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Schönburger Tageblatt pro Zeile 10 Pf., Dinses. 20 Pf. n: Waldenburg, Obergesse 291 8. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage UL 4 LvM- Mil Zeskitgen. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Rnmmsr dir mittags 12 Uhr. Ner AbonnemenispreiS beträgt vierteljähr- !ich 1 Rk, SS Pf. Einzelne Nrn. L Pf. Inserate p " ' Alpeditton u«d Watöenbnrzer Än^iger. Filialen: in Altstadiwaldenburg bei Herrn Kaufmann Otto Förster; in Kausungen bei Herrn Fr. Janaschei; in Langenchurs- dorf bei Herrn H. Ztiegler; in Penig bei Frau Kahmann Max Härtig, Leipzigerstr. 163; in Rochsburg bei Herrn Paul Zehl; in Wollenburg bei Herrn Ernst Rösch«; in Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirsten. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lnnzeuau, 8i«Hteusteiu-Gallnbsrg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Bräunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. 283 Sonnabend, den 5. December 1896. Wttterungsbericht, ausgenommen am 4. December, nachm. 4 Uhr. Barometerstand 757 mm. reducirt auf den Meeresspiegel. Thermometerftand — 1° 0. (Morgens 8 Uhr — 8 .) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 46"/». Thaupuutt — 12 Grad. Windrichtung: Südost. Daher Wttteruugsausstchteu für den 5. December: Zunehmende Bewölkung, Neigung zu Niederschlägen. "Waldeudnrg, 4. December 1896. Wer in diesem Sommer häufiger hat über Land reisen müssen, der wird ziemlich überall bemerkt haben, wie trotz der gesteigerten Fabrikation in der Industrie und zum Theil auch im Kleingewerbe die Zahl jener In dividuen, welche ohne eine Spur von Gepäck die Land straßen entlang ziehen und besonder« für die Bewohner allein stehender Häuser eine große Plage sind, sich eher vermehrt, als vermindert hat. Das Gebühren dieser „armen Reisenden" hat im Laufe der letzten zehn Jahre eine Dreistigkeit angenommen, die kaum noch gesteigert werden kann, und wenn sie um eine Gabe ansprechen, erfolgt das keineswegs im Tone der Bitte, sondern in einer solchen brutalen Weise, daß man am liebsten einem derartigen Patron trotz allen Mitleides, das man mit seinem heruntergekommenen Aeußeren haben könnte, so fort die Thür vor der Nase zuschlüge. Frauen, welche solchen Vagabonden die Thür öffnen, sind am schlimm sten dran und häufig unfläthigen Beleidigungen, nicht selten auch Thätlichkeiten ausgesetzt. Dabei liegt diesen Leuten wenig an Nahrungsmitteln, sic wollen nur Geld für Branntwein und scheuen sich nicht, mit Gewalt zu ertrotzen, was sie in Güte nicht bekommen können. Den Namen der „armen reisenden Handwerksburschen", den sie sich geben, verdienen sic keineswegs, nur ein geringer Bruchtheil gehört richtig gelernten und ordnungsmäßig ausgebildeten Handwerksgesellen an, die große Mehrzahl sind von Stufe zu Stufe gesunkene Menschen, welche der Strudel der Großstadt in den tiefsten Grund herab- gerissen und dann wieder ausgespieen hat. Sir sind eine Landplage und Volksplage dazu, denn aus ihnen, denen viele junge Burschen angehören, rekrutirt sich vor nehmlich die große Armee der Verbrecher. Die bedauerliche Erscheinung, daß sich die Zahl dieser Existenzen eher vermehrt, als vermindert hat, läßt nur die Folgerung zu, daß auch die Neigung zur frischen und fröhlichen Arbeit trotz vermehrten Arbeitsangebots nicht gestiegen ist. Es ist das eine bedauerliche Thatsache, mit der weit mehr gerechnet werden sollte, als dies heute geschieht. Die „Ritter der Landstraße" setzen sich ja keineswegs aus Menschen zusammen, die von allem An fang an den alleruntersten und verwahrlosten Schichten der Bevölkerung angehörten, auch solche Leute sind da runter, denen ein Loos dieser Art keineswegs an der Wiege gesungen ist, welchen der Hang zum Genuß zum Verderben wurde, indem er sie zum Müßiggang und von da zur Liederlichkeit und Verwahrlosung brachte. Hat dann der Trunk erst sich