur von absolut gesuuden Steren entnoulttlener Lymphe vorgenommen wer- k?- «uiden den 35. Mai u. ANttwoch, den 26. Mai d.J. ^athhause 1 Treppe (Gesellschaftszimmer) statt. . Es werden die Eltern und Vormünder hierdurch auf- ordert, ihre inipspflichtigen Kinder bezw. Pfleglinge an "Tinten Tagen zur Impfung zu bringen und zwar ^) die in den Jahren 1895, 1894, 1893 und früher Irenen Kinder, welche ohne Erfolg geimpft sind , » deren Impfung unterblieben ist, i, am Dienstag, den 25. Mai er. . alphabetischer Reihenfolge der Familiennamen A—G I 3 Uhr, H-M um r/,4 Uhr, N-S um 4 Uhr, T—Z V, 5 Uhr die im Jahre 1896 geborenen Kinder . am Mittwoch, den 2V. Mai er. L^Wllr in alphabetischer Reihenfolge der Familiennamen um 3 Uhr, H—M um ^4 Uhr, N—S um "hr, T—Z mn 1^5 uhr NachinittagS. Die Revision wird am 1. und 2. Juni zu der- Zeit in obiger Reihenfolge vorgenommen. Jmpfpflichtig ist, abgesehen von den nachzuimpfenden ni^"' ^des im Jahre 1896 geborene Kind, sofern es Nach ärztlichem Zeugnisse die natürlichen Blattern Landen hat oder init Erfolg schon geimpft ist. d, Der Nachweis einer anderweit erfolgten Impfung ist Vorlegung des Impfscheines zu erbringen. .Jur etwa kranke Kinder ist die vorläufige Befreiung >Ü^er Impfung durch vorzulegende ärztliche Zeugnisse, auf Verlangen auch der städtische Jmpfarzt für die ^^^pftermine vorgestellten kranken Kinder ectheilen wird, Eltern, Pflegeeltern und Vormünder impfpflichtiger ! Kinder werden zu pünktlicher Beachtung dieser Vorschriften s hierdurch ermahnt unter Hinweis darauf, daß für Unter lassungen Geldstrafen bis zu 50 Mark oder Haftstrafen j bis zu 3 Tagen angedroht sind. Die zur Impfung zu bringenden Kinder sind vorher ! zu Hause besonders an den Oberarmen gehörig zu waschen und mit reinen Hemdchen, Kleidern und Bettstücken zu I versehen. Aus Familien und Häuser», in denen ansteckende j Krankheiten herrschen, darf ein impfpflichtiges Kind in keinem Falle in das Jmpflokal gebracht werden. Rabenau, am 21. Mai 1897. Der Bürgermeister. Vitßig. Aus unserer Gegend. — Die hiesige Pfarrei wird von Sonntag ab bis zur Neubesetzung von Herrn Pfarrvikar Fischer ver waltet werden. Wie aus den kirchlichen Nachrichten er sichtlich, wird genannter Herr am Sonntag seine Antritts predigt halten. — Der Flieder blüht! Der Flieder verleiht dem würzigen, frischen Frühling das besonders Charakte ristische. Zu der Fülle der Blüthen, zur Schönheit gesellt er den lieblichen Duft, und zwar einen der schönsten Ge rüche, die es überhaupt giebt. Kann man auch den Geruch der Rose feiner und zarter nennen, so ist der Fliedergeruch dafür voller und intensiver. Wenn der Flieder blüht, duften die ganzen Gärten, die Wege und die Zimmer. Sein Geruch ist der allgemeinste, er parfümirt ganze Gegenden. Ein einziges Träubchen erfüllt eine Stube ganz mit Wohlgeruch. Seine Blüthezeit bringt den Frühling auf die Höhe. Er ist AllerweltS-Blüthe, dafür aber auch Allerwelts-Freund. — Eine widerliche, die Passanten empörende Scene erlebte man in Wilmsdorf am Montag Vormittag. Der Scholar vom hiesigen Rittergut schlug einen Knecht mit der Schnalle des Leibriemen derart, daß er an beiden Seiten des Kopfes stark blutete. Es wäre vielleicht noch viel schlimmer geworden, hätte der Knecht nicht nach Hilfe gerufen, sodaß die Nachbarn heraneilten, um ihm beizustehen. — Dem der Possendorfer Feuerwehr angehörigen Bergmann Ernst Heinrich Mildner aus Possendorf ist für seine schnelle und erfolgreiche Löschthätigkeit bei dem am 30. März d. I. im Hause des Fleischermeisters Raspe ent standenen Kammerbrande, durch welche ein umfänglicher Brand verhindert worden ist, von der König!. Brandver sicherungskammer eine Belohnung von 25 Mark bewilligt worden. Um in die im Obergeschoß