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Adorker Wochenblatt. Mittheil nn gen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Neunter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: I Thaler, bei Bestellung des Blattes durch Botengelegenheit: ' 2U Reugroschen. 48. Erscheint geben Mittwoch. 27. Vov. 1844. Die Presse und die Verleumdung. (Erster Artikel.) Wenn von den Gefahren der Pressfreiheit die Rede ist, so steht immer oben an, dass sie die Ehre und den guten Leumund der einzelnen Staatsbürger blos stel len könne. Wer auch zugicbt, dass durch die Presse keine Reooluzion gemacht werden könne, der bleibt wenigstens dabei stehen, Zensur sei nothwendig, damit Niemand ungerechter Weise öffentlich angegriffen und beleidigt werden könne. Und dies findet gewöhnlich um so bereitwilliger allgemeine Beistimmung, je we niger man noch an das Wirken und Walten einer unbeaufsichtigten Presse oder der Presse überhaupt gewöhnt ist und je häufiger öffentlich ausgesprochene Urthcile mit persönlichen Angriffen und Beleidigungen verwechselt werden. ' Es ist nicht der Zwck dieses Aufsazes, eine Ab handlung über die Freiheit der Presse zu geben und ihre Lorthcile und Nachtheile, ihre Gefahren und die Mittel, ihnen zu begegnen, weitläustig zu erörtern. Nur einzelne Säze aus diesem grosen und reichen, diesem schon so oft besprochenen, und doch noch nie erschöpften Thema mögen angedeutet werden, um die Unterlage dessen zu bilden, was wir uns zum Gegen stände der Besprechung ausgestellt haben. Beleidigt werden, die eigene Ehre, die Jedem hei lig ist und sein muss, angegriffen zu sehen, thut wehe. Auch hat Jever ein Recht darauf, dass seine Ehre bei denen, mit welchen er im Staate, in der Gemeinde zusammenlebt, Anerkennung finde. Der Beleidiger, der dieses Recht misachtet und verlezt, ist darum strafbar und muss es sein. Aber wie Lieles wird nicht für eine Beleidigung, für einen Angriff auf die Ehre genommen, was es in der That nicht ist? Wer ein öffentliches Amt bekleidet, überhaupt im öffentli chen Leben wirkt, wie man sagt eine öffentliche Per son ist, muss sich gefallen lassen, dass über sein Thun und Lassen in dieser seiner öffentlichen Stellung öf fentlich gesprochen und gcurtheilt werde. Seine amt liche, öffentliche Thätigke't gehört der Gesammthcit an. Was er in ihr und durch sie ist, ist er nicht für sich, ist er für das Gemeinwesen überhaupt. Ueber diese Thäligkeit zu urtheilen, hat jeder Andere, der dem Gemeinwesen angehört, ein Recht, eben weil er ein Theil des Gemeinwesens, ein Glied der Gesammt hcit ist, so wie Jener, der beuithcilt werden soll, mit seiner Thatigkeit für das Gemeinwesen, für die Ge- sammtheit. Dass diese Bcurtheilung in der Regel oder doch sehr häufig öffentlich, vermittelst der Presse erfolgt, ist etwas sehr Natürliches. Denn einmal hat der Beurtkeiler sehr ost gar keine Gelegenheit, auf andere Weise an den zu Beurtheilenden zu gelangen, auf andere Weise sein Urtheil auszusprcchen. Und dann muss auch eigentlich dieses Urtheil öffentlich ausgesprochen werden, weil cs wieder ein Gemeingut, weil es norhwendig ist, dass die Gesammtheit mit den Acusscrungen der Thatigkeit seiner Beamten, mit den Resultaten des Wirkens aller derer, die sich auf dem Kampfplaze des öffentlichen Lebens aufgestellt haben oder aufgestellt worden sind, bekannt, auf die Licht- und Schattenseiten der im Interesse der Gesammtheit Handelnden aufmerksam gemacht werde. Die Bcur theilung der Thatigkeit der Ein;clnen kann nicht im mer Lob enthalten, sondern muff nach Befinden auch in Tadel übergehen. Wär' es anders, wäre von kei nem freien Urtheile mehr die Rede, sondern von sistc- matischcr Lobhudelei. Solche tadelnde Urthcile nun" werden sehr ost für Beleidigungen genommen, ohne cs wirklich zu sein. Sic mögcn für denjenigen, dem sie gellen, wol bisweilen unangenehm sein. Sie sind aber darum keine eigentlichen persönlichen Angriffe. Wer solche K.iliken nicht vertragen kann, der muff lieber den Schauplaz dcS öffentlichen Lebens meiden.