solcher Gcmüther bemächtigt, dann ist cs bis zur Obdachlosigkeit nur noch ein Schritt. Trotzdem die weitaus meisten Vagabonden sich ihr un glückliches und elendes Loos selbst bereitet haben, kann man ihnen doch einige« Mitleid nicht versagen, noch weniger kann man diese Erscheinung unbeachtet lasten, eben deshalb nicht, weil sie eine Gefahr von allgemeiner Bedeutung in sich schließt. Mit Bitten, Ermahnungen und schönen Worten ist in dieser Angelegenheit recht wenig auszurichten; in Fällen, wo es Einzelnen gar zu schlecht ergehen mag, versprechen sie wohl Alles, was sie können, aber tritt nur eine leise Besserung ihrer Ver hältnisse ein, schwindet besonders in Krankheitsfällen die Lebensgefahr, dann beginnt auch da» frühere Leben von Neuem. Da hilft vor allen Dingen die Strenge, ent. sprechende Strafe für die, welche sich eines zu ahnden den Vergehens schuldig machten, strenge Zuchtmittel aber für die jungen Leute, bei welchen in unverkennbarer Weise ein Hang zur Liederlichkeit hervortritt. Vom scheinbar harmlosen Anfang geht es sehr leicht zum be denklicheren Fortgang. Tie nun beginnende rauhere Jahreszeit ist diejenige, welche die Landstraßen in etwas von den Herumtreibern entvölkert, weil sie die Unbilden der Witterung noch mehr fürchten, als Gendarmen und Polizei. Irgend ein nicht gar zu schweres Vergehen, meist einen Streich rohen Uebermuthes misten sie mit vieler Fertigkeit auszuführen und sind dann selig, einige Monate ins warme Gesäng- niß wandern zu können, wo sie zwar keinen Schnaps, aber doch zu essen haben. Diese Uebermuthsstreiche soll ten den Patronen aber doch gründlich bedacht werden, es wird sonst mit der Landstreicherplage ärger und ärger. Schreiber dieser Zeilen hatte in der Eigenschaft als Schöffe einmal über einen Landstreicher mit abzuurtheilen, der aus einem Fleischerladen einen stattlichen Schinken gestohlen, diesen dann bis auf den Knochen in einem Zufluchtsorte verzehrt hatte, worauf er zum „Abschluß der Sommersaison" dem bestohlenen Fleischermeister mit dem Schinkenknochcn das schöne Schaufenster einwarf. Dem Kerl wurde seine Frechheit so gründlich ange- krcidet, daß ihm sein höhnisches Lachen denn doch etwas verging. Aber derartige Fälle kommen in dieser oder jener Form stets wieder von Neuem vor, und eine thun- lichst exemplarische Strafe, verbunden mit tüchtiger Arbeit, kann ihnen allein die winterliche Gefängnißsehnsucht aus dem Kopse treiben. Es mag nicht versäumt werden, diesen Punkt im Auge zu behalten, denn gerade jetzt ist die Zeit, wo sich das Strolchthum bestrebt, sich freie Winterquartiere zu sichern. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser nahm am Donnerstag Vormittag in Hannover, wo er abends zuvor eingetroffen, bei herrlichem Wetter eine Parade der gejammten Garnison auf dem Watcrlooplatz ab. Es erfolgte zweimaliger Vorbeimarsch. Eine sehr zahlreiche Volksmenge, darunter viele Schüler der Schulen, welche aus Anlaß der Anwesenheit Sr. Majestät geschloffen sind, wohnten dem glänzenden mili tärischen Schauspiel bei. Dem Kaiser wurden stürmische Ovationen bereitet. Während des später im Schlosse stattgehabten Frühstücks concertirte der Männergesang verein. Am heutigen Freitag trifft der Kaiser zur zwei tägigen Hofjagd in Springe rin. In Hamburg nahmen am Donnerstag zwölf Ver sammlungen von Ausständigen die Entschließung an, un verzüglich den Generalstreik zu verkünden, weil die Ablehnung des Schiedsgerichts durch die Rheder die Kriegserklärung bedeute. Der Arbeitgeberverband recht fertigt in einer Erklärung seinen ablehnenden Standpunkt Es handle sich hier um einen Machtstreit. Der Proceß gegen die Journalisten Leckert und v. Lützow wegen verleumderischer Beleidigung des Obcrhof- marschalls Grafen Eulenburg, des Staatssekretärs v. Marschall und deS LegationsratHS Hammann findet seit Mittwoch vor dem Berliner Landgericht I. statt. Be kanntlich war die Beleidigung