gelegene, mit Qualm erfüllte und verschlossen gewesene Kammer zu gelangen, hatte der Genannte den Zugang mittelst angelegter Leiter durch dar Fenster nehmen müssen und sind von demselben die bereits betäubt gewesenen Kinder des Miethsmannes Rothe aus der fraglichen Kammer gerettet, wie auch der in letzterer entstandene Brand von ihm noch rechtzeitig gedämpft worden ist. — Von seinem eigenen Geschirr überfahren wurde Herr Sperling aus Gittersee. Er ist mit leichteren Beschädigungen glücklich davon gekommen. Das Unglück, dar bei weitem schlimmer ablaufen konnte, und bei welchem eins der Pferde zum Stürzen kam, soll nur eine Folge von unvorsichtigem Fahren ohne die sich nöthig machende Benutzung der Schleife sein. — Am Dienstag früh in der 7. Stunde wurde im Beckerschachte dem Bergarbeiter Schumann von Hänichen durch hereinbrechende Kohlensteine das linke Bein aus der linken Hüftgelenkspfanne ausgerenkt. Schumann ist ver- heirathet und hat 6 lebende Kinder im Alter von ^2 bis 10 Jahren. Es ist dies derselbe Schumann, dessen Frau vor 5 Jahren von Drillingen entbunden wurde. — Wo fährt man am billigsten? Antwort: Mit der elektrischen Straßenbahn in Ulm, denn da kostets gar nichts! Die Regierung hat laut „Augsb. Postztg." die Tarifsätze u. s. w. bis jetzt noch nicht genehmigt und weil sich die Stadtväter Ulms nicht mehr necken lassen wollten und damit sich die „Leutle" besser dran g'wöhnen, läßt man Groß und Klein seit 14 Tagen unentgeltlich spazieren fahren. (Nachdruck verbalen.) Der Weg zum Throne. Novelle von Carl Felix v. Schlichtegroll. ,r Er lächelte und beugte sich zu dem Knaben nieder, ß? ihn jetzt auch erkannt hatte und dem Vater die Aerm- entgegenstreckte. „Wo ist der kleine Alfred?" fragte er dann. »Er schläft schon. Willst Du ihn sehen?" »Ja, Marie." j Sie nahm ein Licht und geleitete ihn in das Gemach, ? dem das Kind schlief, rosig und lächelnd. Dann gingen , zurück in das erste Zimmer. Auf dem Tische standen Men Speisen, Obst und Backwerk. Sie schenkte ihm Thee und legte ihm die Speisen vor. »So, Heinrich, nun erzähle mir, wie es Dir inzwischen Langen ist." Er stocherte in den Speisen herum, ohne zu essen, ,"d die Rede floß ihm nur schwer von den Lippen. Sie werkte es und war verwundert; so war er noch nie, ?.d jetzt, da sie ihn länger betrachtete, erkannte sie, daß blaue Ringe unter seinen Augen lagen, und daß die Langen bleich waren. Erschrocken fragte sie ihn, was er "ube, . „Uns drohen schwere Tage, Marie," versetzte er und darauf zu erzählen von den Forderungen seines s^ers, eine Ehe einzugehen, von Allem, was ihn in den ätzten Wochen beinahe erdrückt hatte. „Es hilft nichts, mein Kind," schloß er, „Du mußt mir kommen, die Kleinen auch; wir »vollen vereint Großherzog um Verzeihung anflehen. Ich kann unser Nheimmß nicht länger bewahren." Sie war erschüttert, ihre Thränen flossen. „Heinrich," Mbvortet sie, „das heißt dar Ende unseres Glückes." . „Nein," rief er, ihre Hände nehmend, „nein, Marie, sollst Du nicht sagen. Ich hab' Dich so lieb, Alles ich aufgeben, wenn es sein muß, denn Du bist mir ^chr als Krone und Herrschaft." „So sprichst Du heute," flüsterte sie. „Aber, Hein ich, wenn je die Stunde käme, in der es Dich gereute, Du gethan hast — ach, da» würde mein Leben ver achten, das könnte ich nicht überdauern." Er nahm ihren Kopf in seine Hände und blickte ihr kef in die Augen. „Marie, glaubst Du an mich?" Sie nickte und warf sich an seine Brust. „Also Muth, mein liebes Weib! Freilich, es wird harte Kämpfe kosten, aber wenn mein Vater Dich sieht und unsere Kleinen — er ist doch auch ein Mensch, der Herz hat — glaube mir, das wird erwachen, er wird uns verzeihen!" Sie machte keine Einwendungen mehr, aber sie fühlte, daß das Schicksal