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abemuer Anzeiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abonnemenlspreis einschließlich der illustririen Beilagen „Gute Geister" u. „Zeitbilder" sowie des illustr. Witzblattes „Seisenblasen" 1,50 Mk. Zkitnng fir WM, Seiftrsdül's) Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf. Tabellarische Inserate werden doppelt berechnet. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Groß- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Somsdorf, Coßmannsdorf, Lnban, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Nummer 70. Sonnabend, den 16. Juni 1900. 13. Jahrgang. Aus Nah und Fern. — Die Heuernte hat begonnen. Wer jetzt durch Flur und Wiesen dahin wandelt, kann sich erfreuen an dein wunderbar würzigen Duft des Grases, das in den Strahlen der heißen Sonne zu Heu gedorrt wird. Die letzten Wochen mit ihrer fast tropischen Temperatur haben geradezu Wunder gewirkt; denn die Sense legt Futtermengcn nieder, welche die Wiesenflächen kaum fassen können. An Futtermangel wird also die Landwirthschaft in diesem Jahre nicht leiden. — Der Güterverkehr bei der Haltestelle Rabenau betrug im Jahre 1898 12 953 t gegen 12268 t im Jahre 1897. Die Frachteinnahme hierfür betrug 6660 Mk.(6435 Mk.); bei Haltestelle S e i f e r s d o r f 4021 t (2938 t), Frachteinnahme 3744 Mk. (2907 Mk.); bei Haltestelle Spechtritz 532 t (546 t), Frachtcinnahme 800 Mk. (682 Mk.). Der Gesammtkohlenempfang in Rabenau betrug im Jahre 1898 1977 t gegen 1922 t im Jahre 1897; in Seifersdorf 181 t (170 t) in Spechtritz 5 t (t5 t); in Coßmannsdorf 3985 t (2955 t). t --- Tonnen zu 1000 lex gerechnet. — Der Post- und Tele graph e n v e r k e h r bei dem hiesigen Postamte ge staltete sich im Jahre 1898 folgendermaßen: 170800 Briefe wurden anfgegeben, während 148100 cingingen; ferner wurden 750 Stück Postaufträge zur Gcldcin- ziehung und Acc.pteinholung anfgegeben und 2597 Stück im Betrage von 358300 Mk. sind eingegangen. Post anweisungen wurden 11391 Stück im Betrage von 775800 Mk. eingezahlt und 8050 Stück im Werthe von 701200 Mk. ausgezahlt. Telegramme (in- und aus ländische) 927 aufgegeben und 1216 sind eingegangen. Porlv- uud Telegrammgebühren wurden 17 363 Mk. vereinnahmt. — Am letzten Mittwoch beging Herr Stnhlfabrikant Wilhelm Morgen st e r n mit feiner Gattin das Fest der silbernen Hochzeit. Die zahlreichen Glückwünsche und Ge schenke von Freunden, Verwandten und Bekannten legten beredtes Zengniß ab von der Liebe und Achtung, deren sich das Jubelpaar allenthalben zu erfreuen hat. — Am verwichenen Donnerstag unternahm der Bürgerverein zu Rabenau eine Parthie mittels Bahn nach dem Felsenkeller zu Plauen, um sich von der Größe und dein praktischen Betriebe dieser Brauerei zu überzeugen. Unter Begleitung von zwei Führern, welche die Brauerei in liebenswürdigster Weise stellte, wurden nun sämmtliche Sudränme, Kellereien und Malzböden besichtigt, die natür lich sehr viel Interessantes boten. Am meisten interessirten die eisigen Lagerkeller und die Eismaschine, wo man sehen konnte, in welch' kurzer .Leit das Eis fabricirt wird. Nach dein Rundgange durch das Etablissement wurde der Verein im tiefen Keller mit ein paar Fäßchen frisch angezapftem „Vom Besten das Beste" überrascht, welchem köstlichen