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Lehrstückcharakter besitzt das Werk, das in unserem heutigen Konzert erklingt: „The Young Person’s Guide to the Orchestra“ (Orchester- Wegweiser für junge Menschen") o p. 3 4 aus dem Jahre 1945. Es handelt sich um Variationen und Fuge über ein Thema von Henry P u r c e I I (The Moor’s Revenge aus "Abdelazar"). Mit diesem Werk, das eigent lich als Filmmusik zu einem Dokumentarstreifen „Die Instrumente des Orchesters" konzipiert war, will der Komponist allen Musikfreunden die Zusammensetzung und Klangmöglichkeiten des modernen Sinfonieorchesters sowie die farblich technischen Eigenschaften der wichtigsten Orchesterinstrumente didaktisch-unter haltsam vorstellen. Das geschieht mit einem bezwingenden musikalischen Charme, der auch die gegensätzlichen Stilwelten der Vorklassik und des 20. Jahr hunderts, die in dem Stück Zusammentreffen, in einer schönen, gehaltvollen Syn these zusammenfaßt. Sehr übersichtlich, dem Anliegen entsprechend, ist der formale Aufbau des Ganzen. Zu Beginn musizieren die einzelnen Instrumenten gruppen des Orchesters (Tutti, Holzbläser, Blechbläser, Streicher und Schlagzeug) sechsmal das festliche Thema von Purcell. Daran schließen sich 13 Variationen an, in denen verschiedene Orchesterinstrumente das Thema, ihren spezifischen Möglichkeiten folgend, abwandeln: Flöte und Piccolo, Oboen, Klarinetten, Fa gotte, Violinen, Bratschen, Celli, Kontrabässe, Harfe, Waldhörner, Trompeten, Posaunen und Schlagzeug. Den Abschluß des instruktiven, virtuos gearbeiteten Variationenwerkes bildet eine Fuge (Allegro moderato), in der die einzelnen Instrumente wiederum in der eben genannten Reihenfolge eingesetzt werden. Die Fuge gipfelt in der wörtlichen Wiederkehr des Purcell-Themas (in den Blech bläsern), während die übrigen Instrumente gleichzeitig das Fugenthema, das aus dem Hauptthema gewonnen wurde, weiter durchführen und zur Steigerung brin gen. Wie Ludwig van Beethoven in der Reihe seiner Sinfonien zwischen Werken kraftvoll-männlichen und anderen mehr lyrisch-weiblichen Charakters abwechselte, steht auch sein 4. Klavierkonzert G-Dur op. 58 ein wenig träumerisch zwischen dem heroischen c-Moll und dem grandiosen Es-Dur- Konzert. Erstmalig aufgeführt wurde dieses Werk, von Beethoven selbst gespielt, im März 1870 bei einer seiner Akademien im Palais Lobkowitz in Wien. Der be kannte Liederkomponist und Musikschriftsteller Johann Friedrich Reichardt, der das Konzert bei einer Wiederholung im Dezember des folgenden Jahres zusam men mit zahlreichen anderen Kompositionen Beethovens hörte, berichtete dar über: „Das achte Stück war ein neues Pianofortekonzert von ungeheurer Schwie rigkeit, welches Beethoven zum Erstaunen brav in den allerschnellsten Tempis ausführte. Das Adagio, ein Meistersatz von schönem durchgeführten Gesang, sang er wahrhaft auf seinem Instrumente mit tiefem melancholischen Gefühl, das auch mich dabei durchströmte." In der Tat ist im G-Dur-Konzert die Form des Solokonzertes mit Orchester in ganz idealer Weise gemeistert. Der Solist, dessen virtuos-pianistische Forderungen nie außer acht gelassen, aber geistvoll als organischer Bestandteil des Werkes ein gesetzt werden, und das Orchester sind hier durchaus selbständige und doch motivisch-thematisch aufs genialste miteinander verknüpfte Partner. Sie dienen gemeinsam der sinfonischen Idee, die die drei kontrastierenden Sätze des Werkes zu einer entwicklungsmäßigen Einheit verbindet, so daß man hier, wie auch beim Es-Dur-Konzert, mit vollem Recht von einer „Klaviersinfonie" sprechen kann. Als Kernstück des Konzertes, in dessen Grundhaltung die lyrisch-idyllischen Züge dominieren, ist der dialogisierende Mittelsatz mit seinem poetischen Gegenspiel von Klavier und Orchester anzusehen. Der erste Satz (Allegro moderato) bringt zu Beginn, solistisch vorgetragen, das zarte, weiche G-Dur-Hauptthema, dessen motivische Beziehung zu dem berühm ten „Schicksalsmotiv" der 5. Sinfonie häufig aufgezeigt wurde. Auf der Domi nante endend, erfährt das Thema durch einen plötzlichen Wechsel nach H-Dui eine neue Beleuchtung. Nach einer Weiterentwicklung im Tutti erklingt zuerst in den Violinen das stolze, signalartige zweite Thema. Mit diesen Hauptgedanken. Dieter Härtwig (•hiillnamnonio VORANKÜNDIGUNGEN: Ausverkauft Kartenverkauf 5. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1969/70 Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1969/70 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: veb polydruck, Werk 3 Pirna - 111-25-12 1,6 JtG 009-127-69 Sonnabend, 28. Februar 1970, 20 Uhr, Kulturpalast 7. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Kurt Masur Solistin: Hanne-Lore Kuhse, Berlin, Sopran Werke von Tschaikowski, Strauss, Schubert und Wagner Freitag, 23., und Sonnabend, 24. Januar 1970, jeweils 20 Uhr, Kulturpalast 6. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Roberto Benzi, Italien/Frankreich Werke von Ravel, Respighi und Franck die jedoch durch mannigfache neue Seitengedanken bereichert, vom Klavier in ausdrucksvollen Akkordfigurationen umspielt und immer wieder abgewandelt werden, entsteht nun ein wundervolles, von größtem Empfindungsreichtum zeu gendes Zusammenwirken von Soloinstrument und Orchester, das nach der großen Kadenz rauschend-schwungvoll beendet wird. Höchste poetische Wirkungen erreicht der ergreifende langsame Satz (Andante con moto), der die Romantiker verständlicherweise ganz besonders begeisterte. Einer Überlieferung zufolge soll er von der Orpheussage inspiriert sein und die Bezwingung der finsteren Mächte der Unterwelt durch die Macht seelenvollen Gesanges zum Inhalt haben. In leidenschaftlichem Dialog zwischen Klavier und Orchester erfolgt, charakterisiert durch zwei äußerst gegensätzliche Themen, ein düster-drohendes und ein innig-flehendes, diese entscheidende Auseinanderset zung zweier Prinzipien. Der sich unmittelbar anschließende Schlußsatz, ein Rondo, zeigt danach nun in seiner Gestaltung stürmische Lebensfreude, heitere Glücks empfindungen. Phantasievolle Kombinationen des tänzerischen Rondo-Thema^ und eines lyrischen, schwärmerischen Seitenthemas münden in einen glanzvolle® Abschluß des Konzertes. Dr.