mit drohender Gewalt an ihr Dasein pochte. — Erschöpft suchte sie endlich ihr Lager auf, und die ganze Nacht quälten sie furchtbare Träume. Am nächsten Morgen ging sie mit rothgeweinten Augen im Hause umher. Sie kleidete die Kinder an und küßte dieselben unter hervorquellenden Thränen. „Meine kleinen Engel, 0, ich weiß, uns droht ein großes Unglück!" Prinz Heinrich suchte ihr Trost und Muth zuzu sprechen, aber nichts richtete sie auf. Nach dem Mittagessen hielt der Wagen vor dem Thore. Marie nahm Hut und Mantel, sah in das ernste Antlitz ihres Gatten und warf sich ihin mit einer jähen Bewegung an die Brust. „Heinrich, mein Heinrich, ich fühle es, es wird nie mehr so, wie es war. Aber habe Dank für die schönen Jahre, die Du mir geschenkt hast!" Er ist gleichfalls tief bewegt, aber er bezwingt sich. Nun ziehen die Pferde an. Marie wirft noch einen letzten schmerzlichen Blick auf ihr stilles, verschwiegenes Haus — und fort geht eS, der Bahnstation zu. Prinz Heinrich hatte sein Geheimniß gut bewahrt, und wollte auch jetzt noch nicht, daß unberufene Augen ihn so heimkehren sehen sollten. Das Häuschen in seiner Welt abgeschiedenheit kannte keiner aus der Residenz, es lag hart an der Grenze, und wenn er hinging, so waren die Vorsichtsmaßregeln so getroffen, daß Niemand seinen Spuren folgen konnte. Er gab jedesmal vor, einen Uni- versitätSfreund, der Arzt in einer kleinen Stadt war, zu besuchen, und wenn der Großherzog sich auch wunderte über die große Intimität der Beiden, und manchmal über dieselbe spottete, so war er doch weit entfernt, Verdacht zu schöpfen. Im Gegentheil, er sah cs gerne, daß sein Sohn auch mit anderen Kreisen, als denen des Hofes, Fühlung hatte. Eine Station vor der Residenz verließen die Reisen den die Bahn. Grolmann war dort und erwartete den Prinzen und dessen Gemahlin. „Hier, Marie," sagte Prinz Heinrich, den Adjutanten vorstellend, „ein Freund, aus den Du Dich unter allen Umständen und in allen Lebenslagen verlassen kannst." Er beauftragte Grolmann, Marie und die Kinder nach der Residenz zu bringen; er selber wollte erst mit dein nächste»» Zuge anlangen. Der nächste Tag sollte die Entscheidung bringen. Prinz Heinrich hatte am Abend noch eine lange Konferenz mit seinem Freunde und übergab demselben allerhand Papiere. „Was hast Du von dein Großherzoge gehört?" fragte er. „Er soll in einem Zustande sein, der die Umgebung beunruhigt." „Wieso?" Des Prinzen Herz schlug heftig. „Ist er krank?" „Nein, das nicht, aber wie mir Bitten erzähle, ist er so ernst und finster, wie ihn noch kein Mensch gesehen hat." Und in diesem Moment will ich ihm meine heimliche Ehe eingestehen, klang es in des Prinzen Seele, und mit einein Schlage war die Zuversicht verschwunden, die ihn bis dahin belebte. Aber nein, er durfte nicht zeigen, wie es in ihm aus sah, er brauchte alle Kraft, er mußte seinem Weibe Muth zusprechen. Ihre Augen blickten ihn so seltsam an, halb zweifelnd, halb voll Zuversicht. — Ain nächsten Morgen entsendete er schon früh den Adjutanten in das Schloß und ließ seinen Vater uuter- thänigst an das gegebene Versprechen erinnern, daß der selbe hellte im ergroßherzoglichen Palaste jene Aufklärungen entgegen nehmen »volle, die von ihn», dein Prinzen, ver langt wurden. Der Grobherzog sagte sein Erscheinen zu und bestimmte, daß die Prinzen Georg und Dagobert und der Minister Brock gegenwärtig sein sollten. . . . Die Zeit verging heute dem Prinzen unendlich lang sam. Endlich war es drei Uhr, die Stunde, zu welcher der Großherzog kommen wollte. Prinz Heinrich hatte die zitternde Marie in ein Nebenzimmer geführt und sie gebeten, dort zu warten. „Habe Muth, habe Vertrauen!" Er küßte sie noch einmal auf die Stirne. „Sei stark, Marie!" (Forts, folgt.)