Stoff natürlich wacker zugesprochen wurde. Noch einige Zeit war man beisammen, wo beim frischen Trunk noch manches lobende Wort über das Gesehene gesprochen. Nach Dankesworten für die freundliche Einladung und Führung wurde der Heimath per Dampfroß wieder zugesteuert. — In das Handelsregister eingetragen worden ist die am 7. Juni d. Js. errichtete Handelsgesellschaft MüllerL Weimert in Rabenau und als deren Gesellschafter der Möbelfabrikant Gustav Hermann Müller und der Kauf mann Weimert, beide in Rabenau- — In Schladitz bei Rackwitz erhängte sich der 9^/» jährige Sohn des Stellmachers N., weil ihm nicht ge stattet wurde, wie anderen Kindern, durch Rübenhacken einige Groschen zu verdienen. * — Einen bezopften Studenten besitzt gegen wärtig die Berliner Universität. Es ist der erste Chinese, der dort stndirt. Der bildungsbedürftige Commilitone aus dem jetzt so beunruhigten Reiche der Mitte heißt Djiu-Da- Min, er widmet sich dem Bergfach. — Aus Liebe zu ihrem Kinde ist die Ehefrau des Arbeiters Kirst in Hörde zur wahren Märtyrerin geworden. Vor längerer Zeit hatte sich der Sohn der Frau auf dem Hörder Werk schwere Brandwunden zugezogen, die trotz aller Bemühungen des Arztes nicht heilen wollten und den jungen Mann bereits an den Rand des Grabes gebracht hatten. Eine Rettung war nur durch Auflegung frischer Menschenhaut möglich. Als die Mutter des unglücklichen Kindes von der Ansicht des Arztes hörte, erklärte sie sich sofort bereit, ihrem Kinde zu helfen. Vor etwa 14 Tagen trennte ihr der behandelnde Arzt von beiden Oberarmen große Fläschen Haut ab, die dann auch den Heilungsprozeß des Kindes beschleunigten, so daß es vom sicheren Tode gerettet war. Da die Brandwunden des jungen Menschen so große Hautflächen beanspruchten, die der Mutter auf einmal wegen ihrer Gesundheit nicht abgenommen werden konnten, so gab sich die Mutter des Kranken später noch mals dazu her, sich größere Hautflächen von den Ober schenkeln abtrennen zu lassen. Die Operationen ertrug die brave Frau mit der größten Geduld und ohne Narkose. — In einer in Heiligenstadt weilenden Menagerie streckte am Montag ein Löwe durch das Gitter die Tatze und erfaßte einen der Bediensteten. Dem Mann wurde der linke Arm aufgerissen. — Masse nerkrankun gen infolge des Genusses von gesundheitsschädlichem Fleisch sind seit dem Pfingstfest in der märkischen Stadt Vetschau vorgekommen; die Krank heitssymptome sind recht schwerer Natur. — Prügelnde Polizisten. In Halle wurden zwei Polizeisergeanten, welche einen lärmenden Studenten ver haftet und bei dieser Gelegenheit wie auf der Wache mit zahl- . reichenOhrfeigentraktirt hatten,znje5M.Gefängnißverurtheilt. — Die Fiacer-Kutscher in Paris haben eine Ver sammlung abgehalten und den theilweisen Streik beschlossen. — Der Zeitpunkt ist nicht schlecht gewählt. . Wer Helegraph. Humoreske von Otto Reinhold. (NachdrnN «eit»»?