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nicht nachweisen. Wie Weber mit der „Euryan- the" hat Schumann mit seiner deutschen Oper „Genoveva" einen Wegweiser zum Musikdra ma Richard Wagners geschaffen. Schließlich ist der Einfluß von Webers Klavierstil auf Schumann evident. Ohne die „Aufforderung zum Tanz" sind beispielsweise die „Papillons" nicht zu denken. Auch auf die Verwandtschaft von Schumanns Oratorium „Das Paradies und die Peri" mit Webers „Oberon" ist hingewie sen worden. Daß Schumann in seiner Dresdner Zeit zur Witwe Webers freundschaftliche Be ziehungen knüpfte, rundet das Bild. So unbe stritten Schumann als poetischer Meister des avierklangs gilt, so ist er doch wegen seiner Khesterbehandlung kritisiert worden. Tschai- Swski rügte beispielsweise die „farblose Mas sigkeit der Orchestrierung", die den nicht durch vorhergehendes Studium vorbereiteten Zuhö rern jede Möglichkeit raube, die Schönheiten in Schumanns sinfonischen Werken zu würdi gen. Gustav Mahler, genial auch als Instru mentator und Dirigent, hat deshalb den Ver such unternommen, die Instrumentation sämt licher Schumann-Sinfonien (wie übrigens auch, was schwerer einzusehen ist, aller Beethoven- Sinfonien) zu revidieren, um eine subtilere, differenziertere Behandlung des Orchesters zu erreichen. Ein Beispiel seines Verfahrens aus der heute erklingenden Schumannschen „Drit ten" mit seinen Retuschen: Im Takt 17-32 des zweiten Satzes schaltete er sowohl Blech- wie Holzbläser aus, die Staccato-Figuren der Streicher lediglich „mitzuspielen" hatten. Die Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 97, die sogenannte „Rheinische Sinfonie", wider legt durchaus die Theorie, daß allen Schöp fungen des Komponisten seit der Jahrhundert mitte Lähmung und Schwäche innewohnen, auf das entschiedenste. Die im November 1850 in Düsseldorf abgeschlossene Partitur der „Rhei- ■kchen" spiegelt unverkennbar die natürliche ^sche der für den Meister neuen Umgebung wider, die ihn zu diesem in seinem Grundzug heiteren, lebensfreudigen Werk anregte. Den ersten Anstoß zu der Komposition gab nach Schumanns Äußerungen der majestätische An blick des Kölner Domes. Es entstand der Plan, in dem neuen Werk die Lieblichkeit der rhei nischen Landschaft, die Erhabenheit des Köl ner Domes und die Fülle rheinischen Volksle bens zu schildern. Um alle Eindrücke musika lisch gestalten zu können, erweiterte der Kom ponist die klassische Viersätzigkeit des sinfo nischen Zyklus um einen fünften Satz. Der erste Satz (Lebhaft) beginnt mit einem Schwung- und kraftvollen, synkopierten Es- Dur-Thema, während das anmutige zweite Thema von den Holzbläsern angestimmt wird. Wuchtig verklingt der frische Einleitungssatz. — Der zweite Satz, ein Scherzo, formt Land schaftsbilder. Die Bratschen, Violoncelli und Fagotte führen ein gemächliches Ländlerthema ein. Später entfaltet sich ein übermütiges scherzohaftes Geschehen. Dem Trio folgt die Wiederholung des Hauptteiles. — Serenaden haften Charakter hat der dritte Satz (Nicht schnell) in As-Dur, der lediglich vom Streich quartett, von den Holzbläsern und zwei Hör nern musiziert wird. Innig und gemütvoll wirkt der Hauptgedanke. Man glaubt sich in die Stimmung einer milden Mondnacht versetzt. - Den vierten Satz (Feierlich) schuf der Kompo nist eingestandenermaßen unter dem Eindruck einer Prozession anläßlich der Feierlichkeiten zur Kardinalserhebung des Kölner Erzbischofs. Der ges-Moll-Satz trug ursprünglich die Über schrift „Im Charakter der Begleitung einer feierlichen Zeremonie". Zur Gestaltung der er habenen Stille, die von dem Bauwerk des Köl ner Domes ausgeht, und der pompösen Fest stimmung, der Kardinalserhebung, benutzte Schumann kompliziertere musikalische Mitte! als in den anderen Sätzen der Sinfonie. Das Thema, das die Bläser feierlich intonieren, schreitet in übereinandergeschichteten Quar ten kunstvoll daher. Dann wird es zu einem dichten kontrapunktischen Gewebe verarbei tet. — Der fünfte Satz (Lebhaft) führt uns nach der Feierlichkeit des vorangegangenen Teiles der Sinfonie in „das ausgelassene Getümmel des rheinischen Karnevals". Mahlers Bearbei tung greift hier insofern in die originale Dra maturgie Schumanns ein, indem er den Satz zunächst leise beginnen und erst mit der Wie derkehr der ersten Phrase das Hauptthema sich kraftvoll entfalten läßt, das die Prägnanz der früheren Sinfonietechnik des Komponisten mit der mehr verstandesmäßigen Grundhaltung seiner späteren Themenbildung vereint. Dazu treten noch andere heitere und übermütige musikalische Gedanken, mehr aneinanderge reiht als entwickelt, ganz dem Abbild eines bunten Karnevalstreibens entsprechend. Schließlich erscheint noch das feierliche, nun mehr nach Dur gewendete Thema des vierten Satzes, so daß in diesem Satz gleichsam Welt liches und Religiöses miteinander verschmel zen. Was Schumann über seine Sinfonie schrieb, ist unbedingt zu bestätigen: „Es muß ten volkstümliche Elemente vorwalten, und ich glaube, es ist mir gelungen". Prof. Dr. habil. Dieter Härtwig Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Prof. Dr. habil. Dieter Härtwig 5. ZYKLUS-KONZERT 1986/87 Chefdirigent: Jörg-Peter Weigle — Spielzeit 1986/87 Druck: GGV, BT Heidenau 111-25-16 2,85 JtG 009-3-87 EVP -.25 M