in zwei Artikeln enthalten, welche sich mit dem Breslauer Zarentoast beschäftigen, der zuerst in einer unrichtigen Fassung veröffentlicht wor den war. Die beiden Angeklagten gaben sich erdenkliche Mühe, den Hofberichterstatter de Grahl in die Enge zu treiben. Während der jugendliche Leckert wehmüthig zu gestellt, vaß seine meisten hohen Verbindungen eitel Ge burt seiner Phantasie sind, hält v. Lützow mit kecker Stirn Alles aufrecht. Donnerstag Mittag kam Leben in die sich langsam hinschleppende Verhandlung, als der Reichs kanzler und Frhr. v. Marschall erschienen, um Zeugniß abzulegen. Fürst Hohenlohe wurde vom Gerichtshof und allen Anwesenden durch Erheben von den Plätzen be grüßt. Er leistete den Zeugeneid und gab dann unter gespanntester Aufmerksamkeit seine Aussage ab. Vors.: Der Angell. Leckert behauptet, in Breslau von Ew. Durchlaucht zu kurzer Unterredung empfangen worden zu sein. Zeuge: Ich kann keine bestimmte Auskunft geben. Ich weiß nur, daß ich im Vorzimmer meiner Breslauer Wohnung einen jungen Mann gesprochen habe, der viel leicht der Angeklagte gewesen sein kann. Was er mir gesagt hat, weiß ich nicht mehr, ebenso wenig, was ich ihm gesagt habe. Ich habe meinen Kamerdiener gefragt, ob ihm etwas von der Begegnung noch im Gedächtniß sei. Nach besten Erinnerung ist Folgendes festzustellen: Während ich mich ankleidete, um auszugehcn, wurde an der Thür geklopft. Der Diener sah nach und sand einen jungen Mann vor, der eine Karte und eine Manöver karte vorwies und von mir empfangen sein wollte. Ich ließ ihm sagen, daß dies nicht angehe, er erwiderte aber, daß er mir wichtige Mitthcilungen zu machen habe. Als ich aus meinem Zimmer kam, fand ich den jungen Mann im Vorzimmer. Er theilte mir etwas mit, ich kann je doch mit Sicherheit darüber keine Auskunft geben. Wa ich erwidert und ob ich überhaupt geantwortet, weiß ich auch nicht mehr. Es folgte die Vernehmung des Herrn v. Marschall. Er erklärte, so einen jungen Mann wie Leckert würde er nie empfangen, und kennzeichnete da» verwerfliche Treiben des Herrn v. Lützow. Daß ein Doppeltext des Toastes vorhanden gewesen sei, von denen der eine reprobirt und der andere accepttrt worden, seien müßige Erfindungen. Zum Schluß legte Staatssekretär v. Marschall dar, daß die offiziöse Presse nicht gänzlich entbehrt werden könne. Das preußische Abgeordnetenhaus wird nach Er ledigung der Convertirungsvorlage, des Gesetzentwurfs über die Erwerbung der hessischen Ludwigsbahn und der Besteuerung im Umhcrziehen voraussichtlich nur noch die Anträge v. Schenckcndorfs (Fortbildungsschulen) und Or. LangerhanS (Consistorialordnung) durchberathen und dann eine Pause eintretcn lasten, bis die Commission ihre Berichte übcr die Gesetzentwürfe betr. die Lchrerbefol- dung und den Ausgleichsfonds fertig gestellt haben. Ob das Plenum des Abgeordnetenhauses vor Weihnachten nochmals zusammentreten wird, erscheint zweifelhaft. Die Ernennung des Obersten Liebert zum Gouver neur von Ostafrika ist der „Post" zufolge vom Kaiser bereits vollzogen worden. Gleichzeitig ist Major v. Wißmann zur Disposition des Reichskanzlers gestellt worden mit der Absicht, seine Dienste der Colonialvcr- waltung in Berlin zu erhalten. Die Geschäftsordnungscommission des Reichs tags beschloß, daß fortan bei allen formellen Anträgen (Abstimmung, Schluß der Debatte rc.) die Anwesen heit der 30 Antragsteller erforderlich, während bei sach lichen Anträgen davon abgesehen werden kann. Die Generaldebatte vor der dritten Lesung von Gesetzent würfen fällt in Zukunft fort, auf Antrag von 15 an wesenden Abgeordneten kann jedoch nach Schluß der Be- rathung bei der dritten Lesung noch einmal eine Gene raldebatte stattfinden. Die Geschäftsdispositionen für den Reichstag sind auf die nächsten Tage hin festgelegt worden. Nach Be endigung der ersten Lesung des Etats findet an den beiden letzten Tagen der Woche die erste Berathung der