«.) „Allerdings weiß er cs jetzt!" sagte er rasch, um sie zu beruhigen, obgleich es nicht wahr war. „Wo wohnt er? In Hotel in der Burg- strcche?" fragte Susanne. „Ja!" erwiderte er. „Aber tiöste Dich! Ich werde dafür sorgen, daß Niemand in der Welt davon etwas er fährt, was zwischen Euch vorgefallen ist! Ec muß mir sein Ehrenwort darauf geben, daß er schweige» will, oder wir schießen uns!" „Um Gotteswillen!" fuhr Susanne auf. „Bis fitzt hat er mir's verweigert! Aber ich werde Max bitten, mir zu secnndire», und ihn noch einmal zu Nudolph schicken." Susanne entsetzte sich darüber, daß Woldemar an ein Duell dachte. „Nimmermehr darf das geschehen, Woldemar! Du darfst Dich nicht schießen! Denke doch an unsere Mutter und Geschwister! Thue es nicht! Lieber will ich Spott und bösen Leumund ertragen!" Und mit Ungestüm schlang sie ihre Arme um seinen Hals und blickte ihn mit ihren verweinten Augen so seltsam rührend an, daß ihm ganz weh wurde. Endlich raffte er sich auf und löste sich aus ihrer Umarmung. „Laß mich, Susanne! Ich werde thun, was ich für gut und nöthig erachte! — Doch ich sehe, cs ist schon zwei Uhr!" fuhr er Plötzlich in seinen gewöhnlichen Ton fallend ficl. „Ich muß augenblicklich nach der Sanitätswache! In zwei Stunden bin ich vielleicht wieder hier! Wann muß Du zum Bureau?" „Um drei!" Woldemar legte sich, ohne das Mittagscssen berührt zu haben, den Ueberzieher wieder a». „Versprich mir, Susanne," sagte er ihr die Hand reichend, „daß Du den Schurke», den Rudolph, ganz energisch zurückiveisen wirst, wenn er sich etwa gar »och einmal unter stehen sollte, sich Dir persönlich oder brieflich zn nähern!" Sie sagte ihm zu, nnd er ging. Susannens Erwähnung von Mutter uud Geschwistern hatte dem Doktor das heiße Duellblnt bedeutend abgekühlt, uud als er jetzt im Gehen alle Gründe für und gegen ein Duell mit Rudolph in seiner Seele vorbrachte, kam er zn der Entdeckung, daß er eigentlich gar kein Recht habe, Rudolph zu fordern, und mit einschneidender Ueberzeugung mnßte er sich sagen, daß Rudolph keineswegs die Ehre Susannens wissentlich verletzt habe. „Ec steht ihr ja fremd gegenüber!" sagte er sich; „eben so müßte ich ja für jede der Telegraphistinnen eintreten! Ja, anders läge die Sache, wenn Rudolph gewußt hätte, daß die schöne Telegraphistin meine Schwester Susanne sei! Wenn er mit diesem Wisse» auf ei» Abenteuer mit dem Mädchen ausgegangen wäre, dann läge eine Ehrenkränkung Susannens vor!" So sagte ihm eine innere Stimme; aber er wollte es sich selbst nicht zugeben. Susanne hatte sich laut weinend auf das Sopha ge- worseu und ließ ihren Thränen freien Lauf. Aber das neue Schreckbild, das Duell zwischen Woldemar und Rudolph, ließ ihr auch in ihrem Schmerze keine Ruhe. Verzweifelnd rang sie die Hände, sprang auf und grübelte, wie sie dem Unheile entgegenarbeiten könne. Nach langem Brüten kam sie auf die Idee, heimlich an Rudolph zn schreiben. Sie schien sehr sicher zu sei», das Duell verhindern zu könne», denn mit einer gewissen Ruhe und Besonnenheit schickte sie sich sogleich an, einen Brief für Rudolph zu ver fassen; ans dem Wege znm Bahnhofe gab sie denselben bei der nächsten Rohrpoststation ans. — Niemandem war in diese» Stunden fideler zu Muthe, als Rudolph Lassen, denn er glaubte, der Doktor müsse furcht bar verliebt sei», daß er so auf eiu Duell dringe. Ans der anderen L-eite ärgerte er sich, daß er seinem Nebenbuhler gewichen war, nnd das wurmte ihn um so mehr, je reizender ihm das Bild der schönen Telegraphistin vor der Seele schwebte. „Hol's der Henker!" riß er sich endlich aus seinen Gedanken heraus; „ich riskire es noch einmal! Mehr als ein Duell kann doch nicht daraus werden! Das Mädel ist zu reizend! Fort, nach dem Bahnhofe!" Eben wollte er das Zimmer verlaffen, als ihm der Kellner einen mit 25 Pfennigen srankirten Rohrpostbrief überbrachte. „Eine Damenhand!" sagte Rudolph zu sich, während er das Couvert von beiden Seiten betrachtete. Rasch erbrach er ihn und las Folgendes: „Herrn Rudolph Lassen! Woldemar hat mir Alles gesagt; auch daß es meinetwegen zwischen Ihnen und ihm znm Duell kommen soll, und deshalb konnte ich nicht unter lassen, zu schreiben. Ach, Rudolph, wenn Sie noch einen Funken Achtung vor mir haben, dann sagen Sie Woldemar Alles zu. Ich verzeihe Ihnen, den» sie wußten ja nicht, Iver ich war. Susanne Kirchberg." Rudolph hielt das Schreiben mit beiden Händen aus gebreitet und las den Inhalt uoch einmal und dann noch ein drittes und viertes Mal, und die Ueberzeugung, daß jene schöne Telegraphistin Susanne Kirchberg, die Schwester des Doktors sei, durchzuckte ihn so gewaltig und zeigte ihm die Art nnd Weise, wie er sich dem Mädchen genähert hatte, in so grellen, peinigenden Farben, daß er sich vernichtet fühlte. Susanne Kirchberg! Ist es denn möglich? Starr vor Ueberraschung stand er da und ließ wie ein Träumender seine Gedanken zurückfliegen. Er sah sich als Primaner im Hause des Kreisphysicus Kirchberg ver kehre», und ein schelmisch-lächelnder, übermüthiger, reizender Backfisch tauchte in seiner Erinnerung auf. „Ja, sie ist es!" rief er aus. „Gott, wo hatte ich denn meine Augen?" Während er das Schreiben in den Händen zerknitterte, beganner das Zimmer mit unruhigen Schritten zu durchmessen. Nu>i konnte er sich das Auftreten des Doktors aller dings erklären, und je klarer ihm Alles wurde, destopeinigender und drückender erschien ihm die Eckenntniß, sich so entsetzlich bloßgcstellt und blamirt zu haben. In heftiger Aufregung faltete er das Papier zusammen, steckte es ein und fuhr sich dann mehrere Male mit den Fingern durch die Haare. Es litt ihn nicht mehr im Zimmer. Hinaus trieb es ihn. Ec schlug sich über die Schloßbrücke den Linden zu und dann immer weiter in den Thiergarten hinein. Ohne darauf zu achten, was neben und um ihn vor ging, verfolgte er seinen Weg und war so in seine brütenden Gedanken versunken, daß er am Brandenburger Thore bald wäre überfahren worden. In der biblischen Geschichte wird von dem „verlornen Sohne" erzählt: „Ec schlug in sich." Dieser selbiger Vor gang vollzog sich in diesen Minuten in der Seele Nudolph's. Ja, er schlug in sich, und der Schlag zündete. (Forts, fogt.) Kircheunachrichten von Rabenau. Sonntag, den 17. Jnni. 1. Trinitatissonntag. Vorm, halb 9 Uhr Gottesdienst. Pfarrer Schimpf in Pesterwitz. Geboren: Den 10. Juni dem Zimmermann Paul Ehregott Lohse in Obernaundorf ein Sohn. — Den 11. Juni dem Steinbild hauer Max Bruno Zimmermann in Obernaundorf eine Tochter. Getauft: Am 10 Juni: Paula Gretcheu Neubert, Tochter des Stuhlbauers Karl Robert Neubert hier. — Gertrud Louise Andrä, Tochter des Maschinenarbeitecs Max Andrii hier. — Karl Erich Kästner, Sohn des Werkfnhrers Max Emil Kästner hier. Aufgeboten: Hermann Paul Pögen, Stuhlbauer hier und Margarethe Olga Köhler in Ostritz. — Heinrich Emil Lahl, Stuhl- baver hier und Selma Frida Käsemodel hier. Gestorben: Den 13. Juni Paula Gretchen Neubert, Tochter des Karl Robert Neubert, Stuhlbausrs hier, 1 Monat alt, welche den 16. Juni beerdigt wird.